Dialekte und Sprachen vergleichen mit dem Liebesliedgenerator

September 8th, 2010

(reload vom 10.3.07)
Kennen Sie Bodo Wartke? Er hat sich intensiv um die vergleichende Dialektforschung verdient gemacht mit seinem genialen Liebesliedgenerator

  • Dialekte und Sprachen vergleichen in Liedform
  • Der Liebesliedgenerator von Bodo Wartke

    Zum Starten des Liebesliedenerators klicken Sie bitte hier.

    Liebesliedgenerator  Sprachauswahl

    Die Sprachauswahl ist fantastisch, und besonders viel Spass macht es, die diversen Deutschen und Schweizer Dialekte miteinander zu vergleichen. Ja ja, die Deutschen sprechen sowieso alle immer nur Hochdeutsch, bis auf die Pfälzer, die Franken, die Bayern, die Sachsen, die Saarländer, die Hessen, die …

    Momentan arbeitet Bodo Wartke noch an der Züridütsch-Fassung. Ausserdem in Vorbereitung:
    • Luxemburgisch
    • Steirisch
    • Luzern
    • Norwegisch
    • Rumänisch
    • Vietnamesisch

    Ach wie schön können Sprachen sein, vor allem wenn man darin so schön die Liebe besingt wie Bodo Wartke!

    Geiz ist geil — doch wer hat’s erfunden?

    September 6th, 2010

    (reload vom 9.3.07)

  • Geiz ist geil ist typisch Deutsch
  • Eines der liebsten Deutschland-Klischees der Schweizer ist die Feststellung, dass man in Deutschland besonders gern über Preise spricht, ständig auf der Jagd nach den besten Schnäppchen sei, und sich grundsätzlich die Mentalität „Geiz ist geil“ besonders grosser Beliebtheit erfreue. Samstag für Samstag fahren die Eidgenossen über die Grenze nach Deutschland zu Aldi und Lidl, nur um sich persönlich von dieser Sparwut der Deutschen ein Bild zu machen, um mit eigenen Augen zu sehen, was abgeht im Niedrigpreis-Paradies der Supermärkte im grenznahen Bereich, und um sich, weil sie nun schon mal gerade da sind, selbst die eine oder andere Warenstichprobe einzupacken, das eine oder andere Kilo Fleisch mitzunehmen, aus rein wissenschaftlicher Neugierde, um endlich den Beweis zu finden, warum nichts so gut schmeckt wie Schweizer Qualität. Leider geht der Versuch fast immer schief und muss am nächsten Wochenende bei einem weiteren einmaligen Testeinkauf wiederholt werden. So ist das eben mit der Gründlichkeit mancher Schweizer und ihrem wissenschaftlichen Forschungsdrang.

    Wer hat Geiz ist Geil erfunden
    (Quelle Foto: zeitschriften.com)

  • Aber wer hat’s erfunden?
  • Doch jetzt lasen wir im Tages-Anzeiger vom 08.03.07 ein geradezu skandalöse Meldung. Der berühmte „typisch deutsche“ Werbespruch der deutschen Elektronikhandelskette SATURN wurde von einer Schweizer Werbeagentur geschaffen:

    Für den Slogan verantwortlich ist allerdings die Hamburger Werbeagentur Jung von Matt, deren Mitbegründer Jean-Remy Matt Schweizer ist.
    (Tages-Anzeiger 08.03.07, S. 27)

    Von denen stammt übrigens auch die „Du bist Deutschland“ Kampagne. Was die sonst noch so alles Hübsches gemacht haben, findet sich hier (Nach dem Intro auf „Kreation“ klicken, dann auf Saturn Austria). Sehr lustig z. B. die Österreichische Version des „Geiz ist Geil“ Spots mit singenden Knetgummi-Hühnern, denn Ostern steht vor der Tür und ist ebenfalls geil, was sonst.

    Nun sind wir beruhigt, denn passend zu dieser Meldung zum „Geiz ist Geil“ Slogan können wir endlich die Wahrheit darüber erzählen, wem wir eigentlich die „Wieviel Deutsche verträgt die Schweiz“ Kampagne des Blicks verdanken. Genau, sie haben es sicher schon erraten: Den Deutschen! Genauer gesagt der Deutschen Werbeagentur Scholz & Friendes, die 1981 in Hamburg gegründet wurde. Auf ihrer Homepage bekennen sie öffentlich:

    Scholz & Friends Zürich entwickelt einen neuen Auftritt für den „Blick“ und startet die erste orchestrierte Kampagne für die grosse Schweizer Tageszeitung. Der neue Claim „Im Blick kommt’s raus“ unterstreicht die Positionierung der Zeitung als investigatives Meinungsblatt, welches – auch polarisierend – zu Themen Stellung nimmt, die die Menschen wirklich bewegen. Zudem verdeutlicht er das Selbstverständnis des „Blick“ als medialer Verstärker, welcher Themen und Menschen entdeckt und in den Blickpunkt der breiten Öffentlichkeit rückt.
    (Quelle: s-f.com)

  • So denkt das Volk, sagt die Werbung
  • Was lernen wir daraus? Misstraut den Kampagnen und Werbesprüchen, die „ganz tief aus Volkes Seele sprechen“!
    Denn in mancher finstren Schlacht,
    hat sich eine fremde Macht,
    diese Sprüche ausgedacht.
    Na dann Gut‘ Nacht.

    Packt die Schule in den Sack — Der Schulsack muss gut und gross sein in der Schweiz

    September 2nd, 2010

    (reload vom 8.3.07)

  • Neues vom Sack
  • Wir hatten schon in den Anfangszeiten der Blogwiese ausführlich über unsere Schwierigkeiten mit dem Wörtchen „Sack“ in der Schweiz berichtet. Die haben sich in der Zwischenzeit gelegt. Längst kriegen wir keine Kastrationsängste mehr beim Klang des Wörtchens „Sackmesser“, und ein „Sackgeld“ halten wir auch nicht mehr für die Bezahlung eines besonders fiesen Typens.

    Hosen haben zwar einen Hosensack, dies aber nur, um etwas hineinzutun, und zwar nicht die Hose. Nun taucht der „Sack“ regelmässig an der Migros-Kasse auf, nicht als unfreundlicher Kassierer, sonder als Angebot, um unsere Einkäufe einzupacken. „Hätten Sie gern einen Sack?“, ja ja, den hätten wir, denn zu den Kastraten zählen wir uns noch nicht.

    Thek oder Tonne oder Ranzen oder Schulsack?
    Thek oder Tornister oder Ranzen oder Schulsack?

  • Wozu brauchen wir den Schulsack?
  • Dann gibt es da noch den Sack mit der Schule, den „Schulsack“. Am ersten Primarschultag lernten wir im Zürcher Unterland, dass die Kinder hier den „Thek“ durch die Gegend tragen, mit einem „Biblio“ darin, und wir hatten über die Griechisch und Latein Kenntnisse der Schweizer gestaunt, die da alle genau wussten, dass „Bibliothek“ über lateinisch bibliotheca = „Bücherschrank, Büchersaal“ von griechisch „bibliothekē“, eigentlich „Büchergestell“ kommt (siehe Fremdwörter-Duden). Ein Gestell also, dieser Thek.

  • Der Schulsack muss gut und gross sein
  • Hiess das Ding in meiner Kindheit einfach „Tonne“, weil „Tornister“, kam uns schon als Kinder das Wort „Schulranzen“ etwas zu ranzig vor. Doch dann tauchte er wieder auf, der „Sack“, diesmal als „Schulsack“, der immer schön gross sein muss. Wahrscheinlich damit die Schule hineinpasst.

    So lasen wir in 20Minuten:

    Die Deutschen bringen einen guten Schulsack mit: Zwei Fünftel von ihnen (40,3%) verfügen über eine höhere Schulbildung; von den Einheimischen sind das nur gerade 15,9 Prozent.
    (Quelle: 20Min)

    Auf Admin.ch:

    * Wer sich für die Berufsbildung entscheidet, muss schnuppern können.
    * Wer mit einer Lehre beginnt, muss einen guten Schulsack mitbringen.
    (Quelle: news.admin.ch)

    Und in einer Motion des Motionärs Karl Rudin-Hauswirth aus dem Baselland ganz ohne Motzen:

    Ebenso wird das alte Cliché wieder aufgewärmt, dass Schüler und Schülerinnen, die knapp die Ziele der Sekundarschule erreichen, immer noch einen besseren Schulsack mitbringen, als gut qualifizierte Berufswahlklassenschüler und -schülerinnen.
    (Quelle: baselland.ch)

    Was die da wohl reinpacken, in ihren Schulsack? Wird die Bildung nicht im Kopf sondern auf dem Rücken getragen? Oder geht es nicht um den Inhalt, aber um den Sack an sich, der aus gutem und reizfesten Material sein muss?

  • So ein Sack, der kann auch Lücken haben (keine Löcher)
  • Ich habe als Universitätslehrer jenseits des Atlantik drei Jahre lang mitgeholfen, erbärmliche Lücken im Schulsack der dortigen Maturanden zu stopfen.
    (Quelle: Schweizer Wörterbuch von Kurt Meyer, S. 232)

    Warum hat sich so eine Redewendung im Gemeindeutschen nicht erhalten. Mit dem Wortanfang „Schul“ gibt es noch eine ganz Reihe von Ausdrücken, die nur in der Schweiz üblich sind:

    Die „Schulgemeinde“, „Schulpflege“ und „Schulkommission“, alles Teile der „unabhängigen Körperschaft für die Betreuung des obligatorischen Schulwesens einer oder mehrerer politscher Gemeinden“. In Deutschland braucht es dafür ein Amt, das Schulamt oder Oberschulamt.

    Der Schulhausabwart (nebst Schulhausabwartin) der es nicht abwarten kann, Hausmeister von den Deutschen genannt zu werden.

    Der „Schulinspektor“, in Deutschland als „Schulrat“ bekannt, nebst „Schulinspektorin“ und „Schulinspektorat“.

    Das „Schullager“, welches in Deutschland „die Klassenfahrt“ ist. Einfach zu merken. In der Schweiz lagert die Schule, während in Deutschland die Klasse fährt. Dazu passend die „Schulreise“, in Deutschland der „Schulausflug“.

  • Schullager in Hamburg?
  • Alles genauestens erklärt und aufgelistet in unserem Variantenwörterbuch. Die Beispiele aus Österreich (z. B. die „Schullandwoche“) habe ich jetzt weggelassen. Wieder einmal lernen wir, wie variantenreich und unterschiedlich eine Institution benannt werden kann. Doch wehe, es lädt ein Lehrer in Bern zur „Klassenfahrt“ oder in Hamburg zum „Schullager“ ein. Schon stossen wir an die Grenzen unserer Toleranz. Warum eigentlich?

  • Liebe Buben und Maden
  • Als Kind regten mich die Ansage „Liebe Buben und Madel“ im Nachmittagsprogramm des Bayrischen Rundfunks auf. Ich bin doch kein „Bub“ und kenne keine „Madel“, sondern nur Maden in den Pflaumen (heute glaube ich, dass „Mädels“ gesagt wurde, ich aber nur „Madel“ verstand). Das ist doch ganz etwas anderes. Viele Schweizer erzählten mir auch, dass sie mit ihrem fremden Dialekt nach einem Umzug in eine neue Gegend nur auf Missfallen und Hohn stiessen. Kinder können ganz schön hart sein mit ihrem Spott, und ein Schweizer Kind, das häufig umzieht, wird bald ziemlich vielsprachig im eigenen Land.