Muss der Chauffeur eigentlich noch heizen? Oder heisst er nur so?

Juni 8th, 2006

Gestern diskutierten wir hier die Redewendung „sauber übers Nierenstück„, welches wir im Tages-Anzeiger vom 24.05.06 gefunden hatten:

Sauber übers Nierstück im Tagi

In dem zitierten Tagi-Artikel von Peter W. Frey geht es um den SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner, in dessen Transportfirma die „Chauffeure gegen die Chauffeurverordnung“ verstossen haben.

  • Dem Chauffeur ist niemals kalt
  • Nun wissen wir alle, dass „chauffer“ Französisch ist und „heizen“ bedeutet, und ein Chauffeur ursprünglich der Heizer auf der Dampflokomotive war, später dann die feinen Lederhandschuhe anzog und lieber Luxuskarosserien mit feinen Herrschaften im Verschlag durch die Gegend kutschierte.

    Will der wirklich Camions fahren?
    (Foto: moviestarlimo.com)

    Solche merkwürdigen Assoziationen haben allerdings nur wir Deutsche beim Wort „Chauffeur“. Nicht die Schweizer, für die ist ein „Camion Chauffeur“ einfach nur ein unterbezahlter und überarbeitete LKW-Fahrer, die seine vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht einhalten kann, darf oder will und immer weiter über die Autobahn „heizt„. Zitat aus dem Artikel von Peter W. Frey:

    Nach einer Busse wegen Verletzung der Chauffeurverordnung habe er 2004 seine 87 Fahrer durch die Kantonspolizei nochmals eingehen instruieren lassen.
    (Tages-Anzeiger vom 24.05.06)

  • Busse, Car und Postauto
  • Warum die Schweizer ihre „Busse“ eigentlich nie mit den gleichnahmigen Fahrzeugen für viele Fahrgäste verwechseln, verstanden wir erst, als wir entdeckten, dass hier die Reisebusse „Car“ heissen, und der Überlandbus „Das Postauto“ ist. Das Postauto in der Schweiz sieht so aus:
    Das Postauto in der Schweiz
    (Quelle: schwaegalp-schwinget.ch)

    In Leipzig (Kanton Sachsen) hingegen sieht das Postauto so aus:
    Das Postauto in Deutschland
    (Quelle: Uni-leipzig.de)

    Verwechslungen sind daher völlig unmöglich. Aber wie sagt man dann in der Schweiz zum Auto des Briefträgers?

    Sind Sie auch sauber übers Nierenstück?

    Juni 7th, 2006
  • Gegenteil vom „Tolgen im Reinheft haben“
  • Lange mussten wir warten, um das passende Gegenstück zum „Tolgen im Reinheft“ (vlg. Blogwiese) der Schweizer zu finden. Doch dann stiessen wir im Fachblatt für das T-äglich A-ngewandte G-ebrauchs I-diom auf diesen Passus:

    Giezendanner steht auf und legt Gerichtspräsident Christian Sigg Unterlagen auf dem Tisch. Sie sollen dokumentieren, dass seine Firma sauber übers Nierstück ist.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 24.05.06, S. 3)

    Sauber übers Nierstück im Tagi

  • Nierstücke sind etwas sehr feines, auch ohne „e“
  • Eigentlich haben Nierenstücke immer sauber zu sein. Schliesslich wollen wir sie ja essen. Es gibt sie vom Schwein genauso wie vom Rind:
    Nierenstücke von delicarna.ch
    (Quelle Foto: delicarna.ch)

  • Nierenstücke sind kein Fleisch der Niere
  • Für uns Deutsche ist das Tollste an diesem leckeren Stück Fleisch die Tatsache, dass es überhaupt nichts mit der Niere von einem Schwein oder Rind zu tun hat, sondern das Wort „Niere“ (ohne Endungs-E) lediglich auf die Position verweist:
    Hier sind die Nierstücke
    Grafik Wikipedia
    (Zeichnung aus Wikipedia)

    In Deutschland nennen wir dies sehr teutonisch-preussisch „Kotelett“:

    Koteletts (von französisch côtelette für Rippchen aus französisch côte, bzw. lateinisch costa für „Seite, Rippe“) oder Karrees sind Scheiben aus dem Rippenstück (auch Karree, Rücken oder Kotelettstrang genannt) mit Knochen (…). Beim Schwein reicht der Kotelettstrang bis zur Hinterkeule. Die vorderen Koteletts werden wegen der anliegenden Rippenknochen Stiel- oder Rippenkotelett genannt, die hinteren, die auch Teile des Filets enthalten, Lummer- oder Lendenkotelett, schweizerisch Nierenstück. Dieses Teilstück ist besonders knochenarm und mager.
    (Quelle: Wikipedia)

    So müssen wir also keine Angst haben, Niere vorgesetzt zu bekommen, sondern können weiter von Koteletts träumen. Mag hier jemand Niere? Aber was hat ein leckeres Fleischgericht nun mit dem „Tolgen im Reinheft“ zu tun? Wir finden zwar eine Erklärung für die Redewendung „Sauber sein übers Nierenstück“:

    eine weiße (o. reine o. saubere) Weste haben – sauber sein übers Nierenstück
    (Quelle: proverbium.eu)

    haben deswegen aber noch nicht verstanden, warum die Schweizer ausgerechnet an Koteletts denken, wenn sie eine „weisse Weste“ meinen. Mal sehen, wo sich diese Redewendung sonst noch finden lässt. Google kennt zwei Varianten: Mit und ohne Binnen-E: „Sauber übers Nierenstück“ und „Sauber übers Nierstück“. Besonders überrascht hat uns eine Fundstelle bei unserem Schweizer Lieblingsdichter, Gottfried Keller. Sie wissen schon, der Mann mit der Lizenz zum „i“ schreiben im Adjektiv „Züricher“ (vgl. Blogwiese) .

  • Ein Hevetismus bei Gottfried Keller!
  • In seiner berühmten Novelle „Das Fähnlein der sieben Aufrechten“, die mehrfach verfilmt wurde (zuletzt etwas unglücklich 2001, siehe IMDB ) heisst es:

    nie drängte sich einer von ihnen vor oder strebte nach einem Vorteil oder nach einem Amte, und ihre größte Ehre setzten sie darein, gelegentlich einem oder dem andern »berühmten Eidgenossen« schnell die Hand zu drücken; aber es mußte schon ein rechter sein und »sauber übers Nierenstück«, wie sie zu sagen pflegten.
    (Quelle: Das Fähnlein der Sieben Aufrechten)

    Auffallend ist hier, das Keller den Buchstaben „e“ zwar Hochdeutsch mässig mitschreibt, die Redewendung aber mit Gänsefüsschen als eine solche deutlich kennzeichnet. Helvetismen sind verdammt schwer zu finden bei ihm!

    Auf einer christlichen Website finden wir den Ausdruck ebenfalls:

    Jesus hatte keine Berührungsängste. Er konnte mit allen Menschen reden. Auch mit solchen, die nach dem Urteil der Gesetzeslehrer nicht sauber übers Nierstück waren.
    (Quelle: Christkath.ch)

    Laut unserem Sprichwörter-Duden galt die Niere früher als Sitz der Gemütsbewegungen, auch allgemein als Sitz der Lebenskraft. Daher rühren noch die Wendung „Es geht mir an die Nieren“ oder „etwas auf Herz und Nieren prüfen“. Die Schweizer scheinen hier pragmatischer veranlagt zu sein: Wer über dem Nierenstück sauber ist, hat eine reine Weste und nichts zu verbergen. Warum das wohl so ist? Hier müssen wir passen und bitte um Ratschläge von belesenen Metzgern, Fleischern und Kotelettspezialisten.

    Die Nachschlagung — Per Antragformular Ruhe auf dem Rütli schaffen

    Juni 6th, 2006
  • Es „sich“ gewohnt sein
  • Studenten in Deutschland sind einiges gewohnt, was ihre Mahlzeiten in der „Mensa“, dem studentischen Mittagstisch angeht. Anders als die Schweizer können sie beim „gewohnt sein“ nicht noch ein „sich“ einfügen. Ihre Schweizer Mitstudenten hingegen sind „sich“ einiges gewohnt. Beim Überqueren des Rheines in Richtung Norden säuft dieses „sich“ dann ab. Es existiert in Deutschland beim „gewohnt sein“ nicht. Oder hat es „sich“ einfach dünne gemacht und ist zum Wetter geflüchtet, das „sich“ in Deutschland, anders als in der Schweiz, ständig reflexiv ändert?

  • Stammessen und Nachschlag
  • Studenten sind „sich“ einiges gewohnt, sie müssen in einer Mensa nämlich „Stammessen“ essen. Das sind jetzt keine Baumstämme, oder nach Volksstämmen sortierte Angebote, sondern schlicht eine Auswahl zwischen „Eins“ und „Zwei“. So heissen die Warteschlangen zu den Fliesbändern der Massenabspeisungen in der Universität. Wem die normale Portion beim Essen nicht reicht, der muss noch mal zurück und sich einen „Nachschlag“ holen.

  • Nachschlag auch bei den Staumeldungen
  • Das tut nicht weh und macht extra satt, eine ordentliche Portion „Sättigungsbeilage“, wie man im Osten das offiziell nannte. Da viele Menschen in Deutschland studieren und anschliessend als Soziologen oder Deutschlehrer auf der Strasse stehen ohne Job, gehen diese Menschen zum Beispiel zum Radio, um Moderator zu werden. Und so kommt es, dass beim Sender SWR3 aus Baden-Baden, der bis weit in die Schweiz gut zu empfangen ist, permanent vom „Nachschlag“ geredet wird, wenn nach der Verlesung der morgendlichen Staumeldungen noch eine Information nachgeliefert wird: „Ich habe da noch einen Nachschlag….

    Wir fragen uns dann als Hörer immer, in welcher Mensa diese Moderatoren früher nicht satt wurden, wenn sie heute noch vom Nachschlag träumen.

  • Aus „Nachschlagen“ wird die „Nachschlagung“
  • Für die Schweizer ist das Verb „nachschlagen“ und sein Substantiv, das „Nachschlagen einer Information“ offensichtlich zu kurz. Es klingt tönt nicht schön in ihren Ohren, da muss doch noch was dran. Jawohl, ein „-ung“ wäre fein.

    Das hübsche Wort findet sich in vielen Gesetzestexten und Anleitung. So lasen wir hier beim Justiz-Departement des Kanton Solothurn unter der Überschrift: „Eintragung von Dienstbarkeiten und Grundlasten im Grundbuch“ die Anleitung:

    4. Attribute, wie „unbedingt“, „ungehindert“, „beschränkt“, „unbeschränkt“, usw., sind für den Hauptbucheintrag nicht zu verwenden, denn sie sind in der Regel für die nähere Bestimmung des Inhaltes der Dienstbarkeit oder Grundlast, weil sie zu dessen Feststellung die Nachschlagung des Grundbuchbeleges nicht entbehrlich machen, belanglos.
    (Quelle)

    Voller Anerkennung verleihen wir auch bei diesem Text für die Verwendung des doppelten Genitivs („des Inhalts der Dieinstbarkeit“ und „dessen Festlegung die Nachschlagung des Grundbuchbeleges“) unser Ehrenabzeichen am Goldenen Bande.

    In Deutschland wird das Wort „Nachschlagung“ nur im staubtrockenen Deutschen Rechtswörterbuch DRW erwähnt, aber nicht in echten Texten, zusammen mit
    dem Nachschlagungsprotokoll,
    dem Nachschlagungsrecht,
    dem Nachschlagungszug und
    dem Nachschlagsverfahren.
    (Quelle: DRW)
    Wir anerkennen auch hier neidlos die juristische Kreativität.

  • Sie wollen zum Rütli? Dann bitte hier den Antrag ausfüllen und unterschreiben!
  • Entdeckt haben wir das hübsche Wort in einem Artikel des Tages-Anzeigers vom 04.06.06 über die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft SGG, welche in diesem Jahr für das Anmeldeprozedere zum Nationalheiligtum Rütli zuständig ist. Wer dort am 1. August hinfahren möchte, braucht ein Ticket, dass mit diesem Formular beantragt werden muss.

    Darin heisst es:

    Das Antragsformular muss leserlich, vollständig und wahrheitsgetreu ausgefüllt werden.
    Unleserliche Antragsformulare und Antragsformulare, die nicht vollständig und/oder nicht wahrheitsgetreu ausgefüllt sind, werden ohne Benachrichtigung nicht zugelassen.
    Die Veranstalter behalten sich vor im Zweifelsfall die auf dem Antragsformular aufgeführten Personen durch Nachschlagung in den polizeilichen Datenbanken zu überprüfen.
    Die Karten sind persönlich und nur mit einem Personalausweis gültig.

    Wenn das die Radaubrüder vom letzten Jahr noch nicht genug abschrecken sollte von ihren bösen Plänen, dann sicherlich der letzte Absatz dieses Antragformulars:

    Ich/wir verpflichte mich/uns, die Bundesfeier am 1. August in keiner Weise zu stören und mich/uns an die Hausordnung der Rütlikommission der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft zu halten, bzw. dass ich/wir mich/uns an die Weisungen der Polizei und des Ordnungsdienstes halten werden.
    Ort und Datum: Unterschrift:

    (Quelle: sgg-ssup.ch)
    Ein Mann, ein Wort. Ein Rütlifest, ein Formular. So nimmt der friedliche Geist des Treffens auf der Rütliwiese endlich Gestalt an. Wir fragen uns, warum man nicht früher auf diese Idee gekommen ist. Einfach alle Besucher auf dem Weg zur Rütli diesen Zettel unterschreiben lassen, und schon ist Ruhe auf der Wiese. Dass die Schweizer Behörden auf solche genialen Ideen aber immer erst so spät kommen. Was hätte alles damit im letzten Jahr verhindert werden können!

    Am besten parken Sie in Deutschland — Probleme eines Deutschen beim Parkieren

    Juni 3rd, 2006
  • Parkieren und nicht Parken
  • Eines der ersten Wörter, welches wir als Deutsche in der Schweiz lernten, war „parkieren“. Warum das so schnell ging? Weil auf unsere naive Frage an einen Schweizer „Entschuldigen Sie, aber wo können wir hier parken?“ postwendend die Antwort erfolgte: „Hier können Sie nicht parkieren, hier ist eine blaue Zone“. Also suchten wir einen der begehrten „Besucherparkplätze“ vor einem 6-Familien-Wohnblock und blieben tagelang dort stehen.
    Besucherparkplatz nur mit deutschem Kennzeichen
    Solange wir ein deutsches Nummernschild hatten, war das kein Problem. Die Schweizer glauben dann, man sei ohne Aufenthaltsbewilligung hier oder besuche gerade den gut betuchten Schweizer Schwager. Deswegen dulden sie dieses Parkverhalten grosszügig (oder mitleidig?) eine Weile.

    Auf keinen Fall sollten Sie Ihr Auto auf diesem Platz abstellen, denn sonst kann sich der Hauswart dieser „Überbauung“ nicht mehr waschen. Und wenn er sich nicht waschen kann, dann kann er sehr sehr unangenehm werden. Nicht nur, was den Geruch angeht.
    Waschplatz Hauswart

  • Kostenlos vor der Tür parken können Sie vergessen
  • Will ein Deutscher allerdings ganz in die Schweiz ziehen, womöglich noch nach Zürich, in eine extrem billige Wohnung, sagen wir 1.800 Franken für drei Zimmer, im 4. Stock an einer Durchfahrtsstrasse, dafür aber nur 25 Minuten Fussweg bis zum Hauptbahnhof (für Leser aus Deutschland: Da sind ca 1.200 Euro, also ungefähr der Betrag den Sie in einer deutschen Kleinstadt für die Miete eines Einfamilienhauses lockermachen müssen), dann merkt er rasch, warum diese Wohnung so „billig“ ist: Sie hat höchstwahrscheinlich keinen Parkplatz! Und den braucht der Zugezogene, wenn er mit Auto in Zürich wohnen möchte. Weil es hier keine kostenlosen „Laternenparkplätze“ gibt. (vgl. Blogwiese)
    Keine Laternenparkplätze weit und breit
    Für Deutsche Augen ungewohnt: Niemand parkt am Strassenrand dieser Wohnstrasse

  • Wenn das Auto nicht mehr da steht wo es gestern noch stand
  • Ein Bekannter war gerade frisch nach Zürich gezogen und verzweifelte schnell, weil er vergeblich in der Nähe seiner Wohnung einen kostenlosen Parkplatz suchte. In der ersten Nacht habe man ihm in Zürich sein Auto abgeschleppt, erzählte er uns übers Handy. Es war jedenfalls nicht mehr dort, wo er es am Abend zuvor ohne Berechtigung in einer blauen Zone geparkt hatte. Es muss schon etwas später gewesen sein.

    Als er am nächsten Morgen nach vergeblicher Suche nach dem Auto schliesslich die Polizei fragte, wo er den Wagen nun zurückbekommen könne, erklärte man es ihm: Das Auto stand, mit einem „Knöllchen“ dekoriert, welches hier bussfertig „Bussenzettel“ heisst, immer noch dort, wo er es am Vorabend abgestellt hatte. Die Strassen von Zürich sehen bei Nacht vermutlich alle gleich aus.

    Gibt es eigentlich schon GPS für die Hosentasche, um damit sein Auto wieder zu finden? Jedenfalls konnte ihm die freundliche Stadtpolizei von Zürich (kurz „STAPO„, nicht verwechseln mit „KAPO“ = Kantonspolizei) erklären, wie er zu seinem Auto kommt. Es wurde nämlich bereits von der Polizei sorgsam beobachtet. Nicht mehr lange, und das Auto wäre wirklich abgeschleppt worden.

  • Parken auf dem „ganz grossen Parkplatz“
  • Es blieb unserem Bekannten nur die Möglichkeit, ein Platz für 500 Franken monatlich in einer Tiefgarage zu mieten. Doch dann kam er auf eine viel billigere Idee: Er fuhr seinen Wagen über die Grenze in den ersten deutschen Ort, es war Lottstetten, parkte ihn dort in einer Wohnstrasse unter einer Laterne, und fuhr mit der S-Bahn zurück nach Zürich. Dort liess er das Auto, bis er es verkaufen konnte um sich von dem Geld ein GA (Generalabo = Jahresfahrkarte) der SBB zu kaufen.

  • Die grosse Migration der Facharbeiter
  • Verkauft hat er es an einen frisch nach Lotstetten gezogenen Ostdeutschen. Grenzgebiet ist „Boomzone“ in Deutschland. Die dort schon länger wohnen, gehen nach Zürich zum Arbeiten. Ihre lokalen Jobs werden frei für die Nachrücker aus dem Osten. Die wiederum warten fortan nur darauf, auch ins „El Dorado Schweiz“ weiterziehen zu dürfen. Alle sind sie Teil einer gigantischen Migrationsbewegung in Europa, bei der Facharbeiter aus Weissrussland auf die Baustellen nach Polen ziehen, während die dortigen polnischen Kollegen auf dem Weg zu den Baustellen in Westberlin sind. Die dortigen Ostdeutschen ziehen in den Süd-Westen Deutschlands oder in die Schweiz. Alle sind sie auf der Suche nach Arbeit, Auskommen und Zukunftsperspektiven. Und die Schweizer? Wenn es denen zu bunt wird, wandern sie aus. Nach Frankreich (169.437), Deutschland (71.115), Italien (46.327) oder in die USA (71.773) (Quelle: aso.ch).

    (2. Teil morgen: Es gibt doch noch kostenlose Parkplätze im Kanton Zürich!)

    Vertragen Sie sich mit Ihrem Zeitungsboten?

    Mai 28th, 2006
  • Vertragen Sie sich mit Ihrem Zeitungsboten?
  • Der verträgt das nämlich nicht, wenn man nicht nett zu ihm ist. Dann kann er richtig unangenehm werden, und einfach ihre Zeitung nicht mehr „vertragen“. Am besten machen Sie doch einen „Vertrag“ mit ihm, so dass er ihnen gegenüber nie „nachtragend“ ist, sondern die Zeitung in den frühen Morgenstunden austrägt.

  • Vertragen und nicht austragen
  • Wieder so ein hübscher Unterschied mit grossen Auswirkungen. In der Schweiz werden die Zeitungen am Morgen nicht „aus-ge-tragen“ sonder „ver-tragen“.

    Beispiele:

    Oder Sie suchen gemeinsam einen richtigen „Job“: zum Beispiel einen Nachmittag als Aushilfe im Dorfladen, Kinder hüten oder Zeitungen vertragen am Wochenende.
    (Quelle: moneybasics.ch)

    Ich war kürzlich wieder Zeitungen vertragen. Musste mich erst ein wenig aus dem Bett schlagen, damit ich aufstand
    (Quelle)

    Das Deutsche Verb „vertragen“ ist ein absolut vielschichtiges Ding. Der Duden zählt acht verschiedene Bedeutungen auf, aber nur eine hat was mit Zeitungen zu tun, und zwar ausschliesslich in der Schweiz:

    vertragen (st. V.; hat) [mhd. vertragen, ahd. fartragan = ertragen]:
    4. (schweiz.) (Zeitungen o. Ä.) austragen: Zeitungen vertragen
    (Quelle: duden.de)

  • Wann kommt den zu Ihnen der Bote am Morgen?
  • Wir waren von diversen Wohnorten in Deutschland gewohnt, dass die Zeitung tatsächlich in „aller Herrgottsfrühe“ ausgetragen wurde, also schon ab 5 Uhr spätestens im Kasten lag. Wohnen wir in der Schweiz einfach nicht in den richtigen Gegenden, oder woran liegt das sonst, dass hier der Bote am Morgen erst gegen 6:30 Uhr, manchmal auch erst um 7:00 Uhr erscheint? Zu spät für eine Lektüre beim Frühstück der echten Frühaufsteher. Alternativ kann man sich um Mitternacht schon die Morgenzeitung für den nächsten Tag in der Innenstadt von Zürich von halb-legalen Zeitungsverkäufern auf der Strasse kaufen. Die holen sich einen Haufen druckfrischer Exemplare bei der Druckerei und rennen dann aufgeregt durch die Stadt, immer ein Blick über die Schulter, ob die Polizei nicht in der Nähe ist, um mit Gewinn die Tagespresse vom nächsten Morgen bereits vor 24.00 Uhr zu verkaufen. Muss schrecklich lukrativ und gleichzeitig illegal sein, was die tun.

    Aber wer ist schon jede Nacht so spät noch in der „Wald-Stadt Züri“, die weniger etwas mit grünen Wäldern als mit falsch verstandener „Weltstadt“ zu tun hat, unterwegs?