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Ich schwimm, ich schwamm, ich schwumm? – Der Schwumm ist kein Pilz in der Schweiz

  • Was ist ein Schwumm?
  • Wir lasen in der Pendlerzeitung 20Minuten die interessante Überschrift:
    Auf zum Schwumm
    (Quelle: 20Minuten)

  • Kann man mit einem Schwumm eine Tafel putzen?
  • Es geht in dem Artikel um kleine Seepferdchen, die demnächst in den Pazifik zum Schwimmen freigelassen werden. Ein Schwumm? Dieses Wort hatten wir noch nie gehört, es findet sich auch nicht im Duden, dafür aber 985 Mal bei Google-CH. Bei Google-DE beziehen sich fast alle Fundstellen auf dein Theaterstück von Winfried Steinl „Der Schwumm — Überlebens-Etude

    Auslöser war ein Sportlehrbuch über Schwimmen, bald kam aus dem Physikbuch die Auftriebsformel des Archimedes hinzu und weitere literarische Textsplitter… Die Eigenproduktion thematisiert die Bereiche Gefühle, Sex und Beziehungen mit der Quintessenz: Es gibt eigentlich keinen Lebensbereich, in dem man nicht schwimmt! Mehr oder weniger gut. Da dem Menschen die Fähigkeit zum Schwimmen nicht angeboren ist, muss er sie erlernen. Oder er säuft ab.
    (Quelle: Klett.de)

    Über den Autoren erfahren wir an anderer Stelle:

    Der Autor Winfried Steinl ist Lehrer an einem Gymnasium in Bayern, mehrfach ausgewählt mit seinen Theatergruppen zu unterschiedlichen überrgionalen und bundesweiten Theatertreffen, langjährige Juror am Theatertreffen der Jugend in Berlin
    (Quelle: Schulministerium.nrw.de)

    Ein Lehrer aus dem Musterland Bayern, das sich „Freistaat“ nennt, und sagt und schreibt „Schwumm“? Dabei denkt er keineswegs an leckere „Schwammerl“, die der Duden als kleinen bayrischen Schwamm und Pilz kennt:

    Schwạmmerl, das, bayr. auch: der; -s, -[n] [mit südd. Verkleinerungssuffix geb. zu Schwamm] (bayr., österr.): Pilz.
    (Quelle: Duden.de)

    Das Wort „Schwumm“ ist alt, und findet sich demzufolge auch bei Grimm. Doch mit welcher Bedeutung?

    SCHWUMM, m., ablautende nebenform zu schwamm (siehe dieses sp. 2195): agaricus, dannschwumm, habecheswum, tanswun DIEF. gl. 17a, boletus, swum 78a, fungus, swumme (plur.) 252c, spongia, schwumm 548b, schwum nov. gl. 346a; schwumm, als in den wälden wachszt, fungus, spongia; auch vom badschwamm: ein schwumm mit wasser ausztrucken und tröchnen; dimin. schwümmle, das, spongiola MAALER 368b; STALDER gibt als bedeutung von schwumm, m. schaum; schwummkelle, schaumkelle, schwummen, schaum geben, verschwummen, den schaum oben abnehmen STALDER 2, 366 (dieses schwumm scheint ein neu zu schwimmen gebildetes wort zu sein); dagegen: schwumm, schwamm, pilz, plur. schwümm, dimin. (…)
    (Quelle: Grimms Wörterbuch)

    Wer sich diese wunderbaren Textbelege von Grimm anschaute, kann erkennen, dass es fast alles Pilze sind und mit dem Badevergnügen der Schweizer nichts zu tun haben. Also vergessen wir die Pilze, sagen wir einfach „Schwumm drüber“ und denken wir nur noch ans Schwimmen. Am häufigsten literarisch aufbereitet hat dieses Thema der Ex-Schwimmer und Autor John von Düffel, z. B. in seinem äusserst lesenswerten Roman „Vom Wasser“.

    Vom Wasser John von Düffel
    (Quelle Foto: libri.de)
    Viel Vergnügen beim Lesen und beim nächsten Schwumm!

    

    13 Responses to “Ich schwimm, ich schwamm, ich schwumm? – Der Schwumm ist kein Pilz in der Schweiz”

    1. ch.atzefrey Says:

      Der Schwumm ist das Pendant zur Fahrt. Man fährt und macht darum eine Fahrt. Man schwimmt und geniesst den Schwumm. Ist doch logisch.

    2. sabine Says:

      wer „vom wasser“ gern gelesen hat, dem empfehle ich unbedingt das „wasserzeichen“ des schweizer schriftstellers hansjörg schneiders: „Die phantastische Geschichte des Moses Binswanger ist ein Schweiz-Buch, aber nicht eines der plumpen und direkten, sondern eines, das in Bildern redet.“

      seine wasser-metaphern präsentiert er so trocken, dass man nicht weiss, lacht oder schmunzelt man wegen der sprache oder wegen der bilder. das buch bietet viel: „von der Antinazistimmung der Bachleute über die Fortschrittswut der Zubetonierer einerseits und der marxistischen Kämpfer andererseits bis hin zur postmodernen Freizeitideologie mit jurassischen Erlebnisparks.“

      lesen!!

    3. neuromat Says:

      Mir stellt sich gerade die frage, was eigentlich ein „Schweiz-Buch“ ist, je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr wird mir schwummrig.

      Das bedeutet in diesem Zusammenhang schwindelig und wird zur Beschreibung dieser Beschwerden in Westmitteldeutschland zumindest häufig gebraucht. aeltere Damen sprechen dann von plümerant.

      Nur logisch das wenn schwummrig (vgl auch google Einträge) schwindlig bedeutet, dass dann Schwumm der Schwindel sein muss. Schwindel ist aber mehrdeutig. Somit kann weiter geschlossen werden dass der Schwindel überlebensnotwendig ist.

      Also die kleinen Lügen richtig ueber den Alltag verteilt sichern den eigenen Fortbestand.

      lügen!!

    4. sylv Says:

      I ga id Schwümm – ich gehe in den Wald Pilze sammeln

      Desweiteren kenne ich auch noch den ‚Tafeleschwumm‘;),mit dem wir in der Schule jeweils die Wandtafel reinigen durften.

      Und ‚my Mitttwuchsschwumm‘ ist mir wichtig:) will ja fit bleiben.

    5. Phipu Says:

      Was hier zu verwirren scheint, ist ein Zusammenzug verschiedener Bedeutungen unter demselben Wort. In einer Neuauflage Grimms Wörterbuch müssten folgende Bedeutungen unterschieden werden, untenstehend etwas ausführlicher (elefantös, wie immer bei mir, Sylv hat es eben viel kürzer, [mückig] gemacht, aber da hatte ich meinen Artikel schon fertig vorgeschrieben) als in einem Wörterbuch.

      Hier möchte ich gleich vorwegnehmen, dass „Schwumm“ ein Dialektwort ist, das in der Zeitung eigentlich von Gänsefüsschen umrahmt werden sollte; und nicht einfach ein Helvetismus, den man ohne weiteres ins Hochdeutsch integrieren darf.

      1) Substantiv von „schwimmen“: Die Unterkategorien „des Schwimmens“ kann man im Dialekt kürzer als auf Hochdeutsch sagen (hier verhochdeutscht geschrieben) z.B.:
      Kraul
      Brustschwumm
      Rückenschwumm
      Rückenkraul
      Hundeschwumm
      Kein Wunder braucht es erst ganz viele Lektionen, bis man ins Wasser darf, wenn man nicht einmal die Begriffe versteht: http://www.blogwiese.ch/archives/504 bzw.

      2) Heisst also folglich: „mir göh i d’Schwümm“ so etwas wie „wir gehen in die Schwimmgruppe“ (EZ: Schwumm, MZ: Schwümm)?

      Nein, hier geht es um „in die Schwämme gehen“, eine materiell etwas schwierige Vorstellung (man müsste Gartenzwerg sein, wollte man wirklich in die Pilze hineingehen), was nichts anderes heisst, als „wir gehen Pilze sammeln“. Siehe folgende Beispiele:
      http://www.paulhulliger.ch/buch.html
      http://www.espace.ch/artikel_130375.html
      Schlussfolgerung: Entgegen dem Titel, sind „Schwümm“ durchaus auch „Pilze, Schwämme“

      3) Wie unmodern ist doch die Aussage „Schwamm drüber“. Heute heisst das „Alt-F4“, (= schliessen von z.B. Powerpoint-Präsentationen). Ich kann mir vorstellen, dass heutige Schulkinder eher Beamer statt Wandtafeln kennen. Die Kinder, deren Eltern das Auto noch von Hand waschen, oder die keine Abwaschmaschine (DE: Geschirrspüler) im Haushalt haben, kennen den Schwamm noch, der im Dialekt „der Schwumm“ oder in der Mehrzahl „d’Schwümm“ heisst. Also noch mal dasselbe Wort.

      Jetzt dürfte es auch klar sein, dass man auch als Mitglied des Schwimmclubs nicht zum Pilz oder zum Schwamm mutiert, nur weil das Wort drei Bedeutungen hat. http://www.blogwiese.ch/archives/103

    6. neuromat Says:

      die Bezeichnung der „Schwumm“ für das „Schwimmen“ gefällt mir nicht gerade wirklich – lässt aber möglicherweise wieder einmal mehr volksetymopsychologische Aspekte aufblitzen.

      Ich komme auf den Eintrag von ch.atzefrey „fahren“ und „Fahrt“, wobei hier dann das Hilfsverb „machen“ gebraucht werden muss.

      Warum soll dann „Fahrt machen“, „Schwumm machen“ kürzer sein als das Fahren oder das Schwimmen. Es sei denn man vernachlässigt grammatikalische Regeln.

      Womit wir dann beim volksetymologischpsychologischen Aspekt wären: der ewigen (?) Tendenz zur Vernachlässigung, die als zulässige Verkürzung gerechtfertigt wird.

      Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Dynamik: Das Fahren, das Schwimmen – hier erscheint es mir doch so zu sein, dass aus einem Tätigkeitswort ein Hauptwort gebildet wird, was eben die eigene Tätigkeit stärker betont, eben eine aktivere Lebenseinstellung unterstreicht im möglichen Gegensatz zum mehr passiven Erdulden der Fahrt, was jedoch beim „Schwumm“ kaum möglich erscheint.

      Nochmals möchte ich auf das „schwummrig“ hinweisen und auf die Verwendung eines dunklen Vokals. Ganz ähnlich wie in „verschwommen“. Hier wird verschwommen auch selten mit schwimmen assoziiert, wenngleich natürlich eingeräumt werden muss, dass es auch ein „verschwimmen“ gibt.

      Schwimmen wirkt aber somit eher frisch, sauber und einladend. Lieber begibt sich der Schwimmer in den Swimmingpool als in den „Schwummpfuhl“

    7. DaniDo Says:

      @ch.atzefrey: absolut richtig!

      Ich plädiere ganz klar für sofortige Aufnahme dieses logischen Wortes ins Standard-Deutsch.

      Ich fliege – der Flug
      ich gehe – der Gang
      Ich reite – der Ritt
      ich fahre – die Fahrt
      ich schwimme – der Schwumm

      eindeutig eines der Worte, die dem Deutsch ansonsten fehlen würden!

    8. Brun(o)egg Says:

      Ich meine… ist vielleicht blöd aber, der Schwumm im Hallenbad und Schwümme, – nein nicht mehrere Längen, sondern Pilze zwischen Zehen … oder so. Lassen wirs.

    9. DaniDo Says:

      @neuromat

      Das Schwimmen ist eben das Äquivalent zum Fahren und nicht zur Fahrt. Einen Schwumm machen ist vielleicht eine sehr passende Ausdruck für ein Ganzes, wo nicht so sehr die Aktivität im Vordergrund steht. Ich gang go schwümme = ich gehe mich sportlich betätigen. Ich gang no schnäll uf e schwumm = ich tu mir etwas Gutes, der Schwumm als Tagesbestandteil, als passivierte Aktivität.

      Man sagt schliesslich auch „ein Schwatz“ und nicht „ein Schwatzen“…

    10. Wer er Says:

      Nicht zu vergessen die Fuhre von fahren – das gefahrene Transportgut.

      Erwähnen möchte ich noch die Ortsbezeichnung „Schwamm“, der jetzt wieder nichts mit der Vergangenheitsform von schwimmen sondern vielmehr mit dem Endprodukt der Tätigkeit schwinden/schwenden (=[Wald] roden) zu tun hat – die „korrekte“ Vergangenheitsform lauten dort auch anders.

      Ortsbeispiele:
      1.) http://map.search.ch/montlingen/montlinger-schwamm
      2.) „Schwamm“ Landeskarte 1:25000 Nr. 1193 Tödi Koord. 718 000 / 192 200

    11. Neuromat Says:

      man sagt ein Schwätzchen – des Rätsels Lösung ist viel einfacher.

      Das Verb schwimmen wurde in den germanischen Sprachen sehr unregelmässig flektiert. Reinecke Fuchs (Rostock, 1650): „er schwimte frisch immer ohn eintziger Müh“, aber dergleiche auch „er gab sich zur abfahrt und schwumme daher“

      nun schwimmen auch Schiffe, das heisst sie „werden vom Wasser getragen“, womit dann in der Tat das Passive zum Ausdruck gebracht wird. Allerdings niederdeutsch „dat Schip flot maken“ – flot = schwimmend

      es scheint, als hätte ich da einen schweren Stand.

      Stand von stehen. Hauptwort aber auch Präteritum. Also noch einmal fahren – die Fahrt; gehen – der Gang, stehen – der Stand; sehen – der Sand; noch mal zum Stehen, also ich habe einen schweren Stand oder einen … nein, nein ganz klar, das wäre dann ja…und auch nö, s gschwellti – eine in der Schale gekochte Kartoffel, schwimmt die dann oben, passiv nimmt sie ihrem schwumm, wie konnten wir oben lesen, „er schwimte frisch immer ohn eintziger Müh“, ach nee, verzapf mer doch nid e settige Schwumm …

      „Schwatz“ – das ist Dialekt. Plauderei liesse sich daraus machen. Macht hingegen jemand unangenehme Geräusche beim Essen, dann schmatzt er. Schmatzen – der Schmatz, oder das Schmatz, vielleicht der Schmutz

      Was mich jedoch immer wieder wundert ist, wie schlecht hier von den Bernern Berndeutsch beherrscht wird: Nicht eine Reaktion auf meinen Eintrag oben!

      Verzapf mer doch nid e settige Schwumm …

      was bitte sehr hat denn schwumm hier mit schwimmen zu tun. Richtig: Nüüt! Und welche Bedeutung hat schwumm in diesem Gebrauch. Auch richtig: Lüge. Was bedeutet die Verbform schwumme? Schwindeln, so ist es. Wie sprechen wir im Dialekt schwimmen aus? Gschwumme. Was ist mit „schwümme“? Was ist es Schwümmfescht? Leute, Leute …

      aber Herrn Kring (oder wie hiess der gleich noch) zum sprachlichen Eignungstest schicken.

    12. Missdoubleb Says:

      Ähnlich: gemolden!
      War schon überrascht als sich in meinem ersten Job hier meine Chefin mit den Worten an mich wandte: „hat XY sich schon gemolden“? 1 und 1 zusammengezählt dachte ich mir dann dass es sich nur um „gemeldet“ oder (bin auch Süddeutsch) eher „kontaktiert, angerufen etc.“ handeln kann. Habe sie aber nie darauf aufmerksam gemacht und immer heimlich gegrinst wenn ich wieder ein „gemolden“ gehört habe;-)

    13. Schimmel Says:

      Hauptsache kein Schimmelpilz im Auto!

      Siehe hier:
      http://blog.add2car.de/schmutz-im-fahrzeuginnenraum/