Ein Deutscher will zurück nach Zürich — Arthur Horváth live in Zürich am 18.10.08

Oktober 10th, 2008
  • Ode an die heimliche Hauptstadt
  • Kann das gut gehen? Der Kölner Arthur Horváth schrieb eine Ode an die heimliche Hauptstadt der Schweiz, an Zürich, den beliebteste Ort hierzulande überhaupt, und wurde vom Stadtmarketing Zürich Tourismus gleich „gekauft“. Der Song unterlegt den offiziellen Werbespot von Little Big City:

    Und die Zürcher? Die freuen sich wie narrisch, dass endlich ein Kölner ihre Stadt besingt. Auf Hochdeutsch, nicht in der Sprache Zwinglis oder in der Mundart von BAP. Die Versionen in den drei anderen Schweizer Landessprachen sind in Arbeit. Gab ja noch kein Lied über diese Stadt. Könnte es einen Schweizer geben, der Zürich besingen würde? Nein, auf so eine Idee kommt man nur als Deutscher. Wir sind gern hier, und wir kommen gern immer wieder!

  • Live im Zwinglihaus am 18.10.08
  • Am nächsten Wochenende kann man den guten Mann Mann live erleben, denn er tritt in Zürich auf, im Kulturmarkt (Ämterstrasse 23, Lageplan hier), ab 19:30 Uhr ist Einlass und um 20:30 Uhr geht es los. Eintritt 25 Fr., 15 Fr. ermässigt. Mit „Legi“ heisst das in der Schweiz, was keine Legosteine sind, sondern eine „Legitimation“, dass man Student oder Schüler oder Zivildienstleistender oder Soldat oder Deutscher ist in diesem Staat.

    Artur Horváth

    Wir werden deutsch sein dort sein und uns diesen Landsmann mit dem sympathischen Haarschnitt und seinem Trio mal genau angucken. Wäre cool, wenn noch viele andere kämen. Die Musik kann man sich auf der Homepage www.arthur-horvath.de auch schon mal probeweise reinziehen.

    „Horváth verzaubert mit charmanter Stimme, humorvollen deutschen Texten und erfrischend positiven Liedern. Neben Akustikgitarren, Bass und Gesang setzt das Trio auch ungewöhnliche Instrumente wie Akkordeon, Cajon und allerlei Flöten ein.“
    (Quelle: Kulturmarkt im Zwinglihaus)

    Charmant, humorvoll, deutsch. Ist das eine Steigerung? Oder eine Konsequenz? Wir sind jedenfalls schon sehr gespannt auf den Live-Auftritt am nächsten Samstag. Wer mehr Details zum Mitnehmen oder Ausdrucken braucht, kann sich diesen Flyer hier runterladen.

    Werde Botschaftsschützer oder Botschaftsschützerin — Ausbildung aber nur auf Deutsch

    Oktober 9th, 2008
  • Das Viertel mit den Botschaften
  • Neulich waren wir in Bern ausserhalb der Altstadt unterwegs und gerieten in der Nähe der Thunstrasse in ein Viertel, in welchem zahlreiche Botschaften fremder Länder zu finden sind. Hohe Zäune und Kameras an den Einfahrten sorgten für Sicherheit, und wir trafen auf zwei Schweizer Soldaten mit Sturmgewehr und militärisch grossem Funkgerät, die für die Bewachung der Gegend zuständig waren. Als wir sie nach dem Weg fragten, stellte sich heraus, dass sie nur Französisch sprachen. Ob sie Profis waren oder nur ihren WK ableisteten, war nicht ersichtlich. Jedenfalls waren sie „Stellvertreter“, denn eigentlich sind für den Schutz der ausländischen Botschaften in der Schweiz Spezialkräfte vorgesehen.

  • Werde Botschaftsschützer
  • Lange Zeit glaubte ich, dass es nur in Deutschland für jede berufliche Nische einen eigenen Ausbildungsweg gibt. Von der Fleischfachverkäuferin über den diplomierten Raumkosmetiker sei dort alles möglich. Da nun stiess ich auf diese ausgeschriebene Stelle als „Botschaftsschützer/in“ in Bern:
    Werde Botschaftsschützer
    (Quelle Foto: police.be.ch)

  • Stehvermögen ist gefragt
  • An 365 Tagen rund um die Uhr stellen die Botschaftsschützerinnen und Botschaftsschützer die Sicherheit ausländischer diplomatischer und konsularischer Vertretungen sicher. Sie leisten ihren Dienst uniformiert und bewaffnet. Nebst ihrem Einsatz vor den entsprechenden Gebäuden – bei jeder Witterung – zirkulieren sie in den Patrouillenfahrzeugen des Botschaftsschutzes durch die Botschaftsviertel. In dringlichen Fällen unterstützen sie zudem die Kolleginnen und Kollegen der Polizei bei sicherheitspolizeilichen Einsätzen.
    (Quelle: www.police.be.ch

    Solange diese Stellen in Bern nicht ausreichend besetzt werden können, müssen WK Soldaten diesen Job provisorisch übernehmen. Das Botschaftsviertel in Bern wird von diesen geschützt.

    Sie werden dabei auch bei der polizeilichen Bewältigung von politischen Demonstrationen und Grossanlässen eingesetzt. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen des Verkehrsdienstes bei der Kontrolle des ruhenden und rollenden Verkehrs in der Stadt Bern.

    Aufpassen, dass der geparkte Lieferwagen vor der Botschaft nicht in die Luft fliegt usw. Technisches Verständnis und physische Belastbarkeit sind gefragt, um eine Bombe schon am Ticken zu erkennen oder an den vielen Kabeln.

    Die Erfüllung dieser Aufgaben erfordert Geschick im Umgang mit Menschen, eine überdurchschnittliche psychische und physische Belastbarkeit, technisches Verständnis und eine gute körperliche Verfassung. Ausgeglichener Charakter, logisches und schlussfolgerndes Denkvermögen und Entschlusskraft, vor allem aber auch Standvermögen bei Wind und Wetter sind weitere wichtige Voraussetzungen für diesen Beruf.
    (Quelle www.police.be.ch)

    Unerwähnt bleibt, welche Niederlassungsbewilligung für diesen Beruf vorausgesetzt wird, und nur indirekt ist ersichtlich, dass diese Ausbildung nicht auf Französisch oder Italienisch angeboten wird. Klickt man auf die Französische Fassung dieser Stellenanzeige, so steht dort nur:

    Formation en allemand
    „Formation en allemand“

    Deutschkenntnisse sind also die Voraussetzung. Die beiden Soldaten, die wir dort trafen, hätte also gar keine Chance, diesen Beruf wirklich zu lernen. Sie machen ihn einfach so.

  • Auf alle Fälle allfällig
  • Der Beruf des Botschaftsschützers oder der Botschaftsschützerin sind aber keine beruflichen Sackgassen. Der Aufstieg zum Gruppenchefstellvertreter oder zur Gruppenchefstellvertreterin oder gar zum Gruppenchef oder zur Gruppenchefin sind durchaus möglich. Ebenfalls der allfällige späterer Wechsel in den Polizeiberuf.

    Allfälliger Wechsel
    (Quelle Foto: www.police.be.ch)

    Der ist auf alle Fälle fällig, also allfällig. Nicht auffällig, anfällig oder gar ausfällig. Nein, allfällig. Gefallen aus dem All, sozusagen. Oder nicht?

    Ein Dezi ist nur ein Schluck — Weintrinken für Sparsame in der Schweiz

    Oktober 8th, 2008
  • Schluck runter, Dezi rein
  • Neulich waren wir zu einem guten feinen Essen in einem Schweizer Restaurant eingeladen. Zum Essen wurde Wein gereicht. Weil es ein besonders gutes Restaurant war, musste man sich als Gast nicht selbst um das Nachschenken kümmern. Aufmerksame Kellner standen im Hintergrund bereit und füllten einem das Glas, sobald es leer war. Na ja, „füllen“ ist etwas übertrieben. Sie gossen genau ein „Dezi“ nach. Das sind angeblich 100 ml, auch als „1 dl.“ abgekürzt. Sieht verdammt nach wenig aus. Ist auch wenig. Man nimmt einen Schluck, das Glas ist leer, und wieder gibt es ein Dezi. Noch ein Schluck, Glas ist wieder sofort leer, ein Dezi wird nachgefüllt.

    Nur ein Dezi ist ziemlich wenig
    (Quelle Foto: ipics.design.de)

  • Dauerbeschäftigung für Kellner
  • Was ist das eigentlich? Eine Methode um Wein zu sparen oder den Kellnern eine sinnvolle Dauerbeschäftigung zu geben? In so ein Glas passen locker 2-3 Dezi hinein, aber es wird stets nur dieser geringer Bodensatz aufgefüllt, nicht einmal ein Zentimeter hoch die Flüssigkeit. Soll man sich dabei genieren, so oft nachgeschenkt zu bekommen, wenn der Wein gut schmeckt? Kostet jedes Nachfüllen extra? Macht da im Hintergrund jemand Striche auf einer Liste, wie oft der Deziliter ausgeschenkt wurde?

  • Viertele schlotzen in Südbaden und Schwaben
  • Wir kramten in unseren Erinnerungen an Landgasthöfe im südbadischen „Markgräflerland“, wo der Riesling und der Spätburgunder Weissherbst in „Vierteln“ ausgeschenkt wird, also ziemlich genau 2.5 Dezi pro Glas.

    Viertele Riesling
    (Quelle Foto: hande.files.wordpress.com)

    Das badische (und schwäbische) Viertele wird auch nicht getrunken, es wird „geschlotzt“. Und wenn es dann leer ist, wird ordentlich nachgefüllt. Nicht so in der Schweiz. Dort gibt es zum Apéro spezielle „1-Dezi-Gläser“. So klein, dass aus einer herkömmlichen 0.7 Liter Weinflasche damit sieben Gläser (!) gefüllt werden können. Ist das nun extremer Genuss, oder extreme Sparsamkeit, in solch kleinen Gläsern den Wein zu offerieren?

    Selbst wenn das Glas grösser ist, wird nie mehr als ein Deziliter nachgegossen. „Damit sich die Blume richtig entfalten kann“, und damit die Bedienung nie ohne Beschäftigung ist.

    Nachtrag:
    Es erreichte uns noch dieser wichtige Hinweis der Blogwiese-Leserin Marianna:

    Soeben habe ich in der Zeitschrift des Schweizerischen Landesmuseums einen Hinweis zu einer Ausstellung über schweizerische Trinksitten gefunden gefunden. Zwei Bilder finde ich gelungen:
    Das eine von Cuno Amiet, eine Reklame für das Bahnhofbüffet Basel: Geniesser mit gefülltem Glas in erstklassigem Büffet;
    Bahnhofsbuffet

    Das andere von Werlen „Ein Gläschen zuviel“: kleines Glas und trotzdem nicht mehr nüchtern:

    Werlen

    Sie haben einen Fleck da — Der Fleck im Reinheft

    Oktober 7th, 2008
  • Ein Tolgen oder ein Fleck?
  • Es ist schon eine Weile her, da beschäftigten wir uns auf der Blogwiese mit der echt Schweizerischen Redewendung „Einen Tolgen im Reinheft“ haben (vgl. Blogwiese). Nun begegnet uns diese Konstruktion wieder, sehr prominent in der Überschrift eines Artikels im Tages-Anzeiger auf Seite 3:

    Der Fleck im Reinheft
    (Quelle: Tagesanzeiger.ch vom 6.10.08)

    Zufällig hatten wir gerade eine Grundschullehrerin aus Deutschland zu Besuch. Ich zeigte ihr die Überschrift und bat um ihre Erklärung, um was es in diesem Artikel wohl geht. Es war zwar nun kein „Tolgen“ mehr zu sehen, sondern nur noch ein Fleck. Jemand meinte, beim Wechsel von der gesprochenen Mundart in die Schriftsprache aus „Tolgen“ einfach „Fleck“ machen zu müssen, damit es leichter verständlich wird. Dennoch blieb die Redewendung für unsere Besucherin, der nicht täglich mit Schweizer Varianten zu tun hat, unverständlich. Alles liest sich flüssig auf Hochdeutsch, allein verstehen kann sie nichts.

  • Kein Fleck auf der weissen Weste
  • Wohlgemerkt, wir finden sie sehr hübsch, diese Redewendung. Ähnlich hübsch wie „einen Fleck auf der weissen Weste haben“ oder wie „Sauber über dem Nierenstück sein“ (vgl. Blogwiese) . In der S-Bahn sass ich einmal neben einer Schweizer Berufsschülerin, die für den Deutschunterricht eine Liste solcher Redewendungen und Metaphern nebst der wörtlichen Bedeutung lernen musste: „Den Nagel auf den Kopf treffen“, „einen Silberstreif am Horizont sehen“, „Sein Licht nicht unter den Scheffel stellen“, das „Fass zum Überlaufen bringen“ usw.

  • Wenn der Zahn der Zeit Gras drüber wachsen lässt
  • Es ist schon schwer genug, sich das in diesen Dingen in der Standardsprache auszukennen, und wer aufmerksam Sportreportagen oder das heutejournal im ZDF verfolgt, der bekommt oft genug zu hören wie „der Zahn der Zeit Gras über die Sache wachsen lässt“ und andere hübsche Bildvermischungen.

  • Wo lagerst du dein Heu?
  • Für Schweizer Schulkinder ist die Anforderung noch höher. Sie müssen nicht nur die standarddeutschen Redewendungen kennen, sondern auch „das Heu nicht auf der gleichen Bühne“ lagern oder „sauber über dem Nierenstück“ lernen. Zurück zum „Fleck im Reinheft“. Den kann man sich leicht merken, denn schon der nervige putzwütige Schweizer im Band „Asterix bei den Schweizern“ pflegt permanent die Orgie der Römer zu stören mit dem Satz „Sie haben einen Fleck da!“. Scheint also was dran zu sein.

    Deutsche sichern Schweizer Renten — Eine interessante Betrachtung der NZZ am Sonntag

    Oktober 6th, 2008
  • Deutsche sichern Schweizer Renten
  • Am 21. September brachte die NZZ am Sonntag einen Hintergrundsartikel in der Rubrik „Arbeitsmarkt“, der ein paar aktuelle Zahlen zusammenstellt, die so bislang noch nicht beleuchtet wurden:

    Der AHV geht es gut – dank den deutschen Einwanderern mit ihren hohen Löhnen. Sie zahlen weit mehr in die Altersvorsorge ein, als sie beziehen, und sie belasten das Sozialsystem kaum. Die Gruppe der Ausländer in der Schweiz hat ein neues Gesicht.
    (Quelle: NZZ am Sonntag 21.09.08, S. 26)

    Nehmen sie doch nicht mit ihrer Bereitschaft zu Dumpinglöhnen den Schweizern die Arbeitsstellen weg und sorgen durch das Zahlen von überhöhten Mieten zugleich für eine angespannte Lage am Wohnungsmarkt?
    Die NZZ führt aus:

    Das überproportionale finanzielle Engagement der EU-Arbeitnehmer kommt den lohnmässig schlechter gestellten Schweizer Arbeitnehmern zugute, denn auch die Ausländer aus den Nicht-EU-Ländern zahlen mehr in die AHV/IV ein, als sie daraus erhalten. Die gut verdienenden Ausländer haben bei der AHV gleich zwei Nachteile. Erstens wird pro Einzelperson eine Maximalrente von nur 2210 Franken im Monat ausbezahlt.Wer sehr viel einbezahlt, weil er viel verdient, wird also nicht mit einer höheren Rente belohnt. Zweitens wird diese Maximalrente nur jenen Rentnern ausbezahlt, die ab dem Alter von 18 Jahren ununterbrochen in die Schweizer AHV einbezahlt haben. Auf die eingewanderten Ausländer trifft das nicht zu. Sie erhalten nur einen Teil der Rente aus der Schweiz. Ausländische Arbeitnehmer mit hohem Lohn sind also das Beste, das einer Rentenkasse wie der AHV passieren kann. (…)
    (Quelle: NZZ am Sonntag 21.09.08, S. 26)

  • Das Geld stammt von Deutschen
  • Der Ursprung des Geldsegens für die Sozialversicherungen lässt sich lokalisieren:

    Das Geld stammt vor allem von Deutschen. Von den 30 000 Einwanderern im letzten Jahr kamen allein 23 000 aus dem nördlichen Nachbarland. In den letzten acht Jahren hat sich die Zahl der Deutschen in der Schweiz auf 224 000 verdoppelt. Hält der Zustrom an, dann haben sie in zwei bis drei Jahren die Italiener als grösste Ausländergruppe in der Schweiz abgelöst.
    (Quelle: NZZ am Sonntag 21.09.08, S. 26)

  • Krankenkassen und Sozialwerke profitieren ebenfalls
  • Die erleichterte Zuwanderung aus Deutschland und anderen EU-Ländern ist nicht nur für die AHV und die IV ein Glücksfall, sondern hat für die Sozialwerke generell angenehmere Folgen als zuerst angenommen. Die jährlichen Mehrkosten aufgrund der Personenfreizügigkeit sind mit 240 Millionen Franken nur etwa halb so hoch wie zuvor geschätzt. Die Zusatzkosten für die Krankenkassen beispielsweise belaufen sich nur auf einen Zehntel des geschätzten Betrags, der Aufwand der Arbeitslosenversicherung auf ein Drittel. Anders als die früheren Ausländergruppen besetzen die neuen Einwanderer aus Deutschland heute stabile Stellen. Ihr Risiko, arbeitslos zu werden, ist kaum höher als jenes der Schweizer. (…)

    Da möchten wir doch an die alte Blick-Kampagne erinnern: „Wieviele Deutsche verträgt die Schweiz“? Offensichtlich, wenn man diese Zahlen betrachtet, verträgt sie rein finanziell so einige.