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Als die Deutschen plötzlich nicht mehr verhandelten — Das Scheitern der Schweizer Konsensdemokratie im Streit um den Zürcher Flughafen

  • Leben mit dem Fluglärm
  • Seit sechs Jahren leben wir in Bülach, am nördlichen Rand des Zürcher Flughafens Kloten. Vom Fluglärm bekommen wir wenig mit. Der konzentriert sich auf eine relativ schmale Schneise, die unweit von Bülach über das Dorf Höri führt. Doch sehen wir die Flugzeuge von Norden her, also von Deutschland kommend, im 1 ½ Minutentakt über Höri einschweben. Wenn man in der Schneise lebt, hört man sie natürlich auch, und zwar ab 6:00 Uhr morgens bis tief in die Nacht.

  • Laut ist es überall
  • Bevor wir nach Bülach gezogen sind, wurden wir gewarnt: „Fluglärm haben sie im ganzen Zürcher Unterland. Schlimm ist es in Glattbrugg und in Wallisellen, wenn die Maschinen in Richtung Zürich starten und sofort eine scharfe Kurve fliegen, um die Stadt nicht zu überfliegen.“ Diese lautstarke Kurve drehten die startenden Flugzeuge abends zwischen 21:00 Uhr und Mitternacht über Bülach auch, weil ein Überflug der deutschen Grenze nicht mehr erlaubt war. Von Anfang an faszinierte uns im Zürcher Unterland der Umstand, dass hier niemand „gegen den Flughafen“ ist, sondern lediglich eine „Gerechte Fluglärmverteilung“ gefordert wird. Tausende von Menschen arbeiten am Flughafen, jeden Morgen sieht man die Flugbegleiter in schicken Kostümen mit ihren Rollkoffern zur Haltestelle des Flughafen-Schnellbusses laufen, und in fast jedem Mehrfamilienwohnhaus lebt garantiert ein Pilot oder Mitarbeiter vom Bodenpersonal.

  • Ein solider Vertrag mit Unterschrift
  • Jahrelang verhandelte Deutschland mit der Schweiz wegen des Fluglärms, im Oktober 2001 wurde „Nägel mit Köppen“ gemacht, wie wir in Deutschland sagen. Ein solider Vertrag war ausgehandelt:

    Heute (18.10.2001) Donnerstag haben der Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL), André Auer, und der deutsche Botschafter in der Schweiz, Reinhard Hilger, in Bern den Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland über den Luftverkehr unterzeichnet. Die erste vorgezogene Massnahme, ein Nachtflugverbot über süddeutschem Gebiet von 22.00 bis 06.00 Uhr, tritt per 19. Oktober in Kraft. Das BAZL hat die hierfür notwendige provisorische Änderung des Betriebsreglementes für den Flughafen Zürich genehmigt.
    (…)
    Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages haben über dreijährige Verhandlungen zwischen den zwei Ländern offiziell ihr Ende gefunden. Der Staatsvertrag regelt einerseits die Flugsicherung über süddeutschem Gebiet, die unverändert vom Schweizer Unternehmen Skyguide durchgeführt werden kann. Anderseits legt er die Modalitäten für An- und Abflüge auf den beziehungsweise vom Flughafen Zürich über das Territorium Deutschlands fest. Einer der Kernpunkte ist die Limitierung der Anzahl Flüge auf 100’000 pro Jahr ab Februar 2005. Bis zu diesem Termin garantiert die Schweiz, eine jährliche Obergrenze von 154’000 Flugbewegungen nicht zu überschreiten. Als erste vorgezogene Massnahme des Vertrages gilt ab dem 19. Oktober 2001 eine Nachtflugsperre über Süddeutschland zwischen 22.00 und 06.00 Uhr. Mit dem Winterflugplan 2002 tritt die zweite vorgezogene Massnahme, eine Flugsperre zwischen 20.00 und 09.00 Uhr an Wochenenden, in Kraft. Ausgenommen von diesen Einschränkungen sind Flüge, welche bedingt durch äussere Umstände über süddeutsches Gebiet anfliegen müssen.
    Damit der Staatsvertrag seine Rechtskraft entfalten kann, bedarf er der Ratifikation durch die beiden Länder. In der Schweiz liegt dies in der Kompetenz der Eidgenössischen Räte. Die Behandlung des Geschäftes im Parlament ist im Verlauf des kommenden Jahres vorgesehen.
    (Quelle: uvek.admin.ch 18.10.2001)

    Drei Jahre hatte es gedauert, bis dieser Vertrag endlich unterschrieben werden konnte:

    Seit Ende der Siebzigerjahre bestanden Differenzen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz wegen diesen An- und Abflügen durch deutschen Luftraum, die trotz verschiedener Bemühungen nie beigelegt werden konnten. Ende 1998 haben auf Wunsch der Bundesrepublik Deutschland Gespräche über den Abschluss eines Staatsvertrages begonnen. Er sollte einerseits eine genügende rechtliche Grundlage für die Ausübung der Flugsicherung im deutschen Hoheitsgebiet schaffen und andererseits die durch den An- und Abflugverkehr verursachten Lärmbelastungen auf deutschem Gebiet regeln. Am 18. Oktober 2001 wurde ein entsprechender Vertrag unterzeichnet. Der Vertrag räumt der Schweiz die Befugnis zur Durchführung der Flugsicherung in einem grossen Gebiet Süddeutschlands ein. Er beschränkt zudem die Anzahl Anflüge nach Zürich durch deutschen Luftraum auf unter 100 000 pro Jahr und verbietet im Regelfall Anflüge zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr. An Wochenenden gilt eine auf 20.00 Uhr bis 09.00 Uhr ausgedehnte Nachtflugbeschränkung. Die Schweiz erhielt die erforderlichen langen Übergangsfristen für Anpassungen der Infrastruktur, welche bei einer Neuverteilung des An- und Abflugverkehrs notwendig werden.
    (Quelle: admin.ch 8.3.2002 )

  • Konsenspolitik kontra repräsentative Demokratie
  • Der Vertrag war unterzeichnet, aber noch nicht von der Schweiz ratifiziert. Was sich nun nach in der Zeit vom November 2001 bis zum Februar 2003 zwischen der Schweiz und Deutschland abspielte, ist für uns das klassische Lehrbeispiel für das tragische Aufeinanderprallen zweier politischer Systeme: Schweizer Konsenspolitik, die es gewohnt ist, so lange weiterzureden und zu verhandeln, bis tatsächlich eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung des Problems ausgehandelt ist, auch mehrheitsfähig bei einem anstehenden Volksentscheid, prallte auf Deutsche Exekutive, genauer gesagt auf „Repräsentative Demokratie“, bei der gewählte Volksvertreter vor ihren Wählern beweisen müssen, dass sie sich durchsetzen können und unterschriebene Verträge auch ernst nehmen.

    Keine Nachverhandlungen zum Staatsvertrag mit Deutschland
    Die Schweiz und Deutschland werden keine Nachverhandlungen zum Luftverkehrs-Staatsvertrag führen. An den Sondierungsgesprächen vom 17.2. 2003 in Berlin konnten Bundesrat Moritz Leuenberger und der deutsche Verkehrsminister Manfred Stolpe keine Annäherung ihrer Standpunkte erreichen.
    Ausschlaggebend war insbesondere die harte Haltung des Bundeslandes Baden-Württemberg, das bei der Wochenendregelung zu keinen Konzessionen bereit war. Der schweizerische Verkehrsminister hatte sich in Absprache mit den Betroffenen namentlich für eine Lockerung der im Staatsvertrag vereinbarten Flugverbotszeiten an Wochenenden eingesetzt.
    Die Gespräche in Berlin zeigen aber auch, dass der Staatsvertrag angesichts der massiven innenpolitischen Widerstände in Deutschland und der Schweiz nach wie vor den bestmöglichen Kompromiss darstellt. Er verlangt beiden Seiten erhebliche Zugeständnisse ab. Bundesrat Leuenberger wird sich deshalb im Ständerat weiterhin für die Ratifizierung der Vereinbarung einsetzen.
    Für den Fall einer Ablehnung des Staatsvertrages durch die Schweiz hat Bundesverkehrsminister Stolpe bekräftigt, dass er sich „zum Handeln gezwungen“ sähe: Deutschland würde einseitige Massnahmen erlassen, die voraussichtlich die im Staatsvertrag vorgesehenen Beschränkungen verschärfen würden. Diese Massnahmen könnten vor einem deutschen Gericht angefochten werden. Ein solches Vorgehen ist jedoch riskant, nachdem das Verwaltungsgericht Mannheim kürzlich den Rekurs von „Unique“ und Swiss gegen die vorgezogenen Massnahmen (Nacht- und Wochenendflugverbot) abgelehnt hatte. Im weitern würde Deutschland die Rücknahme der Flugsicherung im deutschen Luftraum prüfen.
    Veröffentlicht am: 18.02.2003 (Quelle)

  • Noch eine weitere kleine Nachverhandlung gefällig?
  • Die Positionen waren klar. Die Schweizer wollen weiter verhandeln, die Deutschen kündigten Massnahmen an. Doch die Schweizer „Dauerverhandler“ pokerten weiter und spielten auf Zeit:

    (sda-Meldung vom 27.02.2003)
    Zürcher Regierungsrat bekräftigt sein Nein zum Staatsvertrag. Risiko von einseitigen Massnahmen wird in Kauf genommen.

    Der Zürcher Regierungsrat bekräftigt seine Ablehnung des Staatsvertrags mit Deutschland über den Luftverkehr. Trotz des Risikos von einseitigen Massnahmen Deutschlands gebe es keinen Grund, von der bisherigen Haltung abzuweichen.
    Nach dem erfolglosen Sondierungsgespräch von Bundesrat Moritz Leuenberger mit dem deutschen Verkehrsminister Manfred Stolpe in Berlin habe die Zürcher Regierung eine Lagebeurteilung vorgenommen. Mit dem Resultat, „dass der Staatsvertrag nicht im langfristigen Interesse des Kantons Zürich und des Flughafens liegt“.
    Durch die Entwicklung der letzten Monate sehe sich der Regierungsrat in seiner ablehnenden Haltung zum Staatsvertrag bestätigt, heisst es in einem Communiqué vom Donnerstag. Unter anderem habe sich letzte Woche die vorberatende Kommission des Ständerats ablehnend zum Luftverkehr-Staatsvertrag geäussert.
    Der Zürcher Regierungsrat ist sich bewusst, dass einseitig angeordnete Massnahmen durch Deutschland nicht auszuschliessen sind. In diesem Fall würde die Bevölkerung eine grössere Belastung erfahren und der Flughafen in seiner Kapazität eingeschränkt.
    Dennoch bekräftigt der Regierungsrat sein bereits im April und im November 2002 geäussertes Nein zum Staatsvertrag. Im November sprach er sich zudem dafür aus, für die nächsten 10 bis 15 Jahre am bestehenden Betriebsreglement festzuhalten. Demnach soll es keine zusätzlichen Ostanflüge und keine neuen Südanflüge geben.
    (Quelle: parlament.ch )

  • Als die „einseitige Verordnung“ den Schwebezustand beendete
  • Schliesslich greift in Deutschland die Exekutive per Verordnung durch. Was die Schweizer Konsenspolitiker bis zu diesem Moment nicht wirklich realistisch erwartet haben, tritt ein, als Deutschland die Überflug-Verordnung ausser Kraft setzt:

    Streit um Fluglärm. Deutschland setzt einseitige Verordnung per 17. April in Kraft
    Berlin (sda) Deutschland hat am Freitag seine Ankündigung wahr gemacht: Nach dem Scheitern der Luftverkehrsverhandlungen wird per 17. April die einseitige Verordnung für Überflüge zum Flughafen Zürich-Kloten in Kraft gesetzt. Dadurch wird die Zahl der Überflüge über Süddeutsches Gebiet in einem ersten Schritt auf unter 110 000 pro Jahr und ein Jahr später auf weniger als 80 000 reduziert. In der Vergangenheit waren es mehr als 150 000 Überflüge.
    Das Nachtflugverbot wird zunächst auf 21.00 bis 07.00 Uhr und ab 2004 auf 20.00 bis 08.00 Uhr ausgeweitet. Gemäss dem gescheiterten Staatsvertrag wären an Werktagen Überflüge zwischen 22.00 bis 06.00 Uhr möglich gewesen.
    Die Inkraftsetzung der strengen Auflagen wurde am Freitag von der Parlamentarischen Staatssekretärin im Verkehrsministerium, Iris Gleicke, im Bundestag mitgeteilt. Die Ankündigung, während einer kurzen Debatte zu den einseitigen Massnahmen, wurde von allen Fraktionen unterstützt.
    (Quelle: parlament.ch )

  • Fazit: Wie konnte das passieren?
  • Ohne jetzt in die Details des Streits gehen zu wollen, ohne die zahlreichen Vorschläge, Varianten und Möglichkeiten zu diskutieren, faszinierte uns an diesem Deutsch-Schweizer Streit, der sich immerhin von 2001 – 2003 hinzog, stets dieser entscheidende Moment, an dem die Schweizer Verhandlungsstrategie des „auf Zeit Spielens“ und „ewig Weiterverhandelns“ wie eine Seifenblase platzte. Die Schweizer sind diese Art des Taktierens in ihrem Politikverständnis gewohnt. Vorschläge werden unterbreitet und abgelehnt, Gegenvorschläge kommen zur Abstimmung, nach langem Verhandeln einigt man sich auf einem Kompromiss, den alle mittragen können. So läuft es immer ab in der Schweiz, darauf basiert langfristig die Stabilität der Schweiz. Doch mit Deutschland ist diese Verhandlungstaktik kolossal gescheitert.

    Ein weiterer Beleg dafür, wie gering das Wissen über das politisches System des Nachbarn und seine Entscheidungswege sein mag.

    

    56 Responses to “Als die Deutschen plötzlich nicht mehr verhandelten — Das Scheitern der Schweizer Konsensdemokratie im Streit um den Zürcher Flughafen”

    1. Yoda Says:

      @holger
      Dankenswerter Weise hat mambühl den grossteil Deiner Bemerkungen beantwortet. Nur noch das von Dir wiederholt angesprochene Thema der Ratifizierung von Verträgen zwischen Staaten bleibt es zu beantworten. Es ist halt eine Tatsache, das es heute kaum noch einen Potentaten gibt, der einen Staatsvertrag staatsrechtlich gültig unterschreiben kann und damit Basta! Ein von Unterhändlern (auch z.B. Ministern) unterschriebener Vertrag benötigt die Genehmigung der Vertretungen der entsprechenden Völker (z. B. des Parlaments). Bis dahin ist der Vertrag eine bessere und feste Absichtserklärung, hat aber keine Rechtsgültigkeit.

      Da gerade in Deutschland fast jedes wichtigere Gesetz der vergangenen Jahre zwar vom Bundestag verabschiedet wurde, dann aber (im Bundesrat oder sogar nach Inkraftsetzung) nachgebessert werden musste, würde ich erwarten, dass Du grosses Verständnis für eine von der Mehrheit des zuständigen parlamentarischen Organs geäusserten Wunsch nach Nachbesserung im Rahmen des Verfahrens der Ratifizierung hast.

      Ich gehe hier nicht darauf ein, ob Nachverhandlungen in diesem speziellen Fall durchsetzbar oder gar nur sinnvoll waren. Ich währe mich nur gegen Dein Wutentbranntes „Pacta sunt servanda“ – hier am falschen Platz. Ein Staatsvertrag ist erst nach seiner Ratifizierung durch alle Vertragspartner ein Vertrag.

    2. Brun(o)egg Says:

      @ Gerald

      Betreffend Hochrheinautobahn dürften die Rosinen eindeutig auf Süddeutscher Seite gepickt werden. Basel Schaffhausen ist keine unbedingt nötige Route für Schweizer. Hätte aber, zugestanden, auch für uns Vorteile: Weniger WT’s auf der A2 Zürich- Basel, spätestens ab Stein.

    3. Gerald Says:

      @ Brun(o)egg

      Aber Weil / Lörrach -> Singen ist für Deutschland richtig wichtig?

      Ich denke die Vorteile liegen auf beiden Seiten. Für die Schweiz hätte sie Vorteile ebenso für Deutschland. Ähnlich liegt die Sache bei der Umfahrung von Basel. Seit sie offen ist fahre ich nicht mehr durch Basel wenn ich nach Deutschland muss. So spare ich Zeit und Basel Verkehr.

    4. NT Says:

      Fassen wir das Ganze doch mal chronologisch zusammen:

      a) Der Flughafen Zürich-Kloten wurde nach 1945 nach und nach zu einem Schweizer Drehkreuz ausgebaut. Die geografische und die politische Lage erlaubte es Zürich, seinen Flughafen nach Norden auszurichten. Das heißt: Die Pistenführung verlief so, dass von Norden her gelandet und nach Westen hin gestartet wurde.
      b) 1982: Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland. Danach sollte die Zahl der Anflüge über deutsches Gebiet auf unter 100 000 gesenkt werden. Doch der Effekt blieb aus. Im Gegenteil. Die Zahl der Anflüge stieg weiter auf deutlich über 100 000. In den 90er Jahren wurde der Flughafen weiter ausgebaut, die Zahl der Flüge stieg weiter.
      c) 2000: Bundesverkehrsminister Klimt (SPD) kündigt das Abkommen mit der Schweiz und setzte ein Ultimatum: Die Schweiz solle sich in einem Staatsvertrag zu einer Regelung des Flugverkehrs verpflichten. Andernfalls drohte er mit einer deutschen Verordnung, die regeln werde, was bislang gütlich nicht zu regeln war. Die Schweiz stimmt Verhandlungen über einen Staatsvertrag zu.
      d) 19.10.2001: Der Staatsvertrag wird unterzeichnet. Ich hoffe mal, dass der Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL), André Auer als schweizer Verhandlungsführer keinen verhandlungstechnischen Alleingang gemacht hat und dass die schweizer Regierung, bzw. die Eidgenössischen Räte über jeden Verhandlungsschritt unterrichtet waren. Das Thema der Verhandlungen war ja nicht ganz unbedeutend. Anscheinend war alles soweit in Ordnung, sonst hätte man eigentlich weiter verhandeln müssen. Staatsverträge werden normalerweise ziemlich sorgfältig vorbereitet, um solche kleinen „Katastrophen“, wie dann später eine passiert ist, möglichst zu vermeiden.
      e) April/November 2002: Der Züricher Regierungsrat bekräftigt sein Nein zum Staatsvertrag.
      f) 17.3.2003: „Sondierungsgespräche“ über Anderung des Staatsvertrags, weil dieser sonst von seiten der Schweiz nicht ratifiziert werden würde. Die deutsche Seite winkt ab und verweist auf den am 19.10.2001 unterzeichneten Vetrag und kündigt Konsequenzen an, falls dieser abgelehnt werde. Daraufhin bekräftigt der Zürcher Regierungsrat seine Ablehnung des Staatsvertrags mit Deutschland über den Luftverkehr.
      g) Der Staatsvertrag fällt im eidgenössischen Parlament durch. Auf Schweizer Seite wurde der Staatsvertrag als Knebelvertrag oder auch „Diktat“ Deutschlands angesehen. Was bislang möglich war – die unbegrenzte Nutzung deutschen Luftraumes und zwar unter Ignorierung des Abkommens von 1982 – wurde von der Mehrheit der Parlamentarier auch für die Zukunft erwartet. Ich muss mich fragen: Was und mit welcher Legitimation hat dieser André Auer im Jahre 2001 eigentlich verhandelt ?
      h) 17.4.2003: Deutschland setzt die einseitige Verordnung für Überflüge zum Flughafen Zürich-Kloten in Kraft, was 2000 als Konsequenz aus dem Scheitern des Staatsvertrages angekündigt war.
      i) 10..6.2003: Gegen diese Massnahmen führt die Schweizerische Eidgenossenschaft bei der Europäischen Kommission Beschwerde.
      j) 5.12.2003: Die Kommission weist die Beschwerde ab.
      k) Febr. 2004: Die Schweiz reicht Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die deutschen Anflugbeschränkungen auf den Flughafen Zürich ein. Die Klage richtet sich gegen den Entscheid der Europäischen Kommission vom Dezember 2003, in welchem die von Deutschland verfügten Massnahmen als rechtmässig bezeichnet wurden.
      l) bis heute: Beschränkungen sind in Kraft, der Europäische Gerichtshof lässt sich Zeit (warum auch nicht..Das Dilemma hat die Schweiz allein zu verantworten). Diverse Klagen sind von deutschen Gerichten in der Zwischenzeit abgewiesen worden.

      Fazit: 21 Jahre (von 1982 – 2003) wurde von seiten der Schweiz das Abkommen von 1982 ignoriert.

      Als 2001 Konsequenzen (Kündigung des Abkommens, Ultimatum) angekündigt wurden, wurden zwar Verhandlungen über ein Staatsvertrag aufgenommen, aber so wie die Sache dann gelaufen ist, muss man davon ausgehen, dass die Schweiz nie ernsthaft an einer vertraglichen Lösung interessiert war. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Versuch, mit einer Beschwerde vor der Europäischen Kommission, bzw. als Ultimo Ratio einer Klage vor dem Europäische Gerichtshof den Status Quo von vor 2000 zu erhalten bzw. das permanente Ignorieren des Abkommens von 1982 letzlich zu legitimieren, von vornherein als mögliche Option ins Kalkül gezogen wurde, falls die deutsche Seite wider Erwarten doch Konsequenzen ziehen und nicht weitere 20 Jahre stillhalten sollte.

    5. viking Says:

      @NT Vielen Dank für die ausführliche Darlegung. Dies ist der Grund, warum mir (als gebürtigem Zürcher) dieses Rumgeflenne und Rumgemeckere bezüglich der „Schuld Deutschlands“ am Fluglärm und der Situation im Süden des Flughafens gewaltig auf den S..enkel geht.

      @Südschneiser
      Bedankt euch doch einfach mal beim Zürcher Regierungsrat für dieses „Geschenk“. Hätte sich der damals noch (halb)“staatliche“ Flughafen an die Abmachungen gehalten, hätte Deutschland nie in dem Masse interveniert.

    6. mambuehl Says:

      @viking – vom rumgeflenne halte ich auch nicht viel. die situation ist, wie sie ist, man muss das beste draus machen. und trotzdem – eine gute und gerechte lösung sollte trotzdem möglich sein. und zwar mit D.