To be or not to be at the «Chilbi»
Die Schweizer „Chilbi“ kommt nicht von „Hillbilly“ = dem Hinterwäldler Fest der Amerikaner, und hat auch nichts mit ab-„chillen“ in der Chille zu tun, vielmehr findet es sich, mit streng knackig-konservativem „k“ im Anlaut geschrieben, im Duden:
Kilbi, die; -, Kilbenen [zu alemann. Kilche = Kirche] (schweiz. mundartl.):
1. Kirchweih.
2. Fest, [private] Feier:
Als endlich das Haus erbauet war, zogen sie hinüber … und gaben als … Hausräuki eine Kilbi, die drei Tage lang dauerte (Gotthelf, Spinne 103).
Es gibt diese „Kirchweih“ auch als
Kirtag (Österreich)
Kirchtag (D-südost)
Kirbe (D-südwest)
Kirmse (D-nordost)
Kirta (D-südost) oder
Rummel (D-ost/nord)
(Quelle: Variantenwörterbuch DeDruyter S. 163)
Die Schweizer fügen mitunter noch die Alpen hinzu zum „Älperchilbi“ oder einen Sennen zur „Sennenchilbi“.
Jedem sein eigenes Wort für dieses Fest also, welches zudem noch in jeder Stadt einen eigenen Namen haben kann. In Hamburg heisst die Kirmes der „Hamburger Dom“ , in Stuttgart der „Cannstatter Wasen“ und in Zürich das Knabenschiessen, und in Bern „Frühjahrsession„, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.
Die anstehenden sechs Wochen Fifa-WM-Zeit sind in der Schweiz genau wie in Deutschland bei gutem Wetter absolute „Biergarten“ und „Draussen-Fussball-Gucken“ Zeit. Vielerorts werden Feste veranstaltet. Ohne Grossleinwand geht da gar nichts mehr. Neulich am Zürisee entdeckt wird diese hübsche Ankündigung in Thalwil:
(Quelle: Hafenfest Thalwil)
Uns wundert bei diesen „highlight’s“ nur, dass sie nicht konsequent mit „ai“ geschrieben wurden, wie „Hai-Lite’s“, als „Haifischflosse auf die leichte Art“ zubereitet. Die falschen angelsächsischen Genitive werden überhaupt nirgends mehr wahrgenommen. Neulich lasen wir auf einer Speisekarte auch das Versprechen: „Stet’s frische Speisen“ serviert zu bekommen. Nein Danke. So frisch können die nicht sein, wenn hinten schon das „s“ abfällt.
In Stadel im Zürcher Unterland öffnet vom 9. – 11. Juni das „Dröschschürtor“. Zweimal „sch“ in einem Wort plus zwei Umlaute, da wird es dann heikel für uns Deutsche, wenn wir nicht beherzt das Wort einfach laut vorlesen. „Dreschen“ ist eine alte landwirtschaftliche Tätigkeit, dazu braucht es einen „Dreschflegel“. Oder geht es hier um „Dressur“ in der Toreinfahrt?
(Quelle Zürcher Unterländer 08.06.06 Seite 9)
Wir wissen es nicht. Jedenfalls spielt dort eine Musikgruppe namens „Halbrännärs“. Oder ist das gar keine Musikgruppe, und nur eine Verkaufsstand für halbe Vorbrenner der Mantafahrer im Unterland, bzw. halb gebrannte Schnäpse? Aus der Website der Halbränners werden wir jedenfalls nicht schlau, was diese Halb-Brenner mit nur einem „b“ eigentlich machen. Sie stecken vielleicht mit den „highlight’s“ in Thalwil unter einer Decke, denn auch hier gibt es Plural-S als Genitiv:
flyer’s
(Quelle Foto)
Auf der Chilbi in Stadel findet dann am Sonntag um 11:00 Uhr die „Austrinkete“ statt. Sie kommen bestimmt nicht drauf, was man da so tun muss. Na, austrinken, was denn sonst! Ob die restlichen zwei Festtage die Gläser grundsätzlich nur halb leer getrunken werden dürfen, entzieht sich unserer Kenntnis.
Juni 10th, 2006 at 10:04
Jöjö – die DEUTSCHschweiz ist ein einziges grosses Dorf – QED!! Lovely!
Juni 10th, 2006 at 14:24
Ein Link:
http://www.deppenapostroph.de/
Juni 10th, 2006 at 22:15
Gleich zu Beginn muss ich vorausschicken, dass sich die Musikgruppe „Halbränners“ mit ihrem Stil, ihrer eventuellen Selbstironie und ihren wirklichen Fähigkeiten nicht kenne. Ihr Name lässt für mich aber gewisse Schlüsse zu. Ich bin nämlich alt genug, um „Halb-Renner“ miterlebt zu haben. Ein „Halbrenner“ war irgendwann in den 1970er- und 1980er-Jahren ein Velo (Fahrrad), welches viele Elemente eines „Rennvelos/Renners“ hatte, aber doch nicht ganz richtig für Velorennen ausgerüstet war. Es war also nicht ein richtiger „Renner“ sondern nur halb ein „Renner“. Man stelle sich das etwa so vor: der Halbrenner (ZH: de Halbränner) hat:
– nur 5 statt der damals ultimativ high-techigsten 10 Gänge
– schon ein gebogenes Renn-„Gido“ (frz. „le guidon“, Lenker)
– trotzdem noch Schutzbleche und Licht
Die Mäunten-Bäik* -Euphorie löste natürlich die Renner- und Halbrenner-Welle ab.
* so müsste man in Dialekttranskript „Mountain-Bike“ schreiben, wie „Häiläits“
Kennt jemand einer noch älteren Generation als ich den Ausdruck „Halbstark“? Das ist sicher vergleichbar.
Jens hat sicher wieder mit vielen unsichtbar apostrophierten Smileys (und einem Wort mit einem „i“ zuviel) das Wort „Dröschschürtor“ ausgekostet. Sollten aber einige Leser dennoch nicht wissen, was mit diesem Zungenbrecher gemeint ist, hier die Lösung:
Drösch = Dresch‘ (von Jen’s richtig übersetzt)
Schür = Scheune
Tor = Tor
————
Summe = Dresch-Scheunen-Tor
Juni 11th, 2006 at 11:41
Ergänzung zum „Halbrenner“: Meine Beschreibung taugt natürlich weniger als viele Bilder.
„Halbrenner“ scheint auch ausserhalb der Schweiz bekannt zusein. Nur ist die Vorstellung über ein solches Rad ziemlich subjektiv:
http://images.google.de/images?q=halbrenner&hl=de&btnG=Bilder-Suche
mein eigener Halbrenner (und was ich darunte verstehe) kann unter diesen Blog-Kommentaren besichtigt werden:
http://heidiswelt.blogspot.com/2005/11/lebensgefahr-auf-dem-brgersteig.html
Juni 11th, 2006 at 13:32
grins. Wusste gar nicht, wie verwirrend unsere Sprache sein kann. Deine Erklärungsversuche für Halbrenner brachten mich zum Grossen Schmunzeln. Dabei sind es doch einfach DIE Velos, mit heutzutage echtem Retro-Style.
Juni 12th, 2006 at 11:57
Sie’h a’n, jetz’t ist auc’h die Schwei’z befalle’n vom Viru’s…
Juni 29th, 2006 at 10:48
Halbstark? Klar: Wir jungen Burschen mit Elvis-Welle im Haar – sorgfältig über Nacht mittels Haarnetz konserviert – in James-Dean-Lederjacken auf Mopeds (50 ccm; Tempolimit, glaube ich, 45 oder 50 kmh aber „frisiert“ auf 80) spielten den starken Mann. Der grosse Protest gegen den Dorfpolizisten und Dorfpfarrer auf knatterndem Töff. Sagen wir: 1956.