Was die Schweizer gerne essen (Teil 1) — Vermicelles
Als ich die ersten „Vermicelles“ in der Schweiz in der Glastheke eines Restaurants neben anderen feinen Kuchen und Desserts sah, musste ich unwillkürlich an die Eisspezialität „Spaghetti-Eis“ denken, die in jeder italienischen Eisdiele in Deutschland angeboten wird:
Hierbei wird Vanilleeis, welches den Farbton von frischen Spaghettis haben muss, durch ein Sieb gedrückt, so einer Art „Spätzle-Presse für Eis„, wodurch es die Form von langen aufgehäuften Spaghettis annimmt. Dann kommt etwas Erdbeersausse und feine weisse Schokoladenraspel darüber, so dass man tatsächlich meint, eine kleine Portion Spaghetti-Bolognese vor sich zu haben. Beim Hineinstechen mit dem Löffel passiert dann die süsse Überraschung: Es ist nur Eis mit Erdbeersauce.
Anders bei den „Vermicelles„. Das Wort enthält den Wurm, denn „les vers“ sind auf Französisch nicht nur die Verse, wie der gebildete Romanist weiss, sondern auch „die Würmer„. Baudelaire hat da schon zahlreiche Wortspiele in seinen Gedichten mit veranstaltet.
Vermicelles wird aus Maronencreme hergestellt, also aus einem süssen Brei, den man aus Esskastanien gewinnt. Zu Deutsch: Sie brauchen Kastanienpüree für die Herstellung. Und so muss man sich den Geschmack auch vorstellen: Zerdrückte Esskastanien, mit viel, viel Zucker.
Vermicelles gibt es zum Nachtisch, also als Dessert, in den Herbstwochen von Oktober bis November, denn dann sind die Esskastanien (Schweiz: „Marroni“) reif.
Ich liess mich auch einmal zu diesem „leckeren“ Dessert überreden. Schon beim ersten Löffel wusste ich: Das kriegst Du nie im Leben allein runter. Was also tun? Verschämt lächeln und ungegessen stehen lassen mit der Erklärung „Ich bin leider doch allergisch gegen Marronen„, oder es einfach grosszügig an den nächsten nichts ahnenden Deutschen weitergeben mit der Bemerkung: „Hier für Dich, ganz feines Spaghetti-Eis, nur die Sausse fehlt noch„.
Hat es nicht irgendwie Ähnlichkeit mit diesen Watt-Würmern, die wir von der Nordsee her kennen?
Kleiner Vergleich:
Vermicelle heisst auf Französisch übrigens:
vermicelle f. die Fadennudel
vermicelle f. die Suppennudel (Quelle Leo)
Falls Sie sich bis jetzt immer noch nicht von mir abschrecken liessen, Vermicelles zu probieren, dann finden Sie hier ein Rezept:
November 25th, 2005 at 5:26
Ich LIEBE Vermicelles 🙂 🙂 Also mir haettest Deine Portion ohne Bedenken zurueckgeben koennen, haette sie selber gefuttert *gg*. Allerdings zur Zeit auch nicht, weil diaettechnisch ist Vermicelles zwar tausendmal besser als z.B. Cremeschnitte, aber natuerlich auch millionenfach schlechter als ein Apfel *schiefgrins*
November 25th, 2005 at 8:22
Das musst du auch nicht «alleine runterkriegen»! Ein ordentlicher Schluck Kirsch über’s Vermicelle und es rutscht von ganz alleine. Mmmmmh!
November 25th, 2005 at 9:39
Auch wenn mir das Konzept von Vermicelle nicht so gefällt, erst die Story über das Spaghetti-Eis klingt für mich richtig (!!) eklig 🙂
November 25th, 2005 at 10:29
Interessant, hab bis jetzt noch nie was von Spaghetti-Eis gehört… seltsame deutsche Esskultur 😉
Na ja, Vermicelles sind ja auch kein Eis… aber du musst schon ein speziell schlechtes Exemplar erwischt haben. Das geht sonst ganz angenehm runter, auch ohne Schnaps… aber meist isst man Vermicelle ja mit Vanilleeis und/oder Merengues und Sahne.
November 25th, 2005 at 14:01
Auch mir erging es vor ein paar Jahren wie hier von dir beschrieben. Ich sass ahnungslos in einem Restaurant und musste auch an Spaghetti-Eis denken. Nach den ersten Wochen begann ich sowieso mir einen Reim auf die schwiizerdüütschen Vokabeln zu machen. So kam ich bei Vermicelle auf „fermischelles“ aka Gemischtes 😉 … als gemischtes Eis mit Sahne in Spaghetti-form.
Der Anblick dieser Dinger hat mich aber noch lange davon abgehalten es auch einmal zu probieren. Dies hatten Eingeborene nur mit viel Mühe geschafft.
Mein Fazit:
– Sicher nicht mit Merengues, weil diese noch trockener sind.
– Wenn, dann nur mit viel Sahne und Kirsch, damit es auch irgendwie runtergeht.
– Sicher nie als Dessert, weil das Ding eine komplette Mahlzeit ersetzt.
November 25th, 2005 at 14:09
Jetzt muss ich aber wirklich mal das Spaghetti-Eis verteidigen. Es gibt wirklich kaum leckereres als Vanille-Eis (jedenfalls wird das im Normalfall dafür verwendet; habe noch nie anderes gegessen dadrin) mit einem guten Schuss Erdbeersauce und ein paar Schokoraspeln.
Vielleicht brauchen wir Deutschen einfach das doppelte italienische Flair: Italienisches Eis, das aussieht wie ein italienisches Nudelgericht
Aber wenn ich mir dieses Maronen-Dessert vorstelle, wird mir flau im Magen…
November 25th, 2005 at 16:35
Hol mir jetzt `nen Flasche Bier, Flasche Bier, Flasche Bier, hol mir jetzt `nen Flasche Bier, Flasche Bier, sonst streik ich hier. 😉
November 25th, 2005 at 16:42
Vermicelles ist mein liebstes Dessert! Viel besser als Glacé. 😉
November 25th, 2005 at 18:59
Es gibt natürlich Vermicelles und Vermicelles. Ich habe schon Vermicelles gegessen, das einen Schuss Apfelmus im Marroni-Pürée enthielt. So rutscht es sehr gut die Kehle runter, noch bevor man Kirsch dazugibt. „Nidle“ (Sahne) obendrauf ist natürlich das geeignetste Schmiermittel. Man kann „dieses Dessert“ (diesen Nachtisch) sehr wohl mit Meringues* essen. Besonders die aus Gruyères (Greyerz) sind in der Regel leicht und luftig und zerlaufen nur so im Mund.
Besonders die Menge ist allerdings massgebend: Vernünftige Leute bestellen natürlich nie ein Vermicelles XXL, so ersetzt es auch keine komplette Mahlzeit. Ebenfalls empfehle ich niemandem ein Vermicelles light zu bestellen. Sowas gibt es einfach nicht.
* = Ich vermute, nicht alle Leser wissen was „Meringues“ (sprich [MERängge] – betonte Silbe GROSS geschrieben) sind. Bitte nicht verwechseln mit einem lateinamerikanischen Tanz „Merengue“ (sprich [meRENge]) Man nent sie in Deutschland „Baiser“ (sprich: [beSE], frz. für „Kuss“) siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Meringue
Was im Lexikon nicht steht, ist, dass der Name „Meringue“ die französische Version von „Meiringen“ im Berner Oberland ist. Allerdings fehlt mir der geschichtliche Durchblick, weshalb. Zumindest haben wir hier für einmal ein Wort, welches sogar in Deutschland einen französischen Namen trägt.
November 25th, 2005 at 19:11
Ich finde Vermicelles ganz „gruusig“.
Aber ich stehe damit alleine da.
November 25th, 2005 at 21:29
Mit Vanille-Eis und Sahne ist das lecker!
Okay natürlich sollte man nicht zu viel davon essen…
November 26th, 2005 at 0:24
Igitt-igitt-igitt. Vermicelles mag ich überhaupt nicht!
Vermicelles mit Vanille-„Glace“ (Eis), „Rahm“ (Schlagsahne) und „Meringues“ (wie heisst das übersetzt?) wird hier übrigens „Coupe Nesselrode“ genannt.
En Guete (guten Appetit)!
November 29th, 2005 at 20:35
Hmm, ich mag Vermicelles. Allerdings brauchte auch ich meine „Eingewöhnungszeit“.
@ Marc „schwiizerdüütschen“
Augenkrebs: Du verwechselst das norddeutsche Doppel-Ü mit dem schweizerischen kurzen Ü. Schweizer sprechen das Wort eher „düttsch“ aus, als mit kurzem Ü.
Dezember 1st, 2005 at 15:23
Alle, die Vermicelles nicht wirklich mögen, lasst einfach die Finger davon, dann hat es genug für mich 😉 (und natürlich immer mit Meringues und viel Rahm)..
Dezember 13th, 2005 at 0:36
Hallo Jens, super Webseite erstmal 🙂
Vermicelles herzustellen ist ganz einfach, das nötige „Rohmaterial“ kann man sich fixfertig kaufen, in ein rohrförmiges Gerät drücken und mit viel Kraftaufand kommen auf der anderen Seite dann die nötigen Würmer heraus.
Der Trick dabei ist, die Schale vorher mit Rahm zu füllen, dann das Vermicelle und zum Schluss nochmal eine kräftige Portion Rahm darüber. Das hat zwei grosse Vorteile: Erstens erstickt man so nicht gleich beim Essen und zweitens liegt es dann auch nicht so schwer im Magen. Also ich liebe es 🙂
Grüsse aus St. Gallen,
Yhoko
Februar 4th, 2006 at 9:08
Die besten Vermicelles gibt es im Cafe Rorboz in Rorbas.
http://www.rorboz.ch
Februar 18th, 2006 at 4:45
oh Vermicelles. was gibt es feineres als diese kleinen braunen würmer mit rahm. ein kleiner Tipp. geh mal ins emmental und bestelle dort in einem restaurant ein „coupe nesselrode“. ich sag nur LEECKEER……..
von eis-spaghetti hab ich jedenfalls noch NIE was gehört. kann man das essen.? ich mag vanille glace und erdbeersauce. aber so verunstaltet und gepresst kann man das doch nicht essen… und dann noch mit schoggistreusel? würg…. NIEMALS..
April 7th, 2006 at 13:46
Irgendwann muss ich Jens mal zu einer echten Schweizer Speziallität einladen. Nämlich zu einem deftigen Kafi Lutz. Aber dann sollte er besser ohne Auto kommen oder fahren lassen.
August 17th, 2006 at 13:18
Die Eisspaghetti sind mir bekannt, gibts in einer Eisdiele (!) in Rorschach. Dort bestehen die Spaghetti aus einer Vanilleglacé und Zitronensorbetmischung, dann die Erdbeersauce und statt Schoko- sinds Kokosstreusel.
Durch die Spaghettisierung wird das Eis schön luftig, das Ganze ist nicht gar so süss und durch die Kokosraspel sogar richtig exotisch.
NB: Es wird Herbst und bald ist Coupe Nesselrode wieder auf jeder Wild-Speisekarte 🙂
November 20th, 2006 at 22:57
Wer den Geschmacksinn im 7. Himmel hat, der muss das Vermicelles im Restaurant Sternen in Busswil TG köstigen. Das Himmelreich auf Erden, zart aromatisch, cremig – Der Kirsch und der Rahm sind Pate bei der herstellung.
November 29th, 2006 at 21:57
Also auch ich stan dem Vermicelles kritisch gegenüber. Aber es blieb nicht bei einem Versuch und nun „liebe“ ich es, besonders auf Merenge und mit Kirschcreme – uh ..oder doch lieber mit Vanilleeis und Sahne. 🙂
Ne Vermicelle ist klasse.
Januar 16th, 2007 at 15:00
Ich liebe Vermicelles auch, besonders mit Vanilleglace und Niidle, aber leider versaut mir oft der Kirsch alles, den mag ich nämlich gar nicht.
So unterschiedlich sind die Geschmäcker. Naja, essen darf ich das Zeugs eh nicht mehr, sonst geh ich gleich wieder auseinander.
Januar 16th, 2007 at 16:21
Was ist denn bitte schön eine Erdbeer“sausse“. Ein Fressgelage mit Erdbeeren? Wäre dann wohl eher eine Sause.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sauce (oder eben So[sz]e)
Ach ja, zum Thema: Gemäss den Kommentaren spaltet die Vermicelles anscheinend die CH-Nation. Sozusagen ein Vermicelles-Graben.
Entweder mann/frau kann gar nichts damit anfangen, oder mann/frau liebt sie.
Ich liebe sie. Und wie! … Leider!
Und damit ich das auch mal gesagt habe: Witziger und unterhaltsamer blog, weiter so!
Dezember 12th, 2007 at 11:44
Als ich vor über 20 Jahren aus der Schweiz nach Berlin auswanderte, war es mir ein Rätsel, wie man hier den November überleben soll ohne Vermicelles und gar noch ohne Marronistände. Inzwischen gibt es das Nola’s am Weinberg und das Vermicelles dort ist wirklich anständig. Bloß ist es noch eine Definitionsfrage, was ein jeder und eine jede unter einer „großen Portion“ versteht …
April 25th, 2008 at 21:54
Naja, einigen fehlt wohl einfach der Appetit! Wenn ich im tiefen Emmental essen gehe, so tu ich das aus dem guten einfachen Grund, um meinen Magen zu füllen. Dass dies nach einem guten Zmittag oder Znacht noch nicht der Fall is,t liegt auf der Hand. Man lässt also idealerweise immer etwas Platz für eine Bratwurst oder eben ein stolzes Dessert!
Nesslerode wie der Coup mit Vermicelles, Meringue und Glace heisst zählt im Herbst zu den klaren Favoriten. Und durchs Jahr gibt es immer tolle Meringues. Aber eben nur für diejenigen die auch wirklich was essen wollen…
Dezember 26th, 2011 at 10:43
Verunstalte das (die) Spaghetti-Eis(-creme) nicht zu Eis-Spaghetti. 🙂 Reisen bildet, also ab nach Berlin und ein anständiges Spaghetti Eis bestellt. 😉