Wenn der grosse Chlapf kommt

August 7th, 2009

(reload 4.8.06)

  • Wir warten nicht auf Godot, wir warten auf den Chlapf
  • In anderen Kulturen ist das Warten auf religiöse oder mythische Gestalten Teil des Alltags. Während die Iren und andere Beckett-Fans immer noch auf „Godot“ warten, die Menschen mosaischen Glaubens den Messias (Maschiach) erwarten und für ihn am Schabbat, extra ein Gedeck mehr auf den Esstisch stellen, warten die Deutschen auf den Briefträger mit dem Bescheid vom Arbeitsamt.

    In der Schweiz gibt es auch eine mystische Gestalt, auf die alle warten. Es ist der sagenumwobene „grosse Chlapf“.

    Zitat:

    Es liegt nun am EMD und an der Armeeführung, den entstandenen Schaden zu beheben. Die Zeit heilt bekanntlich Wunden, aber es darf in nächster Zukunft wirklich nicht mehr etwas Ähnliches passieren, sonst kommt der grosse Chlapf.
    (Quelle: http://www.parlament.ch/Poly/Suchen_amtl_Bulletin/cn97/printemp/241.HTM?servlet=get_content

    Wir geben zu, diese Quelle ist neun Jahre alt, denn das „Eidgenössische Militär Departement“ hat sich mittlerweile zum Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport kurz VBS gewandelt, wie wir bereits hier erläuterten.

    Oder hier:

    Oke… in ein paar Tagen erfolgt der grosse Chlapf!!
    (Quelle: kopfmehl.net )

  • Warten auf den Chlapf im Permafrostgebiet
  • Das hübsche Wörtchen „Chlapf“ lernten wir im heissen Sommer 2006, also durch die hohen Temperaturen in den Permaforstgebieten der Alpen die Wahrscheinlichkeit zunahm, dass in den Bergen ordentlich was abging:

    Am Waldrand oberhalb der Häuser sitzend beginnt der Stuttgarter von der Schweiz im Allgemeinen und von «dieser einzigartigen Berglandschaft» im Besonderen zu schwärmen. Doch wie viele andere Gäste auch hält er seine Kamera in der Hand und wartet auf den grossen «Chlapf» –das schweizerdeutsche Wort muss ihm niemand erklären.
    (Quelle: espace.ch)

    Nun, der Stuttgarter ist von Haus aus Schwabe, versteht also einen Alemannischen Dialekt, darum muss ihm niemand den Chlapf erklären.

    Wir lasen in der Sonntagszeitung vom 23.07.06

    Hitze bedroht die Berge
    An vielen Orten in den Schweizer Alpen schmilzt der Permafrost-Boden. Schattenhänge oberhalb von 2400 Meter werden instabil, es drohen Felsstürze und Murgänge. « Mit fortschreitendem Eisverlust nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass in der Schweiz ein Grossereignis passiert»

    Kurzgesagt. Der Berg ruft nicht mehr, sondern er kommt gleich selbst.

    Der „Chlapf“ ist für Schweizer auch eins von vielen Koseworten für ihr Auto. Hier eine kleine Übersicht aus dem Slängikon für Züridütsch:

    Badwanne, Bäne, Bläch-Guutsche, Büchs, Bütti, Charre, Chischte, Chlapf, Dräckschlüüdere, e Garette, e Soife-Chischte (selbstgebasteltes Auto für Kinder), es Gschooss (schnelles Auto), galoppierendi Öpfelhurde oder Runkle (kleines oder altes Auto), Gelte, Göppel, Griite-Schlepper, Guutsche (Kutsche), Kilometer-Frässer, Maggina (von ital. macchina), Mühli, Pfüpferli, Poschti-Chörbli, Rääbe, Rochle, Roschthuufe, Roschtlaube, Sackgäld-Verdampfer, Schlitte, Schnupf-Trucke, Tasse, Trog, Wartsaal (langsames Auto)
    (Quelle: Slängikon)

    Es fällt auf, dass in diesem Lexikon all die Dinge und Tätigkeiten besonders gut und variantenreich vertreten sind, die der Schweizer gern hat oder gern tut. So findet sich zum Beispiel zum Thema „arbeiten“:

    aaschaffe, ackere, ad Seck gah, Batzeli verdiene, bügle, chnuppere, chnüttle, chrampfe, chrämpferle, chrüpple, d Stämpel-Uhr beschäftige, Freiziit vergüüde, grüble, hacke, in Bou gah, in Bunker gah, in Stolle gah, maloche, noddere, pickle, rackere, robottere, rüttle, s Bättle versuume (zu wenig verdienen), schufte, wörke (von engl. to work)

    Oder Geld:

    Geld Thema [Geld] Züri-Släng Chies, Chlöibi, Chlööte, Chlotz, Chludi, Chlütter, Chole, Flider, Flocke, Hammer, Höde, Käsch (von engl. cash), kei Schruube am Arsch ha (kein Geld haben), Kneete, Moni (von engl. money), Moos, Münz, Müüs, Noote, Rubel, Schnee, Schotter, Schruube, Stei, Stiis, Stutz, Zaschter
    (Quelle: Slängikon)

    Sagen die echt nicht „Fränkli“ zu ihrem Geld?

    Nicht so gern tun die Zürcher streiten:

    chääre, chifle, Chritz haa, Lämpe haa, zangge

    dafür aber umso lieber „Liebe machen“, vgl. hier.

    Eine Ehemaligenvereinigung einer Schule hat sich die Domäne www.chlapf.ch schon 1999 gesichert, in der Urzeit des Internets.
    Der grosse Chlapf als Abizeitung
    Sieben Jahre später haben alle ehemaligen Abiturienten das Surfen verlernt und arbeiten in richtigen Berufen.

    Mit dem Schlauchboot im Unterland — Tunnelfahrten mitten in der Agglo

    Juni 3rd, 2009

    (reload vom 2.6.06)

  • Amazonas Abenteuer mit Wasserfällen mitten in der Agglo
  • Zurück zum Ausgangspunkt. Dem Flüsschen „Glatt“. Ganz mutige Schlauchboot-Kanuten haben sie komplett befahren und ihren Erlebnisbericht hier veröffentlicht. Man sollte auf der Glatt allerdings vermeiden, zuviel von ihrem Wasser zu schlucken, denn so super fein ist die Qualität des Wassers nicht mehr, wenn der Fluss an sämtlichen Kläranlagen des Unterlands vorbei ist. Denn raten Sie mal, wohin die Kläranlagen von Dübendorf, Oberglatt, Niederglatt, Bülach etc. ihre geklärten Abwasser leiten?

    Am Ende verschwindet die Glatt kurz vor dem Kraftwerk Eglisau in einem Tunnel:

    Dann hoch über uns die Eisenbahnbrücke. Ich sagte, dass bald der Tunnel kommen müsste. Die untere Luftkammer war kaputt, unsere Hintern schliffen über die Schwellen. Kaum hatte ich ernsthaft mit dem Kommen des Tunnel gerechnet, sahen wir auf der rechten Seite eine Betonmauer, mit Eisenketten dran und eingelassenen Stufen. Ich wollte sagen: Hier gehen wir wohl am besten raus, als wir über einen Absatz fielen, siehe Foto.
    Der Tunnel der Glatt
    (Quelle Foto: forums9.ch)
    Und direkt vor uns den Tunneleingang sahen. Der Fluss verengte sich auf die Hälfte der Breite und wurde zu einer steilen donnernden Rinne. (sieht von oben natürlich mal wieder halb so schlimm aus *schnief)

    Der Tunneleingang war von herabhängenden Ranken fast zugewachsen, aber in der Ferne sahen wir ein weisses Licht, als ob nach dem Tunnel ein Wasserfall vor uns läge.

    Ueli versuchte sich an den Eisenketten festzuhalten , glitt aber ab und das Boot stellte sich quer. Irgendwie schafften wir es nicht an die Ketten ranzukommen (später sahen wir dann, dass auf Wasserspiegelhöhe eine Art Gehweg war, so dass das Boot gar nicht an die Mauer rankonnte. Der Gehsteg hatte wohl mal ein Geländer aus Eisenstangen, die aber nur noch ca. 20cm lang waren und gegen den Fluss runtergedrückt waren. Also die ideale Seitenbegrenzung für ein Schlauchboot .

    Schon bald donnerten wir wie bei Indiana Jones in den Berg hinein.. in den Tunnel.
    In rasender Fahrt…. ins Dunkel…

    Ja… und wie im Film, wurde es in der Mitte des Tunnels langsamer… ruhiger… und wir sahen, dass am Ende des Tunnels sicher nicht der obere Rhein lag, denn der wäre grün gewesen. Wir sagen etwas weisses, querliegendes, wohl der Rhein nach dem Kraftwerk. Also beruhigten wir uns und unternahmen keine weiteren Aussteigeversuche mehr, in anderem Falle hätten wir uns wohl einfach aus dem Boot fallen lassen. Die linke Seitenwand war in der unteren Kammer ohne Luft, so dass wir schräg im Wasser hingen, mit halb abgesoffenem Boot. Dann endete der Tunnel und wir waren im Rhein.

    Gleich unterhalb des Kraftwerkes, das imponierend hoch über uns aufragte. Auch wenns auf dem Foto natürlich mal wieder anders aussieht 🙁

    Ihr könnt es euch ja vorstellen… 2 total abgesoffene Ratten, in havariertem Schlauchboot.. hysterisch lachend und total irre grinsend.
    (Quelle: forum9.ch)

    Da bleibt nur der Tipp: Unbedingt nachmachen, im Frühjahr bei genügend hohem Wasserstand, damit die zahlreichen Schwellen im Wasser nicht ganz so brutal zu spüren sind.

    Die fünf Fettnäpfe, in die Sie als Deutscher in der Schweiz nicht hineintappen sollten

    April 30th, 2009

    (reload vom 10.5.06)

  • Fettnapf oder „faux pas“?
  • Falls Sie als Deutscher neu in die Schweiz kommen, gibt es eine paar Fettnäpfchen, vor denen Sie sich in acht nehmen sollten, damit Sie da nicht gleich hinein tappen. Sagte ich „Fettnäpfchen“? Schon falsch: In der Schweiz würde man eher von einem „faux pas“ sprechen, denn Sie begehen können. Einen „falsus passus“ oder falschen Schritt, wie der lateinversierte Frankreichkenner sagen würde. Die Deutschschweizer lieben ihre Landsleute von der anderen Seite des Röschtigrabens so sehr, dass sie bei jeder Gelegenheit deren Sprache üben und pflegen. Sie werden sich noch umschauen, wieviel Französisch Sie hier in kürzester Zeit automatisch lernen können. Beim „Merci vielmals“ geht es los, bei „excusez“ geht es weiter und bei der Frage nach der Plastiktüte, die in der Schweiz grundsätzlich als „sac“ im Idiom der Westschweiz bezeichnet wird, hört es noch lange nicht auf. Le „sac-à-dos“ ist darum auch kein Fluch, wie „Heilands-sak-rament“ in Oberschwaben, sondern einfach nur ein Rucksack in der Westschweiz. Et ceci n’est pas un Witz. Auch die Ostschweiz färbt sprachlich ab in der Westschweiz.

  • Fettnapf Nummer 1: Am Telefon nicht in die Luft gehen
  • Falls Sie mit einem Schweizer telefonieren, excusez, wir meinten natürlich: „Falls Ihnen ein Schweizer ein Telefon gibt“, dann sollten Sie dieses nicht „fortrühren“, unter langsamen Kreisbewegungen in den Abguss, sondern beantworten. So wie sie auch den „Beantworter“ benutzen, falls Ihr Schweizer „Kollege“, also Freund und nicht Arbeitskollege, nicht daheim ist und Sie ihm auf selbigen sprechen müssen. Ist er jedoch daheim und geht kurz weg vom Telefon, dann wird er Sie bei seiner Rückkehr fragen: „Bist Du noch da?“, und dann wäre es ganz falsch zu antworten: „Nein, ich bin geplatzt“, oder „das weiss ich gar nicht, Moment, ich schaue kurz nach. Kannst Du schnell warten?“. Da wären wir schon mitten drin im Dilemma: Sie warten so schnell Sie können, und es ist immer einfach nicht schnell genug für die Schweiz.

  • Fettnapf Nummer 2: Alle Inlaut-Is in Zür-i-ch vermeiden
  • Sprechen Sie niemals vom Züricher See oder Züricher Geschnetzelten. Das ist verboten und wird mit vielsagendem Schweigen bestraft. Nur Gottfried Kellers Verleger durfte seine Novellensammlung die „Züricher Novellen“ nennen. Heute würde der bekannteste aller Schweizer Dichter glatt des Landes verwiesen für diesen Fehler. „Glatt“ verwiesen passt „in dem Fall“ extrem gut, denn dort an „der Glatt“ wuchs er einst auf, der Gottfried Keller, bei seinem Onkel in „Glattfelden“. Eine glatte Sache, nicht wahr?

  • Fettnapf Nummer 3: Sie meinen, Emils Schwiizertüütsch gut zu verstehen
  • Erwähnen Sie niemals in Anwesenheit von Schweizern, dass Sie deren Schwiizertütsch recht gut verstehen während die Schweizer die ganze Zeit nur auf ihrem bestens hochpolierten Hochdeutsch mit Ihnen gesprochen haben. Passiert jedem Deutschen, der neu in die Schweiz kommt, am Anfang.

  • Fettnapf Nummer 4: Eine Tür zufallen lassen, wenn in 15 Meter Entfernung noch ein Schweizer naht
  • Ganz schlechtes Verhalten. Gehen Sie durch eine Tür, dann schauen Sie sich bitte drei mal um ob auch wirklich niemand naht, der auch durch diese Tür möchte, bevor Sie diese Tür hinter sich zufallen lassen. Besonders schwierig ist das bei einer Drehtür. Halten Sie die doch einfach offen für den nächsten Schweizer, der Ihnen auf dem Fusse folgt!

  • Fettnapf Nummer 5: „Was für ein hübscher Dialekt hier in der Schweiz!“
  • Vergessen Sie alles, was man ihnen je über Mundarten und Dialekte erzählt hat. Es stimmt nicht, bezogen auf die Sprache der Schweizer. Die Schweizer sprechen eine Sprache, mehr noch, eine eigene Sprache, mehr noch, eine „richtige“ eigene Sprache. Sie haben nur noch keine eigene Bezeichnung dafür. Die Bezeichnung „Schweizerdeutsch“ erinnert ja schon wieder ganz fatal an diese andere Sprache, die die Schweizer eben nicht sprechen, sondern nur schreiben, denn sie reden ja „ihre“ Sprache, die eine Sprache und auf gar keinen Fall, unter keinen Umständen, auch nicht in der grössten Not als „Dialekt“ bezeichnet werden darf. Haben Sie das verstanden? Begreifen Sie es auch?

    Ja, schon, aber jetzt sind sie „sprachlos“. Woran erkennt man, dass eine Sprache richtig und eigen ist? Ganz einfach: An den für sie vorhandenen Lehrwerken und Grammatiken. Davon gibt es einige für das Schwiizertüütsche. Folglich ist es eine richtige Sprache. Ein Wörterbuch für die Sprache der Schweizer gibt es auch, es gehört hier zur wichtigsten Grundausstattung jedes Deutschen in der Schweiz. Nehmen Sie also am besten gleich einen Kredit auf, kaufen sie sich eine Schubkarre oder einen Leiterwagen, gehen Sie in die nächste Buchhandlung und erstehen Sie das Schweizer „Idiotikon“. Sie brauchen sich nicht wie ein Idiot fühlen, wenn sie danach fragen. Idiotisch ist das Ding ganz bestimmt nicht, sondern eher schwer. Ziemlich schwer, weil bedeutungsgeladen und verantwortungsschwer:

    Ein Idiotikon (griech. Idio, Eigenes; Ausdruck, Begriff, Mundart) ist ein Wörterbuch, das mundartliche, dialektale, soziolektale oder fachsprachliche Ausdrücke erläutert. (auch Regionalismenwörterbuch)
    (Quelle: Wiki)

    Die Schweizer versuchen seit 1862, dieses Wörterbuch zu erstellen. Denn was man aufschreibt, vergisst man nicht:

    Am Ursprung des Idiotikons stand die Angst vor dem Sprachverlust. Friedrich Staub, der erste Chefredaktor des Idiotikons, befürchtete 1862, die schweizerdeutsche Mundart würde vom Hochdeutschen verdrängt. Die Korrespondenten begannen damals, „unter Beihülfe aus allen Kreisen des Schweizervolkes“, Mundartausdrücke aus Stadt, Land und Bergtälern zusammenzutragen. Systematisch wurden auch die Mundartliteratur bereits vorhandener Dialektwörterbücher, Chroniken, Rechtsprotokolle, Arznei- und Rezeptbücher und religiöse Schriften im Idiotikon erfasst.
    (Quelle: swissinfo.org)

    Ich vergass zu erwähnen, dass Sie zuvor noch eine Zeitmaschine kaufen sollten um in die Zukunft zu reisen. Denn momentan ist das Idiotikon leider noch nicht lieferbar. Der aktuelle Stand sind 15 Bände. Bei gleichbleibender echt schweizerisch-gründlichen Herausgabegeschwindigkeit von 9.6 Jahren pro Band müssten Sie im Jahr 2026 die Gesamtausgabe erwerben können. Sie können also ruhig schon mal anfangen mit sparen.

    Mit 15 Bänden und über 130’000 Stichwörtern ist das Schweizerdeutsche Wörterbuch schon vor seinem Abschluss das umfangreichste Regionalwörterbuch im deutschen Sprachraum. Es dokumentiert die deutsche Sprache in der Schweiz vom Spätmittelalter bis ins 21. Jahrhundert, die älteren Sprachstufen genauso wie die lebendige Mundart. Da der Grundstock des Mundartmaterials in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dank der Mitarbeit von gegen 400 Korrespondenten zusammengekommen ist, kann das Werk sonst kaum beschriebene und heute weitgehend verschwundene Bereiche der sprachlichen, geistigen und materiellen Kultur dieser Zeit besonders gut dokumentieren.
    (Quelle: sagw.ch)

    Vielleicht erleben Sie ja tatsächlich noch die Fertigstellung dieses Werkes ? Gut Ding will Weile haben.

    P.S.: Wir haben zwar schon die fünf Fettnäpfchen erläutert, ein sechstes wollen wir daber dennoch hinzufügen: Erwähnen Sie unter gar keinen Umständen, dass irgendetwas in Deutschland auch nicht schlecht ist. Das kommt gar nicht gut an. Sie sind hier im Land der besten Waschmaschinen, der besten Schokolade, der besten Demokratie, der besten Taschenmesser, der besten Käsesorten, der besten Biochemie, der besten Fussballer… na, Sie wissen jetzt sicherlich schon selbst weiter, einfach immer „der besten …“ davor setzen.

    Wie man den Schweizer am „Detail“ erkennen kann

    März 3rd, 2009

    (reload vom 3.04.06)

  • Was alles ein „Detail“ ist in der Schweiz
  • Bei Goggle-Schweiz finden wir 47 Belege für „Das ist ein Detail“. Die Schweizer lieben das Detail. Dieses eigentlich aus dem Französischen stammende Wörtchen hat in der Schweiz einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland. Was heisst es eigentlich genau? Fragen wir dazu den Duden:

    De|tail, das; -s, -s [frz. détail, zu: détailler = abteilen, in Einzelteile zerlegen,
    zu: tailler, Taille] (bildungsspr.): Einzelheit:
    ein unwichtiges, wesentliches Detail; Ein interessantes Detail
    (Quelle: duden.de)

    Die Aufzählung von Verwendungsbeispielen ersparen ich uns, das wäre nämlich nur ein Detail. Wichtig scheint uns der Zusatz „bildungssprachlich“. Das ist vielleicht im Gemeindeutschen so, wenn jemand nicht „Einzelheit“ sondern „Detail“ sagt. Anders hingegen in der Schweiz. Hier können Sie den perfekt Hochdeutsch sprechenden Schweizer unweigerlich an der Formulierung „das ist jetzt ein Detail“ entlarven. Auch im Dialekt sehr häufig: „Das isch jetzt es detail“.

    Details gibt es in vielen Varianten in der Schweiz. So in der „Detailberatung“, wie die Beratung der Einzelheiten einer Vorlage im Parlament nach der Eintretensdebatte genannt wird.

    „Das Parlament beschloss, auf die Vorlage einzutreten. Eines wurde aber klar: In der Detailberatung wird die Vorlage arg zerzaust werden“
    (Quelle: Blick 10.3.94 S. 2, nach Variantenwörterbuch des Deutschen S.176-177)

    Dann fanden wir noch das „Detailgeschäft“, welches in Deutschland ein „Einzelhandelsgeschäft“ ist, dort arbeitet ein „Detaillist“ oder eine „Detaillistin“, die wir in Deutschland als „Einzelhändler“ bezeichnen.

    Bei welcher Bestellart erhält die Detaillistin sofort eine Kommissionskopie vom Lieferanten?
    (Quelle: Betriebskunde Verkaufspersonal 2000, nach Variantenwörterbuch S. 177)

    Verkaufen diese netten Menschen nun Ware direkt an den Endverbraucher, sprechen wir in der Schweiz nicht vom „Einzelverkauf“, sondern vom „Detailverkauf“.

  • Vorsicht vor ironischen Schweizern
  • Sie merken schon, da können wir in der Schweiz ganz schön „ins Detail“ gehen, wenn wir alle Einzelheiten aufzählen. Was uns ausserdem noch auffiel, ist die häufige ironische Verwendung dieser Formulierung, wenn jemand einen ganz schlimmen Fehler bemerkt hat. Jawohl, auch zur Ironie sind sie fähig, die Schweizer! Was für ungeübte deutsche Ohren besonders schwer zu verstehen ist. Gerade der Satz: „Das isch jetzt es Detail“ ist meistens ein Hinweis dafür, dass hier in den meisten Fällen soeben von einem gar nicht so unwichtigen Umstand abgelenkt, dass hier die Fakten klammheimlich „unter den Teppich gekehrt“ werden sollen. Gekehrt, und nicht gewischt wohlgemerkt. Aber das ist wieder ein anderes Thema…

    Die bilateralen Verträge unter der Guillotine — Was tut die EU, wenn die Schweiz am 8. Februar Nein sagt?

    Februar 4th, 2009
  • Diese unglaubliche Arroganz!
  • Gemeint ist mit dieser Überschrift des hier besprochenen ZEIT Artikels „für einmal“ nicht das Verhalten der Deutschen in der Schweiz, sondern das Verhalten der Schweiz in Europa. Jochen Bittner beantwortet in dem Artikel die Frage, was die EU tut, falls die Schweiz am 8. Februar Nein sagt, in der Wochenzeitschrift DIE ZEIT vom 29.01.09 auf S. 12 so: „Recherchen zeigen: In Brüssel hat man genug vom Sonderfall Schweiz“.
    Er führt weiter aus:

    Wie souverän doch plötzlich die Europäische Union wirken kann. »Ach ja?«, lautet die häufigste Brüsseler Reaktion auf die Mitteilung, dass sich die Schweiz am 8. Februar aus den zarten Banden mit der EU lösen könnte. In der Unions-Hauptstadt ist die Volksbefragung der Eidgenossen über die Einbindung der Schweiz in den europäischen Binnenmarkt kein Thema. Ganz andere Sorgen plagen derzeit die Denker in den EU-Organen Rat, Kommission und Parlament: (…) . Wen jucken da die Schweiz und ihre komischen »Bilateralen«?
    (Quelle für alle Zitate: zeit.de)

    Grundsätzlich bekommt Europa kaum etwas davon mit, über welche schicksalsträchtige Frage die Schweizer am kommenden Sonntag abstimmen werden:

    Der Gedanke, dass die Volksabstimmung über die Fortführung und Erweiterung der Personenfreizügigkeit gegenüber den 27 EU-Staaten nebenbei auch ein wenig über die äußere Attraktivität der EU aussagen könnte, bleibt in Brüssel ungedacht. Im Gegenteil. Die wenigen Berufseuropäer, die von der Abstimmung etwas mitbekommen haben, können ein Überlegenheitsgefühl nicht verbergen. Das Erlebnis, sowohl Recht als auch faktische Stärke auf seiner Seite zu haben, ist selten in Brüssel.

    »Wir lieben die Schweizer. Wir lieben dieses wunderschöne Land«, schickt Jorgo Chatzimarkakis, ein liberaler deutscher Europaabgeordneter, voraus. »Aber diese unglaubliche Arroganz muss jetzt mal ein Ende haben! Die Schweiz wäre längst ein rückständiger Fleck in Europa, wenn sie nicht ihr wunderbares Bankensystem hätte und ihre tollen Ausnahmeregelungen.« Von fragwürdigen Vorrechten leben und sich dann auch noch moralisch überlegen fühlen – dem europäischen Patrioten Chatzimarkakis platzt da der Kragen: »Wer, bitte, legt denn das ganze Geld da drüben an? Die Schweizer müssen wissen: Sie schaden sich selbst mehr als uns, wenn sie am 8. Februar Nein sagen.«

    Ob das die Schweizer wirklich wissen? Momentan sieht es sehr danach aus, dass die Gegner der bilateralen Verträge auf dem Vormarsch sind.

    So sieht es auch Manfred Weber von der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der stärksten Fraktion im Europaparlament. »Die Rechtslage gibt der EU die Möglichkeit, konsequent zu handeln. Und das sollte sie auch tun«, sagt der Deutsche. Im Falle eines Neins, sagt Weber, müssten an den Schweizer Grenzen wieder Personenkontrollen eingeführt werden. Denn de jure wären die Einreisestellen dann keine Schengen-Schleusen mehr. Die Schweiz müsste als Ausland wie Guatemala oder Kasachstan behandelt werden. »Wir sollten mit Stärke und Klartext reagieren«, sagt Weber. »Die EU kann sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen.«

  • Alle für einen, einer für alle
  • Der Begriff, mit der diese Reaktion der EU gern umschrieben wird, heisst „Guillotine-Klausel“:

    Man hört sie fast schon rauschen, die »Guillotine«. So heißt die womöglich fatale Klausel, welche die Schweiz im Jahr 2002 im Gesamtpaket mit sechs bilateralen Abkommen gegenüber der EU ratifizierte. Die Guillotine-Klausel besagt, dass, sollte die Schweiz einen Teil der Brüsseler Rechtsmaterie nicht im EU-Gleichschritt mitentwickeln, sämtliche bisher gültigen Verträge ungültig werden. Aus Sicht der EU-Mitgliedsländer ist die Guillotine-Klausel eine Musketier-Klausel: Alle für einen, einer für alle. Sollte die Schweiz die Personenfreizügigkeit nicht auf Bulgarien und Rumänien erweitern, ist Schluss mit der Kooperation. Sollte sie die bestehende Freizügigkeit mit den 25 EU-Ländern aufkündigen: dito.

    Viele Schweizer scheinen sich nicht bewusst zu sein, dass die EU es wirklich ernst meint und bald zu weiteren Verhandlungen bereit sein wird. Wir fühlen uns an die Verhandlung zum Zürcher Flughafen-Streit erinnert, als man in der Schweiz sich verpokerte und plötzlich der nördliche Nachbar keine Lust mehr auf weitere Verhandlungen hatte, siehe hier: Als die Deutschen plötzlich nicht mehr verhandelten. Der Glaube, es könne schon irgendwie weitergehen mit neuen Verhandlungen und Abkommen, könnte sich als sehr trügerisch erweisen.

    Gnädige Stimmen, die die Todesstrafe für die Verträge in mildere Sanktionen umzuwandeln bereit wären, sind in Brüssel nicht aufzutreiben. Die EU-Kommission, die offiziell zu dem Thema nichts sagt (»Wir werden uns nicht in die schweizerische Referendumspolitik einmischen«), zeigt sich inoffiziell gelassen bis kaltherzig. Es gebe den bekannten Automatismus, heißt es aus dem Berlaymont-Gebäude. Bei einem Nein würde das Schengen-Abkommen erlöschen, Grenzkontrollen würden unvermeidlich. Punkt. Auch die tschechische Ratspräsidentschaft denkt nicht über flexible Lösungen nach. Eine zweite Abstimmung über die »Bilateralen«, wie sie die Pragmatiker in der Schweiz anregen (mit Ausnahme der Schengen-Freiheit für Bulgarien und Rumänien), wird die EU nicht akzeptieren. »Rosinenpickerei kann es nicht geben«, sagt ein EU-Diplomat.

    Den ganzen Artikel findet man auf der Webseite der ZEIT hier.