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Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene (Teil 1) — Wer stört auf der Stör

(reload vom 15.11.05)

In einem Bericht des Tages-Anzeigers lesen wir:

  • Die Winzer gehen auf die Stör
  • Keine Ahnung, was damit wohl gemeint sein könnte. Der Stör ist ein Fisch, und Kaviar sind die Eier vom Stör, soviel ist schon mal klar. „Die Stör“ ist ausserdem ein Nebenfluss der Elbe in Schleswig-Holstein. Aber was heisst wohl „auf die Stör gehen„? Vielleicht so etwas wie „auf den Keks gehen„? Gar nicht so weit weg davon.

    Nun, es heisst einfach „für andere eine Lohnarbeit ausführen„. Laut Duden ist die „Stör“ die Arbeit, die ein Gewerbetreibender im Haus eines anderen verrichtet. Da wollen wir dann nicht stören, sondern uns lieber weiter den „Eiern vom Stör“ widmen. Das Wort „Stör“ kommt aber tatsächlich von „stören„. In Norddeutschland wird es mit e geschrieben, ein Dehnungs-E, das man nicht mitliest. Die Stadt „Coesfeld“ hat es, sie wird „Kohsfeld“ gesprochen, und keinesfalls als Schweizer Diphthong Co-es-feld„.

    Wikipedia meint zu Stöer (mit e)

    Die Stöer ist ein alter Ausdruck für die Wanderschaft reisender Handwerker. Sie gingen durch die Dörfer und störten den normalen Tagesablauf (siehe auch Störer und Polizeirecht). (Quelle)

    Wo der Schreiber dieses Wikipedia Beitrags nur das Dehnungs-E her hat, ist mir schleierhaft. Unser Duden verzeichnet „Stör“ auch ohne e als „schweizerisch„. Scherenschleifer gingen auf die Stör, und ausserdem kennt man in der Schweiz auch den „Stör-Metzger„, der zur Schlachtung eines Tieres zum Bauern auf den Hof kommt.

    Moderne Varianten sind heute der Stör-Sender und die Bild-Stör-ung, womit auch ein Druckerstreik im Axel Springer Verlag gemeint sein könnte.

    Hand aufs Herz: Sie wohnen in der Schweiz oder sind wohlmöglich ein Schweizer. Hätten Sie gewusst, was „auf die Stör“ gehen bedeutet? Dann will ich nicht weiter stören.

    

    10 Responses to “Schweizerdeutsch für Fortgeschrittene (Teil 1) — Wer stört auf der Stör”

    1. mare Says:

      Bei uns gab es den Stör-Metzger und die Stör-Schneiderin, mir ist der Ausdruck wohl bekannt, bin aber auch nicht mehr zwanzig.

    2. Werner Sagmeister Says:

      Da kommt ein Neunmalkluger aus «Deutschen Landen» in die Schweiz und will uns schweizerdeutsch beibringen. Dazu benutzt er den Duden «Die Deutsche Rechtschreibung»!. Solche Leute stören im höchsten Masse. Die Störschneiderin, der Störmetzger (gibt es heute noch viele) oder der Störschreiner störten nie, die liess man kommen.

      Scherenschleifer und Kesselflicker kamen nie auf die Stör, die hätte man nie in Haus gelassen.

      Und dann erzählt dieser «Schweiz-Verbesserer» von Störwinzern. So einen Blödsinn habe ich noch nie gehört. Der Winzer stellte Leute für den «Wümmet» oder «Leset» oder füs «Härbschte» (gibt es für dieses Wort noch eine hochdeutsche Belehrung?) ein, meist aus der nahen Um gebung.

      Diese deutsche Besserwisser hätte viel besser zu erst im Idiotikon, dem «Schweizerdeutschen Wörterbuch» nachgeschaut, bevor er diesen Erguss ins Netz gestellt hätte. Aber dieses Wörterbuch kennt er sicher nicht!

      Übrigens, im Allemanischen gibt es de Ausdruck auch, oft als «Störr» geschrieben und im Elsass schreibt «Stoerr». Das muss ich wohl wissen, hiess meine Frau ledig so.

      Am besten reist dieser Besserwisser so rasch als möglich wieder ab und belehrt die Hannoveraner und die Münchner, wie man richtig «plattdeutsch» spricht. Es wäre ein Gewinn für die Schweiz, weil wir diesen unsympathischen Menschen los wären und Deutschland bekäme einen allwissenden Sprachforscher zurück.

      [Anmerkung Admin: Vielen Dank für diese nette und konstruktive Kritik. Aus ihr ist deutlich ersichtlich, dass Sie noch nicht viel auf der Blogwiese gelesen haben, vielleicht könnten Sie dies noch nachholen unter http://www.blogwiese.ch/inhaltsverzeichnis gibt es einen schönen Überblick. Das „Idiotikon“ ist selbstverständlich
      mehrfach Thema gewesen, z. B. hier.

      Die Idee zu dem „Störwinzer“ gab uns übrigens die Lektüre des Tages-Anzeigers. Eine wunderbare Quelle für lebendiges Schweizerdeutsch. Aber wahrscheinlich haben die Redaktore dort keine Ahnung. Die damalige Überschrift lautete tatsächlich „Die Winzer gehen auf die Stör“. Idee der Blogwiese ist nicht, jemanden etwas beizubringen sondern „sprachliche Beobachtungen“ zu verschriften und mit anderen zu diskutieren. Wer lieber kluge und belehrende Literatur konsumiert, der ist hier ganz falsch, und den verweisen wir gern auf einschlägige Adressen wir http://www.blick.ch ]

    3. Tellerrand Says:

      @ Werner Sagmeister

      Nach Herrn Wiese kennen wir jetzt mindestens noch eine zweiten Besserwisser. Wenn Sie’s zukünftig schaffen, die Besserwisserei symphatisch zu verpacken – herzlich willkommen. Wenn nicht: trollen Sie sich bitte in den Basellandschaftlichen Wald…

    4. Dieter Says:

      Hallo.. hier gibts paar lustige Clips zum aktuellen Wahlkampf in der Schweiz und verschiedenen Dialekten

      ein Beispiel gefällig?

      http://youtube.com/watch?v=NKVY5uck8pk&watch_response

    5. René Says:

      Du hast den Störkoch vergessen.

      PS: Vielleicht machst Du Deinen Antispam Filter mal Idiotensicher
      wie was ergibt limes x gegen unendlich von 1 / x :-)))

      [Antwort Admin: 42, bzw. genauer 42
      (Quelle: Wikipedia)]

    6. Brun(o)egg Says:

      @ Werner Sagmeister
      Sie stören definitiv.

      @ all
      Der sympathiste Störer kommt im Herbst zum Bauern: der Schnapsbrenner. Pro Kuh 5 (?) Liter darf er brennen, wenn ich mich recht erinneer. So stehts mindestens in den Bestimmungen. Setzt man allerdings die Menge gebrannten Schnaps in Relation zur Viehmenge, besteht die Schweiz ausschliesslich aus Kühen, smile. Keinen Schnaps brennen dar er bei Sagern, Meistern und Eseln.

    7. die südliche anna Says:

      Seit langem stumm, aber vergnügt mitlesend: hier ein evtl. nützlicher Hinweis auf eine Sendung in SWR 2 Forum heute 17 Uhr „Kuhglocken gegen Ausländer“. Werde ich mir nicht entgehen lassen, mal sehen ob es auch so sagmeisterlich im Ton zugeht wie weiter oben. Als Badnerin bin ich es übrigens gewohnt, sowohl von den Schweizern wie auch den Elsässern zu den „Schwobe“ gerechnet zu werden. Wie war das nochmal mit der Toleranz? Die fängt u.a. da an wo’s wehtut.
      Tut mir leid, daß der Hinweis so kurzfristig ist. Geht aber evtl. als podcast…

    8. Hobubätzi Says:

      http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/swr2-forum/-/id=660214/nid=660214/did=2551344/119e8y/index.html

    9. Dani Says:

      Vergiss den Stör-Coiffeur (oder die Stör-Coiffeuse) nicht.
      Wenn diese(r) dann den Haushalt stört, sind meine Kinder ganz angetan von der Idee und geben Ihr bestes ebenfalls zu stören.

    10. ??? Says:

      @ Werner Sagmeister,

      leiden Sie unter nationalistischer Logorrhoe?