Muss der Chauffeur eigentlich noch heizen? Oder heisst er nur so?
Gestern diskutierten wir hier die Redewendung „sauber übers Nierenstück„, welches wir im Tages-Anzeiger vom 24.05.06 gefunden hatten:
In dem zitierten Tagi-Artikel von Peter W. Frey geht es um den SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner, in dessen Transportfirma die „Chauffeure gegen die Chauffeurverordnung“ verstossen haben.
Nun wissen wir alle, dass „chauffer“ Französisch ist und „heizen“ bedeutet, und ein Chauffeur ursprünglich der Heizer auf der Dampflokomotive war, später dann die feinen Lederhandschuhe anzog und lieber Luxuskarosserien mit feinen Herrschaften im Verschlag durch die Gegend kutschierte.
(Foto: moviestarlimo.com)
Solche merkwürdigen Assoziationen haben allerdings nur wir Deutsche beim Wort „Chauffeur“. Nicht die Schweizer, für die ist ein „Camion Chauffeur“ einfach nur ein unterbezahlter und überarbeitete LKW-Fahrer, die seine vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht einhalten kann, darf oder will und immer weiter über die Autobahn „heizt„. Zitat aus dem Artikel von Peter W. Frey:
Nach einer Busse wegen Verletzung der Chauffeurverordnung habe er 2004 seine 87 Fahrer durch die Kantonspolizei nochmals eingehen instruieren lassen.
(Tages-Anzeiger vom 24.05.06)
Warum die Schweizer ihre „Busse“ eigentlich nie mit den gleichnahmigen Fahrzeugen für viele Fahrgäste verwechseln, verstanden wir erst, als wir entdeckten, dass hier die Reisebusse „Car“ heissen, und der Überlandbus „Das Postauto“ ist. Das Postauto in der Schweiz sieht so aus:
(Quelle: schwaegalp-schwinget.ch)
In Leipzig (Kanton Sachsen) hingegen sieht das Postauto so aus:
(Quelle: Uni-leipzig.de)
Verwechslungen sind daher völlig unmöglich. Aber wie sagt man dann in der Schweiz zum Auto des Briefträgers?
Juni 8th, 2006 at 3:08
jens, hab ich dich richtig verstanden, dass in Deutschland das Wort „heizen“ in der Bedeutung „schnell fahren“ nicht geläufig ist? Hätt ich nicht gedacht. In der Mundart „rötzt“ man übrigens auch gern über die Autobahn (ein hässliches Wort, zugegeben)
Aber zu deiner Frage: das Auto des „Pöschtler“ (Briefträger) ist in der Schweiz nicht wirklich relevant, denn einerseits kommt er sowieso meistens mit dem „Döffli“ (Mofa), andererseits lautet die wichtige Frage in Bezug auf die Mobilität des Briefträgers folgendermassen: „Isch dr Pöschtler scho do gsi?“
Die Einzigen, die Autos haben, sind die „Päggli-Pöschtler“ (Paket-Postbote). Deren Autos sind übrigens (oder waren zumindest früher) rechtsgesteuert, damit sie immer auf dem Trottoir (Gehsteig) aussteigen können.
Es ist also klar, dass wenn die Frage gestellt wird: „Isch dr Päggli-Pöschtler scho do gsi?“ derjenige gemeint ist, der mit dem Auto kommt. Das Auto müssen wir also nie erwähnen 🙂
Juni 8th, 2006 at 8:09
Heute waren Pöschtler keine „Töfflis“ mehr, sondern moderne Scooters.
Das Wort Bus wird verwendet, wenn es ein Nahverkehr-Transportmittel in einer grösseren Stadt ist, und nicht von der Post betrieben wird.
Es gibt nämlich andere Verkehrsbetriebe, die ihre Busse gelb anmalen (z.B in Basel bzw. Baselland)
Juni 8th, 2006 at 9:13
@nih
Die Deutschen „heizen“ weniger, „brettern“ dafür umso mehr 🙂
Nein, auch in Deutschland kannst Du auf der Autobahn „heizen“, ich mochte nur die Assoziation mit „chauffer“ so gern.
Gruss, jens
Juni 8th, 2006 at 9:20
und übrigens gibt es noch das „gääle wägeli“ das aber nicht mit der post assoziiert ist. jedenfalls meistens nicht…
Juni 8th, 2006 at 9:23
@Videoman
Leider fahren gewisse Pöschtler auch heute noch Töfflis, bevorzugt Samstag früh, die mich dann wecken…. Richtig knatternd laut, ein paar Meter weiter, wieder anhalten, wieder weiter… Und immer schön den Motor aufheulen lassen. Jedenfalls in Basel. 🙂
Juni 8th, 2006 at 9:25
Es ist durchaus möglich, dass ein Chauffeur (sich) *echauffiert – oder?
„Der Mann echauffiert über die lärmenden Kinder“ (Aus der NZZ vom 22.9. 2001).
Noch ein „crossover“ aus Frankreich / la Romandie in die Deutschschweiz?
-S’échauffer = to warm oneself up
„to get worked up“ (to become angry – Collins Robert
French Dictionary)
– oder wie man auf E sagt „to get het up“ („het“= annoyed>agitated)
Aus Chambers English Dictionary (published in Edinburgh) :
het 1 = A Scottish form of „hot“
het 2 = het up = agitated (British & U.S. dialect)
het 3 = heterosexual
* P.S. Ich habe eine Frage – handelt es sich hier um „sich echauffieren“ (reflexive verb) oder einfach „echauffieren“? „Echauffier dich nicht“ habe ich nie gehört, man sagt einfach „nut ufrege“.
Fiona
Juni 8th, 2006 at 9:42
Die Schweizer Reisepost feiert übrigens heuer ihr 100-Jahr-Jubiläum. http://www.postauto.ch/de/pag_geschichte.htm
Der Name Postauto(-mobil) ist also vermutlich älter als der deutsche Wortsinn (frei nach der Werbung: „Wer hat’s erfunden?“). Übrigens ist der Postauto-Chauffeur manchmal auch der Pöstler (Postbote), also fährt er tatsächlich ein (deutsch verstandenes) Postauto. In abgelegenen Dörfern muss nämlich der Postauto-Chauffeur (also der Fahrer des fahrplanmässigen Überlandbusses) an der Haltestelle den gelben Post-Briefkasten leeren und den Inhalt bis in die nächste Stadt zum bedienten Postzentrum bringen. (Kann man besonders am Sonntag Nachmittag beobachten) Der Postkutscher vor 150 Jahren musste ja auch schon die Post überbringen und nahm gleichzeitig Passagiere mit.
Wer definitiv herausfinden will, wie das Auto des Pöstlers heisst, findet die Antwort vielleicht im Museum für Kommunikation (früher Postmuseum) in Bern.
http://www.mfk.ch/
Jemand, der auf der (Dampf-)Lokomotive einheizt(e), heisst einfach deutsch „Heizer“ http://mypage.bluewin.ch/bruno.laemmli/Begriffe/fachbegriffe-h.htm#Heizer
Nicht zu vergessen, dass der Bus-Chauffeur/Car-Chauffeur tatsächlich heizen muss. Allerdings nicht unbedingt „über die Autobahn heizen“. Die Regler für Heizung und Lüftung, auch Klimatisierung, des ganzen Fahrgastraums werden nämlich nur durch ihn bedient.
Noch eine kleine Korrektur: der D: „LKW“ heisst nicht unbedingt CH: „Camion“, sondern meistens „Lastwagen“ (…Kraft… weglassen! Analog zu „PW“ für „PKW“). Also heissen die Fahrer dieser Vehikel Lastwagenchauffeure.
http://www.google.ch/search?hl=en&q=Lastwagen-chauffeur&meta=
Vergessen wir dabei nicht die weibliche Version „Chauffeuse“ oder „Chauffeurin“
http://www.google.ch/search?hl=de&q=bus-chauffeuse&meta=cr%3DcountryCH
http://www.google.ch/search?hl=de&q=lastwagen-chauffeuse&meta=cr%3DcountryCH
http://www.google.ch/search?hl=de&q=chauffeurin&meta=cr%3DcountryCH
Andererseits heisst ein Lastwagenunternehmen (D: ein „Spedtions-Unternehmen/Spediteur“) „Camionneur“
http://www.google.ch/search?hl=de&q=camionneur&btnG=Suche&meta=lr%3Dlang_de
Bleiben wir gleich bei den angeschnittenen Themen: ein Lieferwagen kann hingegen durchaus „eine Camionette“ genannt werden. http://www.google.ch/search?hl=de&q=camionette&btnG=Suche&meta=lr%3Dlang_de
oder je nach dem auch in der verniedlichten Form „das Camionettli“ http://www.google.ch/search?hl=de&q=camionettli&meta=lr%3Dlang_de
Der „Päckli-Pösteler“ kommt also meist mit einer gelben Camionette, seit wenigen Jahrzehnten auch nicht-deutscher Automarken. http://www.post.ch/de/index_log/log_log_gk/log_pak_paket/log_pak_paketaufreisen.htm
An nih
Sogar das „Mofa“ (Motorfahrrad) für „Töffli/Döffli“ ist eine CH-Bezeichnung. In Deutschland heissen die soviel ich weiss „Moped“. Müsste ich letzteres Kürzel ausschreiben, käme ich auch schon in Verlegenheit.
Juni 8th, 2006 at 9:43
Das Postauto des Briefträgers ist nicht zu verwechseln mit dem „Gäube Wägeli“ (Gelbes Wägelchen). Der Begriff wär‘ evtl. auch einen Blog-Eintrag wert…
Juni 8th, 2006 at 9:47
@ Jens. Liest Du nur den Tagi? Es gibt andere Zeitungen in der Deutschschweiz – die Neue Zuger Zeitung z.B. wo es hin und wieder eine Mundartecke erscheint.
Fiona
Juni 8th, 2006 at 9:53
@Fiona
Tagi, NZZ, Weltwoche, Neues Bülacher Tagblatt, Zürcher Unterländer, FAZ, Sonntagszeitung, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.
Leider gibt es Neue Zuger Zeitung im Unterland nicht, und nur der Tagi hat so viele schöne Helvetismen, beim Bülacher Tagblatt wird das schon schwieriger, beim NZZ sind sie auch eher selten.
Gruss, Jens
Juni 8th, 2006 at 10:00
Wie bringt man Nieren und Autos zusammen? Ganz einfach, auf dem „Nierensteinentferner“ , das Autobahnstück von Oftringen nach Härkingen, da wo sich die Schweizer auf der Ferienreise nach Frankreich mit den Deutschen nach Rimini zusammenstauen…. und folglich die meisten Schlaglöcher auf der Autobahn sind.
Verschlag? so ein merkwürdiges Wort, bei und ist das ein Bretterverschlag oder so, aber nichts für feine Leute mit Privatchauffeur, der auch noch heizen kann.
Juni 8th, 2006 at 11:39
Hallo Jens-Rainer
Übrigens hast Du noch in Deinem Beitrag von heute das „Poschti-wägeli“ (den rollenden Einkaufs(stoss- bzw. zieh)wagen/-korb) zu erwähnen vergessen. Bzw. evtl. einen Link auf einen bereits bestehenden Beitrag von Dir darüber.
„go poschtä“ (beinahe synonym für „go lädälä“) für Einkaufen gehen als schöner pars-pro-toto-Begriff für das Einkaufen, Komissionen erledigen etc. allgemein.
Apropos Gelber Wagen des „Pöschtlers“ – wie wärs mit „Pöschtlerauto“? Also ich würde das so ausdrücken, wenn ich gezwungen wäre, mich präzise auszudrücken.
Mein Vater war übrigens Posthalter (Leiter einer Poststelle). Soweit ich mich erinnern kann, haben wir aber für die Dienstfahrzeuge der Postbeamten immer das Wort „Postwagä“ (aber auch Postauto) verwendet.
Wobei Postwagä eher die funktionale Seite betont – denn auch die elektrisch betriebenen Ziehwagen (zur Unterbringung der Packet und Briefpost des Pöstlers wurden im Überbegriff damit mitgemeint). Wurden diese Ziehwagen speziell gemeint, nannte man sie bei ihrer Marke (damals „Harbild“ – weiss aber nicht mehr genau, wie die grammatikalische Schreibung dafür korrekt lautet).
Wurde gemeint, man solle etwas statt in den „Harbild“ in das Auto verladen, verwendete man den Ausdruck PostAUTO.
Es gab allerdings dabei nie Verwechslungsprobleme, da ihm Postbetrieb meines Vaters keine Postautos (im Sinne von Bussen/Cars) angegliedert/unterstellt waren.
Wenn Dich eine objektivierte Sicht interessiert, dürften sich sicher auf der offiziellen Internetpage der Post bzw. in Reglementen, die Du eventuell da oder auf der Seite des Bundes findest hilfreich sein. (Evtl. Beamtendeutsch-Helvetismen – wer weiss…)
Juni 8th, 2006 at 12:27
was mir als beamtin gefällt, sind wörter, die in einer anderen landessprache verwendet werden und in ihrer angestammten umgebung etwas anderes (oder nix) bedeuten: paradebeispiel „der courant normal“. das sagt einE welscheR höchstens, um uns totos zu vereppeln oder als seltsames deutsches fremdwort 😉
im übrigen wäre ich auch für pöstelerouto vs. postouto.
’n guten!
Juni 8th, 2006 at 12:41
@Phipu
Du irrst, in Deutschland gibt es auch das Mofa. Das Mofa ist hier aber nur die besonders langsame Variante (weniger als 50 ccm, weniger als 50 km/h), die zudem meist noch Pedale für den manuellen Abtrieb besitzt. Das Moped (Leichtkraftrad) ist entsprechend schneller und der Hubraum ist größer (bis etwa 80km/h und 125 ccm, früher 80 ccm). Darüber hinaus wird das Fahrzeug dann (sofern es sich nicht um einen besonders stark motorisierten Roller/Scooter handelt) als Motorrad (Kraftrad/Krad) bezeichnet.
Juni 8th, 2006 at 16:04
An Branitar
Danke für die Information. Es ist also nicht alles so sehr anders hüben und drüben.
Ein Töffli bzw. Mofa (weniger als 50ccm) in CH darf nur 30 km/h fahren und hat kleine Nummernschilder mit jährlich wechselnder Vignette. Ab 50ccm gilt es als „Füfzgerli“. (darf 40 oder 45 km/h fahren und hat ein gelbes Motorrad-Nummernschild) Genaugenommen haben die Pöstler Füfzgerli (nach Hubraum, Nummernschild und Geschwindigkeit) auch wenn sie wie Töffli aussahen. Heute sehen sie natürlich eher wie Roller aus.
Juni 8th, 2006 at 16:12
noch eine Zürcher Variante für Mofa: Hödi (Abk. für Hodenschüttler).
Juni 8th, 2006 at 21:18
Reiten… „mitrite“ wird auch noch gebraucht, wenn man jemanden im Auto oder Motorrad mit nimmt. Stammt wohl noch aus der Zeit, wo man mit aufs Pferd sitzen konnte…
Und noch urtümlicher, von meinen Eltern in New Glarus in USA beobachtet.. „Er triibt e Charre“ kommt als direkte Uebersetzung von „he is driving a car“.
Da sehe ich den Ochsen davor ächzen, der hat es heute bequemer und ist meist im anderen Auto;-)
Juni 8th, 2006 at 22:15
FAZ und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sind „andere Zeitungen in der Deutschschweiz“ – ich lerne immer wieder Neues in Deinem Weblog 😉
Im Ernst: Zusammen mit meiner Frau (nicht deutscher Muttersprache und noch ohne roten Pass) lese ich (Papierlischwiizer mit nach Alpenrosen und Miststock duftendem Bündner Dialekt) mit grossem Vergnügen die Texte Deiner Expeditionen in die (Schweizer-)Deutsche Sprache. Jetzt fahren wir am Wochenende noch lieber mit dem Dü-da-do-Postauto… (Rossini, Wilhelm Tell – wusstest Du das?!?)
Juni 9th, 2006 at 8:51
Das Auto des Briefträgers heisst:
„Em Briefträger siis Auto“ oder „em Pöschtler siis Auto“.
Meistens kommt er, wie in Bülach, mit dem gelben Töffli.
Ganz einfach…..
Juni 9th, 2006 at 9:21
Das Auto des Briefträgers heisst:
„Em Briefträger siis Auto“ oder „em Pöschtler siis Auto“.
Meistens kommt er, wie in Bülach, mit dem gelben Töffli, das ja eben anscheinend in Wirklichkeit ein Moped ist.
Januar 16th, 2007 at 20:34
Kann mir jemand sagen, ob es eine standarddeutsche Entsprechung für das „gäle Wägeli“ gibt? Habe heute erfahren, dass es im Niederländischen den Ausdruck „het busje komt zo“ gibt, der genau dasselbe meint. Wörtlich: das Büschen (= der kleine Bus) kommt gleich.
Mitgemeint ist eben auch, dass der Bus/das Wägeli nicht nur kommt, sondern eben die entsprechende Person auch mitnimmt und in die psychiatrische Klinik fährt…
Januar 25th, 2008 at 9:51
Das mit dem Niederländischen ist interessant… analog dazu findet sich im amerikanischen Sprachgebrauch „Riding the short bus“, was sich auf die kurze Variante der bekannten gelben Schulbusse bezieht.
Mit diesen werden vor allem Sonderschüler oder Schüler mit Behinderungen transportiert.
Ensprechend gibt man damit dann auch der Meinung ausdruck, dass jemand behindert, oder auch ganz einfach dumm ist.