Geiz ist geil — doch wer hat’s erfunden?
(reload vom 9.3.07)
Eines der liebsten Deutschland-Klischees der Schweizer ist die Feststellung, dass man in Deutschland besonders gern über Preise spricht, ständig auf der Jagd nach den besten Schnäppchen sei, und sich grundsätzlich die Mentalität „Geiz ist geil“ besonders grosser Beliebtheit erfreue. Samstag für Samstag fahren die Eidgenossen über die Grenze nach Deutschland zu Aldi und Lidl, nur um sich persönlich von dieser Sparwut der Deutschen ein Bild zu machen, um mit eigenen Augen zu sehen, was abgeht im Niedrigpreis-Paradies der Supermärkte im grenznahen Bereich, und um sich, weil sie nun schon mal gerade da sind, selbst die eine oder andere Warenstichprobe einzupacken, das eine oder andere Kilo Fleisch mitzunehmen, aus rein wissenschaftlicher Neugierde, um endlich den Beweis zu finden, warum nichts so gut schmeckt wie Schweizer Qualität. Leider geht der Versuch fast immer schief und muss am nächsten Wochenende bei einem weiteren einmaligen Testeinkauf wiederholt werden. So ist das eben mit der Gründlichkeit mancher Schweizer und ihrem wissenschaftlichen Forschungsdrang.
(Quelle Foto: zeitschriften.com)
Doch jetzt lasen wir im Tages-Anzeiger vom 08.03.07 ein geradezu skandalöse Meldung. Der berühmte „typisch deutsche“ Werbespruch der deutschen Elektronikhandelskette SATURN wurde von einer Schweizer Werbeagentur geschaffen:
Für den Slogan verantwortlich ist allerdings die Hamburger Werbeagentur Jung von Matt, deren Mitbegründer Jean-Remy Matt Schweizer ist.
(Tages-Anzeiger 08.03.07, S. 27)
Von denen stammt übrigens auch die „Du bist Deutschland“ Kampagne. Was die sonst noch so alles Hübsches gemacht haben, findet sich hier (Nach dem Intro auf „Kreation“ klicken, dann auf Saturn Austria). Sehr lustig z. B. die Österreichische Version des „Geiz ist Geil“ Spots mit singenden Knetgummi-Hühnern, denn Ostern steht vor der Tür und ist ebenfalls geil, was sonst.
Nun sind wir beruhigt, denn passend zu dieser Meldung zum „Geiz ist Geil“ Slogan können wir endlich die Wahrheit darüber erzählen, wem wir eigentlich die „Wieviel Deutsche verträgt die Schweiz“ Kampagne des Blicks verdanken. Genau, sie haben es sicher schon erraten: Den Deutschen! Genauer gesagt der Deutschen Werbeagentur Scholz & Friendes, die 1981 in Hamburg gegründet wurde. Auf ihrer Homepage bekennen sie öffentlich:
Scholz & Friends Zürich entwickelt einen neuen Auftritt für den „Blick“ und startet die erste orchestrierte Kampagne für die grosse Schweizer Tageszeitung. Der neue Claim „Im Blick kommt’s raus“ unterstreicht die Positionierung der Zeitung als investigatives Meinungsblatt, welches – auch polarisierend – zu Themen Stellung nimmt, die die Menschen wirklich bewegen. Zudem verdeutlicht er das Selbstverständnis des „Blick“ als medialer Verstärker, welcher Themen und Menschen entdeckt und in den Blickpunkt der breiten Öffentlichkeit rückt.
(Quelle: s-f.com)
Was lernen wir daraus? Misstraut den Kampagnen und Werbesprüchen, die „ganz tief aus Volkes Seele sprechen“!
Denn in mancher finstren Schlacht,
hat sich eine fremde Macht,
diese Sprüche ausgedacht.
Na dann Gut‘ Nacht.
September 6th, 2010 at 21:19
Jean Remy Matt finde ich echt einen sehr gutenTypen. Sehr nett, höflich gebildet, ein Mann mit Stil.
In der Agentur Zürich arbeiten übrigens haufenweise Deutsche. (Und erst noch die schönsten Frauen ) Ich werde auch dieses Jahr wieder zu Gast sein, ausnahmsweise sogar 2 mal , und freue mich wirklich darauf. OK, könnte man sagen, der hat ja einen Auftrag und muss ein bisschen Bauchpinseln. Nöö, hab ich echt nicht nötig, sehe jedes Jahr mindestens 20 Werbeagenturen, von denen hab ich auch Aufträge. Ich würde nun mal behaupten, als aussenstehender kann ich sehr gut beurteilen, was für ein „Geist“ das in einer Firma herrscht. Da arbeiten die Schweizer und Deutschen kreativ und kollegial zusammen, da hab ich in anderen Agenturen auch schon andere Sachen erlebt.
September 7th, 2010 at 16:50
Geiz ist geheim!
September 17th, 2010 at 10:44
Und die provokanten SVP-Plakate gestaltet ein Deutscher in der Schweiz…
http://www.sueddeutsche.de/politik/kampagne-gegen-minarette-der-schweizer-krawallmacher-ein-deutscher-1.128918
Dezember 13th, 2011 at 22:01
Geiz ist nicht Geil! Dies ist ein spannender Beitrag. Egal wer die Plakate der SVP gestaltet hat, ob ein Schweizer oder Deutscher, ob professionelle Werbeagentur oder Laie, Geiz ist auf jeden Fall nicht Geil. Was nichts kostet ist nichts wert!