Fahren Sie Sie gern Auto-Scooter, Putschibahn, Box-Autos oder den Selbstfahrer? — Neues aus dem Reich der Varianten

März 19th, 2007
  • Es leben die Varianten!
  • Dass die Deutsche Alltagssprache nicht nur einen Standard besitzt, sondern als plurizentrische Sprache bei einer Vielzahl von Begriffen und Ausdrücken geradezu verschwenderisch mit Varianten um sich wirft, hatten wir schon am Beispiel des Brotanschnittes (=Knust, Kanten, Aahau, Gupf, Riebele) festgestellt. Jetzt wurde wir auf das Projekt „Atlas zur deutschen Alltagssprache“ der Phil-Hist. Fakultät der Uni Augsburg hingewiesen. Bereits in der vierten Runde wird von Sprachwissenschaftlern mit Hilfe eines Fragebogens erhoben, wie die Menschen im deutschen Sprachraum, von der Nordseeküste bis ins tiefste Wallis, von der Westgrenze Luxemburgs bis in die östlichste Ecke Österreichs, zu den Dingen sagen. Jeder ist aufgefordert, den Fragebogen hier ehrlich und genau zu beantworten.

    Autoscooter
    (Quelle Foto: ig-schoenenwerd.ch)

  • Vom Puff-Auto zum Selbstfahrer
  • Sehr hübsch z. B. die Erkenntnisse zu den „Auto-Scootern“, die die Schwaben „Box-Autos“ nennen und die Südtiroler „Puff-Autos“. Da stösst ganz schön was zusammen. Laut Erhebung schwanken die Schweizer zwischen Tätschäutele, Tütschibahn und Potzautos. In Westfalen und am Niederrhein hat man das „Auto“ mit „Selbst“ übersetzt und den Begriff „Selbstfahrer“ geprägt.

    Box-Autos oder Potzautos
    (Quelle Karte: philhist.uni-augsburg.de)

    Wir lesen auf der Webseite:

    In Baden-Württemberg und in der Pfalz sagt man tatsächlich Box-Auto, aus dem Moselgebiet wurde eine weitere Variante, nämlich Knupp-Auto, gemeldet. Die Karte zeigt sehr schön, dass es in den anderen deutschsprachigen Ländern jeweils eigene Varianten gibt: In Österreich fährt man, wie im Wörterbuch angegeben, Autodrom; dies kann aber auch eine ‘(ovale) Rennstrecke für Motorradveranstaltungen’ bezeichnen. Im Wörterbuch bisher nicht verzeichnet ist die Südtiroler Variante Puff-Auto. Aus der Schweiz wurde uns Putschauto gemeldet. Die Bezeichnung Putschi-Auto ist nach Auskunft unserer Gewährsleute etwa in Luzern, Küssnacht, Kerns gebräuchlich, Putschi-Bahn in Zürich, Zug, Staufen, Schwyz. Lautähnlich sind weitere Schweizer und Vorarlberger Varianten wie Tütschibahn und Tätsch-Äutele.
    (Quelle: phihist.uni-augsburg.de)

    Vielleicht ist ja dann der „Tätschmeister“ eine Michael Schumacher der Kirmes, Verzeihung, „Chilbi„?

    Das Wort „Auto-Scooter“ wird neben über 200 weiteren Begriffe und ihren Varianten auf der Webseite erläutert. Da kann unser Variantenwörterbuch einpacken. Das liefert zwar schöne Originalzitat, aber nicht so hübsche Karten wie diese Webseite aus Augsburg.

  • Estrich, Dachboden und Bühne sind nur ein Teil der Wahrheit
  • Endlich erfahren wir, dass die häufig zitierten Varianten für den Dachboden, der von den Schweizern „Estrich“ genannt wird und bei den Schwaben „die Bühne“, im Wallis und in Südtirol auch als „Unterdach“ bekannt ist, und am Niederrhein als „Söller“ aus der Mode kam.

    Dachboden, Bühne, Estrich oder Söller
    (Quelle: Karte Dachboden)

    Viel Spass beim Schmökern im Register und Danke für den Tipp an Schnägge!

    Ist es für Sie OK wenn ich Hochdeutsch spreche? — Stört es Sie, wenn ich Schweizerdeutsch zuhöre?

    März 17th, 2007
  • Am Anfang fragten noch alle
  • Als wir vor 9 Jahren in die Schweiz kamen, wurden ich noch oft gefragt: „Verstehen Sie Schweizerdeutsch, oder soll ich Hochdeutsch sprechen?“ Worauf ich dann meist nach zwei Minuten mit der Frage: „Verstehen Sie Hochdeutsch, oder soll ich Schweizerdeutsch sprechen?“ konterte. Das war natürlich als Scherz gemeint, da ich Schweizerdeutsch erst nach dem dritten Glas Wein spreche. Dafür dürfen Sie dann auch wählen zwischen Bärndütsch oder Züridütsch. Ab dem vierten Glas Wein käme dann noch Walliserdütsch hinzu.

    Nüchtern hingegen entgegne ich: „Verstehen Sie Hochdeutsch, oder soll ich Schweizerdeutsch zuhören?“, denn das kann ich inzwischen fliessend.

    Es ist immer das gleich Problem in der Schweizer-Deutschen Kommunikation, vor dem die Deutschschweizer stehen, die mit ihrer perfekten Diglossie (Zweisprachigkeit) zwischen der Standardsprache und ihrer Variante des Hoch- oder Höchstalemannisch wechseln können.

  • Obacht vor den zweisprachigen Deutschen!
  • Es gibt zwar eine wachsende Zahl von Deutschen, die ebenfalls zweisprachig geworden sind und Schweizerdeutsch sprechen, aber es muss schon ein ziemlicher Zufall sein, an einen solchen zu geraten. Die meisten Vertreter dieser seltenen Spezies tarnen sich so geschickt, dass sie von den Schweizer nicht mehr als „Dütsche“ wahrgenommen werden. Der Schockeffekt ist um so grösser, wenn sich plötzlich einer outen und in einer Diskussion bekennen: „Auch ich bin ein Deutscher!

  • Dann fragte irgendwann niemand mehr
  • Nach einer Weile hörte das auf mit der Fragerei, ob wir Schweizerdeutsch verstehen. Als klar war, dass wir hier auf Dauer leben und zum Bruttosozialprodukt beitragen, und keine Manager mit Geldkoffer auf Kurzbesuch sind, die hier nur ein Rendezvous mit ihrem Kundenberater haben (siehe hier: „Schwarzgeld verstecken in der Schweiz“), sprach man mit uns nur noch Schweizerdeutsch. Ungefragt. Und wir hörten zu und verstanden alles, oder jedenfalls fast alles. Täglich ein kleines bisschen mehr. Es ist lernbar, und höllisch interessant obendrein.

  • Als Tourist wird man nie gefragt
  • Als wir dann im Sommer die Schweiz per Velo durchquerten, da schien uns jemand mit einem dicken Stempel den Schriftzug „ACHTUNG: TOURISTEN AUS DEUTSCHLAND“ auf die Stirn gedrückt zu haben, denn plötzlich sprachen alle, egal wo wir hinkamen, ausschliesslich Hochdeutsch mit uns. „Das sind Touristen, da machen wir keine Umstände, die müssen bei Laune gehalten werden, damit sie wiederkommen“. Und was hält Touristen mehr bei Laune als ein zünftiges Schweizer Hochdeutsch à la Emil Steinberger, den sie doch alle so gut kennen?

    Hundertausend Mal haben wir diese Anekdote erzählt bekommen: „Und dann sagt der Deutsche zu mir: Ihr Schweizerdeutsch verstehe ich sehr gut! Und ich sag zu ihm: Aber ich habe doch nur in meinem besten Hochdeutsch mit Ihnen gesprochen!“ Es ist keine Anekdote, es ist brutal erlebter sprachlicher Alltag zwischen Deutschen und Schweizern in der Schweiz.

  • Sprechen Sie ruhig Schweizerdeutsch mit mir
  • Das sagen viele Deutsche, die Schweizerdeutsch gut verstehen oder es verstehen lernen wollen. Sie schaffen damit eine gewisse Gelöstheit bei ihrem Schweizer Gegenüber. Endlich fällt das förmliche „Korrektsprech“ von ihm ab, und er kann schnurren wie ihm der Schnabel gewachsen ist wie es aus dem „Muul“ kommt, und braucht dabei keine Angst zu haben sich zu blamieren. Gleichzeitig wird ihm die Chance genommen, ein lockeres Alltags-Standarddeutsch zu pflegen und zu üben. Also rostet es ein und verkommt zur holprigen Sprache „für den besonderen Anlass“, z. B. bei Interviews fürs Fernsehen. So antworten beim Schweizer Fernsehen in der Sendung 10 vor 10 viele Befragte konsequent auf Hochdeutsch, auch wenn der Moderator auf Schweizerdeutsch fragt. Im Fernsehen, da gehört sich eben Hochdeutsch, damit die Welschen und Tessiner auch was verstehen. Doch die gucken gar nicht zu, aber vielleicht dafür die 20% Ausländer im Land mit Hochdeutschkenntnissen.

  • Wenn die nur Hochdeutsch mit mir sprechen bin ich nicht integriert
  • Das ist der zweite Grund, warum Deutsche gern auf Schweizerdeutsch angesprochen werden. Man fühlt sich sprachlich anerkannt, der Schweizer traut einem das Hörverständnis und das Wissen über das spezielle Vokabular zu. Klasse Form der Integration. Selber sprechen dauert etwas länger, aber solange ich nicht den Mund auf mache, erkennt mich hier niemand, weil ich alles verstehe. Vogel-Strauss-Taktik sozusagen. Augen zu und Kopf in den Sand, in den Schweizersand. Und schon bin ich unsichtbar.

  • Kompliziert wird es im Geschäftsleben zwischen Schweizern und Deutschen
  • Es schrieb uns dazu eine Schweizerin:

    Wenn ich nur flüchtig mit Kunden zu tun habe (die ich nicht alle fragen kann, ob sie Schweizerdeutsch verstehen): kann es als unhöflich angesehen werden, wenn ich Schweizerdeutsch spreche? Dieses Gefühl hab ich manchmal. Aber wenn ich auf Standarddeutsch antworte, scheine ich oft belächelt zu werden, im Sinne von “Och, die denkt, wir verstehen nicht…”. Andererseits denke ich, dass es wahrscheinlich einige Deutsche gibt, die lieber auf Schweizerdeutsch bedient werden, weil das andere immer ihren “anders-sein-Status” impliziert.
    (Quelle: Private E-Mail)

    Manchmal möchte ich mein Schweizer Gesprächspartner ermutigen: „Trainieren Sie doch einfach mit mir Ihr Hochdeutsch, ich werden dann später gern mit Schweizerdeutsches Hörverstehen mit Ihnen trainieren“… Ein Angebot zum Tandem-Lernen, jeder profitiert vom anderen. Denn eins muss ganz klar gesagt werden: Ich habe noch keinen Schweizer getroffen, der kein Hochdeutsch sprach. Für eine Verständigung hat es immer gelangt, und ich wundere mich immer, warum die meisten mit diesen Sprachtalenten so schüchtern durchs Leben laufen und das nie pflegen und ausbauen wollen. Das ist dann wieder der Moment in dem ich eine Wut bekomme auf die vermutlich schlechten Lehrer, die den Schweizern den Spass und das Interesse an ihrer zweiten Muttersprache so gründlich ausgetrieben haben mochten.

    Ich wünschte, mein Italienisch, Spanisch oder besser noch „mein Schweizerdeutsch“ sei nur annähernd so gut wie das Standarddeutsch der meisten Schweizer.

  • Was fragt man als Schweizer am besten einen unbekannten Deutschen?
  • Nun, wir hätten da einen Vorschlag zur Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses zwischen Schweizern und Deutschen. Wenn Sie es offensichtlich mit einem Deutschen zu tun haben, von dem Sie nicht wissen, ob er Schweizerdeutsch versteht, dann fragen Sie doch einfach so:
    „Macht es Ihnen was aus, wenn ich mit Ihnen mein Standarddeutsch trainiere, oder möchte Sie ihrerseits lieber ihr Schweizerdeutsch verbessern?“ Zu kompliziert? Vielleicht… aber ein bisschen träumen wird doch erlaubt sein.

    Bin ich mich selbst oder bin ich selbst? — Identitätsfindung von Schweizern und Deutschen

    März 16th, 2007
  • Ich will mich selbst sein
  • Ein merkwürdiges Kapitel Deutsch-Schweizer Selbstfindung kam uns unter. „Ich“ oder „Mich“ sein, dass ist hier die Frage, speziell in Verbindung mit dem Selbst. So lasen wir auf uma´s welt:

    Darf ich mich sein? Mit allem was ich bin? Mit meinen Rundungen, meiner empfindsamen Seele? Mit meinen Ecken und Kanten?
    (Quelle: Blog „uma’s welt“)

    Mich selbst sein“ ist wundervoll, und viel eindeutiger als „ich selbst sein“. In der Schweiz ist man viel lieber „mich“ als „ich“. So fanden wir auf bl.ch:

    Grundmotivation So-Sein: Ich bin mich selbst

    (Quelle: bl.ch)

    Ich bin mich selbst, du bist dich selbst, er/sie/es ist sich selbst, wir sind uns selbst, ihr seid euch selbst, sie sind sich selbst. Alles klar? Willkommen bei den Schweizern!

    Der Deutsche Regisseur Robert Schwentke, dessen bekanntester Film „Flightplan“ (2005) mit Jodie Foster ein grosser kommerzieller Erfolg in den USA war, ist offensichtlich davon schon angesteckt, denn er meint in einem Interview mit dem emagazine der Bank Credit-Suisse:

    Ich kann als Regisseur nur mich selbst sein. Ich versuche, die Stoffe, die mich interessieren, zu eigenen zu machen, und die Geschichten dann auf meine eigene Art zu erzählen
    (Quelle: credit-suisse.ch)

    Demnach ist das also doch nichts spezifisch Schweizerisches? Leider hilft uns Google bei der Beantwortung dieser heiklen Frage nicht wirklich viel weiter, denn die Suchmaschine findet bei der Eingabe von „ich bin mich selbst“ nur Lessings Nathan der Weise: „Du hörst, ich bin mich selbst zu loben, auch nicht faul“.

    Oder sie findet ein anderes Mal denkwürdige Songtexte: „UND ICH BIN MICH SELBST AM FRAGEN WANN ICH ENDLICH WIEDER FREI HAB“ des deutsch-tunesischen Rappers Bushido .

    Da bin ich mich doch selbst am fragen, ob der Autor dieser Zeilen nicht auch aus dem Ruhrpott kommt, wo dat da ständig „am regnen“ ist (Fehlanzeige, Bushido lebt in Berlin).

    Die Leute im Pott sprechen sowies echt lupenreines Hochdeutsch. So sagt die Mutter: Kind, sach mal wat mit „Wamama“ und „Hattata“! Antwort: „Wamama auf Schaalke, hattata gereechnet .“

    Hat es noch oder gibt es nichts mehr? — Man hat’s nicht leicht, aber leicht hat’s einen

    März 15th, 2007
  • Gibt’s noch was?
  • Wir kamen aus dem „Gibt’s noch was?“ Teil von Deutschland und lebten schliesslich im „Nein, es hat nichts mehr“ Gebiet. Bevor wir in die Schweiz gezogen sind, hatte ich bereits einige Jahre Zeit, mich an die Frage „Hat’s noch Kaffee?“ bei den Schwaben zu gewöhnen. Und die Feststellung, „In der Schweiz, da hat’s Berge“ fand ich auch nicht übermässig amüsant. Von den Franzosen oder Spaniern müssen die Menschen im Neu-Hoch-Deutschen Raum weit im hohen Süden es gelernt und behalten haben, die mit ihrem „Il y en a“ = „Es dort davon hat“ bzw. dem „Hay que“ = „hat dass, es muss“ begriffen haben, wie wichtig das Wörtchen „haben“ für die Existenz der Dinge ist. Warum sollte es also nur „geben“ dürfen im Deutschen, wenn „haben“ doch viel internationaler ist?

  • Er hat Hunger, er hat Fieber, er hat kalt
  • Diesen hübschen Satz lasen wir in einer „Ganzschrift“ sprich Lektüre für die 1. Klasse in der Bülacher Primarschule. Es war die Geschichte eines Maroni Mannes, dem es nicht gut ging: „Er hat Hunger, er hat Fieber, er hat kalt“. Muss einem denn immer kalt sein? Darf man nicht auch kalt haben? Wenn doch in anderen Ländern wie Frankreich „j’ai froid“ = „isch ´abe kalt“ und in Italien „ho freddo“ = „ich habe den Fred“ ganz normal sind. Auch Saarländer haben, nebenbei bemerkt, manchmal kalt, ganz ohne „es“ (vgl. Wikipedia) .

  • Nur solange Vorrat reicht
  • Unser Lieblingssatz, den wir bereits in Süddeutschland lernten und der dann in der Schweiz mit einem Umlaut verfeinert wurde, ist aber die geniale Formulierung: „Es hät solang’s hät“. Soviel Logik, soviel Prägnanz! Soviel Beweiskraft in wenig Worten zum Ausdruck gebracht! Das fällt für uns in die Kategorie „Geniale Aussagen“, ähnlich wie das trockene Norddeutsche „Fällt aus wegen is nich“.

    Es hät solangs hät
    (Es hat viele „ö„s und „ii„s in der Schweiz. Foto vom Weihnachtsmarkt in Bülach 2006)

    Hier noch ein paar hübsche Fundstellen:

  • Beim Schlittenverleih in Toggenburg
  • Beim Sport Treff, Unterwasser und direkt auf Iltios gibt es Schlitten zu mieten – „es hät solang’s hät„. Reservierungen für Gruppen ab 10 Personen mindestens zwei Tage vorher beim Sport Treff melden
    (Quelle: toggenburg.org)

    Im Hotel-Coronado auf der Speiskarte:

    Fegato di vitello alla veneziana
    Geschnetzelte Kalbsleber nach venezianischer Art
    (Es hät solang’s hät!)
    (Quelle: hotel-coronado.ch)

    Bei Fahrradhersteller „Pickup“

    Damit auch Sie mitfeiern können, gewähren wir auf alle restlichen Modelle 06 einen Jubiläumsrabatt von 300 Fr.
    Greifen Sie zu. : „Es hät, solang’s hät.
    (Quelle: pickup-bike.ch)

    Wie langweilig und nichts sagend hingegen die klassische Deutsche Ausrede „Nur solange Vorrat reicht“. Das reicht doch wirklich, oder? Wir wollen, dass es „hat“ und nicht „reicht“. Doch wir sind zuversichtlich, dass diese geniale Formulierung langsam und stetig ihren Siegeszug in Richtung norddeutsche Waterkant fortsetzen wird. Gemäss dem Gesetz der sprachlichen Ökonomie haben sich solche Formulierungen bisher immer von allein durchgesetzt, in sprachliche Gegenden, in denen es bis dahin nichts Schickeres gab ausser „Vorräte, die ausreichen„.

    Wählen Sie einfach die IPK — Wahlkampf à la Suisse

    März 14th, 2007
  • Der Umschlag ohne Absender
  • Gestern erhielten wir mit der Post einen verdächtig aussehenden neutralen grauen Umschlag. Verschlossen, und ohne Absender auf der Rückseite. Nein, es war nicht der neue Beate Uhse Katalog, der uns da dezent und unscheinbar zugestellt wurde. Auch kein rechtsradikales Propaganda-Material und keine Under Cover Stories aus der Westschweiz vom Agenten P., es waren Programme. Partei-Programme, um genau zu sein. Von welcher Partei? Von allen Parteien!

  • Die IPK besticht durch Einigkeit
  • Dahinter steht eine Vereinigung namens „IPK“. Klingt ein bisschen wie politische Zweig der PKA, ist aber die „Interparteiliche Konferenz“, die uns da ganz parteilich und neutral mit diesem gemeinsamen Umschlag einlud, an den Wahlen am 15. April 2007 aktiv teilzunehmen. Leider können wir das nicht, weil uns bis zum nächstmöglichen Einbürgerungstermin, d. h. zur „Schweizerwerdung“ noch 6 Jahren Mindestaufenthaltsdauer in dieser Gemeinde fehlen. Bis dahin können wir uns ja schon mal ein bisschen in die Lokalpolitik einlesen.

    Die Austräger dieses Umschlags wussten nicht, wie vergeblich ihre Mühe bei uns ist. Der Umschlag enthält die Informationen aller Parteien. Denn hier in Bülach bedeutet „Wahlkampf der Parteien“, dass man sich zunächst mal einen Umschlag teilt. Wir lesen auf dem Umschlag:

    „Seit Jahren ist es in Bülach Tradition, bei Wahlen einen gemeinsamen Versand zu organisieren. Dies im Sinne einer Dienstleistung für Sie, damit Sie sich die Informationen über die verschiedenen Parteien nicht einzeln zusammensuchen müssen“.
    Lassen Sie sich Zeit beim Durchblättern der Unterlagen und entscheiden Sie in aller Ruhe, wem Sie ihre Stimme geben wollen.

    IPK Umschlag zur Wahl
    (Foto: Umschlag der IPK zur Wahl)

    Nehmen wir uns also Zeit. Sechs Jahre sollten genug Zeit sein.

    So läuft das ab in einer Konsensdemokratie. Da wird sehr vorsichtig und gemeinsam eisernen Sparwillen bezeugend von allen Parteien zugleich vor die Wählerschaft getreten. So sind wir! Und jetzt such Dir was aus. Keine Partei will sich nachsagen lassen, dass sie Gelder für Werbung oder teure Postwurfsendungen verschwendet!

  • Informationen einzeln zusammensuchen müssen
  • Zusammensuchen müssen? Ach, was werden da Erinnerungen wach an erlebte Wahlkämpfe in Deutschland, mit verstopften Briefkästen, Flugblättern, Luftballons und sonstigen Werbegeschenken! Als Kind wusste ich, die CDU ist gut, denn die verteilt Bonbons die gut schmeckten, und die SPD war langweilig, denn von der gab es nur rote Papier-Fähnchen, die bald kaputt gingen.

    Zusammensuchen musste man sich da nichts, eher mit grossen Taschen durch die Stadt laufen und einsacken, was alles so an den Ständen der Parteien verteilt wurde. In Deutschland bekommt jede Partei, die zu einer Bundestagswahl antritt, nach dem Ende der Wahl pro erhaltene Stimme Wahlkampferstattung, zuletzt bei der Landtagswahl 2006 in Baden-Württemberg ziemlich genau 50 Cent pro Wähler und Jahr (Quelle: econo-online.de)

    Das hat schon zu sehr exotischen Parteigründungen geführt wie der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands APPD oder einer Partei der Biertrinker, die jeden so verdienten Euro Wahlkampfentschädigung nach der Wahl in den Ankauf von Bier für ein rauschendes Fest zu investieren versprach.

  • Wer darf wo auf den Umschlag
  • Der Umschlag der Parteien in Bülach ist grau-schwarz, denn diese politische Farbe gehört niemand. Die Grauen Panther oder Grauen Wölfe treten nicht an hier. Wie nur die Verteilung der Partei-Logos entschieden wurde? Alphabetisch kann nicht angehen, EVP kommt vor CVP. Nach der Sitzverteilung im Gemeinderat vielleicht? Links unten die „grünliberale“ Partei und rechts unten die SVP, dass passt, aber was macht die SP dazwischen in der Mitte? Und CVP links oben, rechts neben der EVP, der Europäischen Volkspartei. Warum die ausgerechnet in der Schweiz zur Wahl antritt ist einfach zu verstehen, denn die Schweiz liegt bekanntlich „im Herzen Europas“, oder war es doch der „Top of Europe“, der KochSpartopf von Europa?