Haben Sie auch einen zu kleinen Rucksack?

November 16th, 2007

(reload vom 17.11.05)

  • Zu kleiner Rucksack
  • Ein kleiner Rucksack ist eigentlich eine ganz feine und angenehme Sache in den Bergen. Die Dinge für einen Tag passen hinein, darum heisst er auch auf Neudeutsch „Day-Pack„. Wenn Sie in der Schweiz eine Berufsausbildung beginnen wollen, sollten Sie sich aber lieber ein etwas grösseres Modell zulegen, so einen 30 – 40 Liter Rucksack vielleicht, mit integriertem Traggestell. Denn Sie brauchen einen grossen Rucksack offensichtlich für die Berufsausbildung, und er kann nicht gross genug sein, doch lesen Sie einfach selbst:

    Schüler für die Lehre fit machen
    Eignungstest in einer Grossbank: Die Firmen misstrauen den Schulnoten.
    Warum finden Junge keine Lehrstelle? Weil das Angebot knapp ist. Aber nicht nur: Viele genügen den Anforderungen der Wirtschaft nicht. Jetzt reagieren die Sekundarschulen.
    Von Antonio Cortesi
    Alle jammern. Die Politiker, weil die Wirtschaft zu wenig Lehrstellen anbietet, und die Schulabgänger, weil sie Dutzende von Bewerbungen schreiben müssen (…). Aber auch die Firmen klagen. Sie bemängeln, allzu viele Schülerinnen und Schüler brächten einen zu kleinen Rucksack für eine Lehre in ihrem Betrieb mit.
    Die Firmen beklagen sich nicht ohne Grund, wie eine kürzlich publizierte Nationalfondsstudie zeigt. Der Zürcher Bildungsforscher Urs Moser hat bei den acht Schweizer Grossunternehmen ABB, Migros, Novartis, SBB, Siemens, SR Technics, Swisscom und UBS die Ergebnisse von 1420 Eignungstests und Assessments untersucht. Parallel dazu testete Moser die Jugendlichen selber gemäss den Vorgaben der Pisastudie auf ihre Mathematikkenntnisse und ihre Lesekompetenz.
    Die Resultate sind in hohem Mass Besorgnis erregend:
    Nach dem 9. Schuljahr genügen einzig die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten den Anforderungen für eine anspruchsvolle Lehre (Kaufmann oder Informatik). Jeder zweite Schüler der Sekundarschule bringt einen zu kleinen Rucksack für eine KV- oder Informatik-Lehre mit.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 01.02.05)

    Also was lernen wir daraus: Als engagierter Lehrer sollten wir unbedingt noch ein Outdoor-Ausrüster Geschäft in unserer Freizeit aufziehen, um den jungen Leuten mit passendem Equipment ausstatten zu können. So ein schickes Modell von Salewa oder Wolfskin kann dann richtig Karriere fördern wirken.
    Haben Sie auch nur einen kleinen Rucksack?

    Und gross soll er sein, der Rucksack, denn so eine Berufsausbildung, die dauert lange und da muss wohl ne Menge Proviant reinpassen, und ein warmer Schlafsack, wenn einem der kühle Wind des Alltags um die Nase pustet im Geschäftsleben.

    Ich schwimm, ich schwamm, ich schwumm? – Der Schwumm ist kein Pilz in der Schweiz

    November 15th, 2007
  • Was ist ein Schwumm?
  • Wir lasen in der Pendlerzeitung 20Minuten die interessante Überschrift:
    Auf zum Schwumm
    (Quelle: 20Minuten)

  • Kann man mit einem Schwumm eine Tafel putzen?
  • Es geht in dem Artikel um kleine Seepferdchen, die demnächst in den Pazifik zum Schwimmen freigelassen werden. Ein Schwumm? Dieses Wort hatten wir noch nie gehört, es findet sich auch nicht im Duden, dafür aber 985 Mal bei Google-CH. Bei Google-DE beziehen sich fast alle Fundstellen auf dein Theaterstück von Winfried Steinl „Der Schwumm — Überlebens-Etude

    Auslöser war ein Sportlehrbuch über Schwimmen, bald kam aus dem Physikbuch die Auftriebsformel des Archimedes hinzu und weitere literarische Textsplitter… Die Eigenproduktion thematisiert die Bereiche Gefühle, Sex und Beziehungen mit der Quintessenz: Es gibt eigentlich keinen Lebensbereich, in dem man nicht schwimmt! Mehr oder weniger gut. Da dem Menschen die Fähigkeit zum Schwimmen nicht angeboren ist, muss er sie erlernen. Oder er säuft ab.
    (Quelle: Klett.de)

    Über den Autoren erfahren wir an anderer Stelle:

    Der Autor Winfried Steinl ist Lehrer an einem Gymnasium in Bayern, mehrfach ausgewählt mit seinen Theatergruppen zu unterschiedlichen überrgionalen und bundesweiten Theatertreffen, langjährige Juror am Theatertreffen der Jugend in Berlin
    (Quelle: Schulministerium.nrw.de)

    Ein Lehrer aus dem Musterland Bayern, das sich „Freistaat“ nennt, und sagt und schreibt „Schwumm“? Dabei denkt er keineswegs an leckere „Schwammerl“, die der Duden als kleinen bayrischen Schwamm und Pilz kennt:

    Schwạmmerl, das, bayr. auch: der; -s, -[n] [mit südd. Verkleinerungssuffix geb. zu Schwamm] (bayr., österr.): Pilz.
    (Quelle: Duden.de)

    Das Wort „Schwumm“ ist alt, und findet sich demzufolge auch bei Grimm. Doch mit welcher Bedeutung?

    SCHWUMM, m., ablautende nebenform zu schwamm (siehe dieses sp. 2195): agaricus, dannschwumm, habecheswum, tanswun DIEF. gl. 17a, boletus, swum 78a, fungus, swumme (plur.) 252c, spongia, schwumm 548b, schwum nov. gl. 346a; schwumm, als in den wälden wachszt, fungus, spongia; auch vom badschwamm: ein schwumm mit wasser ausztrucken und tröchnen; dimin. schwümmle, das, spongiola MAALER 368b; STALDER gibt als bedeutung von schwumm, m. schaum; schwummkelle, schaumkelle, schwummen, schaum geben, verschwummen, den schaum oben abnehmen STALDER 2, 366 (dieses schwumm scheint ein neu zu schwimmen gebildetes wort zu sein); dagegen: schwumm, schwamm, pilz, plur. schwümm, dimin. (…)
    (Quelle: Grimms Wörterbuch)

    Wer sich diese wunderbaren Textbelege von Grimm anschaute, kann erkennen, dass es fast alles Pilze sind und mit dem Badevergnügen der Schweizer nichts zu tun haben. Also vergessen wir die Pilze, sagen wir einfach „Schwumm drüber“ und denken wir nur noch ans Schwimmen. Am häufigsten literarisch aufbereitet hat dieses Thema der Ex-Schwimmer und Autor John von Düffel, z. B. in seinem äusserst lesenswerten Roman „Vom Wasser“.

    Vom Wasser John von Düffel
    (Quelle Foto: libri.de)
    Viel Vergnügen beim Lesen und beim nächsten Schwumm!

    Wieviele Schweizer Wohnzimmer haben Sie von innen gesehen?

    November 14th, 2007
  • Vereins-Hopping hat nichts gebracht
  • Offensichtlich kann man den Grad seiner Integration in der Schweiz wunderbar an der Zahl der von innen gesehenen Wohnzimmer messen. Der vieldiskutierte NZZ Beitrag von Sacha Batthyany brachte uns diese Erkenntnis:

    Auch die Wimmers aus Solothurn packen ihre Koffer, sie haben genug von ihrer sozialen Isolation. Seit sieben Jahren seien sie hier, doch noch haben sie keine fünf Schweizer Wohnzimmer von innen gesehen, wenig Einladungen, wenig enge Freunde, dabei haben sie alles versucht. Als sie erfuhren, welch wichtige Rolle das Vereinsleben in der ländlichen Schweiz spielt, hätten sie zunächst mit Tennis begonnen, später traten sie dem Turnverein bei, fit wurden sie, doch integriert wurden sie nicht. «Unser Vereins-Hopping hat nichts gebracht. Klar haben wir Bekannte, aber die Schweizer bleiben lieber unter sich.»
    (Quelle: nzz.ch)

  • Kann man sich durch Vereine integrieren?
  • Die Wimmers hatten es irgendwie falsch angefangen. Sie wären lieber in den örtlichen Schützenverein eingetreten, hätten eisern trainiert und dann ihre Tochter zum „Star-Sniper“ ausbilden lassen (vgl. „Werde Sniper schon ab 12“) . Wie kann man auch als Deutscher in der Schweiz nur auf die Idee kommen, Tennis zu spielen! Du meine Güte, das ist doch ein Schweizer Sport! Seien Sie bloss froh, dass Boris Becker und Steffi Graf da nicht mehr mitmischen. Da sollten wir uns als Deutsche wirklich nicht einmischen. Sonst wird uns bei so einem Vereinstreffen noch Kokain beigemischt, ohne das wir es merken.

  • Wohnzimmer von innen ansehen
  • Wer unbedingt Schweizer Wohnzimmer von innen kennenlernen möchte, braucht lediglich auf Wohnungssuche zu gehen. Sofort öffnen sich die privatesten Bereiche, nämlich die Wohnungen der armen Schweizer, die ausserhalb der vier erlaubten Kündigungstage im Jahr ihre Wohnung verlassen möchten und dringend Nachmieter suchen. Ist das eigentlich mit extrem gut abgeschotteten Privatleben in der Schweiz etwas Besonderes? In welchen Ländern Europas wird man schnell in die Privatwohnung eingeladen? In England gilt „My home is my castle“, und warum treffen wir uns nicht mal im Pub? Franzosen gehen gern essen, natürlich in ein Restaurant, denn für andere zu kochen ist anstrengend. In Holland gibt es zwar keine Vorhänge, aber sieht man die Wohnzimmer dadurch auch häufiger von innen?

  • Sind Schweizer verschlossener als Deutsche?
  • Ein Kollege aus Bern, der nach dem Studium nach Zürich zog, erzählte uns, dass er in wenigen Wochen alle 10 Wohnungen des Mehrfamilienhauses von innen gesehen hatte, es gab regelmässige Einladungen und gemeinsame Hausfeste. Als Berner in Zürich hat er natürlich den Schweiz-internen „Jööö-Faktor“ auf seiner Seite. Wir glauben nicht, dass die Schweizer „verschlossener“ als die Deutschen sind. Auch im Schwabenland kann man ziemlich isoliert leben, ohne je eine Nachbarwohnung von Innen zu sehen.

    Hocketse im Schwabenland
    (Quelle Foto: Hocketse beim Stadtfeuerwehrverband Stuttgart)

    Der Schwabe an sich trifft sich lieber auf einer „Hocketse“ auf der Strasse, und diskutiert dort beim „Viertele“ die beiden wichtigsten Fragen im Leben eines Schwabens: „1.) Haben Sie schon geerbt?“ und „2.) Haben Sie schon gebaut?“ (ich verkneife mir die Verschriftung auf Schwäbisch).

  • Schauen sie doch einfach unsere Wohnung an
  • Als ich vor unserem Umzug in die Schweiz auf Wohnungsbesichtigung unterwegs war, und vor einem Objekt auf die Mitarbeiterin der Verwaltung warten musste, wurde ich spontan von den Schweizern der darüber liegenden Wohnung angesprochen und eingeladen: „Schauen sie doch unsere Wohnung an, die sieht genauso aus“. Es gibt wie überall solche und solche. Laden Sie doch einfach mal ihre Schweizer Nachbarn ein. Ein Apéro-Empfang kurz nach dem Einzug ist absolut üblich und angesagt. Doch das können Sie ohne weiteres noch steigern mit einer Fondue-Einladung im Hochsommer im gemeinschaftlichen Garten, vielleicht verknüpft mit einem gemeinschaftlichen „public viewing“ Event während der EM 2008? Muss ja nicht gerade das Endspiel „Schweiz-Deutschland“ sein, dass sie dann gemeinsam gucken.

    Ein Batzen ist gut, ein halber Batzen schlecht — Neue Schweizer Lieblingswörter

    November 13th, 2007
  • Machen Sie auch manchmal etwas halbbatzig?
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger Online:

    Die Journalisten sind sauer, weil sie nur halbbatzig informiert werden. Und dem Gemeinderat stinkt es gar so gewaltig, dass er zweimal einen Projektierungskredit fürs Kongresshaus ablehnte.
    (Quelle: tagesanzeiger.ch)

    Auch die NZZ verwendet dieses Wort:

    «lieber etwas richtig machen als alles halbbatzig»
    (Quelle: nzzfolio.ch)

    Oder hier:

    «Dies ist unser Haus» – ein paar halbbatzig aufgeschichtete Steinklötze.
    (Quelle: nzz.ch)

  • Was ist ein „halber Batzen“?
  • Halber Batzen
    (Quelle Foto: worldcoincatalog.com)

    Wir entdecken 434 Belegstellen für „halbbatzig“ bei Google-CH, verglichen mit 224 Stellen bei Google-DE, dort fast nur in Wörterbüchern oder Diskussionsforen zum Thema „Schweizerdeutsch“ erwähnt. So wurde dieses Wort wird z. B. im Forum von Brigitte.de erfragt und als Helvetismus diskutiert.

    Wir finden es schön und werden es ab sofort in unseren aktiven Wortschatz aufnehmen. Auch der Duden erwähnt es ehrenvoll, nicht als „landschaftlich“, sondern eindeutig „schweizerisch“:

    halbbatzig (schweiz. für ungenügend, unzulänglich)
    (Quelle: duden.de)

    Die Steigerung von „halbbatzig“ ist übrigens nicht „ganzbatzig“, sondern „doppelbatzig“. Auch dafür fand sich ein Beleg. Doch woher kommt der Begriff „Batzen“, der uns klanglich so stark an den „Tatzen“ eines Bären erinnert? Tatsächlich hat das Wort etwas mit „Bär“ zu tun, denn ein solcher ist in Bärn Bern ein „Bätz“, in Deutschland auch als „Meister Petz“ bekannt:

    Der Batzen ist eine Münze, die zwischen 1492 und 1850 in Bern geprägt wurde. Namensgeber war das Wappentier des Kantons, der Bär bzw. « Bätz », der auf der Rückseite der Münze aufgeprägt war. Der Wert eines Berner Batzens entsprach vier Kreuzern. Da der Gulden 60 Kreuzer beinhaltete, war ein Batzen auch ein Fünzehntel des Guldens. Später gab es auch « Grossi » (Dicke, d.h. Groschen) zu 5 Batzen.
    (Quelle: Wikipedia)

    Schweizer Batzen

  • Einen schönen Batzen Geld
  • Was für die Schweizern ein halber Bären bzw. Batzen ist, drücken die Deutschen mit dem „halben Herzen“ aus. Halbe Herzen rollen zwar schlechter als ein „Halbbatzen“, aber „halbherzig“ mag als adäquate Übertragung für „halbbatzig“ noch am ehesten durchgehen. Während „halbbatzig“ in Deutschland unbekannt ist, gibt es für die Redewendung ein „Batzen Geld“ bei Google-DE 44’500 Fundstellen. Muss an den Märchen liegen, oder an den Münzsammlern mit Sammelgebiet „Schweiz“.

    Heute taucht das Wort noch in einigen Redewendungen und Begriffen wie «ein schöner Batzen Geld» oder «Göttibatzen» (in der Schweiz: vom Taufpaten erhaltenes Geld) auf, bezeichnet jedoch einen nicht näher bestimmten Betrag. In Teilen der Schweiz wird im Dialekt jede Rappen-Münze als «Batzen» oder «Bätzeli» bezeichnet.
    (Quelle: Wikipedia)

    Schreibe auf Hochdeutsch, aber lies Schweizerdeutsch — Die Kunst der Übersetzung in der Schweiz

    November 12th, 2007
  • Simultandolmetschen à la Suisse
  • Schweizer Mütter beherrschen die hohe Kunst der Simultanübersetzung. Bei unterschiedlichen Gelegenheiten, z. B. im Wartezimmer einer Arztpraxis oder in einem Grossraumwagen der SBB durften wir beobachten, wie Schweizer Mütter ihren Kindern aus einem auf Deutsch gedruckten Bilderbuch vorlasen. Zum Beispiel aus „Henriette Bimmelbahn“.

    Henriette Bimmelbahn
    (Quelle Foto: james-kruess.de)

    Das hört sich dann bei „Henriette Bimmelbahn“ so an:
    (Original von James Krüss)

    Henriette heißt die nette, alte, kleine Bimmelbahn. Henriette, Henriette fuhr noch nie nach einem Plan.

    Dabei hört man aber nicht den bekannten und gewohnten Text von James Krüss, sondern eine „on the fly“ Übersetzung in den jeweiligen Schweizer Dialekt. Das geschieht mit einer minimalen Verzögerung von 1-2 Sekunden zwischen dem Prozess des Lesens und der Aussprache. Auf ihre Kunst des Simultanübersetzens angesprochen antworteten die Mütter meist: „Meine Kinder würden sonst nichts von der Geschichte verstehen“. Das könnte sich dann so anhören:

    „Heiriett heisst das nätte, aute, chline, Glögglizügli. Henriette, d’Henriette isch no nie noch emne Plan gfahre“
    (Quelle: Privater Übertragungsversuch)

    Zugegeben, ich finde die Schweizer Fassung auch hübsch, auch wenn sie sich „im Fall“ nicht reimt. Ich liess sie von einem Spezialisten übersetzen, und der kommentierte diesen Text so:

    Es ist gar nicht so einfach, „Bimmelbahn“ auf Schweizerdeutsch zu übersetzen. Schon die Generation der heutigen Senioren haben vorwiegend elektrische Bahnen erlebt. Viele Schmalspurbahnen fuhren schon zu Beginn ab etwa 1900 elektrisch. Die Rohstoffknappheit (Kohle) im ersten Weltkrieg half mit, dass auch alle Hauptlinien zwischen 1920 und 1945 elektrifiziert wurden. So sind Lokomotiven mit Glocken (ausser Trams) hier schon im ersten halben 20. Jahrhundert rasch verschwunden und finden sich auch in keinem Kindervers wieder. Mir fällt leider wirklich kein vergleichbares Kinderlied ein.
    (Quelle: Private E-Mail)

  • Lerne Deutsch mit TKKG und „Die Drei Fragezeichen“
  • Ob Schweizer Mütter bei der „Sendung mit der Maus“ oder beim Anhören von TKKG Cassetten auch neben ihren Kindern sitzen und simultan übersetzen? Damit das nicht notwendig ist, wurden viele Kinderbücher gleich von Schweizern auf Schweizerdeutsch eingespielt, so zum Beispiel geschehen mit Astrid Lindgrens „Karlson vom Dach“ oder „Michel aus Lönneberga“, in einer Dialektfassung aufgenommen von Emil Steinberger.

    Beim Vorlesen von „komplizierten“ Märchen aus dem Sammelband der Gebrüder Grimm geschieht das Simultanübersetzen regelmässig. „Märchen“ gibt es eigentlich gar nicht in Schweizerdeutschen Kinderzimmern, nur noch „Märli„. Bei Google-CH finden sich 34’000 Erwähnungen von „Märli„. Hörkassetten für Kinder im Vorschulalter (in der Schweiz also bis sieben Jahre) werden in Dialektform angeboten. Ganz nebenbei lernen die Kinder dabei auch weitere Dialektvarianten, denn Emil Steinberger hat seine Karlson-Fassung sicher nicht auf Züridütsch vorgetragen.

  • Folie Hochdeutsch, Vortrag Schweizerdeutsch
  • Neulich waren wir in einem Schweizer Vereinsheim zu einem Vortrag eingeladen, der ganz altmodisch ohne Kraftpunkt-Präsentation mit Folien und einem Überkopf-Projektor abgehalten wurde. Der Text auf den Folien war auf Hochdeutsch und leicht zu lesen, doch vorgelesen wurde er dann auf Schweizerdeutsch. Die vortragende Schweizerin übersetzte Wort für Wort, ebenfalls „on the fly“ (auf Deutsch hübsch als „aus dem Stegreif“) ins Schweizerdeutsche. Warum? War es zu merkwürdig, in einem Saal voller Schweizer, in dem wir die einzigen Deutschen waren, etwas auf Hochdeutsch vorzulesen?

    Wir bestaunten die sprachliche „Leischtig“, sorry „Leistung“ wollte ich schreiben. Verstanden haben wir den Sinn dieser mühsamen Aktion aber nicht.

  • Wetterbericht bei Tele-Züri auf Schweizerdeutsch
  • Janine Eggenschwiler , die seit Jahren den Meteo-Bericht auf Tele-Zürich gekonnt auf Schweizerdeutsch präsentiert, verriet uns einmal, dass sie vor der Sendung sorgsam ihren Text auf Schweizerdeutsch niederschreibt und auf dem Teleprompter angezeigt bekommt. Keine improvisierte Übersetzung in eine andere Sprachvariante, sondern eine sehr sorgfältige vorbereitete Schweizer Schriftversion. Wäre bei der knappen Zeit von 60 Sekunden pro Meteo auch gar nicht möglich. Oder doch? Sind nicht alle Schweizer trainierte Simultanübersetzer?