Geben Sie nicht Pfötchen sondern Ihr Foto — Hörverständnisproblem mit Schweizern
Oktober 17th, 2008(reload vom 25.01.06)
Wir belauschten ein flirtendes Paar junger Schweizer in der abendlichen S-Bahn:
„Gisch mer dis Fötteli?“
So weit ist es also schon gekommen, dass der junge Mann „Pfötchen“ geben soll. Wird hier der Versuch gestartet, aus wilder ungestümer Männlichkeit etwas Handzahmes zu generieren, das später wie ein Vögelchen ins „Näscht“ schlupft? (vgl. Blogwiese )

Nein, es ist einfach nur ein neues Hörverständnisproblem. Das „Fötteli“ ist nicht die Pfote sondern die schweizerdeutsche Koseform für „Foto“. Sie können wählen zwischen der gängigen Schreibweise mit einem „t“= Föteli (56.800 Treffer bei Google-Schweiz ) und der etwas elitäre Version mit zwei „tt“, immer noch 5590 Treffer bei Google-Schweiz.
Oh, wo wir es gerade vom „Foto“ haben: Dieses sächliche Neutrum kann in der Schweiz auch ganz feminine Züge bekommen: „Die Foto“ ist laut Duden erlaubt und üblich in der Schweiz:
Foto, das; -s, -s, schweiz. auch: die; -, -s:
Denn es ist eine Kurzform von „die Fotografie“.
Durch die „Götti“-Diskussion lernten wir, dass in der Schweiz viele weibliche Formen zugleich auch Neutrum sein können:
Die Mama => das Mami
Die Gotte = d gotte (f.) = mini gotte => das Gotti = s Gotti = mis Gotti
Da tut sich ein weites Feld auf für die Psychoanalyse, warum die Ur-Mutter „Mama“ plötzlich sächlich wird. Wahrscheinlich damit der Papa sie dem Kind nicht mehr streitig machen kann.
Unsere Hörverständnisquote beim Schweizerdeutschen ist zwar gestiegen, die magischen 100% haben wir aber noch lange nicht erreicht. Der Leser Branitar aus Norddeutschland schrieb:
In der Schweiz verstehe ich dann in der Regel nur noch etwa ein Drittel dessen, was gesagt wird, und das auch nur, wenn ich mich sehr konzentriere und mir den Rest denke. Auch an Tankstellen und Supermarktkassen muss ich oft explizit darauf hinweisen, dass mein Verständnis des Schweizerdeutschen nicht ausreicht, auch, wenn ich bereits mit meinem Gegenüber Hochdeutsch geredet habe (und man mir wohl recht stark anhört, das ich aus dem Norden komme).
Wie kann man in einem Land überleben, wenn man immer nur ein Drittel versteht? Wir sehen da diverse Möglichkeiten:
1.) Immer freundlich lächeln und hoffen, dass man das richtige Drittel verstanden hat.
2.) Einen Antrag auf Zuteilung eines Simultan-Dolmetscher bei der Einwohnerkontrolle einreichen.
3.) Es mit Englisch versuchen, das können die Schweizer fast noch besser als Hochdeutsch (siehe Fachsprache beim Fussball).
4.) Als Norddeutscher einfach fragen: „Verstehen Sie Plattdüütsch?“ und dann munter drauflos „snacken“.
5.) Einen Sprachkurs bei der Migros-Clubschule belegen (Beispiel hier) .
6.) Wem 5.) nicht reicht, der kann ja noch die Fortbildung zum Jodeldiplom anhängen.










