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Schlagen Sie auch gern Pföcke oder Pfähle ein? — Neue alte Schweizer Redewendungen

(reload vom 3.8.06)

  • Der 1. August in der Schweiz
  • Im Kanton Zürich war das ein merkwürdiger Tag. Wir wollten eigentlich am Waldrand bei einer hübschen Feuerstelle einen lauschigen Abend verleben, oben auf dem Bruederberg bei Bülach, und ins Tal hinab zuschauen, wie die Schweizer bei einsetzender Dunkelheit ihre Raketen abfeuern würden. Nein, keine Scud-Raketen, wir sind hier nicht im Libanon, einfach nur Sylvesterfeuerwerk, das hier am Nationalfeiertag in die Luft gejagt wird.

    Wir fanden dann aber einfach kein trockenes Holz im Wald, weil es den ganzen Tag immer wieder geschüttet hatte. Es war auch besser so, denn wegen der langen Trockenheit war Feuermachen und Feuerwerk Abfeuern im ganzen Kanton verboten. Wir lasen später von 25 „Fehlbaren“ die „verzeigt“ wurden und „verbüsst“ natürlich auch.

  • Am ersten Arbeitstag sollte man lieber keine Pflöcke einschlagen
  • Doris Leuthard trat an diesem Tag ihren Posten als Bundesrätin an und fuhr nach Eischoll im Oberwallis, das sie im Urlaub kennen gelernt hatte, um ihre erste Rede als Bundesrätin zu halten:

    Erster Auftritt von Bundesrätin Doris Leuthard – am 1. August 2006 in Eischoll im Oberwallis
    Reden und Festlichkeiten zum schweizerischen Nationalfeiertag sind ruhig über die Bühne gegangen, an einigen Orten nur dank grossem Polizeiaufgebot. Bundesrätin Doris Leuthard wünschte sich im Wallis eine Schweiz ohne Mauern.
    (Quelle: NZZ.ch)

    Abends wurde dann in 10 vor 10 darauf hingewiesen, dass sie mit dieser Rede „keine Pflöcke eingeschlagen“ habe. Wie denn auch, wenn es ums Mauern einreissen geht, und sie sowieso keinen Hammer dabei hatte. Pfähle setzt man, wenn man einen Zaun errichten will, als erste Vorstufe zu einer Mauer. Pflöcke oder Pfähle einschlagen? Das erinnert an Vampirgeschichten und an das Mittelalter:

    Im westeuropäischen Mittelalter wurden die Opfer – oft handelte es sich, wenn wir den Rechtsbüchern des Mittelalters Glauben schenken dürfen, um Ehebrecher – meistens lebendig begraben und dann mit einem Pfahl durchbohrt. Wie der Rechtshistoriker Dieter Feucht (s. unten) nachgewiesen hat, diente dieses Pfählen nicht als Hinrichtungsart an sich, sondern es sollte den Hingerichteten dauerhaft unter der Erde halten, damit er nicht als rächender Wiedergänger zu den Lebenden zurückkehre.
    (Quelle: Wikipedia)

    Doris Leuthard
    (Quelle Foto: lagruyere.ch)
    Zitat 10 vor 10: „Leuthard schlägt in ihrer Bundesratsrede keine Pflöcke ein“
    (Quelle: 10 vor 10 vom 01.08.06. Video Stream Realplayer bei 01:46)

  • Wo werden sonst noch Pfähle eingeschlagen?
  • Wir wollen diese hübsche Redewendung im Sinne von „Grundsätzliches festlegen“ verstehen, und nicht als grausame Hinrichtungstechnik aus dem Mittelalter. Denn so findet sie sich an manchen Stellen in der Schweiz:

    Man müsse im internationalen Strafrecht einmal eine Auslegeordnung schaffen bzw. eine Übersicht gewinnen und dann wolle man eine gewisse Vereinheitlichung schaffen und die Ziele und Tendenzen festlegen, also die Pfähle einschlagen?
    (Quelle: parlament.ch)

    Die SP wäre erfreut, wenn die FDP inhaltliche Pfähle einschlagen würde: Die politische Debatte wäre dann gewährleistet. Kosmetische PR Vorstösse lassen wir aber ins Leere laufen.
    (Quelle: sp-bs.ch)

    Pfähle einschlagen auch zu dritt möglich:

    Bei GC wären es drei, die gleich ein paar Pfähle einschlagen würden, damit nichts mehr passieren kann. Die Frage ist nur: Was ist besser?»
    (Quelle: Tagesanzeiger.ch)

  • Ist das wirklich eine Schweizer Redewendung?
  • Alle Textstellen aus Deutschland beziehen sich stets Gartenzäune und echte Pfähle, die eingeschlagen werden. Sprichwörtliche Pfähle konnten wir nicht finden im Land des „Jägerzauns“:
    Ein Jägerzaun aus Deutschland
    (Quelle Foto: gartenatelier.de)
    Wahrscheinlich stecken die alle in irgendwelchen verbuddelten Särgen?

    

    3 Responses to “Schlagen Sie auch gern Pföcke oder Pfähle ein? — Neue alte Schweizer Redewendungen”

    1. Phipu Says:

      Grimms Wörterbuch (http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB ) bringt ein paar interessante Pisten, wenn auch dort keine Erklärung zu finden ist, ob das Sprichwort nun besonders schweizerisch sei oder nicht.

      Immerhin findet man dort das heute kaum mehr bekannte Wort „Pflock“ für den hölzernen Nagel. So wäre das „Pflöcke einschlagen“ möglicherweise mit dem heute in Deutschland verbreiteten „Nägel mit Köpfen machen“ vergleichbar, also „etwas Konkretes, Greifbares produzieren“.

      Viel deutlicher wird die Vorstellung zum Wort Pfahl nach Grimms Lektüre. Da wird die Erinnerung an Asterix-Comics wieder geweckt, wenn von Schutzwällen aus lauter Pfählen die Rede ist. Das können wir uns im Zeitalter der Betonelemente nur noch schwer vorstellen.

      Genannt werden in diesem Wörterbuch jedoch vorwiegend Pfähle als Eckpfeiler für Häuser, oder eben als Fundament für Pfahlbauersiedlungen (heute „Grundstein legen“). Interessant ist aber insbesondere die Vorstellung von Pfählen als Grenzmarkierungen. So wird das „Pfahlamt“, das sich um Grenzsteinsetzungen kümmert, erwähnt. Da wäre also die Überlegung mit „Pfähle einschlagen“ für „sein Terrain markieren“ mit dem „Gartenhag“ (DE: -zaun) tatsächlich richtig getroffen.

      Es ist ja wohl nicht weiter erstaunlich, dass diese Redewendung in der Schweiz erhalten blieb, da doch das „Pfähle einschlagen“ (die können heute auch aus Aluminium sein) als Hinweis der Umgrenzungen eines Baus zum normalen Bauprozess gehört. Siehe hier: http://www.blogwiese.ch/archives/65

    2. vegenalle Says:

      Weder schlagen wir abgekürzte Pfarrröcke in den Boden noch jagen wir einen vom Text gezeichneten Kater in die Luft …

    3. AnFra Says:

      @Phipu

      Die Verwendung von „Pflöcken“ erfolgt u. a. in der Bautechnik, zu realisierende Objekte, wie z. B. Trassierungen von Straßen oder Kanälen mit solchen „Pflöcken / Erdnägeln“ „auszupflocken“. Dadurch wird also zunächst ein geplantes und danach das tatsächlich vorhandene Ding in dem Terrain dargestellt. Es stellt gewissermaßen Verlauf, Positionierung, Standort und / oder Stadtpunkt dar.

      Mit dem „Pfahl“ ist das aber so eine mystische Sache! Der Pfahl ist nicht nur z. B. ein sog. „Eckpfeiler“ im Gebäude, wie in den alten „Flarz-Häusern“, die als alte Überbleibsel der alemannischen Zuwanderung aus dem Gebiet der Ostsee in die heutige Schweiz noch erkennbar sind.

      Bei den „Grenzpfählen“ gibt es eine unheimlich tolle Entwicklung, die sich mindestens bis in die früh-altgriechische Zuwanderung der (mit extremer Vorsicht gesagten) Proto-Kelten bzw. indo-germ. / indo-europ. Zuwanderer (z. T.: groß, blond, blauäugig) zurückverfolgen lässt.

      Der „Pfahl“ als solcher hat damals DIE Funktion von Grenzmarkierungen gehabt. Bei den ollen Griechen gab es die alte Tradition der Grenzmarkierung durch die sog. „Hermen“. Natürlich ist die Ableitung auf den „Hermes“ zurückzuführen, der in der Funktion als Götterbote oder als Schutzpatron der Blogwiese uns bekannt ist, aber er war auch der Gott der Wege, Wegekreuzungen und der Grenzen!!!
      Die uns heutzutage bekannten „Hermen“ sind im ersten Augenschein steinerne Säulen, auf welche Köpfe aufgesetzt sind. Jedoch in der guten alten Zeit hatten die damaligen „Hermen“, also die Pfähle die Aufgabe, mit dem aufgesetzten Menschenschädel, den man Kriegsgefangenen, Verbrecher oder unwillkommenen Fremden vom Körper abgetrennt hatte, die Grenzen zu markieren.
      Die Aussage dieser Pfähle lautete eindeutig: Ab hier sind wir die wirklichen Herrscher! Ab hier bist du oh Wanderer und du oh Reisender in unserem Gebiet! Du hast hier nichts zu suchen, gehe weg, sonst kommst du auch auf nen Pfahl!

      Durch diese Kopfpfähle entsteht ein besonderer Mythos, der stark nachwirkt. Da die zugewanderten Proto-Griechen eigentlich einer Waldkultur aus dem Norden Europas entstammten, haben sie diese zunächst hölzernen Pfähle mit echten Menschenschädeln in laufe der Zeit durch steinerne Säulen und aus Stein gearbeitete Menschenköpfe adaptiert.
      Auch hat sich alternativ wegen des geringen Waldbestandes im dortigen Küstenbereich zusätzlich der Brauch entwickelt, mit Steinen, Wacken oder sonst. Gestein an den relevanten Grenzpunkten Haufen aufzuschichten.

      Diese schöne und klare Tradition wurde bis in unsere jüngste Zeit hinein praktiziert. Einige Experten meinen jedoch, sogar jetzt noch würde dieser Brauch kultiviert, und zwar u.a. in einigen Gebieten von Papua-Neuguinea, Brasilien, Afrika und Teilen der Schweiz.

      So ergibt sich doch eine gewisse Logik, dass einige Schweizer immer noch gerne „Pfähle“ an ihren Grenzen errichten, da in ihrem Land die Sinnsprüche über „Pfähle einrammen“ noch festgerammt sind.

      Man stelle sich das wunderbare Bild vor, an der Grenze zum Kanton Rabaukestan würden auf den weiß-blau gefärbten Grenzpfählen Schädel ruhen……. und dann auch noch schweigen!

      http://de.wikipedia.org/wiki/Herme

      http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Hermai?uselang=de