Dinner for one — Warum die Schweizer ihre eigene Fassung ausstrahlen

Dezember 29th, 2006
  • Dinner for one — Bei den Deutschen und bei den Schweizern
  • Übermorgen Abend werden zahlreiche dritte Programme in Deutschland erneut den beliebten Silvester-Sketch „Dinner for one“ ausstrahlen. Warum es zahlreiche „Dritte Programme“ in Deutschland gibt? Logisch wäre doch nur ein Drittes. Nun, weil in Deutschland die ARD grundsätzlich „Das Erste“ Programm belegt, das ZDF für das „Zweite Deutsche Fernsehen“ zuständig ist, und dann auf dem dritten Sendeplatz die einzelnen Rundfunkanstalten wieder dran waren, also WDR, NDR, MDR, BR usw, bevor es zur Flut der Privatsendern kam und der Kampf um die Zuschauergunst zwischen „das Vierte“, „la Cinque“, RTL und „Pro Sieben“ begann.

  • In England kennt das keiner
  • Die wenigsten wissen, dass dieser in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Skandinavien und zahlreichen anderen Ländern so beliebte Sketch zwar lange Zeit im England in diversen Varietés aufgeführt wurde aber nie im Fernsehen zu sehen war:

    Der Autor des Sketches ist Lauri Wylie, der ihn in den 1920er Jahren geschrieben haben soll. Nach einigen Quellen führte Freddie Frinton das Dinner for One bereits ab 1945 im englischen Varietee-Theater Winter Gardens auf und zahlte entsprechend Gebühren an Wylie. 1950/1951 habe er dann Wylie alle Rechte abgekauft. Offiziell wurde das Stück 1948 im Londoner Theater Duke of Yorks uraufgeführt. (…)
    Frinton hatte mit diesem Sketch in England großen Erfolg und tourte mit verschiedenen Partnerinnen durchs Land. Pointen und Handlung verbesserte er im Laufe der Jahre.
    (Quelle für alle Zitate: Wikipedia)

    Die eigentliche Fernsehaufzeichnung erfolgte erst 1963 und war nicht nur eine der ersten MAZ Aufzeichnungen des Deutschen Fernsehens, sondern die erste Sendung überhaupt, die ohne Synchronisation auf Englisch gezeigt wurde, nach einer deutschen Einleitung:

    1963 wurde Dinner for One von Peter Frankenfeld und dem Regisseur Heinz Dunkhase im englischen Blackpool, einer Hochburg des Varieté-Theaters, für das Fernsehen wieder entdeckt. Am 8. März (laut NDR) bzw. Mai (laut WDR) 1963 wurde der Sketch in der von Peter Frankenfeld moderierten Live-Sendung Guten Abend, Peter Frankenfeld gezeigt und am 8. Juli 1963 im Theater am Besenbinderhof vor Publikum wiederholt und aufgezeichnet

    Es ist eigentlich kein Wunder, dass diese Nummer in England nie vollständig im Fernsehen zu sehen war. Ein Kritiker meinte, dass so ein spöttischer Umgang mit der „upper class“ und den vielen ehrenwerten Namen in den Sechzigern ganz und gar nicht bei der konservativen BBC auf grossen Anklang gestossen wäre. Der Hauptdarsteller Freddie Frinton hatte eigentlich auch nicht vor, in Deutschland aufzutreten:

    Er war Truppenbetreuer im Zweiten Weltkrieg und hatte keine hohe Meinung von Deutschland, so dass er sich weigerte, den Sketch auf Deutsch aufzuführen. In diesem Zusammenhang ist auch seine jeweilige Frage „Must I?“ („Muss ich?“) zu sehen, wenn es bei seiner Runde um den Tisch an der Zeit ist, den Platz des Gastes „Admiral von Schneider“ (ausgesprochen „won Schneider“) einzunehmen. Vordergründig bezieht sich diese Bemerkung darauf, dass James als Admiral die Hacken zusammenknallen muss, was ihm Schmerzen am Fuß verursacht.

  • Eine eigene, frühere Version für die Schweizer
  • Besonders erstaunte es uns, im Schweizer Fernsehen eine eigene, früher gedrehte Fassung der Nummer zu entdecken, die kürzer ist als die in Hamburg aufgezeichnete:

    Das schweizerische Fernsehen drehte im März 1963 eine eigene Version des Sketches, ebenfalls mit Freddie Frinton und May Warden. Regie führte bei dieser Studioaufnahme Franco Marazzi. Die ganzen Drehaufnahmen sollen nicht einmal anderthalb Stunden gedauert haben. Der Film wurde noch im gleichen Jahr gesendet. Die nächste Ausstrahlung erfolgte aber erst im November 1982.

  • 90 Minuten Arbeit für 11 Minuten
  • Warum beim Schweizer Fernsehen niemand auf die Idee kam, diese Urfassung zwischen 1963 und 1982 auszustrahlen, und was in den restlichen 79 Minuten der Drehaufnahmen (der Film dauert 11 Minuten, die Drehaufnahmen 90 Minuten) aufgezeichnet wurde, das bleibt ein ewiges helvetisches Geheimnis.

  • Der peinliche Grammatikfehler
  • Wichtigster Unterschied zur Hamburger Fassung: Es fehlte die Deutsche Einleitung durch Heinz Piper, der sich in einer frühen Fassung auch noch bei der Erklärung des Satzes „Same procedure…“ grammatikalisch vertan hat:

    Er zitierte James Frage als „same procedure than last year?“ und Sophies Antwort darauf als „same procedure than every year“. Die wiederholte Ausstrahlung dieses Grammatikfehlers führte immer wieder zu Protestreaktionen von Englischlehrern und anderen Sprachkennern, so dass sich der NDR dazu entschloss, die Tonspur durch einen Ausschnitt aus einer Probeaufzeichnung zu ersetzen. Seit 1988 heißt es daher auch in der Einleitung grammatikalisch korrekt: „The same procedure as last year?“ – „The same procedure as every year“.

  • Keine hochdeutsche Einleitung für die Schweizer
  • Hat man die Deutsche Einleitung in der Schweiz vielleicht deswegen vermieden, weil man lieber keinen Grammatikfehler einbauen wollte? Oder weil das Publikum dank unsynchronisierter Filme im Kino es sowieso gewohnt war, Englisch gut zu verstehen? Wir vermuten eher, dass so umgangen werden konnte, eine Schriftdeutsche, Französische, Italienische und Rätoromanische Einleitung produzieren zu müssen. Der Sketch ist ja auch ohne Erklärung leicht zu verstehen.

    Die Schweizer Ausgabe unterscheidet sich in vielen Details. Sie wird statt der deutschen in Norwegen und Schweden und natürlich in der Schweiz gezeigt. Die Handlung ist die gleiche. Die Version unterscheidet sich unter anderem wie folgt:
    • Sie dauert nur 11 Minuten statt 18.
    • Eine Kamera befindet sich im linken Bühnenbereich, sodass manche Einstellungen eine andere Perspektive bieten. (…)
    • Die weiße Tischdecke und die Kerzenständer fehlen in der Schweizer Version und die Kulisse ist insgesamt weniger gediegen.
    • Miss Sophie erscheint, ohne dass James den Gong anschlägt.
    • Nach dem ersten Stolperer des Butlers über den Tigerkopf bückt er sich in der deutschen Version und streicht das Fell wieder zurecht. Dieses Zurechtstreichen fehlt in der Schweizer Version.
    • Die Frage des Butlers „Must I?“ und die zugehörige Antwort von Miss Sophie fehlen in der Schweizer Version.
    • Einige weitere Gags und Einzelheiten, etwa „Is that a dry sherry?“, fehlen ebenfalls.

  • Woher rühren diese Unterschiede?
  • Jetzt wäre es an der Zeit für die Literatur- und Gesellschaftskritiker unter uns, diese Unterschiede zu interpretieren. „Die Kulisse ist weniger gediegen“ heisst es. Aus helvetischer Sparsamkeit oder republikanischem Understatement? „Miss Sophie erscheint, ohne dass James den Gong anschlägt“. Soll auch eine ganz andere Obrikeitsbeziehung angedeutet werden? Überliefert ist, dass die Schauspieler Frinton und Warden vom NDR 4.150 DM Gage bezahlt bekamen. Was die Schweizer bezahlten, ist nicht überliefert.

    Die kürzere Schweizer Version gibt es bei videoGoogle hier zu sehen. Die meisten heute auffindbaren Version bei YouTube gehen auf diese Fassung zurück, leicht zu erkennen an der Kürze von 10-11 Minuten und an den fehlenden Kandelabern auf dem Tisch.

    Hier die 18 Minuten Fassung mit (korrigierter) deutscher Einleitung (Dank an Phipu, der den Film bei video.google.it fand).

    So sieht der Tisch in der Hamburger Langfassung aus:
    Kandelaber in der Hamburger Fassung
    Die Kandelaber werden bekanntlich heute noch auf den Schweizer Strassen verwendet und stehen dort machem Lenker im Weg (vgl. Blogwiese).

    Zürcher Geschnetzeltes auf der Skipiste — Neues von Musicstars wie Kandlbauer, Küblböck oder Clausen

    Dezember 28th, 2006
  • Zürcher Geschnetzeltes auf der Skipiste
  • In Ermangelung frischer Zeitungen stöberten wir über die Weihnachtstage ein bisschen in den Online-Fassungen der Schweizer Tageszeitungen. Dabei stiessen wir auf diese hübsche Passage:

    Dani hatte einiges an Tempo drauf, als es ihn plötzlich einfach ‹hölle gschnätzlet het›.» Der Musiker sei allerdings nie bewusstlos gewesen, habe aber wegen einer Wunde, die vom Haaransatz bis zum Hinterkopf führe, sehr viel Blut verloren
    (Quelle: Berner Zeitung)

    Über 1‘060 Fundstellen von „geschnetzelt“ führen uns bei Google-CH in sämtliche Varianten der Fleischzubereitung. Von „Curry-Poulet“, über „Kalbsleber“ zum „Rindfleisch geschnetzelt“.

  • Beliebte Schweizer Steigerungsattribute
  • Sogar das ein oder andere leckere Hundefutter findet sich darunter. Was hier fehlt ist schlichtweg das kleine Attribut „hölle“ zur Steigerung, kombiniert mit der „ä“ Schreibweise und der End-Inversion von „-zelt“ zu „-zlet“ bei „hölle geschnätzlet“. Wir fragten unseren Fachmann fürs Schweizerdeutsch nach der Bedeutung des kleinen Attributs „hölle“ und erfuhren:

    Interessant ist die Verbindung mit dem Adverb „hölle“ (eigentlich „höllemäässig“ = DE: höllenmässig, höllisch). Es gibt noch mehr solche meist regional verankerte Varianten von Adjektiven und Adverbien. Wie
    u
    uhuere
    ughoga
    rüdig
    henne
    wäuts
    mega

    Jedes Wörtchen wäre es wert in einem uhuere ughoga rüdige henne wäuts mega scharfem Artikel behandelt zu werden, aber dafür reicht heute die Zeit leider nicht.

  • Zurück auf die Skipiste
  • Sich zu kleinen Fleischstücken verarbeiten zu lassen passiert öfters mal auf Schweizer Skipisten. Wir fanden auch:

    Auf der letzten Abfahrt hat’s ihn „gschnätzlet“ und das Handy und mit ihm waren alle Bilder futsch…
    (Quelle: tramstrasse100.ch)

    Und für die Fans extrem-mundartlicher Schreibung dann noch dies hier:

    eg be obe xi womer probs gha hend, aber ebe wie xei…es esch secher 2 mol eine vo unde cho und het chorzerhand alli heiler gschnätzlet. …
    (Quelle: nw1.ch Leider nur noch im Google Cache zu finden)

    (Branitar darf übersetzen, die anderen halten sich so lange ein bisschen zurück bitte)

    Bemerkenswert finden wir, dass gelegentlich das Wort als geschriebene Mundart durch Gänsefüsschen gekennzeichnet wird.

  • Wie könnte man das auf Hochdeutsch ausdrücken?
  • Wen hat es denn da so kräftig auf die Fresse gelegt, auf die Plauze gehauen, aus den Latschen gefegt, dass sogar die Berner Zeitung darüber berichtete? Niemand geringeren als die neue Hoffnung der Schweizer Musikwelt, den Newcomer Daniel Kandlbauer.
    Darf man ihn eigentlich noch die „Schweizer Antwort auf Daniel Küblböck“ nennen? Oder zieht man sich damit den Zorn von ganz Grindelwald, seinem Heimatort, zu? Aber ausser den Vornamen und der Tatsache, dass sie beide durch Casting Shows bekannt wurden, bei denen sie es beide nicht bis auf den ersten Platz schafften, gibt es nicht viele weitere Gemeinsamkeiten. Daniel Kandlbauer ist ein alter Rocker, und die Casting Auftritte nutzte er clever, um sich einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Immerhin gewann er 2006 den Prix Walo als bester Newcomer:

    Der Prix Walo ist die wichtigste Auszeichnung im Schweizer Showbusiness. Er gilt als „Schweizer Oscar“.
    Der Prix Walo wird alljährlich anlässlich einer Galaveranstaltung verliehen. Nebst verschiedenen „Sparten-Prix Walos“ gibt es auch einen Ehren-Prix-Walo, einen Prix-Walo-Publikumsliebling sowie den „Kleinen Prix Walo“, der an Nachwuchstalente verliehen wird.
    (Quelle: Wikipedia)

    Der Preis ist übrigens nicht von dem Schwedischen Krimiautorenpaar Sjöwall&Wahlöö gestiftet, sondern nach Walo Linder (* 6.10.1905 (Walter) Bolligen, gestorben am 20.1.1979 in Walenstadt), dem langjährigen Leiter der Unterhaltungsabteilung (1947-70) beim Radio Zürich.

  • Wer macht seinen Weg, wer hört besser wieder auf?
  • Warten wir es ab, ob Daniel Kandelbauer sich weiter entwickelt und seinen Weg geht oder sich wie die ehemalige Musicstar 2005 Gewinnerin Salome Clausen nach einem Jahr im Show Business dem alten Beruf zuwendet. Salome arbeitet heute wieder als Coiffeuse (für Deutsche Leser: „Hair-Stylistin“). Wegen dieses mutigen Rücktritts, diese ganze Schweinwelt voller Medienhype für immer und bei vollem Bewusstsein zu verlassen, um ihre Lehre zu beenden, ziehen wir heute den Hut und verbeugen uns tief vor ihr. Liebe Salome, wenn wir mal nach Brig kommen lassen wir uns unter Garantie mal von Dir einen erstklassigen (Music)-Star Schnitt verpassen, versprochen!

    Hier Salomes Abschiedsbotschaft vom Showgeschäft . Über die verwendete Mundartfassung mögen sich jetzt bitte im Anschluss gleich die Fachleute streiten. Ich sage mal soviel: Es ist bestimmt Schweizerdeutsch.

    Salome Clausens letzte Botschaft an die Fans
    (Quelle: salome-clausen.ch)

    Nach jedem Satz erst eine Sekunde warten — Über die Wahrnehmung von Ironie bei den Schweizern

    Dezember 27th, 2006
  • Das Schweizerische Verzögerungsmoment
  • Kennen Sie das auch? Sie erzählen auf Hochdeutsch einem Schweizer eine Geschichte mit einer überraschenden Pointe am Schluss. Der letzte Satz ist verklungen, es vergeht eine Sekunde, dann erfolgt die Reaktion des Schweizer Zuhörers. Es passiert nicht immer, aber regelmässig, je nachdem wie genau ihr Zuhörer Ihnen folgen konnte. Ich nenne dieses Phänomen das „Schweizerische Verzögerungsmoment“, wobei ich damit nicht ausdrücken möchten, dass es mir nicht ganz genauso mit Schweizern ergeht. Neulich beim Einkauf im Coop sagte die Verkäuferin „Frohe Wiihnachte“ und danach dauerte es auch bei mir eine Sekunde, bis der Satz zum Kleinhirn durchgedrungen war und ich den Wunsch passend erwidern konnte. Wie drückten es Ursus&Nadeschkin in der hochdeutschen Fassung ihres Programmes „Hailights“ so schön aus:

    Können Sie uns verstehen? Begreifen Sie es auch?

    Etwas rein akustisch wahrzunehmen und es dann auch noch inhaltlich zu begreifen, können grundverschiedene Dinge sein bei der Kommunikation zwischen Deutschen und Schweizern. Es sind vor allem die feinen Nuancen und ironischen Anspielungen, mit denen beide Sprechergruppen Schwierigkeiten in einer Diskussion mit der anderen Gruppe haben.

  • Wann kommt denn nun das Postauto?
  • Meine erste leibhaftige Schweizerin lernte ich auf einer Trampfahrt durch Frankreich kennen. Wir standen am Strassenrand im Burgund und warteten auf den Überlandbus, denn mit Trampen wollte es nicht recht klappen an jenem heissen Julitag. Da sagte die Schweizerin neben mir mehrfach auf Hochdeutsch in einem quengeligen Ton: „Wann kommt denn nun das Postauto“. (Wahrscheinlich war es eher „Poschtauto“, so genau weiss ich es nicht mehr). Dass es sich beim „Postauto“ nicht um den französischen Briefträger sondern um den Überlandbus handelte, vermutete ich selbst ohne Erklärung. Dennoch konnte ich nicht einordnen, ob sie ironisch mit mir sprach, wirklich ungeduldig auf den Bus wartete oder sich sonst wie einen Spass mit mir erlaubte. Quasi mein erstes Deutsch-Schweizer Missverständnis.

  • Faszination und Wahrheitsvermutung beim Hochdeutschen
  • Bei Vorträgen habe ich später in der Schweiz regelmässig erlebt, welche Wirkung von einer hochdeutschen Rede auf Schweizer ausgeht. Sie ist für die meisten Schweizer zunächst mal grundsätzlich 20% wahrhaftiger und vertrauenswürdiger als eine Rede auf Mundart. Auf Hochdeutsch wird nicht gelogen, Hochdeutsch ist die sachliche Sprache der Nachrichten und Katastrophenmeldungen, darin erlaubt man sich keine ironischen Spässe oder Unwahrheiten! So wie das geschriebene Wort für viele Menschen immer eine höhere Glaubwürdigkeit hat als das gesprochen Wort. „Es stand sogar in der Zeitung“ ist ein Beleg für die Wahrheit einer Begebenheit, auch wenn die Zeitung BILD, BLICK oder Daily Mirror heisst. Was gedruckt wurde, muss einfach wahr sein.

  • Per Laserdrucker immer eine Note besser
  • Zu Beginn meines Studiums wurden Seminararbeiten noch mit der Schreibmaschine verfasst. Dann kamen die ersten PCs und Laserdrucker auf und ein paar Semester lang konnte man bei der Professorenschaft allein dadurch eine bessere Note erzielen, dass man seine Arbeit mit einem Laserdrucker im Blocksatz (nach erfolgter Silbentrennung) und in Times New Roman 12pt abgab. Das sah so hammermässig gut aus, der optische Eindruck der satten Schrift war so überwältigend wahr und positiv, dass manch inhaltliche Schwachstelle damit überbrückt werden konnten.

  • Auf Hochdeutsch wird kein Quatsch erzählt
  • So ähnlich ging es mir bei meinen ersten Schulungen als IT-Trainer auf Hochdeutsch vor Schweizern. Ich hatte oft das Gefühl, den grössten Unsinn erzählen zu können. Nur weil der Unsinn auf Hochdeutsch erzählt wurde, galt er in Schweizer Ohren zunächst als wahr, bevor er hinterfragt wurde. Eine Weile lang baute ich daher einen Test ein, einen kleinen Satz, der absoluten Blödsinn enthielt. Entweder die Zuhörer überhörten ihn, oder sie reagierten mit Verzögerung, dann meistens nicht alle, und schon gar nicht alle gleichzeitig.

  • BCC ist eine Blind Carbon Copy Version in Brailleschrift
  • So erklärte ich in Kursen zum Thema „E-Mail“ immer, dass die Abkürzung „CC:“ von „Carbon Copy“ kommt und eine Kohlepapier-Durchschlagsversion der Mail, also eine Zweitkopie bezeichnet, was auch ganz der Wahrheit entspricht. „BCC:“ hingegen komme von „Blind Carbon Copy“ womit die Version in Brailleschrift gemeint sei. Das klingt zwar logisch, ist aber absoluter Quatsch. Falls keine Reaktion erfolgte bei den Zuhörern wusste ich: Hochdeutsch spricht immer die Wahrheit.

  • Ein englischer Fachvortrag klingt super gescheit
  • Ich beobachte dieses Phänomen an mir selbst, wenn ich einen Fachvortrag auf Englisch höre. Auch hier bin ich so fasziniert von der flüssigen Rede, den vielen „gerund forms“, den geschickt angebrachten Argumenten und perfekt betonten Fremdwörtern, die im Englischen übrigens „hard words“ genannt werden, weil sie niemals „fremd“ sind, dass ich auch über eventuelle Banalitäten und Schwachstellen des Inhalts völlig hinwegsehen bzw. hören kann.

  • Haben Schweizer wirklich Mühe mit hochdeutscher Ironie?
  • Ich wehre mich vehement gegen das häufig angebrachte Vorurteil, die Schweizer hätten Mühe mit Ironie und gebrauchen selbst keine Ironie. Richtig ist, sie haben oft Mühe, die Ironie aus dem hochdeutschen Redefluss eines Deutschen herauszuhören weil sie genug damit beschäftig sind, die Rede an sich zu hören und zu verstehen. Deutsche schliessen aus der Tatsache, dass sie ihrerseits bei den Schweizern keine Ironie hören, fälschlicher Weise darauf, dass diese keine verwenden. Irrtum, denn diesmal wurde die ironische Nuance einfach vom Deutschen nicht verstanden, bzw. nicht begriffen. Anders ausgedrückt: Nur weil Sie als Deutscher bei den Schweizern noch nie Ironie bemerkt haben, heisst das noch lange nicht, dass Schweizer Ironie nicht verwenden, sondern lässt eher darauf schliessen, dass Ihr Schweizerdeutsches Hörverständnis noch nicht bis zu dieser Bedeutungsebene vorgedrungen ist. Denn „Was ich nicht höre, das gibt es nicht“ ist der falsche Ansatz. „Was ich hören kann habe ich deswegen noch lange nicht verstanden“ wäre besser.

  • Geschriebene Ironie muss als solche gekennzeichnet werden
  • Warum Schweizer häufig mit geschriebener Ironie ihre Problem haben hängt mit dem oben beschriebenen „Wahrheitsanspruch“ der Schriftsprache zusammen. Geschrieben wird in den Zeitungen und in Romanen, Schriftsprache hören kann man in einer Nachrichtensendung. All diese Verwendungen sind in der Regel frei von Ironie oder Doppeldeutigkeiten, darum muss bei Glossen oder ironisch gemeinten Texten immer deutlich mit 🙂 Smilies angefügt werden, damit für jeden Leser klar ist, dass es sich hier nicht um Sachtexte handelt. Die Blogwiese ist dafür ein gutes Beispiel.

    Seit ich im September 2005 auf der Blogwiese erklärt habe, dass „es schiesst mich an“ wahrscheinlich vom falsch aufbewahrten Gewehr im Schrank herrührt, welches plötzlich zu ballern beginnt, wurde mir sicherlich schon 20 Mal per Email erklärt, dass ich dieses Wörtchen falsch verstanden habe. Das „invisible Smiley“ im Originalartikel war schlichtweg übersehen worden. Kein Wunder, war ja auch „invisible“.

    Bitte auf keinen Fall mit der Ordonnanzwaffe! — Alternativen für den Schweizer Selbstmord

    Dezember 22nd, 2006
  • Zwei Drittel aller Selbstmorde werden mit der Ordonnanzwaffe begangen
  • Am 16.12.08 lasen wir im Internet bei Bluewin über ein Interview, dass die Berner Zeitung veröffentlich hatte:
    Ordonnanzwaffe bei Familiendramen
    (Quelle: Bluewin.ch/news)

    Mit grossem Erstaunen und Entsetzen erfahren wir, dass die zur Verteidigung der Schweiz in den häuslichen Kleiderschränken aufbewahrten Ordonnanzwaffen tatsächlich zum Schiessen benutzt werden, mehr noch, zum Schiessen auf Menschen mit nachgerader tödlicher Wirkung! Bisher gingen wir doch davon aus, dass es hier ausschliesslich um „Tradition“ und „Brauchtumspflege“ ging. Und natürlich um die Wahrung der persönlichen Sicherheit, vor allem dass es um die Sicherheit der Schweiz ging, und dass diese Waffen niemals als „Waffen“ eingesetzt werden, mit denen z. B. ein Selbstmord geschieht. Wir lasen im Text des Artikels:

    [sda] – Danach dürften jährlich fast 300 Menschen an Verletzungen von Schüssen aus Armeewaffen sterben. „Das ist sehr viel mehr als ich erwartet habe“, sagte Killias in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der „Berner Zeitung“.
    Bei den Suiziden dominierten mit zwei Drittel ganz klar die Ordonnanzwaffen. Bei Familienmorden seien es private (knapp die Hälfte) und Ordonnanzwaffen (36 Prozent). Die Untersuchungen hätten zudem gezeigt, dass bei Morden im öffentlichen Raum ganz klar die illegalen Waffen dominieren, sagte Killias.

    300 Menschen sterben im Jahr an Armeewaffen? Unmöglich! Und ein Drittel davon bei Suiziden? Das ruft unser Verantwortungsbewusstsein auf den Plan und wir haben beschlossen, für die anstehenden Festtage einen Aufruf zu starten. Falls Sie persönlich demnächst in der festlichen Weihnachtszeit geplant hatten, von eigener Hand aus dem Leben zu scheiden, dann tun Sie uns und den Schweizer Eidgenossen doch dabei bitte einen grossen Gefallen, der leicht zu realisieren ist:

    Nehmen Sie um Himmelswillen für ihr Vorhaben nicht die Ordonnanzwaffe!

    Sie zerstören sonst unseren Glauben in die Friedfertigkeit und Gewaltfreiheit der Schweizer. Wenn wir bis heute in einem Jahr die Zahl der Selbstmorde und Morde mit Ordonnanzwaffen auf Null herunterbringen könnten, dass wäre doch ein toller Erfolg. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

  • Andere kreative Methoden sich umzubringen
  • Es gibt doch weiss Gott zahlreiche andere super gefährliche Gegenstände in ihrem Haushalt, mit denen Sie sich umbringen könnten, wie z. B. Ihren Vorschlaghammer, Ihre Stichsäge oder zur Not tut es auch ein KorkenZapfenzieher zum Öffnen der Pulsader. Auch eine Gabel kann zur tödlichen Waffe werden, wie wir in der Diskussion über die Gefährlichkeit des Sturmgewehrs lernen mussten. Warum testen Sie nicht einfach die Möglichkeiten der heimischen Stromversorgung (vgl. Selbstmord an der Steckdose)?

    Selbstmord an der Steckdose

    Auch der Zweitwagen Ihrer Frau ist eine gefährliche Waffe, wussten Sie das nicht? Sie müssen ja nicht gleich Ihr eigenes Auto zerdeppern. Ein geschickter Sturz von einer Brücke, und schon ist das Problem gelöst. Vielleicht nicht gerade in ein Naturschutzgebiet, das wäre unschön, wegen der Ölflecken im Feuchtgebiet.

    Sie sehen, es gibt viele Möglichkeiten. Alles ist erlaubt, nur lassen Sie bitte die Finger von der Waffe! Die Zahlen, die jetzt veröffentlicht wurde, sind deprimierend und rufschädigend für den Schweizer, der seine Waffe sorgsam daheim verwahrt. Wir sollten alle etwas tun, damit sich diese Zahlen in der Zukunft ändern. Sie könnten an Weihnachten Ihren ganz privaten Teil dazu beitragen!

  • Vielleicht gewinnen Sie als Preis den nächsten Darwin Award?
  • Falls es Ihnen an kreativen Ideen mangelt, wie man sonst noch aus dem Leben scheiden könnte OHNE dabei die Ordonnanzwaffe zu gebrauchen, wie es statistisch gesehen zwei Drittel aller Schweizer Selbstmörder im Jahr tun, dann hätten wir da eine gute Website als Tipp für sie: darwinawards.com

    Hier lesen Sie z. B. von der grandiosen Idee des für den Darwin Award 2005 Nominierten, der sich am Strand unter seinen Jeep zum Schlafen legte. Am nächsten Morgen stand ein einsamer Jeep mit den Rädern versunken im Sand, und vom Fahrer keine Spur. Als der Wagen nach Tagen immer noch dort stand, wurde er schliesslich abgeschleppt, und schon ward der Fahrer gefunden.

    Oder Sie nehmen sich die Geschichte des jungen Mannes als Beispiel, der sich am Strand ein tiefes Loch buddelte, um darin mit seinem Liegestuhl gegen Wind und Sonne besser geschützt zu sein. Leider wurde er dabei verschüttet und konnte nicht mehr rechtzeitig ausgegraben werden.

    Nun, es gibt zahlreiche weitere gute und nachahmenswerte Ideen, sein Erbgut nicht mehr für die nächsten Generationen zur Verfügung zu stellen, und vielleicht gewinnen Sie ja dann den Darwin Award 2007 mit Ihrer Glanztat (Schweizerdeutsch: „Exploit“). In der Schweiz ist das mit dem gewollten aus dem Leben scheiden übrigens nicht ganz so kritisch wie in anderen Ländern Europas.

  • Auch der Freitod wird liberal gehandhabt in der Schweiz
  • Die Schweizer haben da eine ganz besondere Rechtslage:

    In der Schweiz ist die aktive Sterbehilfe strafbar, selbst wenn sie auf ausdrückliches Verlangen hin erfolgt (Art. 114 des Schweizerischen Strafgesetzbuches). Nicht strafbar sind dagegen die passive und die indirekt aktive Sterbehilfe. Ebenfalls nicht strafbar ist die Beihilfe zum Suizid, solange diese nicht aus selbstsüchtigen Beweggründen erfolgt (Art. 115 StGB).
    (Quelle : mediadesk.unizh.ch)

    Die Grundvoraussetzungen für Schweizer, ganz legal und bitte OHNE Zuhilfenahme der Ordonnanzwaffe aus dem Leben zu scheiden, sind also gegeben. Wir lasen im Tagi dazu:

    Die Schweiz kennt bezüglich der Sterbehilfe eine der liberalsten Regelungen in Europa. Die Beihilfe zum Selbstmord ist im Unterschied zu vielen Nachbarländern unter gewissen Voraussetzungen erlaubt. Sterbehelfer werden gemäss Strafgesetzbuch nur bestraft, wenn sie aus selbstsüchtigen Motiven gehandelt haben. Bei der Suizidhilfe vermittelt der Sterbehelfer in der Regel dem Patienten die tödliche Substanz, der Sterbewillige nimmt diese dann ohne Fremdeinwirkung selber ein.
    (Quell: Tagesanzeiger)

    Also, es muss wirklich nicht die Ordonnanzwaffe sein, die bei Ihnen daheim im Schrank steht! Und eines sollten Sie ganz besonders bedenken, falls Sie doch an die Verwendung dieser Waffe gedacht haben: Es ist verboten die Munition für einen Selbstmord zu verwenden! Denken Sie als an die strafrechtlichen Konsequenzen Ihres Tuns, das will gut überlegt sein!

  • Wer nicht mehr in den Ausgang gehen will, geht vielleicht zu EXIT
  • Sie bekommen in der Schweiz sogar eine Hilfe, die Sie sonst nirgends in Europa finden: Die Organisation EXIT. Wichtig ist, dass Sie dort Mitglied werden, bevor Sie ganz legal aus dem Leben scheiden dürfen. Die notwendige Hilfe wird nur Mitgliedern erteilt. Ob der Mitgliedsbeitrag für ein Jahr im voraus zu bezahlen ist? Dort heisst es unter dem Abschnitt „Freitodbegleitung“:

    „Wie muss ich mir eine Freitodbegleitung konkret vorstellen?“
    Befindet sich ein EXIT-Mitglied in einer von ihm als ausweglos und sinnlos empfundenen Situation, wendet es sich an die Geschäftsstelle und bittet – entweder persönlich oder über Angehörige – um Hilfe. Ein Mitglied des Freitodbegleitung-Teams besucht darauf das Mitglied und klärt im persönlichen Gespräch die Situation. Kann die Urteilsfähigkeit eindeutig bejaht werden und ist der Todeswunsch Ausdruck einer abschliessenden Bilanzierung der Lebenssituation, wird die Rezeptierung des von EXIT verwendeten Barbiturats (Natrium-Pentobarbital/NaP) veranlasst – sei es über den Hausarzt oder über einen Vertrauensarzt von EXIT.
    (Quelle: exit.ch)

    Wer wird da noch zur verbotenen Waffe greifen wollen? Ist doch alles perfekt organisiert. Aber am liebsten ist es uns, wenn Sie diesen dunklen Gedanken rasch verdrängen oder sich von der „Dargebotenen Hand“, Tel. 143, helfen lassen, denn wir wollen Sie ja weiterhin unter den Lesern und Kommentatoren der Blogwiese wissen. Auch diese Organisation ist etwas speziell Schweizerisches.

  • Komm gib mir Deine Hand
  • Im Land der Home-Suizides mit der Armeewaffe gibt es nicht nur die Organisation „EXIT“ sondern auch eine „Dargebotene Hand“, rund um die Uhr erreichbar unter Tel. 143:

    Die Dargebotene Hand ist rund um die Uhr eine erste Anlaufstelle nicht nur für Menschen in schwierigen Lebenslagen, sondern auch für solche mit alltäglichen Sorgen – unabhängig von Alter, kultureller oder konfessioneller Zugehörigkeit. Die Dargebotene Hand nimmt über Telefon und Internet die Rolle eines verständnisvollen, einfühlsamen und unvoreingenommenen Gesprächspartners ein, der wirklich zuhört und mit dem die Ratsuchenden über alles reden können. Selbstverständlich unter Wahrung völliger Anonymität und hundertprozentiger Diskretion.
    (Quelle: 143.ch )

    Und jetzt wissen Sie endlich, warum an allen Stellen in der Schweiz, die für Selbstmorde bekannt sind, ein Aufkleber mit einer Hand und der Nummer 143 klebt. Die Raterunde von „Genial-Daneben“ Deutschland wusste es nicht. Könnte man diesen Aufkleber nicht auch auf die Waffe im Schrank anbringen? Fände ich eine prima Idee.

    Die dargebotene Hand

    Die Blogwiese wünscht allen Leserinnen und Lesern eine gesegnete und friedliche Weihnacht! Wir machen Pause bis zum 27.12.06. Und nicht vergessen: Finger weg von der Knarre im Schrank!

    Ich wünsche Ihnen auch noch einen schönen Tag! — Die hohe Kunst der Schweizer Gesprächsbeendigung

    Dezember 21st, 2006
  • Verabschieden in der Truman Show
  • Erinnern Sie sich noch an den Film „Die Truman Show“ von 1998 mit Jim Carrey?

    Die zentrale Figur des Films ist der Versicherungsvertreter Truman Burbank, der – ohne davon zu wissen – der Hauptdarsteller einer Fernsehserie ist, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Leben eines Menschen von Geburt an zu dokumentieren und live im Fernsehen zu präsentieren. Zu diesem Zweck hat der Produzent der Serie, Christof, Truman als Baby von seiner Firma adoptieren lassen und eigens eine von Wasser umgebene Küstenstadt, Seahaven, unter einer riesigen Kuppel – dem OmniCam-Ecosphere-Gebäude – bauen lassen, unter der Truman, umgeben von Schauspielern aufwächst, täglich beobachtet von über 5000 Kameras.
    (Quelle Wikipedia)

  • Rumlümmeln auf Ikeasofas
  • Truman verbrachte seine Tage wie jeder gute Amerikaner. Er trug den Müll raus, ging arbeiten, traf Freunde etc. Es wäre ihm nicht im Traum eingefallen, stundenlang auf einem Sofa abzuhängen. Kurze Zeit später strahlten zahlreiche europäische Fernsehsender das baugleiche TV-Format „Big Brother“ zum ersten Mal aus. Die ersten Teilnehmer wussten zwar, dass sie von Kameras bei all ihren Schritten beobachtet wurden, ahnten aber noch nichts von den medialen Konsequenzen ihres Handelns. Damals hatte Cablecom noch ca. 50 Stationen im Angebot (heute 37), und wer Lust hatte, konnte an einem gewöhnlichen Wochenabend beobachten, wie Menschen in Wohncontainern sich auf Ikeasofas rumlümmelten und dabei auf Englisch, Deutsch, Schweizerdeutsch, Österreichisch, Italienisch oder Französisch miteinander parlierten. Alles zur besten Sendezeit zwischen 20:00 und 21:00 Uhr. Truman wusste nicht, dass er gefilmt wird und er pflegte, als wohlerzogener Amerikaner, einen Ritus des „Guten Tag Wünschens“. Im Original-Drehbuch steht:

    TRUMAN
    Oh! And in case I don’t see ya‘! Good
    Afternoon, Good Evening, and Goodnight!
    (laughs jovially)
    Yeah…yeah…
    (Quelle: un-offical.com)

    Truman beim letzten Abschied
    (Foto Truman Show: Truman verabschiedet sich ein letztes Mal von seinem Publikum)

    Truman muss Schweizer Vorfahren haben, denn die Kunst, sich freundlich aus einer Situation zu verabschieden, wird in der Schweiz mit Hingabe gepflegt. Die notwendigen Sätze sind den Schweizern dabei so vertraut und in Fleisch und Blut übergegangen, dass ihnen die Ausführlichkeit ihres Verabschiedens gar nicht mehr bewusst ist und erst markant auffällt, wenn dass Ritual einmal fehlt, falls z. B. jemand am Telefon einfach nur knapp „Tschüss“ sagt und das Gespräch sofort beendet. Man sagte mir, dass diese Unsitte, sich so kurz angebunden zu verabschieden, in der Schweiz „sich französisch verabschieden“ genannt wird. Merkwürdig, ich hatte die Abschiedsriten in Frankreich immer mit viel „Küsschen hier“ und „Küsschen da“ in Erinnerung, sehr zeitaufwändig. Vielleicht wird das von Schweizern ja anders wahrgenommen.

  • Dann wünsche ich Ihnen auch noch einen recht schönen Tag!
  • Die Varianten, mit der Sie in der Schweiz ein Telefongespräch oder eine direkte Begegnung zu Ende führen können, sind zahlreich und hängen von der Tageszeit und vom Wochentag ab. „In dem Fall wünsche ich Ihnen auch noch einen recht schönen Abend“ gehört sicherlich noch zu den knapperen Varianten. „Einen recht schönen Tag noch und ein schönes Wochenende wünsche ich Ihnen!“. Den „schönen Tag“ gibt es gelegentlich im Kanton Zürich auch jovial verkleinert als „schönes Tägli“, ganz ohne „Schlägli“. Wir fragten unseren Fachmann fürs Schweizerdeutsche nach seiner Meinung:

    Sicherlich hast du im Raum Zürich schon oft ein verkaufsbeflissenes, verabschiedendes „… und no es schöns Tägli!“ gehört. Natürlich begleitet von den anderen geschäftstüchtigen Floskeln „danke vilmaal, uf Widerluege Frau/Herr …“ Eben, im Züribiet ist das durchaus gebräuchlich. Ausserhalb des Zürcher Sprachraums ist diese Formel aber eher selten, bzw. klingt eher lächerlich. Unter Kollegen wünscht man sich „no en schöne“, womit die Hauptaussage (Morge/Tag/Abig) gleich verstümmelt wird, wie in „en Guete“ (Appetit) , „es guets Nöis“ (Jahr). Die gewöhnliche Formel, womit man aber immer im richtigen Soziolekt ankommt, ist das einfache „no en schöne Tag„.
    (Quelle: private E-Mail)

    Es dürfte zugezogenen Deutschen schwer fallen, sich diesem Ritual auf Dauer zu verweigern und schroff und wortkarg mit „schönen Tach noch…“ davon zu ziehen. Vielleicht gewöhnen sie sich einfach meine Lieblingsformel für den kurzen Abschied am Freitag abend im Fahrstuhl an: „in dem Fall„. Aus der Truman Show haben wir gelernt, dass es in anderen Ländern und Kulturen ähnliche Verabschiedungsriten gibt.

  • Verabschieden in Frankreich
  • In Frankreich überlebten diese Höflichkeitsfloskel vor allem im offiziellen Briefverkehr. Anstelle eines preussisch-knappen „hochachtungsvoll“ pflegt man dort Verabschiedungen wie: „Restant à votre entière disposition, je vous prie d’agréer, cher Monsieur, l’expression de mes sentiments les plus distingués“ = (sinngemäss) „Ihnen vollumfänglich weiterhin zur Verfügung stehend bitte ich Sie anzunehmen, lieber Herr, den Ausdruck meiner unterwürfigsten Gefühle“.

    Nun, einen solchen verbalen „Kratzfuss“ müssen Sie verbal in der Schweiz nicht machen, schliesslich sind sie beim „einig Volk von Brüdern“, die sich in ihren souveränen Orten seit 1648 als Republik verstanden. (vgl. Wikipedia).

  • Verabschieden per Reinigungsmittel
  • Wie gesagt: Es ist ein Ritual der Höflichkeit, es wird kaum bewusst wahrgenommen geschweige denn bewusst ausgeführt. Aber es fällt sofort auf, wenn sie aus der Reihe scheren und mit einem knappen „Adé“ von dannen ziehen, vom „Tschüss“ ganz zu schweigen. „Adé“ wird im Südalemannischen Freiburg i. Brs. übrigens zu „Adaa„, das schon wieder fast wie ein Reinigungsmittel klingt, nämlich „Ata!“
    ATA Scheuer-Pulver
    (Quelle Foto: Ostprodukte-Versand.de)

    Nicht verwechseln mit Atta, Vorname Mohammed.