Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene (Teil 5) — Was ist eigentlich „gluschtig“?

November 23rd, 2007

(reload vom 20.11.05)

  • Gluschtig, glutschtig tralalala
  • Da wir nun gelernt haben, dass „glatt“ in Wirklichkeit „lustig“ bedeutet (und anderes mehr), wenden wir uns nun dem Wort „lustig“ zu. Es ist nämlich keinesfalls zu verwechseln mit „gluschtig„. Ich las dieses Wort zum ersten Mal auf der Werbetafel eines Pizza-Stands im Basler SBB Bahnhof: „Gluschtige Pizzastücke“ wurden da angeboten, und prompt riet ich falsch und meinte, es müsse sich hier wohl um besonders schlecht ausgesprochene Variante von „knusprig“ handeln.

  • Gluschtig“ ist nicht „knusprig“
  • Aber weit gefehlt, es hat nix mit Knuspern zu tun, sondern mit Lust. Reine unverholene Lust auf etwas zu Essen. Womit wir wieder beim Ausgangspunkt, dem Wort „lustig“ wären.
    Ge-lustig“ bedeutet, dass es die Lust im Käufer wecken soll, dass es Appetit macht, nicht auf Sex, sondern auf Pizza. Lustgewinn beim Pizzaschmaus. Denn es steckt natürlich auch das neuhochdeutsche Nomen“Gelüste“ in diesem Wort. Sollte man „geluschtig“ also besser mit „Gelüste habend“ übersetzen? Wie ist dann aber eine „Gelüste habende Pizza“ zu verstehen? Wird sie gleich über mich herfallen und mich vernaschen? Oder doch eher ich die Pizza?

  • Aromat macht gluschtig
  • Die Schweizer kennen da ein Zaubermittel, mit dem man aus jeder langweiligen Suppe, aus jedem faden Auflauf und aus jedem noch so laschen Kartoffelchip eine „gluschtige“ Speise machen kann: AROMAT.

    Aromat

    Das ist im Prinzip nichts anderes als „Geschmacksverstärker„, in der asiatischen Küche auch als „China-Gewürz“ gehandelt, für die Chemiker unter uns: Es ist reines Natriumglutamat (E621).

  • Was ist Glutamat?
  • Der am häufigsten verwendete Geschmacksverstärker ist Natriumglutamat (E 621). Das Salz der Glutaminsäure (eine Aminosäure) ist in Eiweißstoffen enthalten und kommt in zwei Formen vor: „gebunden“, also zusammen mit anderen Aminosäuren zur Bildung von Proteinen und „ungebunden“, das heißt nicht in Verbindung mit Eiweiß. Nur das ungebundene Glutamat hat die geschmacksverstärkende Wirkung und kommt auch in natürlichen Lebensmitteln wie Getreide, Fleisch, Algen, Käse und Tomaten vor. (Quelle)

    Kommt daher wohl das Wort „gluschtig„? Speise mit Glutamat? Würde doch prima passen. Der Wirkstoff Glutamat ist übrigens stark dafür in Verruf geraten, dass er von vielen nicht vertragen wird, und auch Kopfschmerzen auslösen kann. Häufige Besuche beim Chinesen können zur Beweisführung beitragen. Aber wer hat in der Schweiz schon das benötigte Kleingeld, um häufig zum Chinesen zu gehen.

  • Kopfschmerzen durch Glutamat?
  • Auf einer Gesundheits-Webseite finde ich dazu:

    Chinarestaurant-Syndrom und Glutamataufnahme Es gibt zahlreiche Fallberichte (fast ausschließlich aus USA), in denen Unverträglichkeitsreaktionen nach Essen in Chinarestaurants beschrieben werden. Ein Zusammenhang mit dem Glutamatgehalt der Speisen ist oft vermutet, jedoch nie bewiesen worden. Ob derartige Unverträglichkeitsreaktionen häufiger nach Essen in Chinarestaurants auftreten als nach Mahlzeiten in anderen Restaurants, ist bis heute ungeklärt. Insofern sollte auf den Begriff Chinarestaurant-Syndrom ganz verzichtet werden. (Quelle)(DGE)

    Na ja, dann müssen die Kopfschmerzen doch nicht vom Essen beim Chinesen herrühren, sondern vom Blick auf die anschliessende Rechnung und auf das leere Portemonnaie.

    Vom richtigen psychologischen Umgang mit gefühlter sprachlicher Unterlegenheit

    November 22nd, 2007
  • Allein unter Schweizern
  • Kurz nach unserem Umzug in die Schweiz arbeitete ich bei einer Schweizer Firma in Zürich als einziger Deutscher. Alle Kollegen waren Schweizer und sprachen im Geschäftsalltag mit mir Schweizerdeutsch oder Französisch, wenn sie aus der Westschweiz stammten. Der Firmeninhaber war Deutscher und lebte bereits seit 20 Jahre im Land. Er sprach eine drollige Mischung aus Honoratiorenschwäbisch und Züridütsch. Er hatte beide Sprachen zu etwas einmalig Neuem verschmolzen, das er bei offiziellen Firmenanlässen gern laut und flüssig vortrug.

  • Mit dir rede ich nur Hochdeutsch
  • Doch es gab da einen Techniker, der weigerte sich standhaft, mit mir auch nur einen Satz auf Schweizerdeutsch zu wechseln. Mit allen Kollegen sprach er Züridütsch, aber mit mir ausschliesslich Hochdeutsch. Er konnte es gut, war überhaupt sprachlich sehr begabt. Dank seiner marokkanischen Mutter konnte er auch perfekt Französisch und IT-Englisch sowieso.

    Wie es der Alltag so ergibt, hatten wir die ein oder andere fachliche Diskussion miteinander, manchmal auch etwas heftiger. Und bei einer solchen Gelegenheit erlebte ich es zum ersten Mal, dass sich ein Schweizer Gesprächspartner offen darüber äusserte, wie sehr ihn seine von ihm selbst so empfundene „sprachliche Unterlegenheit“ ankotzte. Es erzeugte bei ihm Aggression, Wut darüber, sich nicht schnell und schlagfertig im Disput wehren zu können. Er brach daher oft die Diskussion ab.

    Mein Angebot (fast hätte ich jetzt „Offerte“ geschrieben), doch einfach weiter Schweizerdeutsch zu sprechen, oder gemeinsam auf Englisch zu wechseln, in dem wir gleichstark sprachlich „behindert“ wären, schlug er aus. Er wolle erst wieder diskutieren, wenn er mich fachlich „an die Wand“ spielen könne. Dazu kam es nie. Hingegen stand ich fortan unter Beobachtung, ob mir mal ein Fehler unterläuft etc. Wurde richtig unangenehm mit der Zeit.

  • Wenn sich da eine Wut aufstaut
  • In den nächsten Jahren habe ich diese Situation mehrfach erlebt: In einer heissen Diskussion auf Standarddeutsch merke ich plötzlich, wie sich bei meinem Gegenüber eine unterdrückte Wut aufbaut, und mitunter auch zum Ausdruck kommt. Immer mit dem Hintergrund, dass der andere sich nicht fachlich unterlegen fühlt, aber sein Wissen nicht adäquat rüberbringen kann, um zu überzeugen. Mir geht es ähnlich, wenn ich meinerseits auf Englisch argumentieren muss und merke, dass mich ein Amerikaner rhetorisch locker an die Wand spielt, auch wenn er die schlechteren Argumente besitzt.

  • Wie geht man mit Schweizern um, die einen „Minderwertigkeitskomplex“ entwickeln?
  • Diese Situation lässt einen als Deutschen in der Schweiz irgendwie hilflos. Alle Angebote, die Diskussion in Mundart weiterzuführen, werden ausgeschlagen, weil sich diese Variante für fachsprachlich geführte Dialoge als nicht so effizient erwiesen hat. Gleichzeitig möchte man aber nicht immer der Buhmann sein, der anderen seine Sprachvariante als Norm aufzwingt. Ein Deutscher Schüler, der ins Emmental gezogen war, löste das Problem so: „Ich hielt fortan lieber den Mund“.

    Man kann sich noch so bemühen, langsam zu sprechen, ruhig und sachlich beim Diskussionsthema zu bleiben. Früher oder später ist der Frust darüber zu spüren, nicht „geschliffen“ oder „gestochen“ sprechen zu können, obwohl mündliches Ausdrucksvermögen nicht etwas ist, das Deutschen einfach so in die Wiege gelegt wird, sondern selbstverständlich auch etwas mit der genossenen Schulausbildung zu tun hat.

    Als im März 2004 Deutschland die Grenzen zur Schweiz plötzlich verschloss und die Grenzer ohne ersichtlichen Grund auf „Dienst nach Vorschrift“ umstiegen, wurde über dieses Ereignis in der Sendung „ARENA“ diskutiert. Eingeladen war der ehemalige SPD-Bundesgeschäftsführer und damalige Gastprofessor an der Uni SG,
    Peter Glotz
    Peter Glotz, (gestorben 2005 in Zürich).

    Die Teilnehmer diskutierten auf Schweizerdeutsch, ob das damals extrem angespannte Verhältnis zu Deutschland die Ursache für diese „Schikane an der Grenze“ sei. Die Diskussion war lebhaft und laut. So lange, bis Peter Glotz dann auf Hochdeutsch das Wort ergriff. Danach war in dieser sonst sehr lebendigen Runde erst mal zwei Minuten Funkstille. Ob es an den guten Argumenten von Peter Glotz lag oder an der ausgefeilten Rhetorik, niemand traute sich recht danach weiterzusprechen. (Ein eindrückliches Video dieser Sendung kann hier angeschaut werden, doch z. Z. ist beim SF leider der Video-Server down).

    Wie soll man sich als Deutscher verhalten, um solche Reaktionen zu vermeiden bzw. bei den Schweizern keinen sprachlichen „Minderwertigkeitskomplex“ auszulösen? Ja ich weiss: Maul halten oder besser noch abreisen.

    Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene (Teil 4) — Eine glatte Sache

    November 21st, 2007

    (Reload vom 19.11.05)

  • Das ist eine glatte Sache
  • Ziemlich häufig bekommt man in der Schweiz das Wörtchen „glatt“ zu hören. Muss man nun deswegen permanent auf Wollsocken oder mit Spikes unter den Schuhen unterwegs sein, mit dem Salzstreuer oder einem andern Streugut bereit in der Hand (Schweizerdeutsch: „parat“)? Es scheint so, dass die Schweiz, speziell das Zürcher Unterland extrem Glatteis gefährdet ist. Denn hier ist alles glatt:

    Der Fluss, der vom Greifensee bis zum Rhein durch das Unterland fliesst, heisst „die Glatt„.

    Das Einkaufzentrum bei Wallisellen ist das „Glattzentrum„, und dort gibt es das Restaurant „Glattdörfli„.

    Fährt man mit der S-Bahn weiter in Richtung Schaffhausen, kommt man durch „Glattbrugg„, „Oberglatt„, „Niederglatt„, und um die Ecke im Glatttal liegt dann auch noch „Glattfelden„.

    Alles in allem eine rutschige Angelegenheit.

  • „Glatt“ heisst „lustig“
  • Aber „glatt“ kann in der Schweiz vieles heissen. Fragen sie doch mal die Schweizer in ihrer Umgebung, wie sie das übersetzen wüden. „Lustig“ werden sie wahrscheinlich an erster Stelle hören. Also geht es wohl ziemlich lustig zu, hier im Unterland, wenn einfach alles so „glatt“ ist?

  • Unser Herkunftswörterbuch verrät zu „glatt“:
  • Mhd. glat „glänzend, blank; eben; schlüpfrig“, ahd. glat „glänzend“, niederl. glad „glatt, schüpfrig“, engl. glad „fröhlich“ (eigtl. „strahlend, heiter“), schwed. glad „heiter, fröhlich; angeheitert“ gehören zu der vielfach weitergebildeten und erweiterten idg. Wz. „*ghel- „glänzend, schimmernd, blank“ (vgl. gelb). Mit dem altgerm Adjektiv sind z. B. eng verwandt lat. glaber „blank; glatt; kahl“ und russ. gladkij „glatt“. (Quelle Duden 7)

    Das erklärt doch alles: Sie waren glücklich und heiter, wahrscheinlich auch ein wenig „angeheitert“, die Schweizer im Glatttal, als sie ihre Dörfer und den Fluss nach diesem hübschen Wörtchen benannten.

  • Die glatte Stadt Freiburg im Breisgau
  • Auch im Südbadischen Freiburg im Breisgau, eine Hochburg des Alemannischen, geht es „glatt“ zu. Zum einen, weil dort die „Bächle“ kreuz und quer durch die Stadt fliessen

    Niemals hineintappen in ein Freiburger Bächle

    und wenn man da hineintappt, kommt man nie wieder fort aus Freiburg. So will es die Sage, und so geschieht es jedes Jahr wieder. Als Student kommen sie nach Freiburg, die jungen Norddeutschen, tappen aus Versehen in ein Bächle, und schon ist es passiert. Sie kleben an der Stadt wie die Daunenfeder am frisch geteerten Delinquenten.

    Hier fährt die Müllabfuhr mit einem gross aufgedruckten Zitat des allemanischen Dichters Johann Peter Hebel durch die Gegend: „z’Friburg in der Stadt, wo’s sufer isch un glatt„.

    Die Freiburger sind mächtig stolz auf dieses Lob eines Dichters, obwohl das Gedicht noch weitergeht:

    Z’Friburg in der Stadt,
    sufer ischs und glatt;
    richi Here, Geld und Guet,
    Jumpfere wie Milch und Bluet,
    z’Friburg – z’Friburg –
    z’Friburg in der Stadt

    Jetzt sind die alemannischen Hobby Linguisten wieder gefragt: Was um alles in der Welt heisst nun „jumpfere„? Hat es was mit dem Englischen „to jump“ zu tun?

    Frust bei Fust — Erlebnisse eines Deutschen Studenten in Zürich

    November 20th, 2007
  • Zürich ist auch Ausland
  • Uns erreichte per Mail ein neuer Kommentar zu einem alten Beitrag auf dem „Jobblog“ zum Spiegel-Artikel „Deutsche in der Schweiz — Heim ins Reich“ vom 4.01.07. Er stammt von einem Deutschen namens Sebastian Bachman. Sebastian hat ziemlich miese Erfahrungen in Zürich gemacht, denn er schreibt:

    Ich komme aus Hannover und mache gerade mein Auslandssemester an der Uni Zürich. Somit ist auch mein Aufenthalt in der Schweiz bis zum Ende des Semesters beschränkt…und das ist auch gut so! Ich will nicht meckern oder jmd. beschuldigen, aber das was im manager-magazin und übrigens auch im focus, SPIEGEL, Stern usw. steht, stimmt mit wenigen Ausnahmen.
    (Quelle für alle Zitate des Kommentars: Jobblog-Kommentar)

    Muss stimmen, denn es handelt sich hier jeweils um den gleichen Agence Press Artikel von Anna Imfeld, der am 4.1.07 auf Spiegel-Online erschien und danach fleissig von anderen Magazinen und Online-Portalen übernommen wurde.

    Ich bin mit 9 Jahren nach Deutschland gekommen und habe seit meinem 15. Lebensjahr die deutsche Staatsbürgerschaft. Man könnte sagen, ich fühle mich als Deutscher. Ich habe dort Grundschule, Gymnasium und Universität besucht und habe mich noch NIE so isoliert und als Fremder oder “Ausländer” gefühlt, wie in den letzten 2 Monaten in der Schweiz.

    Sebastian verrät uns nicht, woher er ursprünglich stammt. Ist es nicht das Wesentliche eines Auslandssemesters, dass man dazu ins Ausland geht, so wie er nach Zürich? Wenn man sich dann nicht wie im Ausland fühlen würde, könnte man ja auch daheim bleiben, oder?

    Mal von der Presse und den Berichten über die angefeindete NRG- Zürich- Radiomoderatorin, die übrigens nach Drohungen, zerstörtem Auto und Nervenzusammenbruch in Deutschland lebt abgesehen, habe ich auch eigene Erfahrungen mit der Schweiz und den Schweizern gemacht.

    „NRG“ ist eine coole Abkürzung für „energy“, muss ich mir merken. Mein erster Leseversuch ging mehr in Richtung „Nord-Rhein-Gelsenkirchen“.

  • Frust bei Fust
  • Sebastian macht negative Erfahrungen im Schweizer Einzelhandel:

    In Geschäften weigern sich die Bedienungen und Berater regelrecht Hochdeutsch zu sprechen. Auch wenn man gar nicht bittet, dass sie Hochdeutsch sprechen, sondern nur etwas langsamer, wird im selben Tempo fortgesetzt. Mein Erlebnis mit einem Verkäufer: ich fragte ob man für das Gerät, das ich kaufen wollte, auch einen Adapter für Deutschland und EU verwenden kann. Der Verkäufer sagte, dass ich mir gefälligst das Gerät in Deutschland kaufen sollte, wenn es mir hier vor Ort nicht gefällt. Ich verliess den Laden (Fust) mit offenem Mund.

    Wow! Immerhin hat Sebastian verstanden, was der freundliche Verkäufer ihm da sagen wollte. Unsere persönlichen Erfahrungen mit Verkäufern bei FUST, InterDiscount oder MediaMarkt in der Schweiz sind ganz anders. Es wurde stets extrem und ausschliesslich auf Hochdeutsch mit uns gesprochen, manche Berater versuchten geradezu unter Beweis zu stellen, wie gut sie es können und fragte niemals die sonst übliche Floskel „Verstehen Sie Schweizerdeutsch?“. Schliesslich traten wir als Kunde auf, dem man etwas verkaufen möchte.

  • Verstehen Sie Hochdeutsch?
  • Wie sollte man als Deutscher mit einem Schweizer Verkäufer umgehen, den man nicht versteht oder der auch nicht langsamer, geschweige denn in der Standardsprache mit einem sprechen möchte? Hierzu drei Varianten:

    1.) Stellen Sie mitten im Gespräch höflich aber bestimmt die Frage: Verstehen Sie eigentlich Hochdeutsch, oder soll ich auf Berndeutsch weiterreden? Ja ich weiss, die Pointe ist alt, aber verfehlt selten ihre Wirkung

    2.) Wiederholen Sie langsam den letzten Satz, den der Verkäufer zu ihnen auf Schweizerdeutsch gesagt hat, möglichst wortgetreu und so wie SIE ihn verstanden haben. Zeigen Sie damit ihren guten Willen und wie eisern sie an ihrem Hörverständnis arbeiten. Manche Menschen merken dann mit unter, dass wir sie doch nicht so genau verstanden haben, wenn man ihnen so einen akustischen Spiegel vorhält. Sie können diese Technik ergänzen mit der Bitte: „Könnten Sie bitte lauter sprechen, damit ich sie besser verstehen kann?

    3.) Sagen Sie einfach „Schade, ich bin eigentlich gekommen, um hier mein Geld auszugeben. Das ich dazu erst einen Sprachkurs brauche, wusste ich nicht, tut mir leid“. Dann verlassen Sie enttäuscht dreinblickend das Geschäft.

    Sebastian resümiert:

    Versucht man mit den Schweizern in Kontakt zu treten, bleibt das meistens erfolglos. Ich muss betonen, dass ich von keinem in irgendeiner Weise schlecht behandelt worden bin, aber ich bin nun mal isoliert. Der Sinn meines Kommentars ist es nicht zu meckern oder zu kritisieren. Es ist so wie es ist. Wenn aber verschiedene deutsche Zeitungen über solche Vorfälle berichten, dann kann man das nicht als “unwahr” bezeichnen. Für die Deutschen gehört ein gewisses Niveau an Ausgrenzung und manchmal auch Anfeindung in der Schweiz zum Alltag.

    Wir wollen doch fürs Protokoll festhalten, dass es immer die gleichen Artikel sind, die nur von verschiedenen Zeitungen neu abgedruckt wurden, und dass 190 000 Deutsche in der Schweiz dennoch freiwillig hier bleiben, sich wohl fühlen und sogar manchmal schon nach 6 Jahren ein paar Wohnzimmer von Innen gesehen haben!

  • Geht es der Wirtschaft gut, wird der Service schlecht
  • Was Sebastian dort Erstaunliches in einer Fust-Filiale erlebte, soll typisch sein für ein Land, in dem die Wirtschaft auf Hochtouren läuft. Je niedriger die Arbeitslosigkeit in einem Land und je grösser die Geldmenge, die von den Verbrauchern ausgegeben werden kann, desto stärker sinkt das „Service-Niveau“, sagen Wirtschaftsfachleute. Wenn eine Fust-Filiale gezwungen ist, solch einen unhöflichen und inkompetenten Verkäufer anzustellen, dann doch nur, weil momentan keine besser ausgebildeteren Kräfte zu bekommen sind, oder weil ein „freundliches sich Bemühen“ um den Kunden nicht notwendig ist. Der Umsatz kommt auch so rein. Das ändert sich erst, wenn der wirtschaftliche Druck wieder zunimmt und das Geld nicht mehr so locker sitzt.

    Einkauf in Boomtown Liverpool
    (Foto: Fussgängerzone in Liverpool)

  • Jeanskauf in Liverpool
  • Im letzten Sommer war ich in „Boomtown“ Liverpool, das 2008 die Kulturhauptstadt Europas wird. Es hat sich nach einer langen Talfahrt wieder prächtig entwickelt und momentan nur noch um die 5% Arbeitslose, weil es dort wirtschaftlich mächtig brummt, wie in ganz Grossbritannien. Ich wollte dort an einem Montagmorgen um 9:00 Uhr eine Jeans kaufen. Die Managerin eines grossen Modegeschäfts sagte mir, als ich mein Anliegen vortrug: „Oh, das passt jetzt gerade nicht. Könnten Sie vielleicht in einer halben Stunde wiederkommen?“. Da kriegt ich den Mund auch nicht wieder zu, ganz wie Sebastian. Wenn man als Kunde stört, dann sollte man besser den Laden verlassen.

    Ein rechter Fetzen ist kein Stofflappen in der Schweiz — Neue Schweizer Lieblingswörter

    November 19th, 2007
  • Ist ein Fetzen immer rechts?
  • Wir lasen im Magazin in der Kolumne von Michèle Roten:

    (…) am Nebentisch sassen zwei Männer, der eine ziemlich jung, ein rechter Fetzen, mit Drogen-Gestus, auch ein wenig faschistoid aussehend, ein grobschlächtiger Kerl.
    (Quelle: Das Magazin)

    Ein Rechtsradikaler aus Stoff? Ein „Fetzer“? Nein, ein „rechter Fetzen“, so heisst das in der Schweiz. Oder ist Michèle Roten irgendwann aus Österreich eingewandert? Das Wort „Fetzen“ hat erstaunlich viele Bedeutungen, und ein Grossteil davon stammt aus diesem Lieblingsnachbarland der Schweizer. So fanden wir bei Wikipedia in der Abteilung „Austriazismen mit F“ den Fetzen als Synonym für die Schulnote Fünf, welche in der Schweiz einem „Gut“, in Deutschland wie in Österreich jedoch „nicht genügend“ gleichkommt.

  • Vom Scheuerlappen zum Rausch
  • Selbst unser Duden nennt ein paar Österreichische Bedeutungen, „Scheuerlappen“, „Arbeitsschürze“ und „Rausch“.

    Fetzen, der; -s, – [1 a: mhd. vetze, zu: vassen (fassen) in der Bed. „kleiden“, vgl. aisländ. fot = Kleider, Pl. von: fat = Gefäß; Decke]: (…)
    2. (ugs. abwertend) a) billiges, schlecht sitzendes Kleid; b) (österr.) Arbeitsschürze; c) (österr.) Scheuerlappen; Staubtuch.
    3. (österr. ugs.) Rausch: er hat einen ganz schönen Fetzen.

  • Ein Fetzer in Australien
  • Auch andere Schweizer scheinen dieses Wort zu kennen, so fanden wir in einem Australien-Reisebericht:

    Martin ist kein rechter Fetzen
    (Quelle: furrer4.you)

    Wir bevorzugen die Verwendung von „das fetzt“ oder „Let’s fetz“. Für letztere Kombination haben wir bei Google-DE auffallend mehr 21 000 Belege als bei Google-CH gefunden. Scheint wohl ein typisch deutsches Motto zu sein und nicht so beliebt in der Schweiz. Wie sagt man bei den Eidgenossen, wenn die Party so richtig abgehen soll? „Fetzen“ sicher nicht, denn das ist eher etwas Schmerzhaftes in der Schweiz, wie wir sehr anschaulich aus dem Zürcher Slängikon erfahren:

    Fetzen in Zürich
    (Quelle: zuri.net)

  • Carpaccio oder Currywurst?
  • Müssen ziemlich häufig passieren im Kanton Zürich, diese FahrradVelostürze, wenn man sich diese hübschen Varianten anschaut. Besonders appetitlich finde ich die stilvolle Äusserung: „han es Carpaccio uf d Strass gleit„, weil wahrscheinlich kaum ein zugezogener Pommes-Fan aus Deutschland weiss, was ein Carpaccio ist. Muss man als echter Zürcher eigentlich den kleinen Finger deutlich abspreizen, um diesen Satz richtig zu betonen?