Allein unter Schweizern — so billig wie noch nie
November 23rd, 2009Am letzten Wochenende machten wir eine nette Erfahrung: „Allein unter Schweizern“, und wir leben noch! Das kam so: Wir wollten bei den vielversprechenden Wetteraussichten gern eine längere Wanderung im Zürcher Oberland unternehmen und stiessen beim googlen nach Tourenvorschlägen auf die Webseite der „Zürcherischen Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege“, kurz „ZAW“. Dort fanden wir eine 4.5 Stunden Wanderung auf dem Jurakamm beschrieben, von Hauenstein bei Olten bis nach Waldenburg, geführt, umsonst und draussen.
Wir also nichts wie hin, der Treffpunkt war am Zürcher Hauptbahnhof, im letzten Wagen des Zugs nach Olten am Samstag um 8.30 Uhr. Diesen fanden wir bereits gut gefüllt mit 90 wanderlustigen Schweizern, zwischen 50-80 Jahre alt. Es waren auch viele Einzelwanderer dabei. Wenn entweder der Mann oder die Frau nicht so wild auf frische Luft war oder sich um das Autowaschen kümmern musste daheim. Viele Teilnehmer kannten sich von früheren Touren; es ging sehr zwanglos zu. Nein, es wurde zwar nicht gleich der Schnaps ausgepackt, aber beim Du war man sofort. Auch war es absolut nicht schwierig, einfach jemanden anzuquatschen unterwegs. Alle erfreuten sich an der gemeinsamen Konversation, und es wurde auch gar kein Aufheben darum gemacht, dass wir aus Deutschland stammen. In der Regel wurde zunächst Standarddeutsch mit uns gesprochen, doch nach kurzer Zeit dann wieder Mundart. Die Frage „Versteht ihr Schweizerdeutsch?“ fiel nicht.
Für was steht die Abkürzung „Spl“ auf diesem Schild? Vielleicht für „Spital“, wie im Namen „Spittelberg“ angedeutet? Falsch, es ist ein „Schliessplatz“. Ist doch logisch, oder?
Die Wanderung wurde geführt von einem freiwilligen Wanderleiter; der setzte gelbe Flaggen in die Natur wenn der Weg sich teilte. Ein „Schlussmann“ sammelte sie am Ende wieder ein, so dass niemand verloren gehen konnte.
Falls man bei einem dringenden Bedürfnis im Unterholz verschwinden musste, genügte es, den Rucksack am Weg sichtbar zu deponieren, um so nicht vom Schlussmann überholt zu werden. Ein perfektes System also. Man konnte im Gespräch mit der Nebenfrau oder auch völlig stumm für sich marschieren; das Feld zog sich bei 90 Teilnehmern rasch ziemlich auseinander.
Der Jura war eine Verteidigungslinie im Zweiten Weltkrieg, immer wieder sahen wir solche Panzersperren
und Beton-Toblerones:
Allein unter Schweizern, so fühlt sich das also an. Die Schweizer erzählten, dass sie auch Mitglied bei den Naturfreunden im Südschwarzwald sind und dort gelegentlich durch die Wutachtschlucht mitwandern. Grenzübergreifende Naturverbundenheit sozusagen.
Am Ende in Waldenburg bestand dann die Möglichkeit die neuen Bekanntschaften in einer Kneipe noch zu vertiefen.. Man kann und darf auch Mitglied werden beim ZAW, auch wenn die Wanderungen umsonst sind. Der Jahresbeitrag für Familien hat gute Chancen im Guinness Buch der Rekorde als „Niedrigster Schweizer Vereinsbeitrag“ ausgezeichnet zu werden, denn er beträgt nur 15 CHF, weniger als eine Kinokarte. Wir werden gern wieder mitwandern