Nicht die Hessen, sondern die „Hässigen“ kommen
April 4th, 2006In Deutschland pflegt man scherzhaft zu sagen: „Vorsicht, die Hessen kommen“ wenn Besuch aus Kassel oder Frankfurt naht. Die Hessen trinken „Äppelwoi“, also Apfelwein, aus Behältern, die sie „Bembel“ nennen, waren früher bekannt durch die Sendung „Zum Blauen Bock“ und heute durch den Schillerstrassen-Stammgast „Maddin“ Martin Schneider. Google-Deutschland verzeichnet 916 Belege für den Satz „Die Hessen kommen„, es scheint also häufiger in Deutschland zu geschehen, dass die Hessen kommen.
Die Hessen siedelten rund um Kassel, legten sich schon früh mit den Römern an, und haben schon lange vor der Internetzeit einen interessanten Namen gehabt, sie hiessen nämlich die „Chatten“:
Die Chatten [ˈxatən] (lat. Chatti) (auch Katten geschrieben) waren ein germanischer Volksstamm, der im Bereich des Oberlaufes der Lahn und den Tälern von Eder, Fulda und Werra ansässig war, was zu großen Teilen dem heutigen Niederhessen und Oberhessen, bzw. Nordhessen und z.T. Mittelhessen entspricht. Hessen ist eine spätere Abwandlung des Stammesnamens der Chatten, und die Chatten sind damit die Namensgeber des modernen Hessen.
(Quelle: Wiki)
Doch zurück zu den „Hässen“ mit „ä“, den Hässigen. Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 24.03.06 auf Seite 57:
„Die Rückkehr der Hässigen im Sportwagen“
Erst beim zweiten Lesen fiel uns auf, dass hier in der Überschrift die Vorsilbe „ge“ verloren gegangen sein muss. Heisst es nicht „gehässig“ sein auf Hochdeutsch?
„Hässig“ kann ziemlich viel sein in der Schweiz, so zum Beispiel der Ton:
Die Beiständin der Kinder verweigerte ihm in einem hässigen Ton die zusätzlichen 2 Stunden
(Quelle: vev.ch)
Oder ein Anführer:
Das Drama wird zum eigentlichen, zum Konflikt zwischen dem kraftvoll hässigen Anführer,
(Quelle: ifi.unizh.ch)
Auch Worte können hässig sein:
Nun ja, es gab da so ein Aufseher eines supermercatos, der nach zwei, drei hässigen italienischen Worten (…)
(Quelle: twikeklub.ch)
Sucht man hingegen das Wort „hässigen“ bei Google-Deutschland, landet man prompt bei den Gebrüder Grimm oder in einem Text von Thomas Müntzer, Theologe und Revolutionär in der Zeit des Bauernkrieges.
Und richtig, unser Duden bestätigt den Verdacht, hier eine typische alte schweizerische Kurzform gefunden zu haben:
häs|sig
[mhd. haec = voll Haß] (schweiz. mundartl.): mürrisch, verdrießlich: -e Verkäuferinnen.
Und Grimms Wörterbuch erklärt uns:
HÄSSIG, adj. und adv.
wie mhd. haჳჳec, heჳჳec hasz habend, voll hasz und feindseligkeit: invidus heszig, nd. hatich DIEF. ; hassig A. V. EYBE, s. die stelle unten; hassig odiosus, exosus voc. inc. theut. i ; hessig, infensus DASYP.; hässig, der hasset, oder ein hasz tregt, exosus (…) LUTHER 1, 150b; das wir unser antwort nicht thun aus hessigem gemüthe.
(Quelle: Grimms Wörterbuch online)
Darin steckt also kein „chatti“ aus dem Hessenland, sondern der „haec“ oder Haß.
Falls Sie auch so ein schönes „Scharf-ß“ mit Bauch und langem Fuss schreiben wollen, auf ihrer Schweizer Tastatur, die dieses Zeichen nicht kennt, dann versuchen Sie doch mal Alt-225, wobei es notwendig ist, die Zahl auf der numerischen Tastatur rechts zu schreiben, welche dazu angeschaltet sein muss per NumLock Taste. Um das hier jetzt einmal für alle Zeiten klarzustellen: Von nichts nahmen wir leichter Abschied beim Umzug in die Schweiz, als von diesem merkwürdigen Buchstaben, den es nur in kleiner Ausgabe gibt. Liebe Leser aus Deutschland: Ja, es ist wahr, die Schweizer haben überhaupt kein Scharf-ß auf ihren Tastaturen, dieser Laut war schon immer abgeschafft. Man wollte es wahrscheinlich den Ticinos und Romands nicht zumuten, neben ihren vielen Akzenten und den Umlauten auch noch dieses Sonderzeichen auf der Tastatur führen zu müssen.
Auch der häufige Name „Hasler, Häsler, Hässler“ etc. hat nichts mit Hass oder hässig zu tun, sondern leitet sich vom Hasel ab:
Hassler, Hässler, Hasler:
Herkunftsname zu den Ortsnamen Hasel (Baden), Haselau (Schleswig-Holstein, Ostpreußen), Haslau (Niedersachsen, Bayern, Österreich), Hasla (Thüringen), Hasle (Schweiz, Österreich) u.a.
Wohnstättenname für jemanden, der an einer Stelle mit Haselnusssträuchern siedelte.
(Quelle: duden.de)
Ob wir in Zukunft auch eher „gehässig“ sind oder einfach „hässig“? Nun, von Hass wollen wir uns auf keinen Fall leiten lassen. Haben wir doch schon genug mit dem Vorurteil der Arroganz zu kämpfen. Für „der arrogante Deutsche“ finden sich bei Google prompt 86 Belege, für „arroganter Schweizer“ kein einziger. Nach „herziger Schweizer“ haben wir lieber nicht gegoogelt.