Dem Grenzer lieber keine Fragen stellen — Erlebnisse an der Deutsch-Schweizer Grenze

September 25th, 2005
  • Erlebnisse an der Grenze
  • „Der Grenzer grenzt ein, der Grenzer grenzt aus, ich grinse dem Grenzer ins begrenzte Gesicht…“

    Diese Textzeile aus einem alten Mike Krüger Song fällt mir ein, wenn ich an die Grenzer denke. Wir lieben sie, diese letzte Bastion zwischen der glücklichen Schweiz und dem gefährlichen Europa, die Grenze bei Lottstetten, Tag und Nacht von Deutschen und Schweizer Grenzern scharf bewacht, die aufpassen, dass nicht mehr wie 2 Liter Alkohol pro Person eingeführt werden (3 Weinflaschen = 3 x 0.7 = 2.1 Liter, also Obacht!), und die bei 503 Gramm Hackfleisch die Nase rümpfen, denn das sind 3 Gramm zu viel!

  • Bloss keine Fragen stellen
  • Gelegentlich fordere ich die fundierte, 3jährige Ausbildung der deutschen Grenzbeamten heraus, in dem ich mich erdreiste, ihnen Fragen zu stellen:
    „Wo kann ich mein Auto ummelden, wenn es schon verzollt ist. Geht das hier bei Ihnen, oder muss ich dazu nach Schaffhausen?“

    Die Antwort weiss der Grenzer nicht, aber dafür wird jetzt erst mal mein Fahrzeug kontrolliert, sprich durch den Computer gejagt. Ich möchte die Wartezeit nutzen, und die Schweizer Kollegen befragen: „Bleiben Sie bitte neben dem Wagen stehen, solange dieser überprüft wird!!!“ werde ich energisch aufgefordert. Na klar, schon verstanden, könnte ja sein, dass die Karre ohne mich wegfährt während der Überprüfung.
    Zollkontroller durch Schweizer

    Oder dann, als wir endlich Pässe mit Schweizer Wohnsitzeintrag haben, meine Frage, wie das denn nun mit den Bundestagswahlen funktioniert. Ob ich dazu zum Konsulat muss, oder ob das auch per Briefwahl geht? Fragen, die ein in der Schweiz lebender Deutscher einen deutschen Grenzbeamten zu fragen wagt. Antwort: „Darüber kann ich ihnen keine Auskunft geben, fragen sie doch mal die Schweizer Kollegen“. Klar, die werden sicher bessere Kenntnisse in deutschem Auslandswahlrecht haben als der deutsche Grenzschützer.

    Ich finde diese Information dann auf der Homepage des Deutschen Konsulats in Genf: Wir können uns in der letzten Gemeinde, in der wir in Deutschland gemeldet waren, ins Wahlverzeichnis eintragen lassen, und dann per Briefwahl dort wählen.

  • Impfisswiss
  • Wir fahren nach Deutschland zum Einkaufen. Auf der Rückfahrt fragt der Schweizer Grenzbeamte: „Hen Sie d’Impfisswiss dibii?“ Welche deklarationspflichtige Ware er damit wohl meint? Ein paar Missverständnisse später ist es klar: Gefragt ist der Impf-Ausweis für unseren Hund. Der darf nicht ohne Tollwutimpfung ein- oder ausreisen, auch wenn die Tollwut in beiden Nachbarländern seit langem ausgestorben ist

  • Trödel nach Deutschland importieren
  • Als wir einmal mit einem gemieteten Transporter alte Möbel nach Stuttgart fahren wollen, um sie dort auf einem Garagen-Flohmarkt verkaufen zu lassen, wird der Deutsche Grenzer bei der Einreise aufmerksam: „Dann ist das ja sozusagen Handelsgut! Wir schätzen dass auf einen Wert von EUR 100,–, das macht dann also 16 EUR Mehrwertsteuer.“

    Er beteuert, dass wir besser nix von dem Garagen-Verkauf erzählt hätten, jetzt muss er das wohl verzollen. Kurz schiesst mir der Gedanke durch den Kopf: „Hoffentlich macht er jetzt einen richtigen grossen Tanz um das Zeug, mit viel Papierkram und stundenlangem Aufenthalt, dann kann ich das wenigstens für meinen Blog verwenden…“, da klärt sich die Angelegenheit plötzlich ganz schnell: Da wir keine Euro dabei haben, und die nächste Wechselstelle geschlossen ist, wird ihm das alles doch zu mühsam. So lässt er uns ziehen und „schenkt“ uns die 16 Euro Zoll für 3 alte Korbsessel, ein paar kaputte Holzstühle, eine Kiste mit gebrauchtem Porzellan etc.

  • Erbstücke importieren
  • Auf der Rückfahrt führten wir dann geerbte Möbelstücke von Deutschland in die Schweiz ein. Zum Glück hatten wir uns eine genaue Aufstellung der Möbel incl. Wertangabe und einer Bestätigung, dass es sich um ein Erbe handelt, in Deutschland anfertigen lassen. Möbel bis max. 2000 CHF Wert darf man so kostenlos einführen. Alles geht gut, wir lassen uns den Import bescheinigen und werden dann, wie immer, von den Schweizern ohne Kontrolle durchgewunken.

    Manchmal bin ich versucht, meine „Fragen an die Grenzer“ zu sammeln und an unser Aussenministerium zu schicken. Vielleicht kann man da eine Unterrichtseinheit für die 3jährige Ausbildung draus machen? Sie sehen, ich denke immer methodisch-didaktisch-praktisch.

  • Wollen Sie wiegen oder sollen wir schätzen?
  • Einmal fahre ich allein zum Einkaufen nach Deutschland, und kaufe absichtlich mehr Milch und Fleisch ein, als eine einzige Person eigentlich zollfrei einführen darf. Ich beabsichtige die Übermenge ganz regulär zu verzollen. Mit soviel freiwilliger Bereitschaft zum Zoll entrichten werde ich an der Grenze misstrauisch rausgewunken, und die eingeführten Mengen werden genaustens inspiziert. Man fragt mich, ob ich mit einer provisorischen Schätzung des Warengewichts einverstanden bin, oder auf ein genaues Wiegen bestehe. Ich will sehen, wie der Mann schätzen kann, und lasse mich auf Ersteres ein:
    „Nun, sie haben da 2 Kästen Mineralwasser, das sind schon mal 12 KG…“, so geht das weiter. Jetzt wird also auch das Wasser verzollt. Mit sage und schreibe 14 CHF Zoll werde ich zur Kasse gebeten. Was tun wir nicht alles um die Aussenhandelsbilanz der Schweiz zu verbessern!

    Zoll in Lottstetten bei Nacht

    Wie wird man ein Burger? — Der „Bürgerort“ ist nicht der Geburtsort

    September 24th, 2005
  • Wie wird man ein Burger?
  • Man geht einfach zu McDonald und lässt sich zwischen zwei lätschige Brötchenscheiben klemmen?
    Das ist kein Schweizer Burger!

  • Bürgerort statt Geburtsort
  • Weit gefehlt: Ein Burger wird man nicht einfach so, dazu braucht es eine Bürgergemeinde. Das ist die Gemeinde, von der man das Burgerrecht bekam. Das hat aber nichts mit dem Geburtsort zu tun, sondern jedes Kind bekommt den Bürgerort ins „Familienbuechli“ eingetragen, den auch schon der Vater hatte. Da jedes Kind einen Vater hat, ist dies also nicht schwer festzustellen. Es sei denn, Sie haben eine alleinerziehende Mutter, oder sind „in vitro“ entstanden, dann wird’s kompliziert.

    Diese „Heimatgemeinde“, der „Bürgerort“ oder „Heimatort“ ist in vielen Fällen nicht die Gemeinde, in der man geboren ist oder in der man wohnt, sondern der „Ort der Väter„! Viele Schweizer haben ihre Heimatgemeinde ihr Leben lang nicht gesehen. Das ist für Nicht-Schweizer fast unverständlich! Quelle

    Allerdings! Was tun, wenn der Vater aus Timbuktu, Hinterposemuckel oder Castrop-Rauxel stammt?

  • Einbürgerung als Einnahmequelle
  • Wohnt also Herr Schweizer in Zürich, sein Vater stammt aus dem Wallis und hat Sion als Bürgerort im Pass stehen, wird Herr Schweizer und später auch sein Kind Sion als Bürgerort in den Pass eingetragen bekommen, obwohl sie unter Umständen nie einen Fuss dort hin gesetzt haben. Man kann sogar Burger in mehreren Gemeinden sein. Viele Gemeinden verlangen dafür eine Gebühr, und ganz findige Tessiner Dörfer in strukturschwachen Gebieten haben dies für sich als Haupteinnahmequelle entdeckt. Dort wird schnell und unbürokratisch das Bürgerrecht an fast jeden verliehen, der nur dafür die erforderliche Gebühr bezahlt.

  • Die Einbürgerung von Heinz Aebi (Background NZZ 3.8.03
  • Heinz Aebi aus dem bernischen Twann lebt seit 1973 im Laufenthaler Örtchen Nenzlingen im Baselbiet. Er hat dort 5 Kinder grossgezogen, 13 Jahre im Dorfschulhaus unterrichtet und war zweimal Gemeindepräsident.

    Ein Burger war er damit noch nicht. Also wollte er es werden, stellte den Antrag auf das Nenzlinger Bürgerrecht. In Nenzlingen entscheidet die Bürgerratsversammlung über jede Einbürgerung. Dieser Rat versammelt nicht die Einwohner der Gemeinde, sondern einzig deren Burger; jene Alteingesessenen , die ihr Dorf als Heimatort im Pass stehen haben. Die „Ureinwohner“ eben. In Nenzlingen sind es rund 70 Burgern, die über die Einbürgerung von Ausländern und Nicht–Nenzlinger befinden. Das Gesucht von Heinzen Aebi mit Bürgerort Heimiswil im Kanton Bern wurde am 13. Juni 2000 im 27:5 Stimmen abgelehnt. Es kam zur Beschwerde, es wurde noch mal abgestimmt, und wieder wollten ihn die Nenzlinger nicht.

    Was war der Grund? 1975 wurde der Kanton Jura neu gebildet, und das Laufental (ehemals zu Bern gehörend) hatte die Wahl, sich an den Basler Halbkanton zu hängen, ohne eine isolierte Exklave von Bern zwischen Basel-Land und Solothurn zu werden. In diesem föderalistischen Kleinkrieg ging auch 1989 einmal Heinz Aebis Auto in Flammen auf.
    Die Nenzlinger sind ihm heute noch gram, weil er sich der Vergabe der Jagdpachten gegenüber der Burgergemeinde nicht loyal verhalten habe. Man jagt Rotwild und Wildsauen im Laufental. Aebi meint dazu: „Der Ureinwohner will den Wald für sich allein. Dabei ist Platz für alle da“.

    Im September 2002 wird Aebi dann vom Regierungsrat, dem das ganze Treiben peinlich ist, höchstselbst eingebürgert und die Nenzlinger Burgergemeinde muss Busse zahlen.

    Ein neues Bundesgerichtsurteil verbietet nun den Gemeinden die Urnenentscheide über die Einbürgerungsgesuche, Einbürgerungen durch Gemeindeversammlungen sind aber weiter zulässig. Können Sie mir in diesem komplizierten Beispiel Schweizer Basisdemokratie noch folgen? Nicht mehr der Burger darf selbst entscheiden, sondern sein gewählter Volksvertreter.
    Bleibt die Frage zu klären: Warum wollte Aebi eigentlich unbedingt Burger werden?

    Zur Bürgergemeinde heisst es im Internet:

    Auf Gemeindeebene ist zwischen den Angehörigen der polit. Gemeinde (Einwohnergemeinde) und denjenigen der Bürgergemeinde zu unterscheiden. Dem niedergelassenen Schweizerbürger stehen an seinem Wohnsitz alle Rechte und Pflichten der Kantons- und der Gemeindebürger zu. Die Burger oder Ortsbürger – diese Begriffe bezeichnen die Mitglieder der Bürgergemeinde – haben zusätzlich das Stimmrecht in Abstimmungen der Bürgergemeinde sowie auch Anteil an den Burger- oder Korporationsgütern. Die einzelnen kantonalen Bestimmungen, welche die Rechte der Ortsbürger oder Burger regeln, differieren erheblich voneinander.

    Und da ist sie wieder, die klassische Schweizer Antwort auf alle schwierigen Fragen:
    „… das ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich.“

    Ist das demokratisch?
    Gesetz den Fall, ein kleines Schweizer Dorf mit 50 Einwohnern, die das Bürgerrecht haben, wird sehr beliebt und es ziehen im Lauf der Jahre einige hundert Schweizer aus anderen Orten dorthin, bauen sich ein Haus und fühlen sich heimisch. Will nun jemand in diesem Ort das Bürgerrecht bekommen, entscheidet darüber nicht die Einwohnerschaft, sondern die kleine Schar der „Ureinwohner“ mit Bürgerrecht. Was ursprünglich als „Schutz gegen Fremdbestimmung“ gedacht war, ist nun ein zutiefst undemokratisches Überbleibsel aus vergangener Zeit.

    Namen auf -ic und Namen auf -o
    Wenn sie einen Familiennamen haben, der auf -ic endet, dann können sie schon seit 3 Generationen in der Schweiz zu Hause sein, hier die Schule besucht und ihre Lehre gemacht haben, bei der Einbürgerung werden Sie immer wieder abblitzen. Vielleicht sollten sie ihren Namen lieber ändern lass, leicht italienisieren, eine Endung auf -o wäre schick, dann haben sie sicher gute Chance. Kein Witz sondern vielfach in der Schweiz bezeugte Realität:

    Auf die Frage, warum er sich nicht einbürgern liesse, antwortete mir kürzlich Lutrim: „Mein Nachname endet mit einem -ic. Glaubst du wirklich, ich hätte jetzt eine Chance? Ich als gestempelter Balkanraser?“. Lutrim ist 23 Jahre jung, stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien und lebt seit über zehn Jahren in der Schweiz. Seine Zukunft ist hier. So wie jene von Tausenden anderen Jugendlichen wie Lutrim. (Quelle)

    Stossen statt Drücken — Anstösser erregen keinen Anstoss

    September 23rd, 2005
  • Fussgänger bitte drücken
  • Fussgänger drücken
    Wenn ein Deutscher an einer Fussgängerampel steht und diese Aufforderung wörtlich nimmt, müsste er anfangen, die Fussgänger neben sich herzhaft in den Arm zu nehmen und sie zu drücken. Kommt er hingegen in der Schweiz an eine Tür, muss er diese „stossen“, nicht drücken.

    Bitten Stossen

  • Stossen ist schmerzhaft
  • „Stossen“ ist für Deutsche immer ein schmerzhafter Prozess. Man kann sich z. B. das Knie anstossen, oder den Kopf. Nur bei den Kugelstossern und Gewichthebern ist es eine gewollte und fleissig trainierte Bewegung, das Stossen, mit grossem Leiden und Gestöhne verbunden.
    Stossen ohne wehtun
    Sonst drücken wir Deutschen lieber. Es drückt uns der Schuh, wir drücken uns um etwas, und natürlich drücken wir auch unsere Liebsten.

    Anstösser erregen keinen Anstoss

  • Der Anstösser erregt Anstoss

  • In der Schweiz erregt ein Anstösser keinen Anstoss sondern er stösst an. Anstossen würden wir in Deutschland nur mit einem Glas Wein oder Sekt in der Hand. Ein „Anstösser“ hätte in Deutschland sicherlich ein Anliegen, und ist daher ein Anlieger, demzufolge hiesse das Schild „Anlieger frei“.

    Anlieger haben ein AnliegenWenn Sie auch ein Anliegen haben, können Sie das jetzt an dieser Stelle vorbringen, oder einfach weiterfahren, da wo es für alle anderen verboten ist. So einfach ist das natürlich nicht. Ein „Anlieger“ ist in der deutschen Strassenverkehrsordnung nicht ein Mensch mit einem Anliegen, sondern ein Bewohner der Strasse. Und nur wenn ein solcher Bewohner einer Strasse mit im Auto sitzt, dürfen Sie diese Anliegerstrasse überhaupt befahren. Sonst kostet es 15 Euro = 23 CHF Busse.

    Über den Röschtigraben — Die Welschschweizer und die Deutschschweizer

    September 22nd, 2005

    Die neue Schönheitskönigin der Schweiz heisst Lauriane Gilliéron und kommt aus dem Welschland, der französischsprachigen Schweiz. Seit 11 Jahren zum ersten Mal wieder eine Welsche! Sie spricht ein drolliges Deutsch mit französischem Akzent. Hochdeutsch, selbstverständlich, denn etwas anderes wird in Fribourg und Lausanne an den Schulen nicht gelehrt.
    Miss Schweiz 2005 ist Welsche
    Als sie für den Lokalsender Tele-Züri am 20.09.05 auf Hochdeutsch interviewt wird, dürfen Deutschschweizer Fans anrufen und Fragen stellen. Der Moderator hat seine liebe Mühe, die Anrufer permanent daran zu erinnern, dass man Frau Gilliéron aus dem Waadtland (so heisst der Kanton Vaud=VD auf Deutsch) doch bitte nur auf Hochdeutsch befragen soll. Sie fallen stets nach dem dritten Wort wieder zurück in den Dialekt, oder sprechen weiter Dialekt, aber mit hochdeutscher Aussprache.

  • Vier Sprachen spricht die Schweiz
  • Die Schweiz ist viersprachig, zumindestens auf dem Papier, genauer gesagt: Auf den Geldscheinen. In der Realität sieht das anders aus. Das Rätoromanisch zerfällt in Sursilvan, Sutvilvan, Surmiran, Putér, Vallader und noch ein paar andere Teilsprachen, die wiederum zersplittert sind. Also wird selten ins „Rumansch“ übersetzt, wozu auch, denn die meisten Graubünder verstehen wunderbar Hochdeutsch. Sie werden jeden Abend von 17:45 Uhr bis 18.00 Uhr in der Sendung Telesguard im Schweizer Fernsehen SF1 völlig ausreichend und umfassend berücksichtigt.

    Bleiben also Deutsch, Französisch und Italienisch als Standardsprache. Obwohl, die Ticinos orientieren sich ja sowieso mehr nach Italien, und wenn sie in der Schweiz studieren wollen, müssen sie Französisch lernen, um nach Lausanne oder Genf zu gehen. Das fällt ihnen ohnehin nicht schwer.

  • Hohe Werte im Tessin
  • Das Tessin ist für die restlichen Schweizer bekannt durch seine hohen Werte. Den hohen THC Wert in den dort kultivierten Cannabis-Pflanzen (fein versteckt in hohen Maisfeldern, und durch Elektrozäune vor Wildschweinen und anderen Strolchen geschützt), deren Umsatz schon den Gesamtumsatz der Obstplantagen überstieg, und den hohen Ozonwert im Leventina-Tal, wenn hier im Sommer die Blechlawine über den Gotthard Richtung Süden rollt.
    Hohe Ozonwerte im Leventina
    Ein dritter, extrem hoher Wert, den die restlichen Schweizer mit dem Tessin verbinden, ist die Anzahl von Punkten, die vor 2 Jahren der Tessiner Sänger und Vertreter für die Schweiz beim European Song Contest bekommen hat. Er heisst Piero Esteriore und ward fortan nicht mehr gesehen, ausser im Tessin.

    Italienisch wird hier nur mit Ausländern gesprochen, auch im Tessin gibt es mehrere italienische Dialekte, die kein Italiener versteht. Nur die Sprachmelodie ist bei allen Schweizer ähnlich, egal ob sie aus Lausanne oder aus Belinzona kommen: Leicht singend und immer schön langsam.

  • Röschtigraben oder Ricola-Gebirge?
  • In einer Prominenten-Ausgabe von Günther Jauchs Ratequiz „Wer wird Millionär“ wurde der Literaturkritiker Helmut Karasek einst gefragt, wie die Sprachgrenze in der Schweiz scherzhaft auch betitelt wird:

    a) Ricola-Gebirge
    b) Leckerli-Linie (Leckerlis sind eine Gebäckspezialität aus Basel)
    c) Röschti-Graben
    d) Gruyère-Grenze

    Helmut Karasek wusste es souverän, weil es um etwas zum Essen ging, und er sich solche Dinge gut merken kann.

    Anders als jene arme Hamburgerin, die bei der Frage:
    „Wie heisst die traditionsreiche Fastnachtveranstaltung in Basel:

    a) Zapfen-Streich
    b) Buben-Streich
    c) Morgen-Streich
    d) Backen-Streich

    doch prompt auf den falschen Backenstreich tippte. Nun ja, Hamburg ist weit weg, und den Fischmarkt kennt auch nicht jeder im Süden. Ich habe schon Schwaben auf dem nach Stuttgart importierten Hamburger Fischmarkt darüber sprechen hören, warum die Hamburger denn nicht ihren eigenen Wein aus eigenem Anbau zum Fisch anbieten. Und Stuttgart ist für Schweizer immerhin eine Stadt hoch im Norden!

  • Der Röschtigraben
  • Der Röschtigraben ist (fast) unsichtbar, und doch immer präsent. Fährt man auf der Autobahn von Bern nach Lausanne, kurz nach der Ausfahrt Kerzers, steht dort plötzlich nicht mehr „Ausfahrt„, sondern „Sortie„. Hier beginnt das „Welschland„. Falls Sie das verpasst haben sollten, achten Sie einfach auf das Hinweisschild „Murtener See„. Es wurde durchgestrichen und mit einem „Lac de Morat“ verziert. Viel spannender ist es, sich im Drei-Seen-Land per Velo über diese Grenze zu bewegen. Eben noch gab es deutschsprachige Journale im Bahnhofskiosk von Ins, kurz darauf sind sie in Galmiz, und sie suchen verzweifelt nach einer Ausgabe des Tages-Anzeigers. Sie haben den Röschtigraben überschritten ohne es zu merken.

  • Die Romands in Zürich müssen Züridütsch lernen

  • Da die Tessiner in die französische Schweiz zum Arbeiten gehen, müssen die Welschschweizer, wenn sie Karriere machen wollen, abwandern nach Bern oder Zürich. Basel ist ihnen verbaut, denn da hocken schon die Elsässer auf sämtlichen Pöstchen der Dienstleistungsbranchen in Banken und Versicherungen, aber auch beim Metzger nebenan und an der Migros-Kasse. Ein Welscher in Zürich kann nur überleben, wenn er Züri-Dütsch lernt, und genau zu diesem Zweck bietet die Migros-Clubschule passende Abendkurse in Schweizerdeutsch an. Die Deutschschweizer werden von den Welschen übrigens „les Suisses toto“ genannt, von „teutoniques„. Ein Banker aus Lausanne erzählte mir, dass er nach Zürich mit perfektem Englisch und gutem Hochdeutsch kam. Keine Chance, er musste in 6 Wochen Schwyzerdütsch lernen, um eine Präsentation abhalten zu können.

    Ohne ein gutes Hörverständnis für das Schweizerdeutsche können Westschweizer auch die Nachrichtensendung 10 vor 10 nicht mehr ganz verstehen, denn die wird zwar zu 80% auf Hochdeutsch verlesen, sobald es aber ein Interview gibt, wechselt der Sprecher automatisch ins Schweizerdeutsche. Manchmal sind diese Gesprächssituationen sehr skurril, weil die interviewten Personen standhaft weiter Hochdeutsch sprechen, wenn sie vom Fernsehen befragt werden. Entweder, weil sie es so gelernt haben: „Im öffentlichen Medium spricht man Hochdeutsch„, oder weil es Deutsche sind, die es eh nicht anders können.

  • Die Deutschen in der Westschweiz
  • Im Allgemeinen wird man als Deutscher in der Französischen Schweiz sehr warmherzig aufgenommen, sofern man gut Französisch spricht. Die Romands wissen, dass ihre deutschsprachigen Landsleute manchmal Abneigungen hegen gegen die Deutschen, weil die so arrogant sind und so hochtrabend sprechen. Nun, solche Abneigungen haben die Romands gegenüber den deuschsprachigen Schweizern auch, von denen sie sich in vielen Dingen bevormundet und übergangen fühlen. Und so entstehen hier frei nach der Devise: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ mitunter ungeahnte Sympathien und Bündnisse. Häufige Verkehrssprache zwischen Geschäftsleuten aus Zürich und Lausanne ist übrigens Englisch, was beide gleich radebrechen.

  • Regionenwettstreit in der Castingshow
  • Als die Mode der Casting-Shows in die Schweiz kam und plötzlich junge Talente aus allen Kantonen gegeneinander antraten, wurde dies in allen Landessprachen und TV-Stationen übertragen. Es entbrannte ein erbitterter Kantons- und Regionenstreit, jede Gegend versuchte ihren Kandidaten durch die Telefonanrufe zu pushen. Gewonnen hat vor zwei Jahren schliesslich der erwähnte Tessiner, wahrscheinlich durch die vielen Anrufe der zahlreichen Italiener, die nördlich der Alpen in der Schweiz wohnen. Nun ja, er holte dann die erwähnte hohe Punktzahl beim Song Contest: La Suisse: zéro points… Switzerland: zero points … die Schweiz: null Punkte…. Die Schweiz erfuhr, dass sie nicht mehr viel Freunde in Europa hat und holte sich im nächsten Jahr die Unterstützung der Mädchengruppe Vanilla Ninja aus dem Estland. Damit erreichte sie immerhin den 8. Platz, nicht zuletzt dank der Baltic-Connections der Mädels. Die Gruppe operierte von dem deutschen Städtchen Weil am Rhein (bei Basel) aus, und der Song wurde von dem in der Schweiz geborenen David Brandes geschrieben, der auch hier zur Schule ging, jedoch tatsächlich Deutscher ist.

    Haben Sie Ihre Betreibungsauskunft dabei? — Wohnungssuche in der Schweiz

    September 21st, 2005
  • Wohnungssuche im Internet
  • Eine Wohnung in der Schweiz zu finden ist sehr einfach, wenn man Internetzugang hat. Es gibt zahlreiche Portale, in denen man seine Suchkriterien eingibt (wieviel Zimmer, wieviel Miete, welche Orte) und sich dann die Ergebnisse anzeigen lässt. Oder man nutzt den Service, neu eingestellte Angebote sofort per E-Mail oder SMS zugeschickt zu bekommen. Ein paar der Anbieter drucken nur eine Telefonnummer ab, die man anrufen muss um dann gegen eine geringe Gebühr den genauen Ansprechpartner mit Telefonnummer genannt zu bekommen.

    Beispiele:
    ImmoScout24
    Homegate

    Die Angebote sind üppig, falls man gewillt ist, von den Zentren wie Zürich und Bern oder Basel etwas Abstand zu halten. Die Faustregel hier ist: Mit jedem Kilometer Entfernung vom Zentrum wird das Angebot grösser und die Wohnungen billiger. Der Kanton Schaffhausen ist zwar weit weg vom Schuss, hat aber garantiert die billigsten und grössten Wohnungen.

  • Volkssport „Wohnungen luuege“

  • Die Schweizer haben keine Hemmungen, wildfremde Vormieter in einer Wohnung anzurufen und einen Besichtigungstermin zu vereinbaren, und die Liegenschaftsverwaltungen setzen bei den Mietern die Bereitschaft voraus, 10-20 Besichtigungstermine in den (noch) privaten Räumen über sich ergehen zu lassen.

    Man munkelt, dass sich hier eine „Wohnungen aaluuege-Szene“ (luege = Schweizerdeutsch „anschauen“, Verwandtschaft zum Englischen „look“ ist nicht zufällig) etabliert hat, die an den Wochenende loszieht um Objekte zu erkunden, die sie gar nicht wirklich mieten will, einfach nur so, weil es Spass macht, bei anderen durchs Schlafzimmer zu stapfen. Oder man schaut sich die Wohnung im Internet an. In der Sonntagszeitung kam ein Bericht über den beliebten Surfer-Sport, sich Villen auf dem Züriberg im Internet von Innen anzusehen.

    Der Beispiel-Link zu einer Villa in Zürich, mit vielen Innenfotos (wird höchstwahrscheinlich in ein paar Wochen nicht mehr funktionieren)
    Villa in Egg

  • Vier Mal im Jahr ist Umzugstag
  • Wohnungswechselzeit ist immer nach einem Quartal, also zum 1. April, 1. Juli und 1. Oktober. Wer nicht rechtzeitig kündigt, dem kann es passieren, dass er nochmal 3 Monate zahlen muss, denn einen Nachmieter zu finden ist beim derzeitigen Überangebot verdammt schwierig.
    Wohungen… Wohnungen… und noch mehr freie Wohnungen:
    32 freie Wohnungen auf einmal in Bülach
    Wenn da nicht die Deutschen wären, die in Massen strömen und glücklich sind, so einfach hier was zu finden. Ob sie immer die beliebsten Kunden sind bei den Liegenschaftsverwaltungen, das wage ich zu bezweifeln. Aber man kann sie ja notfalls auch leicht abschrecken von einem tatsächlichen Einzug, in dem man einfach fragt:
    „Hätten Sie mir dann bitte noch eine aktuelle Betreibungsauskunft, bitte“

    Während der Deutsche noch im Duden nachschaut, was das ist, wird schon mal die Kaution ausgerechnet, die er hinterlegen muss.

  • Kaution bei der Swisscom
  • Bei der alten Tante Swisscom bekommt man als Ausländer auch mit B-Bewilligung nur einen Telefonanschluss, wenn man 500 CHF Depot hinterlegt. Warum? Nun, es wäre ja theoretisch denkbar, dass man einfach gnadenlos lang und teuer mit dem Ausland telefoniert, so eine horrende Rechnung auflaufen lässt, und sich dann einfach mir-nichts-dir-nichts wieder ohne Verabschiedung ins Ausland verdünnisiert. In dem Fall würden die hinterlegten 500 CHF sicher den ärgsten Schaden verhindern. Zum Glück hat die Swisscom Konkurrenz und der „Telefonieren über das Kabelnetz“ Anbieter Cablecom macht da nicht so einen Aufstand um die Kaution. Dafür funktionierte es bei unseren Nachbarn auch nicht immer zuverlässig, jedenfalls nicht gleich.

  • Makler in Deutschland
  • Und wie findet man in Deutschland eine Wohnung?
    In einer Gegend mit hoher Arbeitslosikeit und Stadtflucht (Ruhrgebiet oder Ostdeutschland) ist das kein Problem, einfach durch die Strassen laufen und auf die Schilder in den Fenstern achten.
    In Boom-Städten wie München, Frankfurt, Berlin oder Freiburg ist es fast unmöglich, etwas über das Internet oder Anzeigen zu finden. Hier hat sich der nette Berufsstand der „Makler“ etabliert.

    Makler sammeln die Interessenten, die sich auf eine Zeitungsanzeige um eine Wohnung beworben haben, sortieren sie vor, bitten dazu um detaillierte Gehaltszettel und Nachweis einer festen Anstellung, suchen sich dann 3-4 potentionelle Mietparteien aus, um ihnen, natürlich allen gemeinsam, das Objekt der Begierde vorzuführen. Zuvor muss jeder eine „Vermittlungsvereinbarung“ unterzeichnen, die besagt, dass man bei Zustandekommen eines Mietvertrags den Beitrag einer zweifachen Monatsmiete an den Makler für seine Dienste zu zahlen bereit und gewillt ist.

    So verdient ein Makler mit 2 Stunden Arbeit einen Betrag von 2000 -3000 CHF. Aus diesen Gründen hat die satrische Zeitschrift TITANIC vor Jahren die Kampagne lanziert: „Mit Maklern leben — auch Makler sind Menschen„. Mit dem Plakat, auf dem ein kleines Kind erzählt:

    Mein Papa ist Makler, er sagt immer, wenn Du mehr Taschengeld haben willst, sag einfach bescheid, ich hole es uns dann von den nächsten Mietern, ich verlange einfach mehr für die Wohnung..“

    Doch zurück in die heimelige Schweiz:
    Das Cheminee daheim zum Müllverbrennen

  • Das Cheminee, die private Müllverbrennungsanlage
  • Dort machen wir es uns gemütlich an unserer offenen Feuerstelle, dem Cheminée oder Kamin, den es selbst in vielen Mietwohnungen gibt. Dort kann man in Ruhe seinen Müll verbrennen um Kehrrichtsack-Gebühren zu sparen, oder sich ein Kaninchen braten.

  • Der Gartensitzplatz
  • In der Schweiz sind die Parterre-Wohnungen (hier „Rez-des-Chaussee“ genannt) keinesfalls billiger als die im 1. oder 2. Stock, denn sie haben etwas, was die anderen nicht haben (nämlich mehr Einbrüche, weswegen in Paris niemand freiwillig in so eine Wohnung ziehen würde, ausser er besitzt einen Wachhund): Den Gartensitzplatz.
    Der Gartensitzplatz
    Das ist noch lange kein Garten, sondern nur eine kleine mit Platten belegte Fläche vor der Terrassentür, genau so gelegen, das man von dort all die anderen Nachbarn auf ihren Gartensitzplätzen an einem lauen Sommerabend auch gut im Auge behalten kann, wenn man grilliert oder sein Pfeifchen schmaucht.

  • Die Einbauküche
  • Ihre gute Ausstattung ist ein Hauptargument für den Mietpreis einer Wohnung: Keramikkochfelder, Miele-Markengeräte und selbstverständlich eine Spülmaschine sind ein Muss, ohne die eine Wohnung nicht zu vermieten ist.

  • Der Gartenservice durch den Abwart
  • In der Schweiz, da gibt es einen, der kann es immer nicht abwarten, dass ist der Abwart. Wir Deutschen haben seit dem „Blockwart“ von allen „Warts“ die Nase voll, wir haben höchstens einen Hausmeister. Der Abwart wohnt oft im Haus in einer speziellen Abwartwohnung zu ebener Erde und muss sich um alles kümmern, so z. B. um das Treppenhaus-Putzen, die Schneeräumung und die Pflege der Rasenflächen. Meist wird das aber von professionellen Trupps erledigt, die rasend schnell und effizient arbeiten. Diese Auftragsbranche floriert in der Schweiz, es gibt Spezialisten für die Rolladen (Schweizerdeutsch: „Storen„), für die Küchenausstattung oder für das Reinigen der Tiefgarage:
    Kein Witz, unser Tiefgarage wird jedes Jahr einmal gründlich mit einem Hochdruck-Wasserstrahl gereinigt, dabei wird jedes Lüftungsrohr mit einem Lappen poliert, und auch die letzte Spinnenpopulation in die Flucht geschlagen. Aber keine Angst: Spinnen kommen immer wieder, wenn man sie nicht mindestens 30 Meter vom Ausgangspunkt wegträgt.