Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene (Teil 1) — Wer stört auf der Stör

Oktober 12th, 2007

(reload vom 15.11.05)

In einem Bericht des Tages-Anzeigers lesen wir:

  • Die Winzer gehen auf die Stör
  • Keine Ahnung, was damit wohl gemeint sein könnte. Der Stör ist ein Fisch, und Kaviar sind die Eier vom Stör, soviel ist schon mal klar. „Die Stör“ ist ausserdem ein Nebenfluss der Elbe in Schleswig-Holstein. Aber was heisst wohl „auf die Stör gehen„? Vielleicht so etwas wie „auf den Keks gehen„? Gar nicht so weit weg davon.

    Nun, es heisst einfach „für andere eine Lohnarbeit ausführen„. Laut Duden ist die „Stör“ die Arbeit, die ein Gewerbetreibender im Haus eines anderen verrichtet. Da wollen wir dann nicht stören, sondern uns lieber weiter den „Eiern vom Stör“ widmen. Das Wort „Stör“ kommt aber tatsächlich von „stören„. In Norddeutschland wird es mit e geschrieben, ein Dehnungs-E, das man nicht mitliest. Die Stadt „Coesfeld“ hat es, sie wird „Kohsfeld“ gesprochen, und keinesfalls als Schweizer Diphthong Co-es-feld„.

    Wikipedia meint zu Stöer (mit e)

    Die Stöer ist ein alter Ausdruck für die Wanderschaft reisender Handwerker. Sie gingen durch die Dörfer und störten den normalen Tagesablauf (siehe auch Störer und Polizeirecht). (Quelle)

    Wo der Schreiber dieses Wikipedia Beitrags nur das Dehnungs-E her hat, ist mir schleierhaft. Unser Duden verzeichnet „Stör“ auch ohne e als „schweizerisch„. Scherenschleifer gingen auf die Stör, und ausserdem kennt man in der Schweiz auch den „Stör-Metzger„, der zur Schlachtung eines Tieres zum Bauern auf den Hof kommt.

    Moderne Varianten sind heute der Stör-Sender und die Bild-Stör-ung, womit auch ein Druckerstreik im Axel Springer Verlag gemeint sein könnte.

    Hand aufs Herz: Sie wohnen in der Schweiz oder sind wohlmöglich ein Schweizer. Hätten Sie gewusst, was „auf die Stör“ gehen bedeutet? Dann will ich nicht weiter stören.

    Do you speak Swiss? — Sendung auf 3SAT heute 8.10.07 um 21:00 Uhr

    Oktober 8th, 2007
  • Sendung über die Vielsprachigkeit der Schweiz
  • Auf 3sat beginnt heute eine Themenwoche:
    Die viersprachige Schweiz
    Es sind sieben Sendungen zum Thema vom 8. bis 12.10.07. Heute Sendung heute um 21:00 Uhr heisst:
    Do you speak Swiss?

    Vier Landessprachen, unzählige Dialekte und dann noch das ungeliebte Englisch – manchmal verstehen die Schweizer sich selbst nicht. Zum Auftakt des 3sat-Themenschwerpunkts „Die viersprachige Schweiz“ berichtet die Dokumentation „Do you speak Swiss?“ von der Schweizer Sprachfront. Neben vier Spielfilmen zeigt 3sat zudem den Dokumentarfilm „ZwischenSprach“ von Samir, der sich um die „fünfte“ Landessprache – eben Englisch – dreht.

    Do you speak swiss?

    Allfällige Umtriebe treiben uns um — Von Triebtätern, Triebwagen und Betreibungen

    Oktober 4th, 2007

    (reload vom 8.11.05)

  • Was treiben die Umtriebe
  • Triebe können so manches in Bewegung halten. Zum Beispiel einen Triebtäter. Auch der Triebwagen bei der Eisenbahn treibt so einiges vor sich her. „Treiben“ heisst auf Englisch übrigens „to drive„, darum ist „the driver“ = „der Treiber„, und wir müssen immer an den kleinen Kuhjungen (= cowboy) denken, der mit einer Weidenrute bewaffnet, die Kühe vor sich her auf die Weide „treibt„. Später sitzt er auf dem Kutschbock des Ochsenkarrens und treibt die Ochsen an, „he is driving„, und so wurde ein Fahrer draus.

  • Allfällige Umtriebe
  • In der Schweiz gibt es die Umtriebe. Die sind immer unangenehm, und für die muss man sich entschuldigen. Meistens in Kombination mit allfällig. „Allfällige Umtriebe“ findet sich bei Google 9.840 Mal.

    „Für allfällige Umtriebe bitten wir Sie um Entschuldigung“. So tönte (es tönen die Lieder…) es aus dem Lautsprecher der S-Bahnlinie 5, als im Oktober 2000 kurz vor dem Bahnhof Bülach die Strecke Zürich-Schaffhausen durch einen Erdrutsch unterbrochen war. Bauarbeiten an Bülachs neuem Postverteilzentrum genau neben den Bahndamm hatten den Erdrutsch ausgelöst. Die Schweizer sprachen dann vom „Unterbruch“ der Strecke, nicht von der Unterbrechung. Wir Deutsche denken bei „Unterbruch“ an den berühmten Professor Sauerbruch oder an „Schwangerschaftsunterbruch“. Vier Wochen lang mussten die Fahrgäste dieser Strecke die Unannehmlichkeit in Kauf nehmen und zwischen Niederglatt und Bülach auf Einsatzbusse (die ohne Strafzettel) ausweichen. Oh wie war das der SBB unangenehm, oh wie wurde sich da für die Umtriebe entschuldigt. Als die Strecke endlich wieder befahren werden konnte, gab es am Morgen Gipfeli und heissen Kaffee zum Mitnehmen für alle, umsonst und als Wiedergutmachung gedacht für das erlittene Ungemach.

    Verkehrsunterbrüche (ist das tatsächlich die Mehrzahl von „Unterbruch“, klingt ja wie „Einbrüche“) werden im Netz des Zürcher Verkehrsverbunds ZVV über Funk an alle Busse und Trams weitergegeben. So kann man im Bus von Oerlikon nach Wallisellen mithören, dass mal wieder am Bellevue ein Tram (die Strassenbahn ist sächlich in der Schweiz!) mit einem Auto einen Verkehrsunfall hat, genauer gesagt: „verunfallt ist„. Das passiert in Zürich fast täglich, denn die Trams fahren oberirdisch.

  • Warum fährt das Tram in Zürich nicht unter der Erde?
  • Hätte sie ja mal sollen, es gab diese Idee, doch dann hat man dazu das Volk, den Souverän, gefragt, und das Volk fand diese Idee nicht gut. Zu teuer und zu unbequem.

    2001 hat der Stadtrat eine neue Mobilitätsstrategie verabschiedet. Zentral ist das Wohl des langsamen Verkehrs – zu Fuss Gehende sollen wieder Teil des Verkehrs werden und nicht mehr wie in den 70er Jahren oft unter die Erde verbannt sein. (Quelle)

  • Und wie lief das im Ruhrgebiet?
  • Im Ruhrgebiet wurde in den 80er Jahren das Volk nicht gefragt, ob es damit einverstanden sei, die Strassenbahnlinien tief unter die Erde zu legen. Viele Jahre wurde gebuddelt und gegraben, für Millionen, die die Kommunen eigentlich gar nicht hatten. Nun kann man von Bochum nach Gelsenkirchen oder nach Wanne-Eickel weite Strecken unter der Erde fahren. Die wenigsten Menschen im Ruhrgebeit nutzen diese schnellen Verbindungen, sondern setzen sich lieber ans eigene Steuer um in einem Dschungel von Autobahnen, die den Kohlenpott von Ost nach West und von Nord nach Süd durchziehen, den Überlebenskampf aufzunehmen.

    Öffentliche Verkehrsmittel benutzen? Das ist etwas für Rentner, Schüler, Studenten und Minderbemittelte, die sich kein Auto leisten können. Das erste, was man in der Autometropole Essen sieht, wenn man den Bahnhof verlässt, ist eine Stadtautobahn. So müssen sich die Menschen in Los Angeles fühlen. Essen bekam 1991 vom ADFC, dem Fahrradclub Deutschlands, die Rostige Speiche verliehen für die fahrradunfreundlichste Stadt Deutschlands.

    Und in Zürich? Da verlassen Sie den Bahnhof um zur Fussgängerzone der Bahnhofsstrasse vorzudringen, doch eh Sie sich versehen, sind Sie schon von einem Tram überfahren worden, den die kommen hier von allen Seiten.
    Nun, es wäre ja auch möglich gewesen, unterirdisch durch die Shop Ville (wo ein Wille ist, ist auch ein Shop) zur Bahnhofsstrasse zu gelangen.

  • Wie soll man mit Umtrieben umgehen?
  • Am besten immer dafür entschuldigen, und zwar schon im Vorfeld, bevor sie überhaupt auftreten. So las ich in einer Einladung zu einer Hauseigentümerversammlung den Satz:

    Sollte der Termin aus noch nicht bekannten Gründen nicht zustande kommen können, bitte wir Sie jetzt schon um Entschuldigung für die allfälligen Umtriebe…

    Wohlgemerkt: Es war noch gar nichts Schlimmes passiert! Aber es hätte ja etwas passieren können.

    Sorgen heben und nicht sorgen

    September 18th, 2007

    (reload vom 27.10.05)

    In der Schweiz sorgt man sich nicht, sondern man „hebt Sorge“.
    „Heb Sorg zum Land“
    „Heb sorg zum Material“
    „heb sorg zue Dr“ oder „heb sorg zuädr“ (was kommt hier aus welchem Kanton?)
    Heb Sorg zum alte Porzellan, heb sorg zum junge Glück. (Merke die Verschriftungsregel: „Grosse Sorgen“ werden gross geschrieben, „kleine sorgen“ eher klein)

    Es wird viel Sorge gehoben in der Schweiz, die Deutschen tragen die Sorge lieber dumm rum, statt sie zu heben. Oder sie sorgen sich ganz einfach so.
    Wir heben die Sorge auch dem Strom
    In unserem Keller fanden wir dieses Schild, das uns daran erinnert „au em Strom“ Sorge zu heben. Heisst das „au“ hier nun „auf“ oder „auch„? Knifflig, knifflig, dieses Schweizerdeutsch. Wenn es vielleicht sowohl für „auch“ als auch für „auf“ steht, das „au„, was hiesse dann „auch auf„? Vielleicht „au au„? Es gibt noch viel zu lernen in diesem Land!

    So auch zur Natur: „Heb Sorg zur Natuir“! (Quelle)

    In Bülach wird dieses Motto sehr ernst genommen. Mitten in zentraler Lage, neben einer Kreuzung gelegen, wird seit vielen Jahren die Natur gepflegt.

  • Biotope mitten in Bülach
  • Damit den Tieren, die dieses wunderbare Refugium nutzen, kein Leid geschieht durch Boswichte (die in der Schweiz übrigens meistens „Nachtbuben“ heissen, weil sie meist in der Nacht unterwegs und männlich sind), ist das Gebiet weitläufig eingezäunt. Ein altes Holzhaus wird als Nistplatz für Fledermäuse und Vögel gleich mit eingezäunt.
    Biotope in der Stadt Bülach

    Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Kein Witz, ich habe schon ein paar Mal spät abends hier Füchse verschwinden sehen. Die „Stadtfüchse“ der Agglomeration Zürich sind gewiefte Gesellen. Sie haben sich perfekt an die Nähe des Menschen angepasst. In unserem ersten Jahr hier haben sie uns immer die Schuhe vom Gartensitzplatz weggeschleppt, bzw. den Käsekuchen vom Gartentisch weggefuttert. Seitdem wir einen Hund haben, hat das nachgelassen.

  • Hinweise für Zugvögel
  • Damit auch vorbeifliegende Wildvögel darauf aufmerksam werden, dass hier ein Biotop seit vielen Jahren liebevoll für sie abgesperrt gehalten wird, hat man grosse Stangen, die weit hinauf in den Himmel ragen, hier aufgestellt.
    Stangen für die Zugvögel

    Oder haben wir da etwas falsch verstanden?
    Stangen für die Zugvögel

    In Bülach neben dem Parkplatz vom Sonnenhof ging man sogar soweit, ein tiefes Loch zu buddeln, wahrscheinlich um einen Teich anzulegen. Das Loch wurde dann monatelang durch einen Zaun geschützt, dann wurde es wieder zugeschüttet. Was war passiert? „Rekurs“ wurde eingelegt, zu Deutsch „Rücklauf, Beschwerde“, ein Anwohner hatte sich beschwert, denn das ist der tatsächliche Grund für diese Stangen-Aufstellerei.

    Stangen für den Nachbarn

    Will jemand etwas bauen, muss er zunächst für alle Anwohner deutlich mit den Projektstangen zeigen, wo die späteren Eckpunkte und Giebelkanten seines Bauvorhabens liegen. Der Nachbar kann sich so messerscharf ausrechnen, ob er noch genug Sonne haben wird oder ihm die Aussicht auf Unterländer Landschaft im Nebel verbaut wird.

  • Schweizer Kampfrituale
  • Es schrieb uns ein Blogwiese Leser zu den Projektstangen:

    Ähnliche, meistens vier solcher Masten aus Holz oder Aluminium wie der abgebildete Galgen stehen im Viereck aufgestellt auf offenen, meist grünen Wiesen. Diese werden zu besonders typischen Schweizer Kampfritualen gebraucht. Damit wird angezeigt, welches Territorium der Landwirtschaft aberobert werden soll, um es dem sich erfolgreich verbreitenden Wohnraum zuzuführen. Benachbarte Anwohner können dieses Projekt allerdings auch bekämpfen, falls ihre Lebensqualität beeinträchtigt würde.
    (Quelle: Private Elektropost)

  • Nichts geht mehr: Das Verbandseinspracherecht in der Schweiz.

  • Eine besondere Rolle bei vielen Bauvorhaben in der Schweiz spielt das „Verbandseinspracherecht“. So gelingt es dem Verkehrsclub Schweiz, kurz VCS, immer wieder, bei grossen Bauprojekten durch sein Einspracherecht die Entwicklung der Projekte zeitlich zu verzögern. Seit Jahren werden Versuche unternommen, dieses Einspracherecht einzudämmern oder ganz zu unterdrücken, bisher immer ohne Erfolg. Die Umweltverbände können nur dann eine „Umweltverträglichkeitsprüfung“ beantragen, wenn die verbaute Fläche über 5000 Quadratmeter beträgt.

  • Aldi jetzt auch in der Schweiz
  • So konnte es geschehen, dass die Deutsche Aldi-Kette ab dem 26.10.05 gleich an vier Orten in der Schweiz ihre Geschäfte eröffnet. Einsprache war nicht möglich, denn die bebauten Grundstücke benötigen nur 900 Quadratmeter (Tagesanzeiger vom 23.10.05).
    Aldi-Deutschland erstattet übrigens bis vor einiger Zeit keine Mehrwertsteuer, wenn man die Waren beim Zoll als „Ausfuhr“ deklariert. Dann führten sie ein „Tax-Repay“ System ein, mit dem man bis auf einen Verwaltungsanteil die MwSt. auf ein Girokonto rückerstattet bekommt. Ob Aldi-Schweiz auch Mehrwertsteuerrückerstattung einführen wird? Das fände ich klasse, denn dann könnten die Deutschen in die Schweiz zu Aldi fahren und sich bei der Ausreise die „Ausfuhr“ bestätigen lassen, und kämen so zu billigeren Einkäufen. Die ganze Lebensmittelbranche der Schweiz starrte Monate lang auf diese Aldi-Neuöffnung wie die Maus auf die Schlange.

  • Tabufrage „Waren Sie schon mal bei Aldi?“
  • Es gehört zum guten Ton in der Schweiz, diese Frage einem Schweizer nicht zu stellen. Sie kommt gleich nach den anderen Tabufragen:
    „Glauben Sie an Gott?“,
    „Wie viel verdienen Sie eigentlich?“
    und
    „Ist das Ihre Socke dort, die ich in der Waschküche gefunden habe?“

    Ich möchte anfangen, diese Statements zu sammeln. Wer mir nicht alles schon bestätigt hat, dass er noch nie bei Aldi war! Denn wer outet sich schon gern als Vaterlandsverräter?

    Was Dominique an den Deutschen nervt — Teil 5 — Die Schweizerdeutschversteher

    September 5th, 2007

    Heute der letzte Punkt der Liste von Dominique:

    5. Ich verstehe ja Schweizerdeutsch!
    Da ist man lieb und nett, begräbt für einen Augenblick alle Vorurteile, schustert sein bestes Hochdeutsch zusammen und versucht sogar beim Tempo etwas fürschi zu machen um sich schliesslich vom deutschen Kunden anhören zu müssen: “Ist ja ganz einfach, dieses Schweizerdeutsch. Hätte nie gedacht, dass ich soviel verstehe!”. Toll, danke. Muss ich mir dies wirklich gefallen lassen von einem Menschen, der “Schemie in Schina” studiert hat?

  • Langlaufski, Abfahrski, Après-Ski und Fürschi
  • Ja, mit dem Skifahren ist es bei den Schweizern so eine Sache. Wenn sie nicht stehenbleiben wollen, fahren sie einfach Fürschi. Das Wort haben wir übrigens bei Emil gelernt, in dem Sketch zum Thema „Einparken“. Der ist auf Schweizerdeutsch schneller und wesentlich deftiger als auf Emils künstlichem Schweizer-Hochdeutsch, dem berühmten „Emilsprech“.

    Der Punkt, den Dominique da anspricht, ist tatsächlich nervig. Nervig deswegen, weil er zu den am häufigsten erzählten Anekdoten und „lustigen Begebenheiten“ zwischen Deutschen und Schweizern gehört, die irgendwann nerven. Dazu gehört die Geschichte mit der Warteschlange am Skilift, an der ein Deutscher mit dem Spruch „Ich darf das, ich bin Deutscher“ vorbeigeht, genauso wie die Geschichte „Ach, so einfach ist Schweizerdeutsch? — Nein, ich habe die ganze Zeit über versucht Hochdeutsch zu sprechen“.

  • Muss man sich das als Schweizer gefallen lassen?
  • Nein, man muss aktiv dagegen angehen, in dem man sich als Schweizer entscheidet für

    a) Aktive praktizierte Diglossie, d. h. Zweisprachigkeit zwischen perfektem Schweizerdeutsch UND perfekten Standarddeutsch,

    oder

    b) Dreisprachigkeit mit den Varianten perfektes Schweizerdeutsch, perfektes Standarddeutsch UND der Kunstsprache „Schweizer Hochdeutsch“.

    Das Missverständnis entsteht doch nur, wenn für den Gesprächspartner aus Deutschland nicht erkennbar ist, dass er es mit Variante b) und dem „Schweizer Hochdeutsch“ zu tun hat. Auf diese Sprache muss er aufmerksam gemacht werden, sie muss ihm bewusst gemacht werden. Leider fehlt das Bewusstsein für diese dritte Sprache bei Deutschen, was zu entschuldigen ist, denn wie sollten Sie ja etwas von dieser Variante erfahren? Die Deutschen kennen Standarddeutsch, vielleicht noch ihren heimischen Dialekt, und haben davon gehört, dass es soetwas wie Schweizerdeutsch gibt.

  • Zwei Varianten sind besser als drei
  • Wenn Sie also einen Schweizer vernehmen, der „versucht Standarddeutsch“ zu sprechen, dies nicht kann und dann halbherzig im Schweizer Hochdeutschen endet, dann entsteht genau dieses oben beschriebene Missverständnis.

    Es gibt also zwei Lösungsansätze:
    Lösung a) ist einfacher, weil es nur zwei Varianten zu beherrschen gibt. Entweder spricht man als Schweizer konsequent Schweizerdeutsch mit den Deutschen, oder man trainiert sein nicht schweizerisch klingenden Standarddeutsch.

    Lösung b) mit der dritten Variante wird nichts als Probleme bereiten. Das „Schweizer Hochdeutsch“ ist eine unnatürliche Kunstsprache, da es in der Regel nur mit Westschweizern und Tessinern praktiziert wird, oder zur Abgrenzung gegenüber dem Standarddeutschen.

  • Bleibt zweisprachig, meidet die Dreisprachigkeit!
  • Unser Wunsch an die Schweizer: Bleibt Zweisprachig, nicht dreisprachig. Schafft keine Kunstsprache zwischen den wunderbaren Schweizerdeutschen Dialekten und der gemeindeutschen Standardsprache. Propagiert und pflegt eure Sprache auch im Ausland, sorgt für Schweizerdeutsches Fernsehen in Deutschland, lasst „Achtung, Fertig, Charly“ oder „Eugen“ nicht als synchronisierte Fassung nach Deutschland auswandern, sondern nur im Original. Und lasst Euch nicht ständig einreden, ihr könnt eh kein gutes Gemeindeutsch aussprechen uns müsst deswegen „Schweizer Hochdeutsch“ lernen. Das ist absoluter Quatsch. Es gibt soviele gute getarnte Schweizer in Deutschland, die es auch perfekt können. Alles ist lernbar, braucht nur Übung.

    Unser Wunsch an die Deutschen: Trainiert euer Schweizerdeutsches Hörverständnis (und aktives Sprechen, falls ihr Talent habt) und übernehmt soviel wie möglich praktische Schweizer Wörter in euren eigene Aktiv-Wortschatz, damit „verunfallen“ und „verzeigen“ und „verunmöglichen“ endlich Teil der Standardsprache werden und keinen Exotenbonus mehr haben. Für einmal tönt das im Fall noch recht lässig, und erst noch geschrieben.