Fahnenschwingen können nur Männer — Über gefährliche und gefährdete Schweizer Sportarten

Juni 30th, 2008
  • Fahnenschwingen können nur Männer
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 28.06.08 einen Bericht über das eidgenössische Jodlerfest vom vergangenen Wochenende in Luzern. Es wurde gejodelt, musiziert und es wurden Fahnen geschwungen.

    Fahnenschwingen
    (Quelle Foto: Kornhaus-Burgdorf.ch)

    Doch diese schwierige Disziplin ist bedroht, denn es fehlt der Nachwuchs:

    „Es laufe zurzeit sehr schlecht mit dem Nachwuchs. Das dürfte auch daran liegen, dass Frauen bei den Fahnenschwingern noch immer nicht zugelassen sind. Aus einfachem Grund, sagt Gloor: Es gebe keine Damentracht mit Hose.“
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 28.06.08 S. 3)

  • Bundesrätin nicht in Damentracht
  • Das ist allerdings wirklich bedauerlich. Wir schreiben das Jahr 2008, Deutschland wird von einer weibliche Bundeskanzlerin regiert, im Schweizer Bundesrat sitzen ebenfalls drei Frauen, nur fürs Fahnenschwingen, da hat es noch nicht gelangt. Viel zu gefährlich für eine Frau, und quasi unmöglich, so ganz ohne passende Damentracht mit Hose. Denn in einer hundsgemeinen Jeans oder Männerhose, da kann eine Frau ja schlecht auftreten. Womöglich steht ihr das auch noch oder sie kann es besser als ein Mann:

    Doch vielleicht werden die Frauen aus schierer Personalnot irgendeinmal zugelassen. «Dann wären wir nicht mal hier mehr sicher.» (sagt der Gränicher Fahnenschwinger Alfred Gloor)

    Da also liegt der wahre Hund begraben. Es geht einzig um die Sicherheit der Männer, die wohl befürchten, dass die fahnenschwingenden Damen bei einem Wurf eine Fahne fallen lassen, oder so hoch werfen, dass sie auf ein Männerhaupt danieder saust. Da bewahre uns der Heiland vor, dann lieber kein Fahnenschwingen mehr. Boxen für Frauen soll es geben, Fussball auch, sogar in der Formel 1 starteten 1958 Maria Teresa de Filippis und 1978 Desiré Wilson mit grossem Erfolg. Weitere Damen am Steuer folgten. Wie die wohl das vertrackte Bekleidungsproblem gelöst haben, welches ein weibliches Fahnenschwingen bis heute verhindert? Die haben doch nicht etwa Hosen angezogen?

  • Weibliche Hosentracht, das gibt es nicht
  • Aus der Schweiz stammen viele sehr innovative und moderne Produkte. Auf die Idee, eine Hosentracht für weibliche Fahnenschwinger zu designen, scheint bislang noch niemand gekommen zu sein. So bleiben die Männer weiterhin in Sicherheit und die Zukunft dieses spannenden Sports mit seinen 68 möglichen Wurfkombinationen bleibt fraglich. Nun denn, das lässt sich nicht ändern. Oder doch? An amerikanischen High-Schools sieht man gemischte „flag teams“ und Cheerleader-Gruppen bei vielen Sportveranstaltungen. Doch hierzulande geht die Sicherheit der männlichen Fahnenschwinger vor und Hosen für Frauen sind einfach zu gefährlich.

    Umschalten auf das Schweizer Satelliten-Signal — Stromausfall beim Halbfinale

    Juni 27th, 2008
  • Was hilft gegen die Thurnheer-Allergie?
  • Am Mittwoch, den 25.06.08 sah die ganze Fussballwelt das Halbfinale Deutschland-Türkei. Nur nicht die Schweiz, dort schaute man „den Halbfinal“ (maskulin). Krankheitsbedingt guckten wir daheim die Übertragung vom ZDF, denn meine Familie hat eine starke Thurnheer-Allergie. Ich finde den Mann unterhaltsam und lehrreich, aber auch manchmal nervig.

  • Stromausfall in Wien
  • Plötzlich war das Bild weg beim ZDF. Schnell rübergeschaltet zum ORF, doch auch dort ein Bildausfall. Nur die Schweizer auf SF sendeten noch. Als einziges Land hatten die Schweizer von UEFA die Ausnahmegenehmigung, selbst das Signal aus Basel einspeisen zu dürfen und nicht über die Sendezentrale in Wien gehen zu müssen. Also dort weitergeguckt, und gegen Thurnheer hilft nur, den Ton leise zu drehen, selbst zu kommentieren oder Ohrenstöpsel einzulegen. Erst jetzt verstanden wir, warum die beim SF den Freiburger Volker Finke als Co-Moderator engagiert hatten. Wegen der 201 000 Deutschen im Land, vermutlich. Ab und an schalteten wir zurück, aber beim ZDF gab es nur eine Radio-Übertragung via Telefonleitung. In Wien wütete ein Unwetter, das Sendezentrum der UEFA hatte einen Stromausfall, weltweit war das Signal fast 18 Minuten nicht zu haben. Auf die Idee, den Dieselgenerator hochzufahren und beim Gewitter permanent laufen zu lassen, war man in Wien nicht gekommen. Drei „Mikro-Ausfälle“ von jeweils einer halben Sekunde reichten aus, um alle Computer im Übertragungszentrum zum Booten zu zwingen, und zwar mehrfach. Die unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) reagierte nicht.

  • Zapft den Satelliten an
  • Doch nach 8 Minuten hatten die Mainzer vom ZDF einen genialen Einfall. Da gibt es doch das Satellitensignal des Schweizer Fernsehens, in Deutschland nur verschlüsselt zu empfangen, mit einem geheimen Code, der nur an Schweizer verteilt wird, die sich bei ihrer Botschaft in Berlin melden und die so auch im Exil jeden Schwingerwettbewerb und jeden Zischtigsclub live verfolgen können. Einer der Techniker in Mainz muss diesen Code gekannt haben, jedenfalls zapfte das ZDF die Leitung an und nach 8 Minuten Ausfall sahen alle deutschen Fanmeilen das Schweizerbild. Ob man auch Thurnheers Kommentar mitsendete, ist uns bei dem aufregenden Spielverlauf entgangen. Das SF Logo war jedenfalls gut zu erkennen. Im Spiegel-Online lasen wir dann, dass die Deutschen einen zeitversetzten Telefonkommentar des Kommentators Béla Réthy zum Bild zu hören bekamen:

    Weil Béla Réthy übers Telefon kommentieren musste, kam es zu einer Text-Bild-Schere der ungewöhnlichen Art – einer Zeitverzögerung der Optik gegenüber dem Ton. Wie Theresias, der griechische Seher, kündete uns Réthy da von dramatischen Dingen, die wir noch gar nicht gesehen hatten! „Durch die Unterhose!“, schrie er in unsere Ohren, während wir gar nichts verstanden. Unterhose?
    Gefühlte zwei Sekunden später sahen wir es auch: Lehmann griff ins Leere, die Türken hatten das 2:2 gemacht. Unglaublich. Wieder einmal bestätigte sich die alte Einsicht, dass man nicht in die Zukunft schauen soll, denn die Gegenwart ist hart genug.
    (Quelle: Spiegel-Online)

  • Die Schweizerbotschaft in Gefahr
  • In Berlin waren fast ca. 350 000 Fans in den Public Viewing Zonen unterwegs. Ohne Signal und Bild wäre es dort sicher zu grösseren Ausschreitungen gekommen, die Schweizerbotschaft liegt ganz in der Nähe, nur 5 Minuten vom Brandenburger Tor, neben dem von den Berlinern als „Waschmaschine“ bezeichneten Bundeskanzlerinnenamt. Ob sie da schon die Schweizergarde zur Verteidigung aufgeboten hatten?

  • SF Signal auch in Deutschland unverschlüsselt ausstrahlen
  • Was lernen wir daraus? Es sollte doch in Zukunft das Schweizer Fernsehen permanent unverschlüsselt in Deutschland via Satellit oder Kabel zu empfangen sein. Wenn es nur wegen der teuren Spielfilm-Ausstrahlungslizenzen geschieht, dann könnten die ja selektiv verschlüsselt werden. Wir sind sicher, wenn erst einmal SF1 und SF2 in Deutschland leicht zu empfangen wäre, dann gäbe es bestimmt bald einen Giacobbo & Müller Fanclub, und eingefleischte „Samschtig-Jass“ Gucker. Das ist echter Jazz vom feinsten. Hier ein kleiner Vorgeschmack auf diesen besonderen TV-Genuss:


    Diesmal auf Mallorca, eine Sondersendung. Eine „ganz eine tolle Sendung“, wie es in der Anmoderation heisst.

    Wer eine gute Internet-Verbindung hat, dem sei das ausgezeichnete TV-Archiv vom Schweizer Fernsehen bis dahin als Ersatz anempfohlen. Es findet sich hier so Perlen wie die ausführliche Berichterstattung von „Hopp de Bäse“, dem grossen Schweizer Gesangsfest in Weinfelden am 14. Juni 2008. „Hopp de Bäse“ heisst übrigens wörtlich übersetzt: „Die Bässe mögen bitte schon mal anfangen mit singen„. Oder sind es doch die Besen, die hupen? Oder wird gehüpft? Es besteht Erklärungsbedarf. „Lasst die Besen springenklingt tönt zwar auch nicht schlecht, aber was mag das bedeuten?


    Gesungen wird sogar in Fremdsprachen, z. B. Hochdeutsch. Sensationell! Für „Hopp de bäse“ gibt es bei Google-CH übrigens 4’280 Belegstellen. Die scheinen zu wissen, was das heisst, die Schweizer. Erklärt finden wir es nirgends. Also bleiben wir ahnungslos. Ist aber eine lustige Sendung, bestimmt.

    Grützi-Sagen in Weggis — Als Ruhrpottkind in der Schweiz

    Juni 26th, 2008
  • Als der D-Zug noch kein Intercity war
  • Als ich ein kleiner Junge war, fuhr unsere sechsköpfige Familie vom Ruhrgebiet aus in die Ferien in die Schweiz. Drei Wochen in ein Ferienhaus oberhalb des Vierwaldstättersees, nach Weggis. Schon die nächtliche Anreise mit dem D-Zug, der damals noch nicht „Intercity“ hiess und die Rheinschiene befuhr, war für uns Kinder ein einziges Abenteuer. Der Zug war voll besetzt mit Griechen auf dem Weg in ihre Heimat, zu ihren Familien. Sie hiessen noch „Gastarbeiter“ und wurden in den 60ern in grossen Werbeaktionen von der Deutschen Wirtschaft angeworben und ins Land geholt. Auf den Gängen standen überall Koffer, so dass kaum ein Durchkommen war. Sechs Griechen sassen auf den Plätzen in unserem reservierten Abteil, aber meine Mutter schimpfte wie ein Rohrspatz, um die reservierten Plätze für unsere Familie zu erstreiten, was dann auch funktionierte.

    Hohenzollernbrücke und Kölner Dom bei Nacht
    (Quelle Foto: auswaertiges-amt.de)

  • Die Hohenzollernbrücke bei Nacht
  • Der nächtliche Anblick des hell angestrahlten Kölner Doms, das Rattern der Räder auf der vierhundert Meter langen Hohenzollernbrücke die in jeder Minute von zwei Zügen überquert wird, dann das Rheintal im Mondschein. Nun, davon sah ich dann nicht mehr viel, denn das Geschuckel sorgte für eine fantastische Schlafmusik bis Basel. Dort mussten wir umsteigen nach Luzern und dann weiter mit dem Schiff über den See. Auf dem Landweg wäre man von Luzern nach Weggis bestimmt viele Tage unterwegs, erklärte man uns Kindern. Die Seeüberquerung per Schiff beeindruckte mich schwer. So hohe Berge! So blaues Wasser! Nur leider konnte ich noch gar nicht schwimmen.

  • Trinken direkt aus dem Bach
  • Wir wanderten täglich einen schmalen und steilen Kuhpfad von unserem hoch gelegenen Ferienhaus hinab zum See. An einem Bach, der erst durch eine Wiese geflossen kam und dann den Weg querte, lernte ich, direkt vom Boden aus dieser Quelle zu trinken. Bis am dritten Tag ein gewaltiger frischer Kuhfladen an besagter Stelle lag und meinen Durst ganz schnell vergehen liess. Wir bestiegen „den Rigi“, dessen weibliche Natur und Anspruch als „Königin der Berge“ ich erst 35 Jahre später kennenlernte. Und wir lernten rasch „Grützi“ sagen auf allen Wegen, bei allen Begegnungen. So häufig, dass wir die Wege nur noch „Grützi-Wege“ nannten. Über die korrekte Aussprache des Doppelvokals in Grüezi wurden wir nicht aufgeklärt.

    Weggis im Sommer
    (Quelle Foto: tripadvisor.com)

    Auch die Existenz des Schweizerdeutschen wurde uns verheimlicht, denn wir waren Touristen und Urlauber, die will man bei Laune halten. Sogar das Volkslied „Von Luzern nach Weggis zu“ lernten wir Kindern wie selbstverständlich auf Hochdeutsch. Gibt es eine andere Fassung? Ja: „Vo Luzärn gäge Weggis zue, holiegugu“, aber entweder hatten wir die im Kopf übersetzt oder diese Version ging im Laufe der Jahre im Gedächtnis verloren. Die Platte steht sicher heute noch im Plattenregal meiner Eltern.

  • Kein Bad in Kaltbad
  • Der männliche Rigi wurde dann zu Fuss erklommen. Eine schier endlose Bergtour mit spannenden Leitern und zu überwindenden Kuhzäunen, und mit viel Durst. Wir kamen zu einer Stelle, die hiess „Kaltbad“. Von einer kühlen Erfrischung oder einem Bad war jedoch nichts zu sehen. Bergab ging es mit der Seilbahn die bei jedem Pfeiler beängstigend zu schwanken begann. Meine Eltern wurden von Mercedes fahrenden Freunden zu einem Ausflug auf den Sustenpass eingeladen. Da durften nur zwei Kinder mit. Sie sassen also völlig legal ohne Kindersitz oder Anschnallgurt zu viert im Fond dieser Prachtlimousine. Es wurden die beiden Kinder mit der geringsten Kotzanfälligkeit ausgewählt, wegen der vielen Kurven. Nun, da war ich dann nicht dabei. Leider war ich bis heute nicht auf dem Sustenpass, denn so oft wir dort in der Nähe sind, ist er gesperrt wegen Schneemassen.

    Hammetschwandlift am Bürgenstock
    (Quelle Foto: Swisspics.ch)

  • Ein Lift und kein Fahrstuhl
  • Besonders beeindruckten mich als Kind die alten Lokomotiven im Luzerner Verkehrsmuseum und der Fahrstuhl hoch auf den Bürgenstock. In der Schweiz fährt man nicht mit Stühlen, drum heisst diese Einrichtung „Hammetschwandlift“. Wenn wir Besucher aus Deutschland die Schweiz von ihrer schönsten Seite präsentieren wollen, dann fahren wir mit ihnen zum Vierwaldstättersee, in knapp zwei Stunden ab Bülach mit der SBB. In den besagten Ferien konnte ich als kleiner Junge noch nicht schwimmen. Ich hielt mich in der Nichtschwimmerzone am Ufer auf und warf sehnsüchtige Blicke auf meine Geschwister, die bis zu den schwimmenden Badepontons im See gelangten. Heute kann ich schwimmen. „Grüezi“-Sagen auch, und bei Wanderungen habe ich stets zwei Petflaschen mit isotonischen Getränken im Rucksack, der jetzt „daypack“ heisst. So ändern sich die Zeiten.

    Matur, Matur, immer lockt uns nur, die Stimme der Matur…

    Juni 25th, 2008
  • Bitte Fragebogen ausfüllen
  • Wir erhielten Post aus Bern:

    Aufruf an alle in der Schweiz lebenden Deutschen 😉
    Ich heisse Martina Walther und besuche das Gymnasium in Bern. In den kommenden Monaten schreibe ich meine Maturaarbeit zum Thema „deutsche Einwanderer während der vergangenen 60 Jahre“. Dabei möchte ich herausfinden, wie sich die Einwanderungszahlen während der letzten 60 Jahre verändert haben, was die Schweiz als Einwanderungsland attraktiv macht und wie es den Deutschen in der Schweiz geht. Um diese Fragen zu beantworten, habe ich einen Fragebogen erstellt. Nun wäre ich froh, wenn möglichst viele Deutsche diesen Fragebogen ausfüllen und an mich zurücksenden könnten, damit ich mit meiner Maturaarbeit gut vorankomme.

    Um den Fragebogen als Word-Dokument herunterzuladen, klicken Sie bitte hier.
    Die ausgefüllten Fragebögen bitte an diese E-Mail Adresse senden: tifae@gmx.ch

    Die fertige Arbeit wird später hier auf der Blogwiese zum Download bereitgestellt.

    Vielen Dank im Voraus!
    Martina Walther

  • Es gibt auch was zu gewinnen!
  • Wir wünschen Martina (nein, das ist kein Fake, es gibt sie wirklich) viel Glück bei ihrer Arbeit und haben uns spontan überlegt, den Anreiz der wirklich ernsthaften Teilnahme an dieser Umfrage durch eine kleine Aktion zu erhöhen. Unter allen Einsendungen werden wir eine Verlosung durchführen.

  • Der erste Preis ist eine C-Bewilligung blanko Betreibungsauskunft (selbst ausgedruckt).
  • Der zweite Preis eine Nacht in einem Atomschutzraum in unserem Haus mit absoluter Wiederaufsperrgarantie. Die Belüftung muss nicht von Hand bedient werden, wir schalten den Ventilator ein.
  • Der dritte Preis ist Fondue-Essen bei 35 Grad im August in einer Luzerner Beiz, zusammen mit 350 Gästen aus Nagasaki. Die Stimmung ist garantiert mordsmässig.
  • Der vierte Preis ist eine Schweizer Autoflagge, noch gut erhalten, wenig gebraucht, für den kommenden 1. August oder das Halbfinalspiel Schweiz-Deutschland bei der WM 2010.
  • Der fünfte Preis ist eine Deutschlandflagge, noch nicht abgerissen, als Mitbringsel zur Party heute abend. Sie ist mit „Germany“ bedruckt, kann also auch zur WM 2010 in Südafrika mitgenommen werden.
  • Die Entgegennahme der Preise ist wirklich freiwillig. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
    Als Trostpreis hätten wir da noch dieses echt Schweizerisch-Deutsche Fan-Utensil von Lidl.de

    Lidl Toblerone
    (Gesehen in Deutschland bei Lidl.de)

    Es kreiselt, es kräuselt und es chrüselet — Neue Schweizer Lieblingswörter

    Juni 24th, 2008
  • Es chrüselet total
  • Bei unserem andauernden und nicht enden wollenden Kampf um die Erlernung der modernen Schweizer Schriftsprache der Gegenwart stiessen wir auf dieses Zitat:

    Die Blüte ist schön gelb und sieht aus wie eine kleine runde Bürste. Wenn man sie in den Mund nimmt, gibts den gleichen Effekt, wie wenn man den negativen und den positiven Pol einer Batterie an die Zunge hält: Es chrüselet total.
    (Quelle: Tages-Anzeiger 21.06.08, S. 70)

    Nun, den Geschmack von Strom, wenn man mit der Zunge an die beiden Zungen einer 4.5 Volt Flachbatterie kommt, kennen wir wohl. Das soll „chrüselen“ sein?

  • Es chrüselet äs Lüftli
  • Aus der Bülacher Lokalzeitung, dem „Neuen Bülacher Tagblatt“ lernen wir, dass auch ein Lüftchen „chrüseln“ kann, zumindestens im Lied:

    Auf dem Pausenplatz sangen die Kinder unter anderen Liedern «Es chrüselet äs Lüftli», das neu im Repertoire war. Anschliessend assen sie ihre Brötchen, wärmten die Hände am heissen Punsch, bevor sie mit ihren Eltern den Heimweg antraten.
    (Quelle: NBT.ch)

    Tatsächlich findet sich das Wort, allerdings in der Schreibweise mit „k“ an Stelle von „ch“ sogar im Grimmschen Wörterbuch:

    KRÜSELN, kitzeln, s. kräuseln sp. 2100 und krause mause 1 das.; ein anklang taucht in England auf: crousley to flatter, to court. HALLIWELL 283a.
    (Quelle: Grimm)

    Eindeutig eine Variante von „kitzeln“, verwandt mit „kräuseln“, welches wiederum zum Standarddeutschen gehört. Nur diese Variante ohne „ä“ vor dem „u“, die haben die Schweizer für sich allein, jedenfalls wenn es ums „Kitzeln“ geht. Sogar nach England als „crousley“ hat dieses krause Wort es geschafft. Und auch in Norddeutschland kennt man das als Nebenform zu „kreiseln“:

    krüseln sw. V.; hat [zu niederd. krüsel = Kreisel] (nordd.): kreiseln, sich drehen: der Wind fing an zu krüseln.
    (Quelle: duden.de)

  • Chrüselelt Sie schon jemand?
  • Also hier dann die Warnung an alle zugezogenen Nordlichter: Wenn etwas in der Schweiz zu „krüseln“ oder „chrüsele“ beginnt, dann ist das nicht kreiseln sondern kitzeln. Verstanden? Ob sich die Schweizer bei dieser Wortbedeutung selbst einigermassen einig sind?