Schweizer Lieblingstätigkeiten (Teil1) — Vom schnellen Warten und langsamen Pressieren
April 18th, 2008(reload vom 16.12.05)
Seit wir in der Schweiz leben, haben wir eine ganze Menge praktischer Fähigkeiten dazu gelernt. Wir können zum Beispiel ganz besonders gut „schnell warten“. Ich breche alle Rekorde beim „schnellen Warten“. „Wart schnell“ sagt ein Schweizer zu mir, und schon geht es los. Wie der Blitz fang ich an zu warten, und wenn ich mich richtig anstrenge, kann ich sogar noch schneller warten. „Soll ich noch schneller warten?“ frage ich dann nach ein paar Minuten, wenn es mir zu langweilig wird, um die Zeit ein wenig abzukürzen.
Manchmal reicht das „schnelle Warten“ allein nicht, denn dann „pressiert es langsam“. Das mit dem „langsam pressieren“ ist so eine Sache, denn eigentlich muss alles ganz schnell gehen, mit ordentlich „Druck“ dahinter = Englisch „pressure“.
„Se presser“ sagen die Franzosen, wenn sie sich selbst unter Druck setzen, und damit nicht „sich drücken“ meinen, denn das ist „s’embrasser“ (Küsschen links, Küsschen rechts). Das Wort „küssen“ mit „baiser“ zu übersetzen, wie es vor Jahren noch im Langenscheidt zu finden war, würde heute in Frankreich unweigerlich zu peinlichen Situationen führen. Denn „baiser“ ist eine sehr höfliche Umschreibung für den Austausch von Körperflüssigkeiten.
Doch zurück zu den Schweizern, denn denen „pressiert es langsam“. Das haben sie übrigens „für einmal“ mit den Schwaben gemeinsam, auch die stehen ständig unter Druck.
Kommen wir zur dritten Lieblingsbeschäftigung: Wenn der Druck abnimmt, dann „haben wir kalt“ in der Schweiz. „Ich habe Schnupfen, ich habe Fieber, ich habe kalt“, eine logische Abfolge, vorexerziert von den Franzosen „j’ai froid“ und Italienern „ho freddo“, und nicht „caldo“, denn das heisst „warm“, ist doch logisch.
Die letzte Lieblingsbeschäftigung als Deutscher in der Schweiz ist das fleissige „ume“ sein. „Isch dä Jens au ume“ wird das Kind am Telefon gefragt, wobei es nun nicht darum geht, ob es hier irgend etwas für „ume“ gibt, was in Deutschland flapsig-salopp für „umsonst“ gebraucht wird, sondern poetisch ausgesprochen: „Um den Weg“ bedeutet, also erreichbar, in der Nähe.
Alles noch mal im Zusammenhang zum Nachsprechen: „Ich warte schnell, denn es pressiert langsam, weil ich kalt habe, und kein Doktor ume ist“. Alles klar? Sind alle raus gekommen? Und wer blieb drin?