Von einem der auszog, eine Carte de Séjour zu bekommen

März 30th, 2007
  • Paris im Ausnahmezustand
  • 1987-88 verbrachte ich ein Jahr als „assistant de langue“ an einem Lycée in Paris, und nach ein paar Wochen Eingewöhnungszeit beschloss ich, ganz offiziell eine Aufenthaltsgenehmigung, eine „carte de séjour“ für Frankreich zu beantragen. Rein rechtlich war das schon damals nicht notwendig, weil ich mich als EG-Bürger in Frankreich aufhalten durfte, solange ich wollte. Nur um ein Girokonto zu bekommen, war dieser „titre de séjour“ mit eingetragener Wohnanschrift wichtig.

  • 1. Nachmittag: Îsle de la Cité
  • Also fuhr ich an einem schönen Septembermittag nach der Schule ins Zentrum von Paris zur Îsle de la Cité, weil ich mich daran erinnert hatte, dass es dort eine grosse Polizeidienststelle gab. Ein Polizist hatte mir gesagt, dass man eine Carte de séjours bei jeder Polizeidienststelle ausgestellt bekommt. Im Jahr zuvor waren in Paris einige Bomben explodiert, die in Papierkörben am Strassenrand versteckte worden waren. Das hatten meinen deutschen Vorgänger an der Schule dazu bewegt, seine Stelle „aus Sicherheitsgründen“ lieber nicht anzutreten.

    Es herrschte also immer noch „Ausnahmezustand“, und dementsprechend scharf waren die Sicherheitsvorkehrungen beim Betreten des Polizei-Gebäudes. Eine Metalldetektorschleuse am Eingang wie beim Flughafen, grimmig drein blickende Flics mit Maschinenpistole im Anschlag, dann stand ich am Empfangsschalter.

  • Sind sie über die Mauer in Berlin gesprungen?
  • (Original auf Französisch, hier übersetzt:) „Guten Tag, ich komme aus Deutschland und möchte gern eine carte de séjour beantragen“. Antwort: „Ist ihre Heimatland Mitglied der Europäischen Gemeinschaft?“ Kurz war ich verdattert und musste scharf nachdenken. Wusste die Dame das wirklich nichts von den Römischen Verträgen von 1957, den Gründungsstaaten der EWG und so weiter?

    Doch halt, vielleicht dachte sie ja, ich käme aus der (damals noch sehr existenten) DDR! „Nein, ich bin nicht über die Mauer geklettert, ich komme aus der R.F.A“. Dann fragte sie, wo ich denn wohne und ich nannte den Vorort in der Banlieu von Paris. Dort musste ich mich hinwenden, an den Hauptort des „Département de l’Essone“. Der Hauptort ist Evry, und dorthin fährt man ab der Gare de Lyon. Sicherlich nicht mehr am gleichen Tag, denn es ging auf 16:00 Uhr zu.

  • 2. Nachmittag: In Evry ist niemand zuständig
  • Am nächsten Tag nach der Schule fuhr ich zum Gare de Lyon und nahm von dort den nächsten Zug nach Evry. Unterwegs fiel mir plötzlich auf, dass die Zonen meiner Monatskarte nicht ausreichten für den Trip, denn Evry lag genau eine Zone weiter als ich eigentlich fahren durfte. Prompt geriet ich auch in eine Kontrolle, und um nicht zu viel Zeit zu verlieren, spielte ich den unbedarften nur Amerikanisch sprechenden Ausländer, der das mit den Zonen nicht blickt.

    Ziemlich fiese Masche, aber erfolgreich. Weder der Kontrolleur noch sonst jemand im Zug konnte mir auf Englisch weiterhelfen, aber aussteigen musste ich trotzdem und kam ohne Strafe davon. Mit Nachlösen und in den nächsten Zug steigen verging soviel Zeit, dass ich erst um 15:30 Uhr in Evry den Weg zur Departements-Verwaltung erfragen konnte. Dort angekommen war es kurz vor Büroschluss. Immerhin erhalte ich noch die Auskunft, dass ich hier sowieso am falschen Ort war. Denn nicht der Hauptort meines Departements sei für die Aufenthaltsbewilligung zuständig, sondern die mir am nächsten gelegene Polizeidienststelle.

    Also fuhr ich wieder heim, was in den Banlieus von Paris nicht so trivial ist, wie es sich anhört, denn alle Wege führen nach Paris, nicht „seitlich“ in die Nachbargemeinde, und so brauchte ich gut zwei Stunden und mehreren Buslinien dafür.

  • 3. Nachmittag: Geburtsname und Beruf der Mutter bitteschön?
  • Am nächsten Nachmittag fuhr ich dann direkt zum nächsten Ort mit Polizeidienststelle. Ich hatte dort angerufen und mich erkundigt, ob ich man mir dort eine „carte de séjour“ ausstellen könnte. Nun, den Antrag wollten sie schon entgegennehmen, aber das mit der Carte, das geht ein bisschen länger. So fand ich mich dort ein, und ein netter Polizist begann auf seiner Schreibmaschine mit dem Ausfüllen des Formulars. Vorname des Vaters, Geburtsort der Mutter, Schuhgrösse des Grossvaters und was es nicht noch alles für Details einzutragen gab, das alles im „Einfinger-Adler-such-System„.

    Als wir nebenbei auf Fussball zu sprechen kamen (irgendeine WM oder EM war gerade vorüber), taute er plötzlich auf und schien gar nicht mehr so interessiert daran zu sein, jedes Feld im Formular genauestens auszufüllen. Dann kam die Sichtung der von mir mitgebrachten Dokumente:

    Kopie des Personalausweises. Kopie des Reisepasses. Kopie meiner „carte professionelle“ die mich als Bediensteter des Französischen Staates auswies, beglaubigte und übersetzte Kopie der Geburtsurkunde, des Abitur-Zeugnisses, Kopie der letzten Stromrechnung, der Krankenversicherung etc. etc. Ich war gut präpariert und hatte alles dabei. Auch die 5 gleichen und neuen Passfotos in schwarzweiss sowie zwei Briefumschläge, an mich selbst adressiert, mit Briefmarke versehen und, ganz besonders wichtig, „autocollante“, d. h. selbst klebend, damit sich kein Französischer Beamter die Zunge beim Ablecken verkleben muss.

  • Ich habe eine Récépissé de carte de séjour!
  • Nach gut einer Stunde verliess ich die Polizeidienststelle mit einem gefalteten und gestempelten Karte, mit Foto und Unterschrift, betitelt als „récépissé de carte de séjour“, also einer „vorläufigen Aufenthaltsbewilligung“. Die eigentliche Carte wurde mir dann nach 8 Monaten in Frankreich schliesslich postalisch angekündigt. Sie kam an, ein Tag bevor ich das Land wieder verlassen wollte, und war dann noch 3 weitere Monate gültig.

  • Jens-Rainer veut dire Jean-René
  • Mit diesem „récépissé“ konnte ich auf einer Pariser Sparkasse mit dem hübschen Namen écureuil = Eichhörnchen ein Konto beantragen. Frage: „Quel est votre prénom?“ Antwort: „Jens-Rainer“. Rückfrage: „Comment?“ Antwort: „Jens-Rainer, ca veut dire ‚Jean-René‘ en Français“.
    Reaktion. „Alors je mets ‚Jean-René‘?“. Schade, dass ich in dieser Sekunde nicht schneller geschaltet habe, ich besässe sonst heute noch eine Caisse d’Espargne Ecureuil EC Karte mit „Jean-René“ statt „Jens-Rainer“. So leicht kann man seinen Namen ändern!

  • Köpenick is still alive!
  • Als ich später einem Pariser Freund die Geschichte erzählte, wie lange ich gebraucht hatte, um meine Aufenthaltsbewilligung zu bekommen, begann er daraufhin seinerseits zu erzählen, wie er in Berlin versuchte hatte, sich an der Uni einzuschreiben. Das ging aber nur mit einem Krankenversicherungsnachweis. Den bekam man nur mit einem Girokonto bei einer Bank. Das wiederum erhielt man nur, wenn man an einem festen Wohnsitz in Berlin hatte. Er wollte in ein günstiges Studentenwohnheim einziehen. Ein Platz in einem Studentenwohnheim gibt es aber nur, wenn man korrekt an der Uni eingeschrieben war. Und einschreiben kann man sich nur mit Versicherungsnachweis. So ging das immer wieder von vorn los. Hauptmann von Köpenick lässt grüssen, er war damals noch sehr lebendig in der deutschen Bürokratie.

    Wer würde nicht gern für Pariserinnen bügeln? — Jobs bei 20Minuten

    März 29th, 2007
  • Ziegen im Jura herstellen
  • Die Pendlerzeitung 20Min wird in der Schweiz jeden Morgen von ca. 1‘200‘000 Menschen gelesen. Vor allem jungen Menschen auf dem Weg in die Agglomerationen von Zürich, Luzern oder Basel gehören zum Zielpublikum. Zwanzig Minuten reichen aus, um das Blatt ganz zu lesen, bis hin zu den Stellenanzeigen. Dort fanden wir dieses:

    „Salö!“
    Mer send e chlini Bude wo Zigis im Jura härstellt ond suechid e gueti Seel wo äuter as 22gi isch u wo gärn wöt för die fosch onbekannti Marke Parisienne bügle“
    (Quelle: 20Min vom 23.03.07 )

    Übersetzung für alle Zuzügler und Norddeutschen Leser:
    Wir sind eine Klinikbude welche Ziegen im Jura herstellt und süchtig nach guten Seelen sind, mit 22 Eutern, die die gern für fast unbekannte markante Pariserinnen bügeln möchten.

    Oder so ähnlich. Im Lateinunterricht pflegte jetzt der Lehrer zu sagen: „Eine interessante Interpretation, wer versucht nun für uns die Übersetzung?“

    Pariserinnen bügeln
    (Quelle: 20Min vom 23.03.07, Ausgabe Luzern)

  • Pariserinnen bügeln?
  • Natürlich kann man keine Pariser bügeln, auch keine Pariserinnen, sondern für die Zigaretten Marke „Parisienne“ sollen die jungen nikotinsüchtigen 20Minuten-Leserinnen und Leser auf die Strasse gehen und Werbung machen.

    Wie gesagt, es geht um einen Job für eine Firma im Jura, unweit der Französischen Grenze. Durch die Wahl der Sprache wird schon mal ganz einfach dafür gesorgt, dass kein Westschweizer oder Franzose je auf die Idee kommt, sich für diesen Job zu bewerben, es sei denn er oder sie sprechen fliessend Luzernerdeutsch. Geworben wird mit dieser Stellenanzeige in der Luzerner Regionalausgabe von 20Minuten, denn gesucht sind Insider-Kenntnisse aus der Raucherszene von Luzern:

    „Wenn du dönksch, dass du kontaktfreudig, seriös, zueverlässig, belaschtbar, sälbständig und zemlich dynamisch besch ond gärn dr Brandpromoter für d’Region Luzern wetsch si, de fühl de öberhoupt net verpflichtet, aber es wär äbä scho mega, wenn du üs wörsch dini Bewärbig schickä“.

  • Benutzt ein Brandpromoter eigentlich Benzin?
  • Unter einem „Brandpromoter“ stellen wir uns jetzt keinen Hauptwachmeister der lokalen Feuerwehr oder einen Vertreter für Feuerlöschsysteme vor. Warum nur das Adjektiv „kontaktfreudig“ unverändert auf Hochdeutsch erscheint, neben „belaschbar“ und „sälbständig“?

    Schön sind auch im nächsten Abschnitt die „Konnäktiöns“ und „coole Lokätions“. Die Luzerner Jugend versteht Englisch, keine Frage. Sie weiss was „Events, s’Mänägement vo de Hostesse, s’Sponsoring vo Parties“ bedeutet und hat keine Problem beim „Omsetze vo Promotionsaktivitäte“.

  • Dossiers auf Hochdeutsch schicken oder nicht?
  • Am Schluss folgt die Aufforderung, die „Bewärbig per elektronischer Nachricht“ abzuschicken. Nicht per E-Mail oder als „Iiimäl“, sondern plötzlich wieder auf Hochdeutsch. Ob das ein dezenter Hinweis darauf ist, dass man diese Bewerbung lieber doch nicht auf Luzernerdeutsch schreiben sollte sondern auf Hochdeutsch?

    Kapellbrücke in Luzern
    (Damit keine grossen Schiffe auf die Idee kommen, vom Vierwaldstättersee zu flüchten und einen Ausflug auf der Reuss zu machen, haben die Luzerner dieses Hindernis errichtet. Nur leider nicht feuerfest)
    (Quelle Foto: Wikipedia)

  • Lozärn oder Luzern?
  • Wir befragten unseren Fachmann für Dialektverschriftung nach seiner Meinung zu dieser Anzeige, und wie „Luzernerisch“ sie denn eigentlich sei:

    Die eindeutigsten Hinweise auf den Luzerner-Dialekt, sind, dass vieles was jeder andere mit „i“ schreiben würde, wird zu „e“ (z.B. der Anfang: „Mer send …“ [Wir sind]); und analoges Lautverhalten mit „u“, was mit „o“ geschrieben wird. Man findet das sogar im gleichen Sinn bei den Umlauten: „ü“ zu „ö“ („för, onbekannti, ond“ [für, unbekannte, und]).

    Das klarste Merkmal, um gegenüber sehr ähnlichen Aargauer-Dialekten abzugrenzen, sind die Mehrzahl-Verbkonjugierungen, die auf „…id“ enden. Im Aargau wäre das „…ed“ (suechid [suchen]).

    Was mich leicht irritiert, ist, dass nur inkonsequent gewisse „l“ zu „u“ werden, wie man sie im Bernischen und Solothurnischen hört. „äuter“ (älter) aber „sälbständig“ (für mich wäre letzteres „säubständig„). Das gleiche gilt auch bei „d/t“, die im Berndeutschen zu „g“ werden. Wieso „onder“ aber „angerem„? Für mich wäre das „unger angerem“ (unter anderem).

    Tatsächlich finde ich bei genauer Analyse viel Inkonsequentes. Manchmal steht ein zürichähnliches „ois„, manchmal ein „üs“, (uns). Deshalb finde ich den Dialekt nicht sauber. Oder „dönksch„, sagt man wohl in keinem Dialekt. Es müsste wirklich „dänksch“ (denkst) heissen. Ich tippe eher auf eine Verwechslung mit „dönkt’s dech“ (dünkt es dich/findest du). Zu „fosch“ (fast): So tiefe „a“ in der Gurgel sagt man nur in Zürich. Ich hätte „fasch“ geschrieben.

    Dass „Region Luzern“ und nicht „Region Lozärn“ steht, ist vermutlich doch Absicht. Damit jegliches Missverständnis ausgeräumt wird (amtliche Offiziellschreibweise = Schriftdeutsch).

    Wörter wie „Brandpromoter“ sind richtige Stolpersteine. man erwartet nämlich phonetische Schreibweise (Brändpromouter). Da wird dir jeder Deutschschweizer, den du aufforderst, das laut vorzulesen, einen ersten falschen Anlauf mit dem deutschen Wort „Brand“ lesen. So auch bei „Alternative Rock“, da hörst du sicher beim ersten Versuch das „i“ betont, statt englisches „alTÖRnatif“. Bei „Konnäktiöns“ oder „Lokäitions“ vermisse ich eine konsequente Schreibung, denn „t“ wird hier eben nicht wie „t“ ausgesprochen (Konnektschens, Lokeischens). Sogar „Partnernetzwärch“ würde ich phonetisch, eben mit „ch“ am Schluss, schreiben.
    (Quelle: Privates Fachgutachten)

  • Ein Zimmer im Oltener Bahnhof
  • Nun, wir lassen die Luzerner weiter im Dialekt rum-losern, wie sie das gern mögen, und empfehlen für die nächste Stellenanzeige dieser Art einen Kurs in „Wie schreib ich richtig Lozärn-Deutsch“! Vermutlich lebte der verantwortliche Redaktor jahrelang in einer Studentenbude in Olten, im ersten Stock direkt über dem Bahnhofbuffet, und lauschte an lauen Sommerabenden bei geöffnetem Fenster auf das, was in diesen geweihten Hallen so geplaudert wurde? Kein Wunder also.

    Allein unter (Schweizer)-Frauen — Wenn Hugh Grant die Hüfte schwingt

    März 28th, 2007
  • Pop goes my heart — Popcorn jetzt auch süss
  • Gestern abend hatte ich ein seltsames Erlebnis. Ich war in meinem Lieblingskino in Bülach, in fünf Minuten zu Fuss zu erreichen, mit mittlerweile wahlweise süssem oder salzigem Popcorn und gut gekühlten Bierdosen im Angebot (vgl. früher), und sah die neuste Schmalz-Komödie mit Hugh Grant. Da im Kino in Bülach alles auf Deutsch läuft, hiess der Film „Mitten ins Herz — Ein Song für Dich“. Ja, Sie haben richtig geraten: Er spielt einen sehr sympathischen aber etwas tütteligen (nicht mehr ganz so) jungen Mann, der Schwierigkeiten hat, dauerhafte Bindungen einzugehen. Genau so einen Typen wie in „Notting Hilll“ oder in „Bridge Jones“ oder in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“. In „About a boy„, einem immer noch äusserst lesenswerten Roman von Nick Hornby, spielte er in gleicher Weise den Sohn eines erfolgreichen Musikers.

    Wahrscheinlich spielt er einfach nur sich selbst, auch nicht schlecht. War lustig zu sehen, wie Hugh Grant tanzte und in einem clever gemachten 80er-Jahre Pop-Videoclip die Hüften schwang. Wer ihn noch nicht gesehen hat, ich glaube der Clip läuft momentan non stop auf MTV:

    Die gezeigte Band „PoP“ sei fiktiv, las ich später bei Wikipedia. Alles Quatsch. Das war doch eindeutig die Geschichte von Dieter Bohlen und Bernd Weidung, manche nennen ihn Anders, von Modern Talking! Ein Pop-Duo aus den 80ern, das erst Millionen verdient und sich später verkracht.

  • Allein unter Frauen
  • Wie in der Schweiz üblich, gab es eine Pause, um Popcorn nachzuladen und die Bierdosen rauszutragen, bzw. eine Stange (Wasser) in die Ecke zu stellen. Plötzlich fiel mir auf: Ich war der einzige Mann im Publikum! Alle waren gekommen, um Hugh Grant zu sehen. Obwohl Drew Barrymore auch sehr ansehlich war. Mit dieser Kuss-Szene aus einem knallharten Science-Fiction-Action-Thriller erlangte sie „dazumal„(mein Gott, wie lange muss man in der Schweiz leben, um diese Wort wirklich zu schreiben!) grosse Berühmtheit:

    Drew Barrymore küsst E.T.

    So sah sie übrigens von vorn aus:

    Drew Barrymore als Kind

    Allein unter Frauen zu sein, das war mir in den letzten Jahren schon einmal passiert, und zwar im letzten Sommer während des WM Spiels „Schweiz gegen Frankreich“.

  • Kein Mann auf dem Bahnsteig
  • Wir sahen das Spiel am Bellevue in Zürich und mussten aus irgendeinem Grund 10 Minuten vor dem Schlusspfiff bereits zur S-Bahn am nahgelegenen Bahnhof Stadelhofen. Dort standen vielleicht 100 Fahrgäste und warteten gelangweilt… auf ihre Männer, denn es waren auch diesmal alles nur Frauen, die vom Kick auf der Grossleinwand die Nase voll hatten.

  • Allein unter Männer
  • Nur der Vollständigkeit halber: Der letzte Film, an den ich mich erinnern kann, bei dem ausschliesslich Männer im Saal anwesend waren, hiess „Rambo II“. Es gab nur eine einzige Textzeile für Sylvester Stallone in diesem Film, und die lautete: „Ich will, dass mein Land mich so sehr liebt, wie ich es liebe“. Der Rest war Gulasch Geschnetzeltes. Für die Jüngeren unter uns: Sylvester Stalone, das ist der Mann, der gerade mal ganz was ganz Neues wagt und in Rocky Balboa einen Boxer spielt.

    Als mein Lebenslauf zu kurz war — Warum ein CV keine Löcher haben sollte

    März 27th, 2007
  • Nur keine Kopie vergessen
  • Die Erlebnisse von Jul bei ihrem Umzug in der Schweiz riefen uns in Erinnerung, wie wir 1999 durch die behördliche Bürokratie-Mühle der Schweiz geschickt wurden. Es war ein ziemlicher Papierkram zu erledigen, um endlich den begehrten Ausländerausweis „B-Bewilligung“ zu erhalten. Einmal stockte das Verfahren über Wochen, weil von einem wichtigen Schreiben eine Kopie fehlte. Erst auf mehrmaligen Nachfragens des Treuhändlers, der für meinen damaligen Arbeitgeber den komplizierten Prozess abwickelte, wurde dies bekannt. Wir schickten dann die fehlende Kopie mit A-Post an die Behörde. Unter anderem wurde ein vollständiger Lebenslauf mit schulischem und beruflichen Werdegang verlangt, natürlich alles mit aussagekräftigen Zeugnissen und Zertifikaten belegt.

  • Was ist eigentlich Migration?
  • Meine erste Fassung geriet zu kurz, alles auf nur einer Seiten, mit drei beigefügten Zeugniskopien. „Mehr machen“ lautete die Anforderung des Schweizer Beamten, von dem ich damals noch nicht wusste, dass er für die „Migration“ arbeitete. Migration, das hatten wir zuletzt im Geographieunterricht beim Thema „Wanderbewegungen europäischer Völker“ behandelt. Im Kanton Zürich gibt es dafür, wie in allen anderen Kantonen, das „Migrationsamt“. Der Wunsch des Beamten war mir Befehl und so streckte ich das „Dossier“, was für mich bis dahin nur eine Antrag war, gehörig auf fünf weitere Seiten und zählte detailliert und pflichteifrig jede Zwischenprüfung und jedes Einzelexamen auf. Es reichte nicht, das Studium mit einem Staatsexamen abgeschlossen zu haben, der Weg dahin war wichtig, jeder bestandene Test musste belegt werden. Auch nach dem Uni-Abschluss sollte jede berufliche Fortbildung und Weiterqualifikation dokumentiert sein, mit Datum und Bescheinigung. Im Studium nannten wir diese Prozedur „Scheine sammeln“ und juxten schon damals damit rum, dass „der Schein trügt“.

  • Die Bildung gehört ins Büchlein
  • Die Schweizer haben die Nachweistechnik erfolgreicher Fortbildung perfektioniert durch die Erfindung des „Bildungsbüchleins“ . Dort hinein lässt sich der sorgsam fortgebildete Schweizer offiziell jede Fortbildung eintragen, abstempeln und unterschreiben. Man weiss ja nie, wann es einmal gebraucht wird. Das Wort ist in Deutschland unbekannt. Dort trägt man ja auch seine Bildung weder im Schulsack noch im Rucksack mit sich herum, und muss sie auch nicht in einem Büchlein dokumentieren.

  • Bitte den CV genau belegen
  • Der „Lebenslauf“ ist in der Schweiz ein CV, von „Curriculum Vitae“, und wird gesprochen wie „Zivi“, was Deutsche Ohren leicht missverstehen können als die Abkürzung für einen Zivildienstleistenden. Ausserdem ist der „CiVi“ leicht zu verwechseln mit der „CEVI“, der Schweizer Version vom CVJM und CVJF. Bis heute konnte mir niemand so genau erklären, was die vier Buchstaben eigentlich genau bedeuten. Wahrscheinlich entstand die Abkürzung beim Zvieri, der Schweizer Variante vom Deutschen „Kaffee-und-Kuchen“ um 15:00 Uhr. Nichts wird im CV so sehr gesucht und gefürchtet wie ein undokumentiertes „Loch“. Ein Satz wie „Zur Vertiefung meiner Kenntnisse in Knastrologie und Gitterkunde“ hielt ich mich von 1998 bis 2000 in Stuttgart-Stammheim in einer staatlich geführten Weiterbildungsreinrichtung auf“ kommt also gerade richtig. Nur nichts verschweigen oder Löcher entstehen lassen!

    Wer gern fremde CVs liest oder sich ein paar persönliche Daten zuverlässig beschaffen möchte, dem hilft die Google-Suche CV site:.ch filetype:pdf . Sie fördert 138.000 hübsche CV = Lebensläufe aus der Schweiz im PDF Format zu Tage. Als Word-Dokument gebe man am Ende einfach „filetyp:doc“ ein. Identitätenklau leicht gemacht, siehe hier.

    Zuzügler werden besoffenen gemacht — Erlebnisse von Expats in Zürich

    März 26th, 2007
  • Nur Hochdeutsch und Englisch
  • Auf dem Blogcamp am 24.03.07 in den ehrwürdigen Katakomben der ETH in Zürich war kaum ein Wort Schweizerdeutsch zu hören. Die Begrüssung durch den Mitinitiator Peter Hogenkamp erfolgte auf Englisch. Zu Recht, denn zahlreiche „Expats“ waren zu dem Treffen erschienen. Eine Reihe von Präsentationen und Diskussionen wurden ausschliesslich auf Englisch angeboten, und einmal mehr erfuhren wir, dass es Menschen in der Schweiz gibt, die mangels Deutsch oder Schweizerdeutschkenntnisse von den aktuellen Diskussionen in der Deutschschweiz nichts oder kaum etwas mitbekommen haben, und natürlich umgekehrt wie wenig die französischen Blogs der Westschweiz nördlich des Röschtigrabens gelesen werden. Als das Wort „Röschtigraben“ in einer englischen Diskussionsrunde fiel, stellte sich schnell heraus, dass die meisten anwesenden Anglophonen mit diesem Ausdruck für die Sprachgrenze überhaupt nicht anfangen konnten.

  • Wie kann mehrsprachiges Bloggen funktionieren?
  • Stephanie Booth aus Lausanne referierte ihre Gedanken über das Problem mehrsprachiger Blogs.
    Stephanie Booth
    (Quelle Foto: Flickr.com)

    Sie ist selbst bilingual und bloggt auf Französisch und Englisch. Einen wirklich zweisprachigen Blog zu führen ist schon rein technisch gesehen eine Herausforderung. Es gibt kaum Plattformen, die Zweisprachigkeit anbieten. Suchmaschinen spielen verrückt, wenn sie zweisprachige Texte indizieren sollen. Hier ihr kompletter Vortrag (auf Englisch)

  • Expats- und andere Bridge-Blogs
  • Die Blogger-Sprachwelten sind weitestgehend von einander getrennt. Stephanie spricht darum bei zweisprachigen Blogs von „Bridge-Blogs“, die eine Brücke schlagen zwischen den (Sprach)-Kulturen. Sie erzählte uns die Geschichte des englisch-französischen Bloggers Loïc Le Meur, der für den gleichen Inhalt seines Blogs in der einen Sprachversion angefeindet wurde, während er für die andere Sprachfassung viel Zuspruch bekam. Wie winzig erscheinen uns da plötzlich unsere kleinen Sprachmissverständnisse zwischen Deutschen und Deutschschweizern. Durch das Blogcamp wurde mir erst wieder bewusst, wie merkwürdig es sein muss, mit geringen oder gar keine (Schweizer)-Deutschkenntnissen in Zürich zu leben.

  • Wie Jul in Zürich zum Ausländerausweis kam
  • Dann lernte ich Jul kennen, eine Amerikanerin in Zürich, die auf ihrem Blog „This Non-American Life“ erzählte, wie unterschiedlich es sein kann, ein „legal resident“ zu werden. Einmal in Milan (Italy) und einmal in Zurich (Switzerland):

    Becoming a legal resident in a foreign country is often about as fun as, say, having a root canal every week for months on end (ok, that’s not really fair—I’ve never had a root canal, so what do I know? The point is that it sucks.). When my husband and I moved to Milan in 2004, we had to jump through countless hoops, obtain countless documents, and visit countless government buildings to become really, really, really legal. We had to get fingerprinted and have our apartment inspected. The amount we spent on photocopying alone probably single-handedly kept Italy’s economy from collapsing. Given the decrepit state and odor of the Milanese immigration office, I never, ever want to see how Italians treat, say, criminals.

    So when we moved to Zurich a few months ago, we were prepared for the worst, although crossing our fingers that Swiss efficiency applied to the immigration process as well. I received my Ausländerausweis (an ID card for legal aliens) after two quick and painless visits to a clean, well-lit Kreisbüro. A few weeks later, a letter came in the mail for me from the immigration office. Thinking it was going to be a demand that I stand in line for five hours or have my chest x-rayed by a man with cold hands, I dreaded opening it. My jaw dropped when I finally read the contents of the envelope: it was an invitation to a free walking tour of the city (in the language of my choice) followed by a cocktail at the city hall. Seriously.
    (Quelle: This non-American Life)

    Nun, das Ganze endete dann bei einem netten Umtrunk auf Kantonskosten. Nachzulesen auf Juls Blog.

  • Abba hören im Kreisbüro bei Herrn W.
  • Jul ist nicht die einzige Expat Bloggerin in Zürich. Sehr lesenswert fanden wird die Schilderung von Jess über Ihre Begegnung mit Herrn W. im Kreisbüro, untermalt von Abba Songs:

    Herr W. greets me with a friendly „Gruezi!“ and a big smile. I instantly love him. After presenting passport, requisite papers, etc., I regard my new favorite person. He is older, with a white beard, extremely tight-fitting turtleneck sweater, and various gold man-jewelry. He is surprisingly jovial (especially for a government worker). Lots of content humming and smiling. Sifts through my offerings, then proceeds to type at his computer for about 10 minutes. I sit. Contemplating my Kreisburo.

    Behind Herr W. is a radio/cassette player. It was playing Abba when I arrived. Dancing Queen. Then Jungle Boogie. Followed by Brick House. Now some retro German disco tunes. I wonder to myself where I can get my hands on a copy of The Swiss Kreisburo Afternoon Disco Compilation. It is turned up surprisingly loud.
    (…)
    Ten (15? 20? 40?) minutes later, mein herr is done. He whistles along with a few bars of German Disco Favorites #6, and gives me a big smile. „Das ist alles!“.
    „Merci viel mal, Herr Weiss“ I smile. Happy the process is over, and at no point did Swiss police arrive & try to deport me to Liechtenstein. I nod at Herr W., wishing I knew enough German to complement his man jewelry, & grimace at Grumpy Swiss Woman at Window Eins.
    Switzerland. Unofficial motto – We’re Quirkier Than You’d Think.
    (Quelle: My Brand New Swiss Life — Jess in Zuri )

  • Ein Kreisbüro ist kein Kreiswehrersatzamt
  • Das Wort „Kreisbüro“ war uns übrigens neu. Soll es aber in Deutschland bei der SPD ziemlich häufig geben. Wir kannten bisher nur das „Kreiswehrersatzamt„. Hier wird nicht der Ersatz der Kreiswehr organisiert, sondern von hier erhält Mann den Bescheid zur Musterung. Denn das ist der Ort, an dem sich jeder junge deutsche Mann kurz nach seinem 18. Geburtstag ganz legal an die Familienjuwelen, in Deutschland als „die Klöten“ bekannt, fassen lässt und nach einem fachmännischen Kennerblick auf die gespreizten Pobacken erfährt, ob er wegen Hämorroiden nur „T2“ oder mit „Senkspreizplattfüssen“ niemals „T1“ ist, und so leider keine wirklich scharfen Dinger fliegen darf. Der Buchstabe „T“ stammt nicht aus einem bekannten Science-Fiction Film mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle, sondern steht für Tauglichkeitsgrad. Mit „T5“ ist man praktisch ausgemustert und untauglich. Da es kaum einen Deutschen ohne Zahnblomben, Augenproblemen oder Senkspreizplattfüssen in Deutschland gibt, ist die Häufigkeit von perfekten „T1“ Terminatoren relativ gering.