Bin ich mich selbst oder bin ich selbst? — Identitätsfindung von Schweizern und Deutschen

September 30th, 2010

(reload vom 16.03.07)

  • Ich will mich selbst sein
  • Ein merkwürdiges Kapitel Deutsch-Schweizer Selbstfindung kam uns unter. „Ich“ oder „Mich“ sein, dass ist hier die Frage, speziell in Verbindung mit dem Selbst. So lasen wir auf uma´s welt:

    Darf ich mich sein? Mit allem was ich bin? Mit meinen Rundungen, meiner empfindsamen Seele? Mit meinen Ecken und Kanten?
    (Quelle: www.tell-it.net)

    Mich selbst sein“ ist wundervoll, und viel eindeutiger als „ich selbst sein“. In der Schweiz ist man viel lieber „mich“ als „ich“. So fanden wir auf bl.ch:

    Grundmotivation So-Sein: Ich bin mich selbst

    (Quelle:< www.bl.ch)

    Ich bin mich selbst, du bist dich selbst, er/sie/es ist sich selbst, wir sind uns selbst, ihr seid euch selbst, sie sind sich selbst. Alles klar? Willkommen bei den Schweizern!

    Der Deutsche Regisseur Robert Schwentke, dessen bekanntester Film „Flightplan“ (2005) mit Jodie Foster ein grosser kommerzieller Erfolg in den USA war, ist offensichtlich davon schon angesteckt, denn er meint in einem Interview mit dem emagazine der Bank Credit-Suisse:

    Ich kann als Regisseur nur mich selbst sein. Ich versuche, die Stoffe, die mich interessieren, zu eigenen zu machen, und die Geschichten dann auf meine eigene Art zu erzählen
    (Quelle: credit-suisse.ch)

    Demnach ist das also doch nichts spezifisch Schweizerisches? Leider hilft uns Google bei der Beantwortung dieser heiklen Frage nicht wirklich viel weiter, denn die Suchmaschine findet bei der Eingabe von „ich bin mich selbst“ nur Lessings Nathan der Weise: „Du hörst, ich bin mich selbst zu loben, auch nicht faul“.

    Oder sie findet ein anderes Mal denkwürdige Songtexte: „UND ICH BIN MICH SELBST AM FRAGEN WANN ICH ENDLICH WIEDER FREI HAB“ des deutsch-tunesischen Rappers Bushido .

    Da bin ich mich doch selbst am fragen, ob der Autor dieser Zeilen nicht auch aus dem Ruhrpott kommt, wo dat da ständig „am regnen“ ist (Fehlanzeige, Bushido lebt in Berlin).

    Die Leute im Pott sprechen sowies echt lupenreines Hochdeutsch. So sagt die Mutter: Kind, sach mal wat mit „Wamama“ und „Hattata“! Antwort: „Wamama auf Schaalke, hattata gereechnet .“

    Sorgen Sie auch manchmal für Mais? — Nicht jeden Ärger kann man essen

    September 25th, 2010
  • Mais im Bundeshuus
  • Es ist schon ein paar Jahre her, dass wir den ausgezeichneten Schweizer Dokumentarfilm „Mais im Bundeshuus“ sehen durften, der für die Westschweiz den französischen Titel „Le génie helvétique“ bekam. Der Film führt eindrücklich vor, wie Lobbyisten im Berner Bundeshaus ihrer Arbeit nachgehen. Es ging damals um Gentechnik-Forschung, und der Titel war eine Anspielung auf den gentechnisch veränderten Mais, so meinten wir verstanden zu haben. Das wir dieses Verständnis heute, gut 7 Jahre nach Erscheinen des Films, noch einmal überdenken müssen, dafür sorgte unser Leib und Seelen Hausblatt für das moderne Schweizerdeutsch der Gegenwart, der Tagesanzeiger, in dem am 18.09.2010 zu lesen war

    „Couchepin sorgen schon bald für Mais“.

    Sorgten schon bald für Mais
    (Quelle: Tagesanzeiger vom 18.9.10)

  • Was alles für Mais sorgt
  • Schmeckt denn Mais so gut? Klar, ein goldig gedünsteter Kolben im Herbst, mit viel Butter und Salz genossen, ist wirklich nicht zu verachten. Auch in der Pendlerzeitung 20Minuten fanden wir die Schlagzeile:

    „Fluglärm sorgt für Mais“

    Fluglärm sorgt für Mais
    (Quelle: 20min)

    Immerhin diesmal in „Gänsefüsschen“, als ob sich die Zeitung nicht so ganz sicher ist, ob man das schreiben darf oder nicht.

    Und schnell waren weitere Mais-Fundstellen beisammen getragen:

    „Mais ums Putz-Personal im Bundeshaus“

    Mais ums Putz-Personal
    (Quelle: Tagi 27.03.2009)

    Blocher schlug vor einem Jahr vor, das man Polanski bei der Einreise in der Schweiz besser heimlich gewarnt als verhaftet hätte,

    „Und der Mais wäre uns erspart geblieben“

    Mais erspart
    (Quelle: Tages-Anzeiger)

    Sogar Handys verursachen Mais:

    „Mais um Ökohandys“

    Mais um Handys
    (Quelle: Tages-Anzeiger 16.10.2008)

  • Knatsch oder Zoff?
  • Kurzum: Der Film von 2003 hätte auch „Knatsch“ im Bundeshaus, oder „Zoff im Bundeshaus“ heissen können, denn Mais ist in der Schweiz ein Synonym für Streit und Ärger. Doch warum? Das konnte uns niemand erklären. Mais ist doch so ein harmloses Gewächs. Als die Amerikaner nach dem Ende des 2. Weltkriegs die Deutschen fragten, welche Güter sie dringend benötigten, baten diese: „Schickt uns Korn“ um es anzupflanzen, zu ernten, zu mahlen und Brot zu backen. Gedacht war an Roggen- und Weizenkorn. Doch die Amerikaner verstanden „You want to have corn!“ and sandten Säcke voll goldgelben Mais, so gab es monatelang Polenta und Maisbrot, statt Roggenbrot in Deutschland. Begann hier der Ärger um den Mais, der Mais um den Zoff?

    Wieder bleiben wir ahnungslos und hoffen auf sinnvolle Erklärungen von Phipu oder Anfra. Vielleicht hat der „Mais im Bundeshuus“ ja gar nichts mit dem Getreide zu tun sondern kommt von einem ganz anderen Wort?

    Hat es noch oder gibt es nichts mehr? — Man hat’s nicht leicht, aber leicht hat’s einen

    September 24th, 2010

    (reload vom 15.3.07)

  • Gibt’s noch was?
  • Wir kamen aus dem „Gibt’s noch was?“ Teil von Deutschland und lebten schliesslich im „Nein, es hat nichts mehr“ Gebiet. Bevor wir in die Schweiz gezogen sind, hatte ich bereits einige Jahre Zeit, mich an die Frage „Hat’s noch Kaffee?“ bei den Schwaben zu gewöhnen. Und die Feststellung, „In der Schweiz, da hat’s Berge“ fand ich auch nicht übermässig amüsant. Von den Franzosen oder Spaniern müssen die Menschen im Neu-Hoch-Deutschen Raum weit im hohen Süden es gelernt und behalten haben, die mit ihrem „Il y en a“ = „Es dort davon hat“ bzw. dem „Hay que“ = „hat dass, es muss“ begriffen haben, wie wichtig das Wörtchen „haben“ für die Existenz der Dinge ist. Warum sollte es also nur „geben“ dürfen im Deutschen, wenn „haben“ doch viel internationaler ist?

  • Er hat Hunger, er hat Fieber, er hat kalt
  • Diesen hübschen Satz lasen wir in einer „Ganzschrift“ sprich Lektüre für die 1. Klasse in der Bülacher Primarschule. Es war die Geschichte eines Maroni Mannes, dem es nicht gut ging: „Er hat Hunger, er hat Fieber, er hat kalt“. Muss einem denn immer kalt sein? Darf man nicht auch kalt haben? Wenn doch in anderen Ländern wie Frankreich „j’ai froid“ = „isch ´abe kalt“ und in Italien „ho freddo“ = „ich habe den Fred“ ganz normal sind. Auch Saarländer haben, nebenbei bemerkt, manchmal kalt, ganz ohne „es“ (vgl. Wikipedia) .

  • Nur solange Vorrat reicht
  • Unser Lieblingssatz, den wir bereits in Süddeutschland lernten und der dann in der Schweiz mit einem Umlaut verfeinert wurde, ist aber die geniale Formulierung: „Es hät solang’s hät“. Soviel Logik, soviel Prägnanz! Soviel Beweiskraft in wenig Worten zum Ausdruck gebracht! Das fällt für uns in die Kategorie „Geniale Aussagen“, ähnlich wie das trockene Norddeutsche „Fällt aus wegen is nich“.

    Es hät solangs hät
    (Es hat viele „ö„s und „ii„s in der Schweiz. Foto vom Weihnachtsmarkt in Bülach 2006)

    Hier noch ein paar hübsche Fundstellen:

  • Beim Schlittenverleih in Toggenburg
  • Beim Sport Treff, Unterwasser und direkt auf Iltios gibt es Schlitten zu mieten – „es hät solang’s hät„. Reservierungen für Gruppen ab 10 Personen mindestens zwei Tage vorher beim Sport Treff melden
    (Quelle: toggenburg.org)

    Im Hotel-Coronado auf der Speiskarte:

    Fegato di vitello alla veneziana
    Geschnetzelte Kalbsleber nach venezianischer Art
    (Es hät solang’s hät!)
    (Quelle: hotel-coronado.ch)

    Bei Fahrradhersteller „Pickup“

    Damit auch Sie mitfeiern können, gewähren wir auf alle restlichen Modelle 06 einen Jubiläumsrabatt von 300 Fr.
    Greifen Sie zu. : „Es hät, solang’s hät.
    (Quelle: pickup-bike.ch)

    Wie langweilig und nichts sagend hingegen die klassische Deutsche Ausrede „Nur solange Vorrat reicht“. Das reicht doch wirklich, oder? Wir wollen, dass es „hat“ und nicht „reicht“. Doch wir sind zuversichtlich, dass diese geniale Formulierung langsam und stetig ihren Siegeszug in Richtung norddeutsche Waterkant fortsetzen wird. Gemäss dem Gesetz der sprachlichen Ökonomie haben sich solche Formulierungen bisher immer von allein durchgesetzt, in sprachliche Gegenden, in denen es bis dahin nichts Schickeres gab ausser „Vorräte, die ausreichen„.

    Was die Schweizer tun mögen — Sich erinnern

    September 17th, 2010

    (reload vom 13.03.07)

  • Magst Du Dich erinnern?
  • Bin ich eigentlich zu sprachempfindlich? Warum gibt es Redewendungen und Formulierungen, die mir auch nach Jahren in der Schweiz noch ungewohnt vorkommen? Vielleicht weil ich sie in den wichtigen Jahren der sprachlichen Prägung, der Kindheit und Jugend, nicht gehört habe.

  • Ich mag mich nicht erinnern
  • „Magst Du Dich erinnern?“ „Ich mag mich erinnern“. „Ich mag mich nicht erinnern“. Das sind sie, diese Sätze, an die ich mich einfach nicht gewöhnen kann, die ich sicherlich zum ersten Mal in der Schweiz oder im Süddeutschen Sprachraum gehört habe. Ist das extrem mundartlich gesprochene Sprache, die diese Formulierung verwendet, wenn man „eine Sache tun mag“ oder „nicht tun mag“?

    Oder hängt es vielleicht damit zusammen, dass das Verb „mögen“, welches eigentlich ein schwaches Synonym für „lieben“ oder „gern haben“ ist, hier ganz einfach als Ersatz für „können“ gebraucht wird? Das mag es sein. Und so stört es mich nicht, wenn etwas „sein mag“ oder „nicht sein mag“. „Mag sein, dass Du Recht hast“ ist eine wundervolle Variante für „kann sein, dass …
    Aber ich mag einfach nicht etwas „tun mögen“. Ich „kann“ lieber, oder „kann“ nicht.

  • Kannst Du Dich erinnern?
  • Vielleicht sind es ja doch frühkindliche Dialekterinnerungen aus dem bayrischen Fernsehen, wenn im Volkstheater der Satz „I mog dii“ fiel, die dazu geführt haben, dass das mit dem Mögen für mich plötzlich so merkwürdig besetzt war (Verschriftung nur nach Saupreussen-Gehör und garantiert nicht gemäss der letzten Bayrischen Verschriftungsordnung!).

    Der ersten Kalauer, an dem ich mich auf (Pseudo)Bayrisch erinnere, ging ungefähr so:

    Sie: „Liabsch mi?“
    Er: „Joo!“
    Sie: „Mogst mi hoiraten?“
    Er: „Naa!“
    Sie: „Runter.“

    Soviel zum Thema „mögen“.

    Der Google-Test fiel 2007 dazu schwach aus. Ganze 14 Stellen für „Magst Du Dich erinnern“ bei Google-CH und nur 7 Stellen bei Google-DE . Heute ist es anders herum, da Google.de die Belege aus der Schweiz mitanzeigt.

    Ich halte also fürs Protokoll fest, dass man im nüchternen Norddeutschland sich „nicht erinnern mag“, und den Satz „Magst Du Dich erinnern“ im Sine von „Weisst Du noch?“ oder „Kannst Du Dich daran erinnern?“ nie gebrauchen würde. Oder bin ich doch einfach ach zu lang schon fort und mag mich an nichts mehr erinnern? Mag sein.

    Beschweren tun sich nur die Deutschen — Beobachtungen in einem Café am Zürichsee

    September 12th, 2010

    (reload vom 12.3.07)

  • Eine Ovo für sechs Franken
  • Der Tages-Anzeiger brachte einen Artikel über den schlechten Service den Restaurants am Zürcher Mythenquai:

    „Der in Wetterberichten angekündigte Sonnentag hatte, wie zu erwarten war, Tausende an den See gelockt. Bloss: Das Acqua war geschlossen, ebenso die Yuppie-Insel auf dem Dach. Serviert wurde lediglich an die Tische in der Gartenwirtschaft. Hunderte lauerten, um sich auf frei werdende Plätze zu stürzen. Ihre Mütter sollten endlich zu Kaffee und Kuchen kommen. Einmal einen Platz ergattert, folgt die nächste Enttäuschung: Beim Versuch eine Bestellung aufzugeben, stellt der Kellner klar, dass er zuerst acht andere Tisch zu bedienen habe. Eine weitere halbe Stunde vergeht, dann gibt es wieder Kuchen noch Irish Coffee – und auch nicht „etwas Ähnliche“. In der Verlegenheit wird eine heisse Ovo bestellt, obwohl eigentlich niemand eine heisse Ovo will. Die kostet dann sechs Franken. Die Milch ist handgemolken, bestimmt.“
    (Quelle: Tages-Anzeiger 08.03.07)

    Mythenquai in Zürich
    (Am Mythenquai in Zürich. Quelle Foto: Zueri.ch)

    So weit, so gut bzw. schlecht. Typisches Beispiel für eine Servicewüste und Abzocke, wie sie in touristischen Gegenden weltweit passieren könnte, egal ob am Titisee im Hochschwarzwald, auf den Pariser Champs-Elysees oder hier in Zürich. Ob der Kellner nun Deutscher, Jugoslawe oder Schweizer war, wird nicht geschildert. Aber dann wird es spannend:

  • Schweizer Gäste schweigen etwas lauter
  • „Die meisten Gäste schweigen. Nur zwei deutsche Damen empören sich lautstark. In Bern, wo die eine wohnt, sei sowas undenkbar. Und die Berner seien ja wirklich nicht die Schnellsten. Die Schweizer Gäste schweigen weiter – aber etwas lauter: Recht hat sie – obwohl sie Deutsche ist, ist in ihren Gesichtern zu lesen.“

  • Die Deutschen, die sich beschweren
  • Es ist nicht die erste Geschichte dieser Art, von der wir hören, oder die wir so ähnlich miterlebt haben. Wenn es um miesen Service geht, wird in der Schweiz eher geschwiegen. Wenn sich dann jemand laut äussert, können sie darauf wetten, dass es sich um einen Deutschen handelt. Und die Schweizer? Sie sagen lautlos, wie im Tagi zu lesen, „Recht hat sie“. Obwohl sie Deutsche ist. Die haben sonst nämlich nie Recht. Als Gäste haben sie auch zu schweigen und stumm mitzuleiden.

  • Die Deutsche Dame auf dem Berner Perron
  • Von einer Situation am Bahnhof Bern schrieb uns ein Schweizer Freund:

    In Bern dauerte es schon eine Ewigkeit bis alle gemächlich ausgestiegen waren. Dann stiegen „erst noch“ viele Rekruten nur aus, um auf dem Perron in Türnähe in den fahrplanmässigen 4 Minuten Aufenthalt Zigaretten zu rauchen. So wurde das Einsteigen immer schwieriger. So eine mühsame Einsteigerei habe ich tatsächlich auch noch nicht oft erlebt. Die Einsteigenden hatten aber „für einmal“ eine ungefähre Einerkolonne gebildet.
    Eine etwa 50jährige Dame stand hingegen neben mir und war sichtbar um einiges nervöser als die anderen Reisenden. Vor lauter Nervosität begann sie ihren Radkoffer unkontrolliert hin- und her zu wippen.

    Irgendwann konnte sie sich nicht mehr zurückhalten, und, sich als Deutsche outend, ein „das gib’s doch nich!“ ausstossen. Sie suchte, wie mir schien, unter den Umstehenden nach ins gleiche Horn stossenden Meckereien. Aber es kam einfach nichts. Alle anderen warteten einfach wie eine Schafherde. Das hat sicher u.a. auch mit der teilweisen welschen Kundschaft zu tun, die ihren Kommentar sowieso nicht verstanden hatte, bzw. die nichts Deutsches antworten wollten/konnten. Ich zuckte dann auch nur demonstrativ schweigsam mit den Achseln. Mit motzen wäre auch ich ja nicht schneller im Zug gewesen.
    (Quelle: private E-Mail)

  • Wer organisiert den Nachschub am Frühstückbuffet?
  • Andere Geschichten erzählen von Hotelanlagen, bei denen das Frühstücksbüffet so rasch leergefuttert war, dass die Spätankömmlinge schon um 9.30 Uhr nichts mehr vorfanden. Wer beschwerte sich und bat um Nachschub? Die Deutschen Gäste.

    Sind das alles urbane Legenden? Sind das alles Mythen um die vorhandenen Klischees, die in der Schweiz lieber französisch als „Clichés“ geschrieben werden, zu belegen und zu untermauern? Ist es Ablehnung, der aus den Schweizer Berichten über diese „sich beschwerenden Deutschen“ spricht, oder ist es es Frust und Resignation über die eigene Unfähigkeit, in solchen Situationen seinen Unwillen auszudrücken?

    ICE in Deutschland
    (Quelle Foto: o-keating.com)

  • Auch in Deutschland wird stumm gelitten und eine Verspätungsbescheinigung ausgestellt
  • Um das Klischee nicht unnötig zu strapazieren, zum Schluss eine Geschichte aus Deutschland, die uns eine Schweizerin erzählte. Sie war erstaunt darüber, mit wieviel stoischer Gelassenheit und Duldungsvermögen die Fahrgäste eines völlig überfüllten ICEs auf dem Weg von Frankfurt nach Köln akzeptierten, dass ihr Zug bereits 40 Minuten Verspätung hatten. Wohlgemerkt, das ist die besonders schnelle und darum teure Neubaustrecke. Die Fahrgäste waren diese Verspätungen gewohnt, und auch die Überfüllung. Alte Bahnfahrer lassen sich in Deutschland vom Schaffner eine „Verspätungsbescheinigung“ ausstellen, vom „beteiligten Beförderer“. Die folgende Passage aus dem Passagierrecht der DB sollten Sie sich passend dazu einmal schön langsam vorlesen lassen und für die nächste Fahrt mit der DB am besten gleich auswendig lernen:

    26.6 Der Reisende macht seinen Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Reise mit dem Original des gültigen und entwerteten Fahrausweises und der Verspätungsbescheinigung bei einem beteiligten Beförderer geltend. Wenn vom Beförderer vorgesehen, kann an Stelle der Verspätungsbescheinigung eine Reservierung treten 2. Ist die DB ausführender Beförderer, dann erhält der Reisende zur Geltendmachung des Anspruchs auf Entschädigung nach den Nummern 26.2 bzw. 26.3 eine Gutscheinkarte entweder (i) je nach Verfügbarkeit im verspäteten Zug der Produktklassen ICE, IC/EC oder im IR oder (ii) am Tag der verspäteten Reise einschließlich der 2 Folgetage am DB ServicePoint im Bahnhof. Die mit Zangen- oder Stempelabdruck versehene Gutscheinkarte der DB steht einer entsprechend markierten Verspätungsbescheinigung gleich.
    (Quelle: bahn.de)

    Alles klar? Liesse sich „ServicePoint“ nicht auch als „Dienstleistungspunkt“ vermarkten? Wenn der Zangenabdruck (klingt wie eine „Zangengeburt“) bei der Bahn überlebt hat, warum dann nicht die „Dienstleistung nach Punkten„?