Schlagen Sie auch gern Pföcke oder Pfähle ein? — Neue alte Schweizer Redewendungen
August 6th, 2009(reload vom 3.8.06)
Im Kanton Zürich war das ein merkwürdiger Tag. Wir wollten eigentlich am Waldrand bei einer hübschen Feuerstelle einen lauschigen Abend verleben, oben auf dem Bruederberg bei Bülach, und ins Tal hinab zuschauen, wie die Schweizer bei einsetzender Dunkelheit ihre Raketen abfeuern würden. Nein, keine Scud-Raketen, wir sind hier nicht im Libanon, einfach nur Sylvesterfeuerwerk, das hier am Nationalfeiertag in die Luft gejagt wird.
Wir fanden dann aber einfach kein trockenes Holz im Wald, weil es den ganzen Tag immer wieder geschüttet hatte. Es war auch besser so, denn wegen der langen Trockenheit war Feuermachen und Feuerwerk Abfeuern im ganzen Kanton verboten. Wir lasen später von 25 „Fehlbaren“ die „verzeigt“ wurden und „verbüsst“ natürlich auch.
Doris Leuthard trat an diesem Tag ihren Posten als Bundesrätin an und fuhr nach Eischoll im Oberwallis, das sie im Urlaub kennen gelernt hatte, um ihre erste Rede als Bundesrätin zu halten:
Erster Auftritt von Bundesrätin Doris Leuthard – am 1. August 2006 in Eischoll im Oberwallis
Reden und Festlichkeiten zum schweizerischen Nationalfeiertag sind ruhig über die Bühne gegangen, an einigen Orten nur dank grossem Polizeiaufgebot. Bundesrätin Doris Leuthard wünschte sich im Wallis eine Schweiz ohne Mauern.
(Quelle: NZZ.ch)
Abends wurde dann in 10 vor 10 darauf hingewiesen, dass sie mit dieser Rede „keine Pflöcke eingeschlagen“ habe. Wie denn auch, wenn es ums Mauern einreissen geht, und sie sowieso keinen Hammer dabei hatte. Pfähle setzt man, wenn man einen Zaun errichten will, als erste Vorstufe zu einer Mauer. Pflöcke oder Pfähle einschlagen? Das erinnert an Vampirgeschichten und an das Mittelalter:
Im westeuropäischen Mittelalter wurden die Opfer – oft handelte es sich, wenn wir den Rechtsbüchern des Mittelalters Glauben schenken dürfen, um Ehebrecher – meistens lebendig begraben und dann mit einem Pfahl durchbohrt. Wie der Rechtshistoriker Dieter Feucht (s. unten) nachgewiesen hat, diente dieses Pfählen nicht als Hinrichtungsart an sich, sondern es sollte den Hingerichteten dauerhaft unter der Erde halten, damit er nicht als rächender Wiedergänger zu den Lebenden zurückkehre.
(Quelle: Wikipedia)

(Quelle Foto: lagruyere.ch)
Zitat 10 vor 10: „Leuthard schlägt in ihrer Bundesratsrede keine Pflöcke ein“
(Quelle: 10 vor 10 vom 01.08.06. Video Stream Realplayer bei 01:46)
Wir wollen diese hübsche Redewendung im Sinne von „Grundsätzliches festlegen“ verstehen, und nicht als grausame Hinrichtungstechnik aus dem Mittelalter. Denn so findet sie sich an manchen Stellen in der Schweiz:
Man müsse im internationalen Strafrecht einmal eine Auslegeordnung schaffen bzw. eine Übersicht gewinnen und dann wolle man eine gewisse Vereinheitlichung schaffen und die Ziele und Tendenzen festlegen, also die Pfähle einschlagen?
(Quelle: parlament.ch)
Die SP wäre erfreut, wenn die FDP inhaltliche Pfähle einschlagen würde: Die politische Debatte wäre dann gewährleistet. Kosmetische PR Vorstösse lassen wir aber ins Leere laufen.
(Quelle: sp-bs.ch)
Pfähle einschlagen auch zu dritt möglich:
Bei GC wären es drei, die gleich ein paar Pfähle einschlagen würden, damit nichts mehr passieren kann. Die Frage ist nur: Was ist besser?»
(Quelle: Tagesanzeiger.ch)
Alle Textstellen aus Deutschland beziehen sich stets Gartenzäune und echte Pfähle, die eingeschlagen werden. Sprichwörtliche Pfähle konnten wir nicht finden im Land des „Jägerzauns“:

(Quelle Foto: gartenatelier.de)
Wahrscheinlich stecken die alle in irgendwelchen verbuddelten Särgen?




