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Nicht die Hessen, sondern die „Hässigen“ kommen

  • Vorsicht, die Hessen kommen
  • In Deutschland pflegt man scherzhaft zu sagen: „Vorsicht, die Hessen kommen“ wenn Besuch aus Kassel oder Frankfurt naht. Die Hessen trinken „Äppelwoi“, also Apfelwein, aus Behältern, die sie „Bembel“ nennen, waren früher bekannt durch die Sendung „Zum Blauen Bock“ und heute durch den Schillerstrassen-Stammgast „Maddin“ Martin Schneider. Google-Deutschland verzeichnet 916 Belege für den Satz „Die Hessen kommen„, es scheint also häufiger in Deutschland zu geschehen, dass die Hessen kommen.

  • Was haben die Hessen mit Chaträumen zu tun?
  • Die Hessen siedelten rund um Kassel, legten sich schon früh mit den Römern an, und haben schon lange vor der Internetzeit einen interessanten Namen gehabt, sie hiessen nämlich die „Chatten“:

    Die Chatten [ˈxatən] (lat. Chatti) (auch Katten geschrieben) waren ein germanischer Volksstamm, der im Bereich des Oberlaufes der Lahn und den Tälern von Eder, Fulda und Werra ansässig war, was zu großen Teilen dem heutigen Niederhessen und Oberhessen, bzw. Nordhessen und z.T. Mittelhessen entspricht. Hessen ist eine spätere Abwandlung des Stammesnamens der Chatten, und die Chatten sind damit die Namensgeber des modernen Hessen.
    (Quelle: Wiki)

    Doch zurück zu den „Hässen“ mit „ä“, den Hässigen. Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 24.03.06 auf Seite 57:

    „Die Rückkehr der Hässigen im Sportwagen“

    die Hässigen

    Erst beim zweiten Lesen fiel uns auf, dass hier in der Überschrift die Vorsilbe „ge“ verloren gegangen sein muss. Heisst es nicht „gehässig“ sein auf Hochdeutsch?

    „Hässig“ kann ziemlich viel sein in der Schweiz, so zum Beispiel der Ton:

    Die Beiständin der Kinder verweigerte ihm in einem hässigen Ton die zusätzlichen 2 Stunden
    (Quelle: vev.ch)

    Oder ein Anführer:

    Das Drama wird zum eigentlichen, zum Konflikt zwischen dem kraftvoll hässigen Anführer,
    (Quelle: ifi.unizh.ch)

    Auch Worte können hässig sein:

    Nun ja, es gab da so ein Aufseher eines supermercatos, der nach zwei, drei hässigen italienischen Worten (…)
    (Quelle: twikeklub.ch)

    Sucht man hingegen das Wort „hässigen“ bei Google-Deutschland, landet man prompt bei den Gebrüder Grimm oder in einem Text von Thomas Müntzer, Theologe und Revolutionär in der Zeit des Bauernkrieges.

    Und richtig, unser Duden bestätigt den Verdacht, hier eine typische alte schweizerische Kurzform gefunden zu haben:

    häs|sig [mhd. haec = voll Haß] (schweiz. mundartl.): mürrisch, verdrießlich: -e Verkäuferinnen.

    Und Grimms Wörterbuch erklärt uns:

    HÄSSIG, adj. und adv.
    wie mhd. haჳჳec, heჳჳec hasz habend, voll hasz und feindseligkeit: invidus heszig, nd. hatich DIEF. ; hassig A. V. EYBE, s. die stelle unten; hassig odiosus, exosus voc. inc. theut. i ; hessig, infensus DASYP.; hässig, der hasset, oder ein hasz tregt, exosus (…) LUTHER 1, 150b; das wir unser antwort nicht thun aus hessigem gemüthe.
    (Quelle: Grimms Wörterbuch online)

    Darin steckt also kein „chatti“ aus dem Hessenland, sondern der „haec“ oder Haß.

  • Wie schreibe ich Scharf-ß auf der Schweizer Tastatur?
  • Falls Sie auch so ein schönes „Scharf-ß“ mit Bauch und langem Fuss schreiben wollen, auf ihrer Schweizer Tastatur, die dieses Zeichen nicht kennt, dann versuchen Sie doch mal Alt-225, wobei es notwendig ist, die Zahl auf der numerischen Tastatur rechts zu schreiben, welche dazu angeschaltet sein muss per NumLock Taste. Um das hier jetzt einmal für alle Zeiten klarzustellen: Von nichts nahmen wir leichter Abschied beim Umzug in die Schweiz, als von diesem merkwürdigen Buchstaben, den es nur in kleiner Ausgabe gibt. Liebe Leser aus Deutschland: Ja, es ist wahr, die Schweizer haben überhaupt kein Scharf-ß auf ihren Tastaturen, dieser Laut war schon immer abgeschafft. Man wollte es wahrscheinlich den Ticinos und Romands nicht zumuten, neben ihren vielen Akzenten und den Umlauten auch noch dieses Sonderzeichen auf der Tastatur führen zu müssen.

  • Nicht hässig, aber Hässler
  • Auch der häufige Name „Hasler, Häsler, Hässler“ etc. hat nichts mit Hass oder hässig zu tun, sondern leitet sich vom Hasel ab:
    Hassler, Hässler, Hasler:

    Herkunftsname zu den Ortsnamen Hasel (Baden), Haselau (Schleswig-Holstein, Ostpreußen), Haslau (Niedersachsen, Bayern, Österreich), Hasla (Thüringen), Hasle (Schweiz, Österreich) u.a.
    Wohnstättenname für jemanden, der an einer Stelle mit Haselnusssträuchern siedelte.
    (Quelle: duden.de)

  • Gehässig oder hässig
  • Ob wir in Zukunft auch eher „gehässig“ sind oder einfach „hässig“? Nun, von Hass wollen wir uns auf keinen Fall leiten lassen. Haben wir doch schon genug mit dem Vorurteil der Arroganz zu kämpfen. Für „der arrogante Deutsche“ finden sich bei Google prompt 86 Belege, für „arroganter Schweizer“ kein einziger. Nach „herziger Schweizer“ haben wir lieber nicht gegoogelt.

    

    18 Responses to “Nicht die Hessen, sondern die „Hässigen“ kommen”

    1. Herbstkönig Says:

      Soweit mir bekannt, wurde das scharfe S in den dreissiger Jahren abgeschafft um sich von den Deutschen abzugrenzen (deren sprichwörtlich Arroganz damals ja eben dabei war weltgeschichtsträchtige Ausmasse anzunehmen).

    2. Peter Says:

      Ja, dann wurden wir ja auch viersprachig und erhoben die rätischen Dialekte zur hochoffiziellen Landessprache. Die Welt sollte bloss nicht auf den Gedanken kommen, dass wir Deutsche sind. Sonst hätte man uns, wie die Österreicher, Danziger und Sudetenländer, einfach ohne grosses Federlesen heim ins Reich holen können, und die grosse weite Welt hätte das auch noch ganz vernünftig gefunden : (

      Man sollte die Nachwirkungen der „geistigen Landesverteidigung“ von damals sowieso nicht unterschätzen. Vor 1933 war Schriftdeutsch in der Schweiz sehr viel verbreiteter und normaler. Wahrscheinlich hätten wir ohne Krieg heute eine ähnliche Sprache wie die Österreicher…

    3. HaegarCH Says:

      Um es gleich zu sagen, unter Google „herziger Schweizer“ gibt es zwei Einträge. Einer davon sogar aus Deutschland. Cet bon, ou?

    4. tr Says:

      Das „ß“ kann, wer es denn zu gebrauchen wünscht, meist auch mit „AltGr-S“ erzeugt werden.

      Dazu fällt mir ein, dass ich früher nicht wusste, was in deutschen Anleitung mit der „Strg“-Taste gemeint ist. In der Schweiz ist diese wie im angelsächsischen Raum mit „Ctrl“ beschriftet. Wie steht es auf deutschen Tastaturen mit „Scroll Lock“, „Num Lock“ und „Caps Lock“?

    5. Fiona Says:

      Die Franzosen und die Deutschen sind besessen mit den Rechtlinien ihrer Sprachen. Die Deutschschweizer im Gegenteil gehen viel locker mit ihrer Muttersprache um. Ein Grund dafür liegt sicher daran, dass Schweizerdeutsch gesprochen und nur selten geschrieben wird – stimmt das? Das tägliche Leben basiert sehr auf Tradition: Beispiele sind die Küche, die Vereine, die Kantonalbanken, Jassen usw.

      Fiona

    6. Phipu Says:

      Zum „ß“ und anderen Tastatur-Spezialitäten:

      ß: Diesen praktischen Buchstaben verwende ich fast immer auf dem Natel in SMS, um je ein Zeichen zu sparen. Allerdings geschieht dies wider alle grammatikalischen Regeln. Ich glaube zu wissen, dass man diesen Doppel-S nicht in jedem Fall von „ss“ anwenden darf (aber wir lernten dies natürlich nie im Deutschunterricht).

      Wer „ß“ ohne Regeln büffeln richtig anwenden will, kann sich die Rechtschreibekorrektur des Computers auf Deutsch [Deutschland] einstellen. Damit werden die „ß“ automatisch vorgeschlagen und müssen auf der Tastatur nicht mühsam zusammengetragen werden. Trotzdem danke für den Tipp, Jens – z.B. für SMS ab Computer.

      Bekommt ihr manchmal Briefe, in denen z.B. „ …mit seinen Aeusserungen in Oesterreich Ueberraschung geerntet …“ steht? Kein Wunder: auf einer Schreibmaschine mit Schweizer Tastatur kann man Ä, Ö und Ü gar nicht anders schreiben. Wo Deutsche Ä, Ö und Ü finden, haben wir – Mehrsprachigkeit sei Dank – à, é und è. Auf dem Computer mit Schweizer Tastatur müssen diese grossen Umlaut-Buchstaben mittels „Caps Lock“ einschalten und danach wieder ausschalten geschrieben werden. Wer lange Texte mit solchen Wörtern schreiben muss, kann über dieses mühsame Tastenspiel schon „hässig“ (übellaunig) werden. Aber so lange man nur über den Computer „verruckt“ (wütend) ist, leiden ja keine Menschen darunter.

    7. transalpin Says:

      Ab 1938 lernten Zürcher Schüler nicht mehr die Sütterlin-Schrift, die ſz-Ligatur wurde durch ss ersetzt. Dadurch ging eine typographische Feinheit zwischen «in Massen» und «in Massen», zwischen «Busse» und «Busse» verloren. «Hass» schreibt man aber seit zehn Jahren auch in Deutschland mit Doppel-S.

      Noch eine typographische Feinheit: Offenbar bevorzugst du „deutsche“ Anführungszeichen. Es wäre nur konsequent, nach der S-Schreibung auch auch auf die hierzulande üblichen «Guillemets» umzustellen. Versuch mal Alt-0171 und Alt-0187!

    8. tr Says:

      „Auf dem Computer mit Schweizer Tastatur müssen diese grossen Umlaut-Buchstaben mittels „Caps Lock“ einschalten und danach wieder ausschalten geschrieben werden.“
      Oder mittels „Ä-Punktchen-Taste“ (dort wo das „!“ ist) und dann „Shift+[AOU]“, so muss man Caps Lock nicht mehr deaktivieren.

      Die ß-Regeln sind inzwischen so einfach und logisch, dass ich sie sogar als Schweizer lernen könnte. Aber da es auch ohne geht… 🙂

    9. Marischi Says:

      wie kommst du denn darauf? Hast du denn keine Pünkten -Taste auf deinem Compi? Bei mir befinden sich die Pünktchen unten auf der Fragezeichen-Taste, die drücke ich, bevor ich das grosse U oder A drücke und schwupps: Ü, Ä gehen wie geschmiert… und ich habe auch eine Schweizer Tastatur.

    10. doofi Says:

      die deutsche Version von Caps Lock heisst oder heißt „Grossbuchstaben Feststelltaste“ und da es dafür keine vernünftige Abkürzung gibt, wird das auch meist ausgeschrieben, was zur Folge hat das die deutschen Tastaturen etwas unförmig aussehen.
      Die Umgewöhnung beim „töggele“ in den Computer fiel mir übrigens weniger bei den Umlauten schwer (das geht mittlerweile) als bei den Satzzeichen. Das Ausrufezeichen (Rufezeichen) und das ? sind halt immer woanders als man denkt.

    11. Administrator Says:

      @Transalpin
      Danke für den Hinweis. Ich nehme halt das, was mein Editor hergibt oder was ich auf der Tastatur mit Shift-2 leicht erreichen kann. Bei der Buchausgabe der Blogwiese werde ich aber fest drauf achten, versprochen!
      @doofi
      Shift heisst im offiziellen Schreibmaschinen-Deutsch „Grossstelltaste“.

      Del ist „Enf“ für „Entfernen“ und „Ins“ ist „Einfg“ für Einfügen auf einer Deutschen Tastatur.

      ScrollLock ist „Roll-Taste“, und Break wird zu Pause.

      Und Ctrl heisst „Strg“, was von „Steuerungstaste“ kommt, und nix mit
      Strings (= Zeichenketten) oder „String-Tangas“ zu tun hat.
      Dennoch hält sich in Volkshochschulkursen für Word oder Excel in Deutschland immer die Bezeichnung: „Dann drücken wir die String-Taste“,
      was ursprünglich ein Joke eines Informatikers war, der sich dann aber verselbstständigt hat… der Joke, nicht der Informatiker.
      Gruss, Jens

    12. Georges Says:

      Laut dem CH-Duden von Kurt Meyer hat die NZZ bis 1974 das scharfe s verwendet.

      Die NZZ hat sich übrigens weder sklavisch an die alte noch an die neue Rechtschreibung gehalten, sondern immer nur an das, was sie selber für vernünftig hielt.

      So musste vor der Rechtschreibreform nach Duden „Alptraum“ geschrieben werden, die NZZ hat aber vernünftigerweise immer schon „Albtraum“ geschrieben (was jetzt auch neue Rechtschreibung ist).

    13. Stefan Porstein Says:

      Kleine Randbemerkung zu dem Satz: Die Hessen kommen:
      In den 80er Jahren gab es von der Gruppe Rodgau Monotones (auch eine hessische Gruppe..der Rodgau ist die Gegend in Südhessen zwischen Odenwald und Frankfurt) einen Song mit dem Titel: Erbarmen, die Hessen kommen. Der war damals auch über die (hessischen) Landesgrenzen bekannt.

    14. viking Says:

      Ja, die Monotones waren sogar über die deutschen Bundesgrenzen bis in die Schweiz bekannt. War damals eine meiner (deutschen) Lieblingsbands 😉

    15. Ganz-CH Says:

      @Jens
      …Sei nicht traurig über die erwähnten Vorurteile…

      Ich und sicher viele andere Ganz-, Halb-, Möchtegern- oder Möchtegarnichtgern-CH finden diesen Blog und ganz besonders Dich auch „herzig“… 😉 ;-).

    16. Bruno Says:

      Da fehlt doch der Handkäs mit Musik?!

    17. sirdir Says:

      Das mit dem ’selbstverständlicheren Umgang‘ mit dem Deutsch vor dem Krieg erstaunt mich doch ein wenig. Meine Grossmutter sprach ein gar gar grauenhaftes Hochdeutsch. z.b. ‚ein‘ sprach sie mit einem ‚e‘ wie in Esel. Das hat man IMHO noch öfter gehört früher… Und sie hat ganz sicher vor dem Krieg deutsch gelernt.

    18. Willow Says:

      Joa, ist schon witzig was man hier so liest….

      Ich bin auch ein Hesse (von Geburt an) mit Sudetendeutschen Vorfahren….
      Ich kenn ja unseren Dialekt, wusste aber gar nicht, wie urig sich dieser für Andere anhört
      Auch ich spreche größtenteils das wort „eine“ eher als „eene“ aus…
      Nunja, man spricht was man lernt….

      Für uns Deutsche hört sich das Schweitzer-deutsch auch irgendwie witzig an…
      Naja, bisher habe ich in jedem Land eine andere Tastatur gesehen… Am anstrengensten war für mich die türkische Tastatur….

      Ja, unsere sprache ist echt kompliziert und sie wird mit jeder „neuen Rechtschreibereform“ komplizierter….

      LG