Den 1. August in Deutschland feiern! — Was die Schwarzwälder alles für zukünftige Rentner organisieren

Juli 31st, 2006
  • Warum nicht mal den 1. August in Deutschland feiern?
  • Die Schwarzwälder tun alles, um für ihre Schweizer Nachbarn attraktiv zu werden. So feiert die Gemeinde Häusern (bei St. Blasien im Hochschwarzwald) zum Beispiel vom 29.07. bis zum 06.08.6 die „Grüezi Schweiz“ Woche:
    Grüezi Schweiz Woche in Hausern
    Die Grüzi Schweiz Woche in Hausern

    Was werden sich da die Schweizer freuen, dass sie nun ihren Nationalfeiertag auch mit den Deutschen in Deutschland feiern können! Eine „Schluchsee-Kreuzfahrt“ wird auch angeboten! Kennen Sie den Schluchsee?
    Segeln auf dem Schluchsee
    (Foto: segelclub-schluchsee.de)
    Das Top-Highlight des Hochschwarzwalds. Ein Stausee, umgeben von Wald, der Strand voller Findlinge aus der letzten Eisszeit, kein Alpenblick und Jetski-Fahren, aber jede Menge Surfer dort unterwegs. Bei der Kreuzfahrt sehen Sie vor allem eins: Wald, genauer gesagt „Schwarzwald“. Wem der Züri- oder Genfersee schon immer zu stressig und mit zu viel hübscher Aussicht überfrachtet erschien, für den ist der windige Schluchsee auf 930 Höhenmeter genau die richtige Alternative. Zu warm wird es Ihnen dort bestimmt auch nicht.

    Mit Volkstanz und Alphornblasen ist das garantiert eine Mordsgaudi am 1. August. Es wird garantiert auch ein Feuerwerk abgebrannt und zum Essen gibt es ausschliesslich Spezialitäten aus der Schweiz. Ob die sogar einen Redner einfliegen und die 4sprachigen Handzettel mit dem Text der Schweizer Nationalhymne zum Mitsingen an die Einwohner verteilen?

    Es muss den Schweizer Rentnern dort ähnlich wohl ergehen wie den Bayern, die mitten in Texas in Fredericksburg an einem Original „Munchener Oktoberfest“ teilnehmen dürfen, oder bei einem Jodelwettbewerb in Tokyo zu Gast sind.
    Oktoberfest in Texas

    Auch in Berlin dürfen die Deutschen mit den Schweizern feiern:

    Am 1. August laden der Schweizerische Botschafter in Berlin und der Gastkanton Zürich die Berliner Bevölkerung zur Feier des Schweizer Nationalfeiertages ein. Alle Berlinerinnen und Berliner sind eingeladen, den Gastkanton Zürich besser kennen zu lernen. Das traditionelle Volksfest findet auf dem Mittelstreifen des Boulevards Unter den Linden statt (12 bis 16 Uhr). Die durchschnittliche Besucherzahl lag in den vergangenen Jahren bei rund 12’000 bis 15’000 Personen.

    Der Kanton Zürich stellt für das Volksfest beim Haus der Schweiz ein hochkarätiges kulturelles Programm zusammen. Auf der Bühne werden unter anderem eine Comedy-Truppe, eine Jazz-Musikerin und eine Brass Band auftreten. Mehr sei aber an dieser Stelle noch nicht verraten. Nur soviel: Durch das Programm wird der Schweizer Schauspieler Stefan Gubser (Polizist Bühler in «Mein Name ist Eugen», Rollen in «Tatort», «Grounding» etc.) führen.
    (Quelle: schweiztag.de)

    Besonders appart finden wir das Motto dieses Schweiztags:
    Zürichs Duft in Berliner Luft
    (Quelle Foto: schweiztag.de)

    Das „Zürichs Duft“ riecht nach Fehler, denn es müsste eher „Zürcher Duft“ heissen, sonst denken die Preussen noch, man schreibt das Adjektiv von Zürch mit „i“ in der Mitte. Grauenhaft, das.

    Haben Sie auch eine Scheibe? — Neue Schweizer Redewendungen

    Juli 30th, 2006
  • Auf was man alles schiessen kann
  • Die Schweizer sind ein schiessfreudiges Völkchen. Schon mehrfach berichteten wir vom „Schiesspurgatoriumobligatorium“, der Pflicht des wehrhaften Schweizers, seine international geführten Fähigkeiten als „Sniper“ zu trainieren und auszuüben. Geschossen wir mit den Hochpräzisionsgewehren über 300 Meter auf Scheiben, nicht auf Pappkameraden wie bei der Deutschen Bundeswehr.
    Unternehmen Pappkamerad
    (Foto: Filmplakat „Unternehmen Pappkamerad„, Quelle: murnau-stiftung.de)

    Das Schiessen auf solch einen „Pappkameraden“ war für manchen Wehrdienstleistenden in der Bundeswehr Grund genug, sofort und unmittelbar den „Kriegsdienst mit der Waffe“ zu verweigern, wie es seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland von den Vätern der Verfassung in Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes vorgesehen ist:

    „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden“.
    (Quelle: datenschutz-berlin.de)

    Wer den Kriegsdienst in Deutschland verweigern will, sollte diesen Satz nebst Quelle auswendig können, denn nichts ist peinlicher, als bei einer Verhandlung danach gefragt zu werden, und gar nicht zu wissen, auf welchen Artikel man sich da beruft.

    Interessant ist der nachfolgende Satz im Grundgesetz: „Das Nähere regelt ein Bundesgesetz“, denn da öffneten sich dann etliche Möglichkeiten, die von Jahr zu Jahr angepasst wurden.

  • Eine Scheibe haben — auf eine Scheibe schiessen
  • Die Schweizer schiessen also auf Scheiben, wenn sie nicht gerade selbst „eine Scheibe haben“. Nein, sie malen sich dazu nicht runde Kreise auf die Stirn, im Sinn eines Kamikaze-Kämpfers als „bewegliches Ziel“ für die anderen. Es ist kein angenehmes Gefühl für einen Schweizer, wenn er „eine Scheibe hat“. Es ist ihm dann schummrig, schlecht, er ist wackelig auf den Beinen, wie nach einer durchzechten Nacht ohne Schlaf, oder nach dem Genuss diverser Chemikalien.

    In Deutschland wäre man in dieser Situation wahrscheinlich „neben der Kappe“ oder man hätte eine „Mattscheibe“, wie ein Fernseher, der nur weisses Rauschen anzeigt. „Neben der Kappe“ sein findet sich bei Google-De immerhin 11.900 mal, während die Schweizer „Schiibe han“ nur wenig geschriebene Belege hat. Wem so schlecht ist, der schreibt das selten auf. Wahlweise ist es dann eine „hammer Schiibe“, eine „mega Schiibe“ oder eine „fette Schiibe“ die jemand hat: Vgl. Google.

    Mit dem Ausdruck lässt natürlich wunderbar wortspielen, zum Beispiel in einem Beitrag über die Plattenindustrie:

    Der König bin ich und nicht die Herren und Damen der Industrie, die mittlerweile vor lauter Prozessen, An- und Wehklagen eine ziemliche Scheibe haben dürften.
    (Quelle pctipp.ch)

    Das bemerkenswerte Züri-Slangikon führt diese Redewendung als eine von vielen Varianten für „müde, erschöpft“ sein:

    chasch mi schüüfele (ich bin todmüde), d Luft isch dusse, d Schlüüch sind leer, dure, duuch, fertig sii mit de Wält, fix und foxi, flade, fläde, flocho, gschlisse, gschluuchet, halb-läbig, i de Brüch, i de Seil hange, ich han e Schiibe, im Arsch sii, lulo (lustlos), proche (gebrochen), putt (Abk. von kaputt), säcke, schläbe, Schrott, sugo, teig, tilt, uf de Felge, uf de Schnäuz, uf de Schnure, uf de Stümpe, uf em Hund, uf em Zahfleisch laufe, uf Resärve, uusbrännt, uusglutschet, voll am Arsch, Wind i de Wüeschti haa, zur Sou
    (Quelle: Slängikon)

    Ob es auf Züridütsch genauso viele Ausdrücke für „ich habe Lust zu arbeiten“ gibt?

  • Eine Scheibe abschneiden und Scheibenkleister
  • Im Hochdeutschen können wir uns davon ruhig „eine Scheibe abschneiden“, den dass wäre die einzige Redewendung, die wir zum Thema beitragen können. Abgesehen von der Anmerkung, dass das Wort „Scheibe“ oder „Scheibenkleister“ gern als harmloser Ausweichbegriff für gleichbeginnende Worte der Fäkalsprache verwendet werden. Womit sich durch den Ausruf „Es schiist mich an“ der Reigen wieder schliesst.

  • Die Wahrheit über „es schiist mich an“
  • Einst haben wir behauptet, dass die Schweizer diesen Fluch nur äussern wenn daheim das Sturmgewehr beim Putzen im Kleiderschrank umfiel und sich ein Schuss von allein in Richtung Putzfrau löste (vgl. Blogwiese) . Nachdem wir über diesen Irrtum in der Zwischenzweit an die 20 Mal aufgeklärt wurden, halten wir heute fest fürs Protokoll: Ja, wir wissen was „es schiist mich an“ bedeutet, wobei wir bei der Vorstellung von reflexiver Stuhlgang immer noch etwas unter mangelndem Vorstellungsvermögen leiden. Wie soll das denn funktionieren? Will man uns hier etwa verscheissern?

    Zur Rente nach Deutschland — Migration in die andere Richtung

    Juli 29th, 2006
  • Das dritte Lebensalter
  • Ein „Rentier“ ist nicht nur ein Tier bei den Lappen
    Rentier
    (Quelle Foto: angeln-und-jagen.de)

    sondern auch ein Mensch, der überwiegend von seinen Renten lebt. Wir dürfen daher auch „Rentner“ zu ihm sagen.

    Rentier [], der; -s, -s [frz. rentier, zu: rente, Rente]:
    1. (veraltend) jmd., der ganz od. überwiegend von Renten (b) lebt: ein wohlhabender Rentier

    Die Franzosen haben den hübschen Euphemismus „Troisième Age“ dafür geprägt, wenn jemand im „dritten Lebensalter“ angekommen ist. Die Deutschen Volkshochschulen, die uns stets an Volkswagen, Volkskundler und Volksmusik erinnern, heissen dort oftmals „Université du troisième âge“, denn sie werden bevorzugt von Hausfrauen, Arbeitslosen und eben Rentnern besucht.

  • Für die Rente Steuern zahlen
  • In der Schweiz endet die Steuerpflicht nicht mit dem Eintritt ins Rentenalter. Das ist in Deutschland ein wenig anders:

    Alle Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gehören zu den sonstigen Einkünften und sind steuerpflichtig. Zwar ist meistens tatsächlich keine Einkommensteuer zu zahlen; bezieht der Rentner bzw. sein Ehegatte außer der Rente weitere Einkünfte, kann es zu einer Besteuerung der Rente kommen. Dies wird vom Finanzamt geprüft, vom Rentenversicherungsträger werden keine Steuern von der Rente einbehalten.

    Die Renten sind nicht in voller Höhe, sondern nur mit dem sogenannten „Ertragsanteil“ steuerpflichtig. Die Höhe dieses Ertragsanteils richtet sich nach dem Lebensalter des Rentners zu Beginn der Rente. Er bleibt – vorbehaltlich gesetzlicher Änderungen – für die weitere Dauer des Rentenbezuges bestehen. Bemessungsgrundlage für den steuerpflichtigen Ertragsanteil ist die Bruttorente (vor Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung).
    (Quelle: finanztip.de)

  • Im Alter nach Deutschland
  • Wer während der Lebensarbeitszeit seine Rentenbeitrage einzahlte, muss seine Pension im Alter nicht nochmals versteuern. Grund genug für viele Schweizer, sich einen Altersruhesitz ausserhalb der Schweiz zu suchen. Beliebt ist der Südschwarzwald, denn von der Sprache her fühlen sich die Schweizer dort fast wie daheim, der Weg zur Migros nach Lörrach ist nicht weit, und die Steuer fällt wesentlich geringer aus:

    Kapitalflucht verkehrt: Schweizer Rentner ziehen ins Steuerparadies Deutschland
    Mit 66 Jahren, da fängt für die Schweizer offensichtlich die Umzugslust an: Immer mehr Rentner verleben den Lebensabend im benachbarten Deutschland. Gerade bei geringen Alterseinkommen ist hier das Leben wesentlich günstiger. Wichtiger Kostenpunkt: In Deutschland müssen die Renten wesentlich geringer versteuert werden als in vielen Kantonen der Schweiz. Pensionen sind bis jetzt im Steuerparadies Deutschland zudem noch komplett von der Steuer befreit. Zudem sind die Lebenshaltungskosten in Deutschland wesentlich günstiger als im Hochlohnland Schweiz.
    (Quelle: shortnews.stern.de, nach Blick)

    Blochen ohne Blocher — Wenn es der Schweizer eilig hat

    Juli 28th, 2006
  • Er blocht auch ohne Blocher
  • Wir lasen in der SonntagsZeitung vom 16.07.06 über zwei in der Schweiz gestoppte Teilnehmer des verbotenen „Cannonball-Rennen“:

    „Die Lady musste 1500 Franken Bussendepot hinterlegen, ihr Konkurrent 2’500 Franken. Beträge aus dem Benzinkässeli, die beide anstandslos bezahlten. Keine Wirkung hatte das Fahrverbot für die Tempobolzer: Die für solche Fälle vorgesehenen Beifahrer übernahmen das Steuer. Und blochten unbeeindruckt weiter, durch den Gotthard Richtung Rimini.
    (SonntagsZeitung 16.07.06, S.2)

    Nun, dass hier nicht Geld dafür bezahlt wird, um Reisebusse ins Depot zum Übernachten zu bringen, haben wir nach fünf Jahren Schweiz begriffen. Auch über das „Benzinkässeli“ verziehen wir keine Miene mehr, es steht gleich neben dem Kuchenkässeli (Chochichästli) auf dem Küchentisch. Nein, was uns hier irritierte ist das Tätigkeitswort „blochen“. Es hat doch nichts mit dem Schweizer Bundesrat Christoph Blocher zu tun?

  • Ein Blocher ist zum blochen da
  • Doch, der Familienname des von Deutschen Einwanderern (vgl. Tages-Anzeiger) abstammende Bundesrat Blocher stammt von einem Tätigkeitswort, welches uns zwar irgendwie an „bloggen“ oder „blocken/blockieren“ erinnert, tatsächlich aber auf Hochdeutsch „bohnern“ bedeutet.

  • Wenn Sie einen Blocher haben, müssen Sie einlassen
  • Der Schweizer „Blocher“ ist in Deutschland ein „Blocker“, ein „Bohnerbesen“, eine „schwere Bürste mit Stiel zum Einwachsen von Fussböden“ (Quelle: Variantenwörterbuch S. 126)
    Der Bohnerbesen ist ein Blocher
    (Ein Blocher = Bohnerbesen von Manufaktum.de)

    Und „blochen“ heisst in Deutschland demzufolge auch „blocken“, „einlassen“, „bohnern“, „wachsen“, „mit Wachs polieren“.

  • Wer blocht da auf der Autobahn?
  • Nur was diese durchgeknallten Porschefahrer des Canonballrennens da in der Schweiz taten, das hatte bestimmt nichts mit Bohnerwachs zu tun. Sie fuhren zu schnell, was merkwürdiger Weise in der Schweiz als „blochen“ bezeichnet werden kann. Vielleicht weil die tiefergelegten Wagen mit Breitreifen enormen Druck auf die Strasse ausübten, wie sonst nur ein Blocker oder Blocher?

    Weil „schnell fahren“ im gesamten Deutschsprachigen Raum beliebt ist, gibt es auch zahlreiche Varianten für diese Tätigkeit:

    Blochen CH: 1. Sw.V./ist;
    bretteln A, tuschen: tuschen lassen A, bledern A-mitte/ost, fahren wie eine gesengte Sau A D, fräsen CH, brettern CH D, heizen D-mittelwes/südwest, stochen D-mittelwest =„schnell [und rücksichtslos]fahren; rasen“
    (Quelle: Variantenwörterbuch S. 126)

    „Brettern“ und „bretteln“ muss aus der Skifahrer-Fachsprache stammen, als die Jungs noch auf Brettern stehend den Hang hinab donnerten, und nicht auf Hightech-Sportgeräten.

    „Tuschen“ und „tuschen lassen“, das müssen uns die Freunde aus Österreich erklären, was schwarze Tusche = Tinte mit schnellem Fahren zu tun hat. Vielleicht wegen der schwarzen Streifen beim „Kavaliersstart“, durch den Abrieb der Reifen auf der Fahrbahn? Oder tönt der Motor beim Gasgeben wie ein Tusch?
    Interessant finden wir noch die zweite Bedeutung von „tuschen“:

    tuschen sw. V.; hat [mhd. tuschen, wohl lautm.] (landsch.):
    a) (durch einen Befehl) zum Schweigen bringen;
    b) dämpfen, unterdrücken:
    Die Gegenwart des Amtmannes und seine Anstalten tuschten einen Auflauf (Goethe, Werther II, Der Herausgeber an den Leser).

    „Bledern“ ist vielleicht ein Variante von „brettern“ im asiatischen Raum von Mitte- und Ost-Österreich. „L“ und „r“ tauschen dabei die Plätze, so wie beim „schüss-saulen Schweinefreisch“, kennen Sie doch von Ihrem unbezahlbaren Lieblingschinarestaurant.

    Fahren wie eine gesengte Sau“, das grenzt schon an Tierquälerei, denn wenn das weibliche Schwein mit einem Brenneisen sein Brandzeichen bekommt, dann wird ihm die Haut versengt und es entwickelt eine enorme Laufgeschwindigkeit.

    „Fräsen“ tun die Schweizer, mit der Motorsäge durch den Bannwald, dass Du — haste nicht gesehen — nur noch mit den abgesägten Wimpern zucken kannst.

    „Heizen“ hatten wir schon bei der Diskussion um den Schweizer „Chauffeur“ erklärt, vgl. Blogwiese, und „stochen“, das ist laut Duden:

    stochern [Iterativbildung zu veraltet stochen, mniederd. stōken = schüren, eigtl. = stoßen, stechen, wohl zu stoßen]:
    mit einem [stangenförmigen, spitzen] Gegenstand, Gerät wiederholt in etw. stechen:
    (Quelle: Duden.de)

    Im Prinzip also ähnlich wie „heizen“, als die Eisenbahnen noch mit Feuer und Dampf betrieben wurden.
    Witzig, dass „ich stoche seit drei Stunden über die Autobahn“ offensichtlich in der Schweiz nicht verstanden wir, oder irrt das Variantenwörterbuch da vielleicht?

    Unser Lieblingswort wurde hier vergessen, und sicherlich können auch die Blogwiese-Leser noch die ein oder andere Variante für „schnell fahren“ nennen.
    „Sauen“ sagt man im Schwäbischen, und „pesen“ kennt sogar der Duden:

    pesen sw. V.; ist [H. u.] (ugs.):
    a) sehr schnell laufen; rennen:
    da ist er ganz schön gepest; zum Bahnhof pesen;
    b) sehr schnell fahren:
    sie ist mit dem Auto um die Ecke gepest.

    Ob das was mit lecker „Pesto“ zu tun hat? Ich kriege jetzt jedenfalls Hunger und pese, presto presto, in die Küche.

    Ein Stück Heimat, schon ab Werk — Das Schweizer Heimatwerk

    Juli 27th, 2006
  • Heimat ab Werk
  • Wir entdeckten mehrfach in der Schweiz Zweigstellen einer rätselhaften Organisation, oder ist es vielleicht doch eine Firma? Das „Schweizer Heimatwerk“. Was sich dahinter verbirgt? Wir werden nicht ganz schlau daraus. Ist das nun eine öffentlich-rechtliche Einrichtung oder ein Unternehmen der Privatwirtschaft? Ist da Heidi Heimat am Werk?
    Wir lesen auf der Webseite www.heimatwerk.ch:
    Das Schweizer Heimatwerk

    Das Schweizer Heimatwerk
    1930 gegründet, hat sich zu einem bestandenen Label entwickelt. Es steht für zeitgenössisches Schweizer Kunsthandwerk von höchster Qualität, Funktionalität und ausgezeichnetem Design. Einzig in der Art, mit der Geschenkevielfalt «Made in Switzerland» Das sehr persönliche Geschenkhaus für alle, die sich selbst oder andere mit auserlesenen Geschenkideen aus der Schweiz überraschen möchten.
    (Quelle: heimatwerk.ch)

    Was heisst hier „bestandenes Label„? Bestand es früher schon, das Label, oder ist es auferstanden. Oder war es ein bestehendes Label? Manchmal haben wir Schwierigkeiten, unsere bestehende Sprache im Bestand zu verstehen.
    Es hilft uns wie so oft der Duden:

    bestanden:
    (…)
    b) (schweiz.) in vorgerücktem Alter:
    Ist doch jeder Straffall mit einer menschlichen Tragik verbunden, die auch einen bestandenen Richter nicht unberührt lässt (NZZ 23. 12. 86, 34).
    (Quelle: duden.de)

    Das Gründungsdatum des Schweizer Heimatwerks liegt jedenfalls noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Kleine Randbemerkung dazu: Ich fragte einmal ein paar jüngere Schweizer Kolleginnen und Kollegen in meiner Umgebung, wann eigentlich der 2. Weltkrieg endete. Antworten wie „1968?“, „1982?“ liessen bei mir Zweifel an der Qualität des Schweizer Geschichtsunterrichts aufkommen. Keine repräsentative Umfrage, sicherlich, hätte mir in einer deutschen Fussgängerzone bei jungen Befragten genauso passieren können. Aber dennoch sehr aufschlussreich. Sollten Sie heute am Arbeitsplatz gleich mal mit ein paar Kollegen ausprobieren. (Zum Nachlesen Der Zweite Weltkriegs)

  • Das Schweizer Heimatwerk nennt sich auf Englisch „House of Craft“
  • Wobei „craft“ nichts mit „Kraft durch Freude“ zu tun hat, sondern schlichtweg „Handwerk, Gewerk, Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit“ bedeutet.
    Schweizer Heimatwerk Töpferwaren

    Betrachten wir diese handgetöpferten Vasen und Schalen im Schaufenster, wissen wir nicht genau, ob es sich hier um die Dauerausstellung einer „Beschützenden Einrichtung“ (Neudeutsch für Behindertenwerkstatt) oder um die Exponate einer untergegangen Pfahlbauten-Kultur des Zürcher Sees handelt. Denn der ist nicht weit von der Stelle, an der dieses Foto aufgenommen wurde. Dieses „Kunsthandwerk“ scheint genug abzuwerfen, um ein Ladengeschäft in exquisiter Lage an der Zürcher Bahnhofstrasse, kurz vor dem Bürkliplatz, zu finanzieren.

    Oder liesse sich tatsächlich mit kleinen Modellhäusern, Kuhglocken, bestickten Taschentüchern oder T-Shirts mit Schweizerkreuz drauf Umätze in Höhe einer Parfümerie oder Edleboutique machen?
    Wertvolle Waren im Heimatwerk
    Die Verkaufsklassiker sind laut Eigenwerbung „Taschenuhren, Ohrstecker im Edelweiss-Look, Taschentücher, Glocken, Trachtenbluse“, aber auch exquisites Spezialzubehör für jeden Feierabendspass wie Gurte und Hundehalsbänder, „das Folklore-Accessoire für ihren Hund“. Ob das nur für Bernhardiner ist oder auch vom Deutschen Schäferhund getragen werden darf?
    Heimatwerk Top Artikel

    Ein „Eile mit Weile / Mühle“ Spiel (in Deutschland unter dem Decknamen „Mensch ärgere Dich nicht“ erhältlich, vgl. Blogwiese) gibt es ebenfalls dort. Und hier finden wir auch die Erklärung, wie die horrende Ladenmiete an der Bahnhofstrasse mit einem Brettspiel finanziert werden kann, denn es kostet die lächerliche Kleinigkeit von nur 134.00 Franken.

    Auch in anderen Ländern südlich von Deutschland gibt es Heimatwerke:

    Das Salzburger Heimatwerk, das Oberösterreichische Heimatwerk, das Kärntner Heimatwerk, das Heimatwerk Niederösterreichs:

    Heimatwerk, selbständige, öffentlich-rechtliche Einrichtungen in den einzelnen Bundesländern, deren Zielsetzung die Pflege „überlieferter Volkskunst, traditioneller Erzeugnisse des Handwerks und der Volkstracht“ (Satzung) ist. In allen Landeshauptstädten werden die teils selbstgemachten, teils in Kleinbetrieben erzeugten Waren (zum Beispiel ländliches Hafnergeschirr, Holzgebinde, Trachten, Wohndekor, Stickereien) angeboten. Nach schwedischem und Schweizer Vorbild gründete V. Geramb 1933/34 in der Steiermark das 1. österreichische Heimatwerk
    (Quelle: aeiou.at)

  • Keine Heimatwerke in Deutschland?
  • In Deutschland sind sie verschwunden, die Heimatwerke, und firmieren höchstens noch als Name für eine Wohnungsgenossenschaft, wie beim „Heimatwerk Hannover“.

    Monika Ständecke schreibt in ihrer Dissertation „Das Deutsche Heimatwerk – Idee, Ideologie und Kommerzialisierung“:

    Die GmbH DEUTSCHES HEIMATWERK war ein Nationalsozialistisch geprägtes Instrument zur Verbreitung von Erzeugnissen, die der traditioneller Volkskunst und dem bäuerlichen Hausrat zugerechnet wurden.
    (Quelle:)

    Deutsches Heimatwerk
    Sie geht in ihrer Arbeit der Frage nach, „warum Deutschland keine derartige Einrichtung hat“:

    Von 1933 bis 1945 existierte die GmbH „Deutsches Heimatwerk“ als Gesellschaft des „Reichsnährstandes“ zur Förderung von „Volkskunst“ und „bäuerlicher Handwerkskultur“ mit Niederlassung in sechs Städten: Berlin, Breslau, Salzburg, Strassburg, München, Weimar.

    Nach dem Kriege kam es nur noch in der Privatwirtschaft zur Bildung ähnlicher Heimatwerkläden. „Warenangebote, die in ein bestimmtes Bild von ‚Heimat’ passen, haben also weiterhin eine gewisse Attraktivität.“

    Fazit: Seit dieser historischen Erfahrung haben die Deutschen so ihre Probleme mit der kommerziellen Verwertung der „Heimat“. Der Begriff ist genauso „verbrannt“ und nicht mehr ohne Hintergedanken gebräuchlich, genauso wie „Führer“ und „Arbeitslager“ (vgl. Blogwiese „Führer ohne Ausweis„). Aber jetzt sollten wir aufhören, diese Worte zu häufig und zu dicht beieinander zu verwenden, sonst wird das hier rasch zum Google-Magnet für ewig Gestrige.