Was die Schweizer tun mögen — Sich erinnern
(reload vom 13.03.07)
Bin ich eigentlich zu sprachempfindlich? Warum gibt es Redewendungen und Formulierungen, die mir auch nach Jahren in der Schweiz noch ungewohnt vorkommen? Vielleicht weil ich sie in den wichtigen Jahren der sprachlichen Prägung, der Kindheit und Jugend, nicht gehört habe.
„Magst Du Dich erinnern?“ „Ich mag mich erinnern“. „Ich mag mich nicht erinnern“. Das sind sie, diese Sätze, an die ich mich einfach nicht gewöhnen kann, die ich sicherlich zum ersten Mal in der Schweiz oder im Süddeutschen Sprachraum gehört habe. Ist das extrem mundartlich gesprochene Sprache, die diese Formulierung verwendet, wenn man „eine Sache tun mag“ oder „nicht tun mag“?
Oder hängt es vielleicht damit zusammen, dass das Verb „mögen“, welches eigentlich ein schwaches Synonym für „lieben“ oder „gern haben“ ist, hier ganz einfach als Ersatz für „können“ gebraucht wird? Das mag es sein. Und so stört es mich nicht, wenn etwas „sein mag“ oder „nicht sein mag“. „Mag sein, dass Du Recht hast“ ist eine wundervolle Variante für „kann sein, dass …“
Aber ich mag einfach nicht etwas „tun mögen“. Ich „kann“ lieber, oder „kann“ nicht.
Vielleicht sind es ja doch frühkindliche Dialekterinnerungen aus dem bayrischen Fernsehen, wenn im Volkstheater der Satz „I mog dii“ fiel, die dazu geführt haben, dass das mit dem Mögen für mich plötzlich so merkwürdig besetzt war (Verschriftung nur nach Saupreussen-Gehör und garantiert nicht gemäss der letzten Bayrischen Verschriftungsordnung!).
Der ersten Kalauer, an dem ich mich auf (Pseudo)Bayrisch erinnere, ging ungefähr so:
Sie: „Liabsch mi?“
Er: „Joo!“
Sie: „Mogst mi hoiraten?“
Er: „Naa!“
Sie: „Runter.“
Soviel zum Thema „mögen“.
Der Google-Test fiel 2007 dazu schwach aus. Ganze 14 Stellen für „Magst Du Dich erinnern“ bei Google-CH und nur 7 Stellen bei Google-DE . Heute ist es anders herum, da Google.de die Belege aus der Schweiz mitanzeigt.
Ich halte also fürs Protokoll fest, dass man im nüchternen Norddeutschland sich „nicht erinnern mag“, und den Satz „Magst Du Dich erinnern“ im Sine von „Weisst Du noch?“ oder „Kannst Du Dich daran erinnern?“ nie gebrauchen würde. Oder bin ich doch einfach ach zu lang schon fort und mag mich an nichts mehr erinnern? Mag sein.
September 17th, 2010 at 7:33
Wenn man mögen, magst durch Kannst, „Chasch“, ersetzt wie in Basel dann stimmts auch für Norddeutsche.
September 17th, 2010 at 8:02
Kompliziert wird es, wenn der Schweizer in Deutschland zum Znacht eingeladen ist. Denn mit der Aussage „Vielen Dank, ich mag nicht mehr, aber es war sehr fein“ schwingt für den Hochdeutschen ein Hauch von Schizophrenie mit.
September 18th, 2010 at 15:07
Bei einem Sportevent in Deutschland letztens hat eine Schweizer Kollegin (die eigentlich Deutsche ist, aber schon so lang in der Schweiz wohnt, dass sie Mundart spricht) zum wiederholten Male gesagt, dass sie die Strecke nicht „durchhalten mag“. Darauf wurde ich dann etwas unwirrscht und erklärte ihr, dass sie dann ebend beissen muss. Das wollte mir einfach nicht in den Kopf, dass man nach halber Strecke einfach nicht mehr mag.
Später habe ich dann herausgefunden, was sie eigentlich damit sagen wollte und bekam ein schlechtes Gewissen. Nicht das einzige Missverständnis den Tag…
September 18th, 2010 at 19:39
In meiner ersten Firma in der Schweiz wunderte ich mich lange über die Formulierung: „Magst du das für mich tun?“ Allerdings habe ich mich dann immer bereit erklärt, denn es hatte für mich etwas freiwilliges.
September 25th, 2010 at 7:21
Irgendwie verstahn ich das nöd, du probiersch schwiizerdütsch mit hochdütsch z’vergliche? Warum? Die Sprache sind komplett verschiede… mir händ kei vergangeheitsform und au keini Rächtschriberegle… D’Sprach isch komplett verschiede. Jetzt bisch 9 Jahr i de Schwiiz und verstahsch das nonig?!
Sorry, so öppis regt mich ächt uf, typisch dütsch, rechthaberisch und besserwüsser!
September 25th, 2010 at 12:04
@Martin
Sorry, das stimmt so nicht: in der Schweiz war bis etwa ins 16. Jahrhundert die Präteritumform durchaus üblich, und die rechtschreibregeln sind in Deutschland auch noch nicht so uralt. Das sind beides absolut keine Beweise für eine „komplett verschiedeni“ Sprache.
Bevor man sich aufregt, bitte nachdenken.
September 27th, 2010 at 9:35
super Beitrag Martin! Standing Ovulations, ähm Ovolations, nee Ovations!