Machen Sie noch Konkurrenz oder konkurrenzieren Sie?
Das erste Wort, das mir beim Einstieg ins Wirtschaftsleben nach langen Studienjahren ins Auge sprang, war „der Mitbewerber“. Ich lernte rasch: Von der „Konkurrenz“ oder einem „Konkurrenten“ wurde nur an der Schule oder Uni gesprochen. Dort war es der werte Kommilitone, auch nicht ohne, an „Miliz“ und und die kleine „Mili-tante“ erinnernd. In der Wirtschaft steht man im Wettbewerb miteinander und schätzt sich über alle Massen, jedenfalls im Angesicht des Kunden. Rede niemals schlecht über die Konkurrenz, das fällt schlecht auf dich zurück! Dies musste der Republikaner John McCain im aktuellen US-Präsidentschaftswahlkampf hautnah erleben, als er zu stark seinen „Mitbewerber“ Barack Obama verunglimpfte.
Das zweite Wort, das ich dann noch im Wirtschaftsleben lernte, war die „Umstrukturierung“. Ein schönes neutrales Wort, dass immer dann erwähnt wurde, wenn es darum ging, ein paar Leute zu entlassen.
In der Onlinefassung der Schweizer Wirtschaftzeitung Cash.ch lasen wir
Der Zug konkurrenziert den Flug
Mit Sonderangeboten lockt der TGV Lyria noch mehr Paris-Reisende auf den Zug. London und Berlin bleiben dagegen bislang eine Flugdestination. Für nur 25 Franken mit dem TGV Lyria von Zürich nach Paris: Dieses Lockangebot der SBB bis Ende September haben über 23 000 Reisende genutzt. Der Hochgeschwindigkeitszug ist mit einer Auslastung von 80 Prozent auf Erfolgskurs: Sein Marktanteil auf der Strecke Zürich–Paris beträgt 65 Prozent gegenüber Auto und Flugzeug.
(Quelle: Cash.ch vom 8.10.08 )
Da macht niemand Konkurrenz, da herrscht kein Wettbewerb, nein, da wird kurz und knapp „konkurrenziert“. Wieso gibt es dieses Wort nicht in der Standardsprache? Der Duden verzeichnet es als Süddeutsche, Österreichische und als Schweizer Variante.
konkurrenzieren (sw. V.; hat) (südd., österr., schweiz.): jmdm., einer Sache Konkurrenz machen.
(Quelle: duden.de)
Es ist höchst praktisch und schreit geradezu nach der allgemeinen Einführung im restlichen deutschen Sprachraum. Aber dann wüssten wir morgens beim Lesen des Wirtschaftteil nicht mehr, dass der Redaktor in der Schweiz doktoriert hat und nun hier geschäftet. Auch schön.
Oktober 15th, 2008 at 8:16
In der schriftdeutschen Sprache sagt man zu konkurrenzieren konkurrieren. Andererseits werden in Deutschland Renovierungen vorgenommen, während es in der Schweiz Renovation heisst.
Das sind einfach Eigenheiten und machen für mich eine Sprache lebendig und liebenswert.
Oktober 15th, 2008 at 8:16
Witzig: ist mir noch gar nie aufgefallen. konkurrenziert oder doktoriert. Völlig normal für einen von der Insel der Seligen im Osten der Schweiz.
Oktober 15th, 2008 at 9:57
Wieso gibt es dieses Wort nicht in der Standardsprache?
Doch, das Wort gibt es in der Standardsprache. Sie sagen ja selber, dass es im Duden steht und in der Standardsprache der Süddeutschen, Österreicher und Schweizer benutzt wird.
Oktober 15th, 2008 at 10:35
Dem Radaktor bleibt wenigstens folgende Redensart erspart:
„Dem Redakteur ist nix zu schwör.“
Oktober 15th, 2008 at 10:36
Auf jeden Fall passt „doktorieren“ schön zu „Doktorand“. Ich bin selbst auch promoviert, habe also eine Dissertation, eine Doktorarbeit, erfolgreich eingereicht und die Disputation bzw. das Rigorosum … Ach, egal. Auf jeden Fall ist es schön, wenn man beim Arzt aufgerufen wird mit „Dr. Soundso bitte“. Alle schrecken auf und denken: Der Arzt muss zum Arzt?
Oktober 15th, 2008 at 11:04
@Simone
Dafür muss er diese Redensart ertragen, vor allem, wenn er dem Tagi angehört, dessen gestrige Ausführungen zum Sprayer Nägeli fragen liessen, zu welcher Stadt Zürich der Vorort ist:
„Es wäre besser, der Redaktor
bliebe sitzen auf dem Traktor!“
Hier stimmt sogar die Betonung!
Oktober 15th, 2008 at 11:42
Und in der Mundart gibt es noch des „doktern“ = das heisst, dass man Arzneimittel einnimmt und Ärzte besucht, vielleicht auch selbst an sich herumpfuscht. „Anne Bäbi Jowäger und wie es ihm mit dem Doktern ergeht“ ist einer von Gotthelfs Romanen.
Oktober 15th, 2008 at 13:10
@Oliver:
Der Spruch ist super! Kommt zwar nicht ganz hin mit dem Versmass, aber vielleicht fällt mir noch was ein.
@Mare:
Mit „doktern“ meint doch hoffentlich niemand „Doktor spielen“?
Oktober 15th, 2008 at 15:44
@Simone, das Original ist aber: Dem Intschenör ist nichts zu schwör…
Ja, das mit dem dem Wettbewerber oder dem Martkteilnehmer ist so eine schöne Umspielung des bösen Wortes Konkurrenz.
Wenn man zum Wettbewerber wechselt, dann ist es plötzlich der Konkurrent!
Oktober 15th, 2008 at 17:37
@Nein das wäre „Dökterlis spiele“.
Oktober 15th, 2008 at 20:27
@Simone: Nein, „Doktor spielen“ heisst „dökterle“.
Oktober 17th, 2008 at 15:51
Ob nun „konkurrenzieren“ oder „parkieren“ – das sind einfach Eigenheiten oder eben Helvetismen. Viel mehr nerven mich in Schweizer zeitungen zunehmen verbreitete Eigenkreationen wie „verunfallt“ (verunglückt) und „ertrogen“ (statt jemanden betrogen haben). Da läuft’s mir jedesmal kalt den Buckel runter.
[Anmerkung Admin: Nein, das sind absolut keine „Eigenkreationen“ sondern weitere Beispiele für Varianten der Deutschen Sprache, die nicht im Standard vorkommen sondern nur in der Schweiz üblich sind]
Oktober 18th, 2008 at 14:46
Lieber Admin – das stimmt nur für „verunfallen“ – „ertrügen“ kennt nicht mal der „Duden“ und auch das Schweizerdeutsche Wörterbuch steht dieser Kreation bisher noch ratlos gegenüber. Dass das Wort gebraucht wird, bestreite ich ja nicht. Dadurch wird es aber nicht besser. Es ist auch kein originärer Helvetismus, wie eben grillieren oder die unterschiedlos zum Kochen verwendete Pfanne (weil es im Schweizerdeutsch den Topf nur bei den Blumen gibt :-). Aber natürlich ist es Geschmackssache, ob’s einem auf den Wecker geht.
Oktober 18th, 2008 at 17:34
„konkurrenzieren“ kann ich, selbst als Schweizer, nur als äusserst schmerzhafte sprachliche Vergewaltigung klassifizieren…