Verlocht werden nicht nur Hunde – Neue Schweizer Lieblingstätigkeiten
In der Anfangszeit der Blogwiese im Herbst 2005 schrieben wir über die Schweizer Freizeitbeschäftigung, sich mit Hacken und Spaten bewaffnet zu treffen, um gemeinsam Hunde zu verscharren. Dieses Hobby wird hierzulande als „Hundsverlochete“ regelmässig angekündigt, besprochen und gewürdigt. Details zu diesen Events finden sich auf spezialisierten Webseiten wie www.hundsverlochete.ch detailliert beschrieben.
Mit Erstaunen mussten wir bei der Lektüre des Tages-Anzeiger feststellen, dass in der Schweiz nicht nur Hunde verlocht werden. Wir kannten „einlochen“ nur vom Minigolf-Spielen oder aus billigen Kriminalerzählungen, bei denen böse Verbrecher am Ende „ins Loch“ wandern und „eingelocht“ werden. Während bei Google-CH an 1‘330 Stellen „verlocht“ wird, finden sich bei Google-DE nur 387 Stellen, zumeist aus Grenznähe (z. B. Badische Zeitung in Freiburg Brsg.)
So verlocht der Kantonsrat 67 Millionen. Muss schon ein ziemlich grosses Loch gewesen sein.
(Quelle: Tages-Anzeiger)
Den „Stichentscheid“ als pieksende Schweizer Tätigkeit hatten wir hier besprochen.
Oder es wird Dreck verlocht:
IG DRB. Engler muss immer dann an die Front, wenn der vergiftete Dreck hochkommt, den die Basler Chemie im Dreiländereck verlocht hat.
(Quelle: Facts.ch)
Was allerdings „Figuranten“ sind, die auf dieser Seite als „verlocht“ bezeichnet werden, war uns auch nicht gleich klar. Immerhin war bei dieser Aktion wirklich eine Schaufel im Einsatz. Die Lösung des Rätsels: „REDOG“ ist der Name des Schweizerischen Vereins für Katastrophenhunde , die trainiert werden, um Menschen unter Trümmern oder als „Flächensuchhunde“ in der freien Natur zu finden. Der „Figurant“ war die Person, die der Hund nun im Gelände finden muss, auch wenn sie „verlocht“ ist.
Ein vielseitiges Wort, und absolut schweizerisch, wie uns unser Duden verrät:
verlọchen (schweiz.):
1. vergraben, verscharren: Unrat, einen Kadaver verlochen
Diese Bedeutung war uns von der „Hundsverlochete“ bekannt. Aber da steht noch was:
2. a) unter etw. begraben: er ist unter einem Berg von Akten verlocht;
b) (Geld oder Ähnliches) verschwenden: Steuergelder verlochen.
Ach so ist das. Die Schweizer bewahren ihr Geld nicht nur auf gut gehüteten Bankkonten auf, sondern „verlochen“ es auch gern einmal.
Mai 30th, 2007 at 9:04
Figuranten,sind immer Personen die bei Übungen der Polizei,Feuerwehr oder in diesem Fall beim Verein der Katastrophenhunde zum Einsatz kommen,manchmal auch als Simulanten bezeichnet:)
Ich hatte,in meiner Jugend, mehrere Einsätze als Figurant und wurde mit künstlichen Wunden etc präpariert die wie echt aussahen:) Zum Glück waren es NUR Übungen , den in zwei Fällen wäre ich entweder verbrannt oder nach der Rettung gestorben:( weil die Leute im ersten Fall mich nicht gefunden haben und im zweiten Fall die ebenfalls simulierte erste Hilfe völlig falsch war………..
Mai 30th, 2007 at 9:23
Das kommt sogar in einem der (hoch)deutschen Programm von Emil Steinberger vor. Sinngemässt heisst es in der Nummer, bei der Emil vom „Bankmann“ einen Jugendsparbuch haben möchte, dass er die Erträge bei „Erdolbohrungen verlochen könnte“. Sic!
Mai 30th, 2007 at 9:31
Das ist aber ein gefundenes Fressen, dass sich sprachlich gerade die sonst so oft verlochten Hunde nun gegenüber verlochten Figuranten nützlich machen können. Sollte so ein Figurant dann bei dieser Übung verlochtes Geld finden, kann er es sich ja ans Bein streichen*, um es möglichst diskret aus dem Schuttkegel zu schmuggeln. Unter der Erde wird alles immer feucht, und das ist eben bei Banknoten von negativem Einfluss auf ihre Lebenserwartung. Bei so unansehnlichem Geld spricht man manchmal von „Schwarzgeld“. Sind beim Abholen aus der „Geldwäscherei“ dann wieder die Blüten weiss, nennt man diesen Figuranten eher „Vagant“ und da schliesst sich der Kreis zum Verb „eingelocht“.
http://www.blogwiese.ch/archives/192
Nicht nur Hunde und lateinischnamige Individuen passen zur bildlichen Sprache mit „verlochen“ ich denke hier besonders an das schöne bairische Wort „Oachkatzl“ (Eichhörnchen, in der Schweiz viel weniger ausgefallen: [Äichhörnli]). Das vergräbt ja seine wertvollsten Schätze ebenfalls im Boden und findet sie dann nicht alle wieder.
Sogar der rassenreine deutsche Schäferwolf versteckt seine Nahrung. Allerdings eher an einem geschützten Ort, nicht unterirdisch. Er lagert seine Schafe (oder wenigstens die kleinen Schäfchen*) lieber im Trockenen.
Auch der Mensch, besonders der in der Schweiz, sammelt Notvorräte für den milden Winter und lagert sein Geld wie Heu. Auch dieses* soll trocken bleiben und erst noch* nicht auf der gleichen Bühne* wie das des Nachbarn.
http://www.blogwiese.ch/archives/287
http://www.blogwiese.ch/archives/178
Übrigens passt die Metapher von verlochtem Geld besonders bei Tunnelbauvorhaben. Wie fast jedes längerfristige Projekt kosten solche Löcher normalerweise viel mehr Gelder als ursprünglich gesprochen* wurden.
http://www.blogwiese.ch/archives/242
Wer besonders die mit * markierten Redewendungen nicht alle versteht, ist gewiss kein helvetischer Mundartsprecher. Aber dafür liegen eben die zu klickenden Links parat.
Mai 30th, 2007 at 9:55
Wenn man es sich so überlegt, sind sie doch gar nicht so unpraktisch, diese Schweizer. Verlochen in etwas Rundes entspricht wohl dem Vergraben in etwas Längliches. Ist doch viel ökonomischer, ein Loch anstatt eines Grabens zu graben, nur um hinterher etwas darin verschwinden zu lassen. Oder?
(Au weia, gebt’s mir. Ver-graben =graben, damit es hinterher „weg“ ist?)
Mai 30th, 2007 at 11:37
ja, das geld verlochen ist eine beliebtes hobby unseres bundes oder kantones. wie phipu schon sagt…..bei tunneln ist die redewendung besonders zutreffend….ich sag blos…porta alpina!
noch nie hab ich erlebt, dass die zu anfang gesprochene summe für ein bauwerk ausgereicht hat. ein guter trick 😉 weil niemand ein einmal begonnenes bauwerk halb fertig stehen lässt. da wäre dann die geld verlocherei zu offensichtlich 😉
Mai 30th, 2007 at 13:01
ja ja, diese Hundsverlochete. Oftmals viel spassiger als ‚Clubbing‘. Wer nur Zürich kennt sollte mal ein wenig aufs Land und diese zahlreichen Feld-, Wald- und Wiesenfeste kennenlernen. Spass ist garantiert.
Ach ja, verlochen könnte man auch (fast) sinngemäss mit ‚in den Sand setzen‘. Triffts nicht ganz genau, aber ist bildlich dasselbe.
Mai 30th, 2007 at 14:40
In D machte man sich oft gar nicht erst die Mühe, das Geld ordnungsgemäß einzubuddeln, es wird gern einfach „aus dem Fenster geworfen“. Manche Gebäude werden gar lebendig und entwickeln einen erstaunlichen Appetit, so dass sie Unsummen „verschlingen“. Schwarzes Geld verflüssigt sich auch gerne mal und „versickert“ spurlos. (Möglicherweise sickert es auf diese Weise unterirdisch direkt über die Grenze und kristalisiert sich in der Schweiz wieder. ;-))
Mai 30th, 2007 at 14:54
@Phipu
Entgegen dem verlochten Basler Giftmüll, der im Dreiländereck scheinbar immer mal wieder ans die Oberfläche tritt, wird beim „Verlochen“ von Geld stets der Gegenwert vernichtet.
Also verlochtes Geld bleibt verschwunden, auch wenn noch so viele fleissige Eichhörnli nach ihm suchen würden.
Mai 30th, 2007 at 16:53
Ist zwar off-topic, aber, was einem wieder verdeutlicht, wie derbe Züüri-Slang sein kann, zeigt das Wort Menstruation. Mein absoluter Favorit hierfür: „d Russe chömed.“
Das wirft widerum Fragen zu dem Schweiz-Russland-Verhältnis auf.