Ein Schweizer Nummernschild sollte möglichst kurz sein
September 28th, 2007(aktualisierter reload vom 4.11.05)
So titelte eine halbseitige Anzeige im Tages-Anzeiger im Oktober 2005. Ähnliche Aktionen werden alle paar Monate wiederholt und umworben. Angeboten wurden traumhaft schöne Zulassungsnummern für das Auto:
Beispiele:
ZH 2261
ZH 5028
ZH 6260
ZH 7723
Was ist an diesen Nummern nur so schön, dass ich deswegen zur Versteigerung am 3. und 4. November zur Messe „Auto Zürich“ gehen sollte? Etwa, dass diese Nummern nur 4 Stellen haben???
Damit ich sie mir leichter merken kann, wenn ich nicht mehr weiss, wie mein Auto aussieht und ich mit den Zulassungspapieren in der Hand, sukzessive die Ebenen des Parkhauses im Glattzentrums (4.750 Parkplätze) absuche, um mein Auto zu finden? Wenn man das Glattzentrum betritt, kann man beim Verlassen des Parkdecks eine Nummer ziehen. Am Anfang fragte ich mich auch warum, doch nachdem ich einmal 30 Minuten auf dem falschen Deck suchen musste, bin ich nun ganz kleinlaut und ziehe immer brav meine Nummer (es gibt 18 Parkdecks).
In der Tat ist in der Schweiz eine Autonummer umso wertvoller, je kürzer sie ist. Kurze Nummern sind alte Nummern, zeigen praktisch an, dass man als Halter des Fahrzeugs schon sehr lange im Kanton wohnt und zu den ersten Autobesitzern überhaupt zählt. Wahrscheinlich ist man sogar adelig, wenn man eine 3-4stellige Nummer am Auto hängen hat, denn in der Frühzeit des Automobils konnten sich nur reiche Adelige in der Schweiz ein Auto leisten, oder reiche Industrielle.
Es wird sogar immer wieder erzählt, dass man mit niedrigen Nummern am Zoll durchgewunken wird, weil die Zöllern sofort wissen: „Obacht, da kommt ein extrem eingesessener Schweizer mit einer extrem tiefen und alten Nummer am Auto, wahrscheinlich ein ehemaliger Graf oder Fürst“. Darum sind die Schweizer bereit, horrende Summen für Autokennzeichnen mit tiefen Nummern zu zahlen. „Werde ein alteingesessener Eidgenosse durch den Kauf einer niedrigen Nummer“.
Aus einem ähnlichen Motiv kleben sich manche Deutschen den Aufkleber der Polizeigewerkschaft aufs Auto, damit die Verkehrspolizei bei einer Kontrolle denkt: „Ach so, ein Kollege, den wollen wir doch rasch durchwinken“. Nur das dieser Aufkleber billiger ist als ein dreistelliges Nummernschild im Kanton Zürich.
Ich habe nie verstanden, wie man sich leicht zu merkende Kennzeichen freiwillig aussuchen kann, oder sogar noch extra viel Geld dafür bezahlt. In Stuttgart gibt es z. B. zahlreiche „S-EX“ Kombinationen, und ein Münchener „M-AX“ ist auch nicht billig zu haben. Der Vorteil dieser Nummern? Nun, Sie finden Ihren schwarzen Schlitten in Zürich unter all den anderen schwarzen Schlitten ohne Probleme wieder. Denn in Zürich sind alle Autos schwarz. Oder dunkeldunkelblau, oder blau-schwarz, oder schwarz-dunkelblau. Ob diese Farbe gerade im Angebot war?
Wenn jemand Ihren Wagen stehlen sollte, und Sie haben so eine tolle, leicht zu merkende Nummer, dann können Sie der Polizei sagen: „Das Kennzeichen lautet S-EX 69 69„, das wird das Vertrauen der Gesetzeshüter in ihre Seriosität sicherlich unmittelbar um 200 % anwachsen lassen und Sie werden bevorzugt behandelt. Dann schon lieber die absolut rattenscharfe Nummer ZH 7156. Für was stand „ZH“ nochmal gleich? Ach ja: „Zart & Heftig„.
Der ehemalige Schauspieler und TV-Moderator Hans-Joachim „Blacky“ Fuchsberger (früher in den „Ein toller Käfer“ Filmen zu sehen, und in zahlreichen Edgar Wallace Gruselschinken) hatte als Kennzeichen „M-TV 1„, nicht so sehr wegen des Musiksenders, sondern dazumal als „Mister TiVi One“ zu lesen, der erste Mann im Fernsehen wahrscheinlich, weil die Jobs des ersten Menschens auf der Welt (Adam), oder des ersten Mannes auf dem Mond (Armstrong) schon vergeben waren.
Die Schweizer Kennzeichen sind persönlich, man kann sie von Auto zu Auto mitnehmen. Hat jemand zwei Autos, muss er sie beide zulassen und er bekommt zwei Fahrzeugscheine. Da er nicht mit zwei Autos zugleich fahren kann, besteht die Möglichkeit, nur ein Kennzeichen zu erwerben, mit einem Versicherungsschutz, und dann wahlweise mit dem einen oder anderen Auto zu fahren. Er bekommt dann ein „Wechselnummernschild“ für beide Wagen.
Als wir zum ersten Mal in einer Schweizer Tiefgarage beobachtete, wie sich da plötzlich jemand an den Nummernschildern zu schaffen machte, waren wir kurz davor, die Polizei zu rufen: „Diebe bei uns im Haus!“ Aber das ist hier Gang und gäbe („gäbe“ kommt von „gäbig“!).
Die Nummernschilder werden regelmässig ummontiert. Vom Firmenwagen abschrauben, an den Freizeitwagen anschrauben, und am nächsten Morgen das ganz Kommando wieder zurück: Vom Freizeitwagen abschrauben und an den Firmenwagen anschrauben.
Ganz clevere Schweizer verwenden „Magnetschilder“ die man nicht mehr zu schrauben braucht. Ob es da auch das James Bond Spezialmodel gibt, bei dem sich die Nummernschilder auf Knopfdruck wegklappen lassen? Mich wundert, dass bei den vielen Scherzen, die in der Halloween Nacht und in der Walpurgisnacht zum 1. Mai sonst so durchgeführt werden, noch niemand auf die Idee kam, einfach spasseshalber alle Magnetnummernschilder in einer Garage zu vertauschen.
Am liebsten werden die Nummernschilder bei laufendem Motor in der geschlossenen Tiefgarage umgeschraubt. Einerseits, um sich gleich noch eine tüchtige Dröhnung Kohlenmonoxid zu verpassen, denn das törnt offenbar echt klasse, anderseits um sich vom ordnungsgemässen Betriebszustand der automatisch anspringenden Entlüftungsanlage zu überzeugen. Die verhindert dann zum Glück die Vergiftung. Ich frage in solchen Situationen dann immer höflich nach (wenn ich sehe, wie jemand bei laufendem Motor an den Schildern schraubt), ob vielleicht der Anlasser kaputt sei. Denn irgendeinen Grund muss es ja geben, warum der Motor nicht einfach ausgeschaltet wird.
Warum? Vermutlich ist das eine reine Schikane, um den Import zu erschweren. Bei Importautos können sie die Halterungen für die alten Nummernschilder gleich demontieren. Sie brauchen neue Halterungen aus der Schweiz. Hinten wird bei den Radarfallen fotografiert, da muss das Nummernschild extra gross sein. Ausserdem passt ja sonst das Kantonswappen nicht mehr drauf. In allen EU-Staaten sind die Nummernschilder vorn und hinten gleich gross.
Welch Kantönligeist in der Schweiz, welch geniale Arbeitsbeschaffungsmassnahme liegt darin begründet, dass wirklich jeder der 26 Kantone seine eigene Zulassungsstelle sprich sein eigenes Strassenverkehrsamt hat. Vielleicht ist das ja sogar eine echte Verdienstmöglichkeit? Wenn ich an die happigen Gebühren denke, die damals für das Zurücksenden der alten Nummernschilder an die deutsche Zulassungsstelle verlangt wurden. Wenn die kleinen Kantone mit weniger als 9999 Autos erst mal auf die Idee kämen, so wie in Zürich diese Nummern zu versteigern… da das wären vielleicht Umsätze!