Bündnerisch für Anfänger und Zugelaufene — I bin an Bündner Staibock

November 30th, 2007
  • Was quatscht der Steinbock so?
  • Einen Schnellkurs in Bündnerdeutsch für einen Bergfan aus Zürich bietet dieser Clip:

    Besonders gekonnt finde ich, wie der linke Zürcher Bock kurz und elegant seinen Kopf unwillig nach hinten wirft, ohne dabei seine Hörner zu verlieren.
    Capricorn Graubünden

    Der Original-Clip ist von der Graubünder Ferien-Werbung. Dort wird man gefragt: „Häsch üsä neuschti Färnseh-Spot scho geseh?“. Doch es gibt bereits eine ganze Reihe neuer Versionen, mit denen sich prima der Kontrast „Rumantsch-Züridütsch“ veranschaulichen lässt:

    Auch als Reportage „Live us de Ferie“:

  • Jeder darf seine Version hochladen
  • Dahinter steckt ein Wettbewerb von Graubünden Ferien, der noch bis zum 31.12.2007 läuft. Werde mich gleich mal dranmachen, und eine Version in Ruhrpott-Deutschen remixen. „Hömma, kumma watta da dampft!“

    Kann der Herr Vikar denn auch Physik? — Nein, aber Metaphysik und Theologie

    November 29th, 2007
  • Was ist ein Vikar?
  • Wer in Deutschland Pfarrer werden möchte, muss zunächst Theologie studieren. Nach seinem Studium beginnt er (oder sie) mit der Ausbildung zum Pfarrer. Diese Ausbildung heisst „Vikariat“ und wer sie absolviert ist ein „Vikar“ oder eine „Vikarin“.
    So lasen wir bei Wikipedia zu „Vikar“:

    In der evangelischen Kirche bezieht sich der Begriff dabei ausschließlich auf Theologinnen und Theologen in der praktischen Ausbildung nach dem 1. Theologischen Examen. Diese praktische Ausbildung wird mit dem 2. Theologischen Examen abgeschlossen und ist Voraussetzung zur Ordination in den Pfarrdienst. Das evangelische Vikariat (…) entspricht als Ausbildungsphase dem Referendariat bei Juristen oder Pädagogen.
    (Quelle: Wikipedia)

    Anders in der Schweiz, dort werden Vikare eingesetzt, um Physik zu unterrichten, wie wir in einer Stellenanzeige lasen:

    Für das Frühlingssemester 2008 suche wir 1 Vikarin/Vikar für insgesamt 5 Lektionen Physik (20%):
    (Quelle: studisurf.ch)

    Vikar für Physikunterricht

    Wie kommt es zu dieser Deutsch-Schweizerischen Begriffsverwirrung? Auch darauf weiss Wikipedia eine Antwort:

    Auch im Schulwesen bezeichnete man bis etwa 1945 solche Pädagogen, die noch keinen Abschluss hatten, wegen des Lehrermangels dennoch schon eine Lehrerstelle zu vertreten hatten, als Vikare (z. B. in Sachsen). Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass das Schulwesen noch lange mit der Kirche verbunden war.
    (Quelle: Wikipedia)

    In der Schweiz wurde von dieser Regelung nie abgewichen. Als die „Referendare“ Mode wurden in Deutschland, blieb man hierzulande beim „Vikariat“, auch ohne Kirche aber mit Physik. Tatsächlich blieb die Schweizer Verwendung des Begriffes näher an der Bedeutung des lateinischen Originals. Im Duden wird sie allerdings erst an 3. Stelle aufgeführt:

    Vikar [v…] der; -s, -e , aus lat. vicarius „stellvertretend; Stellvertreter“ zu vicis „Wechsel, Platz, Stelle“:
    1. ständiger od. zeitweiliger Vertreter einer geistlichen Amtsperson (kath. Kirche); vgl. Generalvikar.
    2. Kandidat der ev. Theologie nach der ersten theologischen Prüfung, der einem Pfarrer zur Ausbildung zugewiesen ist.
    3. (schweiz.) Stellvertreter eines Lehrers.
    (Quelle: duden.de)

    In Deutschland hingegen sucht man keinen Vikar, wenn ein Lehrer krank ist, da sucht man eine Stellvertretung, und findet sie nicht. Denn stellensuchende Physiklehrer sind in Deutschland genauso Mangelware wie in der Schweiz.

    Nicht alle Deutsche unter die gleiche Decke stecken — Eine Maturitätsarbeit aus Baden

    November 28th, 2007
  • Die Kollegin wird nicht namentlich genannt
  • Erinnern Sie sich noch an die Umfrage von Philip M. „und einer Kollegin“, die offensichtlich Verena F. heisst, zum Thema „Die Deutschen in der Schweiz“ vom 9.5.2007? (siehe Matur, Matura, Abitur und eine Reifeprüfung ). Die Arbeit ist nun vollendet und wurde mir gestern per Mail zugeschickt. Die beiden Schüler aus Baden haben neben der Auswertung der 50 Fragebögen von Blogwiese-LeserInnen auch noch Interviews in Zürich, Luzern und Schaffhausen durchgeführt und fleissig recherchiert. Herausgekommen ist ein 22 Minuten langer Podcast, und die Maturitätsarbeit als PDF: Die Deutschen kommen.
    Die Deutschen kommen!

  • Unter welcher Decke steckt man uns?
  • Ein Zitat daraus muss ich aber doch umbedingt bringen, weil sich daran auch sprachlich etwas lernen lässt:

    Während für die ältere Generation ein schreckliches Ereignis wie der 2. Weltkrieg ausschlaggebend ist für die Abneigung gegen die Deutschen, so ist es für die meisten Jüngeren eher ein Problem mit der Mentalität. Beide Argumente haben jedoch den Nachteil, dass sie alle Deutschen unter die gleiche Decke stecken. Natürlich sind im 2. Weltkrieg nicht alle Deutschen hinter dem Naziregime gestanden und so gab es viele politische Flüchtlinge, die es auch in die Schweiz zog.
    (Quelle: die-deutschen-kommen-deutsche-in-der-schweiz-2007.pdf

    Und ich dachte, man würde Deutsche sonst immer nur „alle in einen Topf werfen“. Weit gefehlt, in der Schweiz werden sie „alle unter die gleiche Decke“ gesteckt. Wenigstens können Sie so alle einfach über einen Kamm geschoren werden, vermute ich mal. Ist das nur tatsächlich eine Schweizer Redensart, für die sich noch mehr Belege finden lässt, wie z. B. hier:

    Es gibt dort Befürworter des Dritten Reiches, aber dies sind deutsche Minderheiten (häufig in Schlesien oder Pommern) die darf man auf keinen Fall unter die gleiche Decke stecken, da es doch erhebliche Unterschiede sind.
    (Quelle: schwermetall.ch)

    Oder einfach nur ein klassisches Sprichwortdurcheinander, im Stil von „Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaum“?
    Besonders nett finde ich das Zitat auf Seite 12 der Arbeit (die Stelle wird im Podcast sogar auf Hochdeutsch vorgelesen!):
    Quelle Fragebogen
    Zum Glück wurde der Name so stark anonymisiert. Der vollständiger Name wird nicht genannt, ist aber den Autoren bekannt.

  • Hut ab! — Je t’aime, moi non plus
  • Grosses Lob und „Hut ab!“ vor der phänomenalen Arbeit. Besonders gut gefallen uns die eingespielten Background-Geräusche, z. B. „Je t’aime, moi non plus“ beim Thema „Deutsch-Schweizer Liebesbeziehungen„. Das berühmte Stück von Gainsbourg mit dem Text „Ich liebe Dich, ich dich auch nicht“ ist irgendwie absolut zutreffend auf die Deutsch-Schweizer Beziehung. Die Liebe der Deutschen zu den Schweizern wird kaum erwidert.

    Wir wünschen viel Spass beim Anhören des Podcasts und beim Lesen der Arbeit! Wenn die beiden die Kommentarfunktion ihrer Wordpad-Seite tatsächlich aufgeschaltet haben, kann dort direkt kommentiert werden. Sonst halt hier. Nochmals der Link freddy.migrosoft.org/

  • Komm unter meine Decke
  • Bei all dem, was so alles „unter eine Decke“ gesteckt wird möchten wir zum Schluss nicht versäumen an den Altmeister „Unter der Decke“ zu erinnern. Die Älteren unter uns holen dürfen sich jetzt so lange ein Bier holen, während die Jüngeren Gunter Gabriel gucken:

    Warum scheuen sich die Deutschen, Dialekt zu sprechen?

    November 27th, 2007

    (reload vom 23.11.05)
    Unser Freund Geissenpeter schrieb einst darüber, dass für die Deutschen „Dialekt sprechen unsittlich“ sei. Dem bin ich einmal nachgegangen:

  • Mehrsprachige Bauersfrauen auf dem Freiburger Wochenmarkt
  • Wer auf dem samstäglichen Wochenmarkt in Freiburg (im Breisgau) einkaufen geht, findet die Stände der Bauersfrauen auf der kalten Nordseite, im Schatten des Münsters. Auf der Südseite scheint die Sonne, ist es schön warm und angenehm, und dort stehen die Händler und verlangen für die gleiche Ware doppelte so hohe Preise. (Bilder vom Markt hier)

  • Mutationen beim Gemüsekauf

  • Beim Kauf von Gemüse auf diesem Markt kann man die absolute Zweisprachigkeit der badischen Landbevölkerung live erleben. Dabei ändern sich plötzlich die Formen des Gemüses, wenn aus den eben gewünschten verbogenen“Krummbeeren“ plötzlich gerade „Kartoffeln“ werden. Oder es wandelt sich die Farbe, wenn „gelbe Rüben“ zu leuchtend orangen „Karotten“ mutieren.
    Gelbe Rüben oder rote Karotten?

    Auch beim Kraut ist dieses Phänomen der gestörten Farbwahrnehmung zu beobachten. Badisches „Blaukraut“ wird plötzlich zu norddeutschem „Rotkohl„.
    Rotkohl oder Blaukraut?

    Am Ende gucken die Norddeutschen ziemlich dumm aus der Wäsche, wenn sie gefragt werden „Wellet se ä Gugg?“, doch die Frauen reagieren auf das Fragezeichen im Gesicht des Kunden sofort und setzen nach. „Brauchen Sie eine Tüte?

    Die Gugg lernen wird dann später durch die „Guggenmusik“ besser kennen. Ja, da guckst Du.

    Es gibt sie also schon, die Dialekt sprechenden Deutschen, die badischen Landfrauen auf dem Freiburger Wochenmarkt sind das beste Beispiel dafür. Anders als in der Schweiz wird aber nicht gefragt: „Verstehen Sie Alemannisch?„, sondern es wird gleich umgeschaltet auf Hochdeutsch, wenn einer zu lange zögert.

  • Alemannisch bei den Schwarzwaldelchen
  • Ich habe Deutschunterricht für Jugendliche im Hochschwarzwald auf einem Gymnasium gegeben. Ich nannte sie liebevoll meine „Schwarzwaldelche„, denn sie hatten viel Gefühl und bewegten sich stets langsam und bedächtig durch die Welt, den Kopf meist im Hochnebel verborgen. Auf meine Frage: „Wer kann denn von Euch Alemannisch sprechen?“ wurde ich nur schüchtern beäugt. Es wollte niemand zugeben, dass er auch Dialektsprecher ist. Kein Wunder, nach 12 Jahren Schule war es ihnen gründlich ausgetrieben worden, in Anwesenheit eines Lehrers auch nur die leiseste Äusserung im Dialekt von sich zu geben.

    In Deutschen Schulen wird Hochdeutsch gesprochen, und Mundart ist lediglich für das Gespräch unter Freunden oder auf dem Pausenhof vorgesehen, oder daheim mit den Eltern und Grosseltern. Sofern es sich nicht um eine Patchwork-Family handelt, bei der die Eltern aus verschiedenen Dialektregionen stammen. Dialekt ist „Soziolekt“ und wird ausser im Familienkreis und unter Freunden in allen öffentlichen Situationen vermieden.

  • Vorstellungsgespräch auf Hochdeutsch
  • So würde es bei einem Vorstellungsgespräch im Schwabenland der Bewerber nie wagen, in seiner Mundart zu sprechen. Er möchte ja beweisen, dass er perfekt auf Hochdeutsch verhandeln kann, und auch der Vorgesetzte, der vielleicht auch perfekt Schwäbisch spricht, führt ein solches Gespräch nur auf Hochdeutsch.

  • Alemannisch im Fernsehen
  • Es ist für uns Deutsche äusserst merkwürdig, in der Öffentlichkeit jemanden in Mundart sprechen zu hören. So gab es ein Interview im Schweizer Fernsehen mit einem Landrat aus dem Südschwarzwald. Es ging um die steigende Anzahl von Schweizer Rentner, die ihren Alterssitz in einem idyllischen und billigen Ort im Südschwarzwald wählen. Der Landrat sprach im Fernsehen öffentlich sein bestes Süd-Alemannisch, aber man konnte beobachten, wie unsicher er sich dabei fühlte, und wie er immer wieder nach bestimmten Wörter suchen musste, um nicht plötzlich ins Hochdeutsche zu verfallen.

    Fröhliche Weihnachten — im November

    November 26th, 2007
  • Wann ist eigentlich der erste Advent?
  • Soll man heutzutage wirklich noch bis zum 24.12. warten, um Weihnachten zu feiern? Braucht es Schnee und Adventskerzen, oder kann man nicht Weihnachten schon ganz prima im November feiern? Die Bülacher waren schnell in diesem Jahr, sie feierten ihren traditionellen Weihnachtsmarkt bereits am 24. November.

    Weihnachtsmarkt im November
    (Quelle: zueri-unterland.ch)

    Wer mag sich da noch zurückhalten und einwerfen, dass die Adventszeit noch nicht einmal begonnen hat? Auch für einen zünftigen „Samichlausumzug“ muss niemand mehr bis zum 6. Dezember warten, den gibt es in diesem Jahr auch schon im November, fast zwei Wochen früher. Leider hat es geregnet. Aber im nächsten Jahr werden einfach Schneekanonen organisiert.

  • Silvester Mitte Dezember
  • Die Zürcher haben es vorgemacht, mit ihrer rasanten Art zu feiern. Das unter dem Namen Silvesterlauf bekannte Sportevent findet dort auch schon am 16.12. statt, gut zwei Wochen vor dem eigentlichen Jahresende, genannt „Silvester“ (Siehe hier: Ja wo laufen sie denn?).

  • Macht hoch die Tür Ende November
  • Am Samstag den 24. November war in Bülach den „ganzen Tag festliche Stimmung“, und beim offenen Weihnachtssingen in der Reformierten Kirche am Sonntag um 15:00 Uhr wurde „Macht hoch die Tür“ intoniert, sonst das Lieblingslied aller Knastbrüder.

    Es muss rasch gehen in diesem Jahr, denn Fasnacht ist bereits im Februar. Werde nachher mal in den Keller gehen, und die bunten Eier und Hasen heraussuchen, vielleicht sollten wir ihn einfach zwischen das Tannengrün der Adventsdekoration hängen, ist ja nur noch wenig Zeit bis Ostern.

    Warum die Schweizer so früh feiern? Na, damit sie an den nächsten Wochenenden bis Heiligabend auf einen der vielen Weihnachtsmärkte nach Deutschland pilgern können! Die Deutsche Bahn in der Schweiz macht bereits kräftig Werbung für die Städtereisen nach Stuttgart, Ludwigsburg und Hamburg:

    Weihnachtsmarkt in Stuttgart
    (Quelle Foto: www.stutgart-tourist.de)

  • Rechtzeitig an Ostern denken!
  • Es gibt da nur ein Problem, falls Schweizer im Advent nach Stuttgart flüchten wollen: Es sind schon jede Menge ihrer Landsleute dort! Aber das stört ja keinen grossen Geist. Also warum nicht etwas fortschrittlicher sein und mit der rasanten Zeit gehen in diesem Jahr. „Fröhliche Weihnachten“ war am vergangenen Novemberwochenende in Bülach. In einer Auslage für Bastelbücher fanden wir den entscheidenden Hinweis. Man achte auf den Buchtitel oben rechts im Bild:
    Ostern kommt bald
    Doch die Zeit drängt, ich muss zum Ende kommen. Wir werden jetzt noch rasch den Baum anzünden und dann die Eier verstecken. Wir wünschen von Herzen „Frohe Ostern!“.