Was die Geiss nicht alles so wegschleckt — Als Urs Meier Deutschland sprachlich bereicherte

Juli 7th, 2009

(reload vom 3.7.06)

  • Eine Geiss ist eine Ziege
  • Sie kennen alle noch unseren Freund „Geissenpeter“ aus Hamburg? In Deutschland müsste er sich „Ziegenpeter“ nennen, denn das Wort „Geiss“ bedeutet in der Schweiz „Ziege“, während es im Standarddeutschen nur als „weibliches Tier bei Gams-, Stein- und Rehwild“ vorkommt. (Quelle: DeGruyter Variantenwörterbuch, S. 384). Doch „Ziegenpeter“ ist eine ziemlich blöde Kinderkrankheit, auch als „Mumps“ bekannt und wer will schon heissen wie eine Krankheit, drum nennt er sich halt „Geissenpeter. In der japanischen Trickfilmversion von Johanna Spyris Heidi wurde tatsächlich der Name übersetzt zu „Ziegenpeter“.
    Die Geiss ist eine Ziege
    (Quelle Foto: tierwelt.ch)

  • Das schleckt keine Geiss weg
  • Google-Schweiz weisst 1’370 Funde auf. Ohne diese hübsche Redewendung sind Sie absolut aufgeschmissen in der Schweiz, denn sie findet sich sehr häufig, auch in der ehrwürdigen Neuen Zürcher Zeitung:

    Obwohl die Finanzhilfen für die Substanzerhaltung im Infrastrukturbereich (200 Mio. Fr.) angeblich einen hohen Technologiegehalt zulassen, schleckt keine Geiss weg, dass das Bauhauptgewerbe im Visier der Massnahmen steht.
    (Quelle: www.rueggerverlag.ch)

    Oder beim Kantonsrat St. Gallen, auch dort sind Geissen unterwegs :

    Es ist eine Tatsache und es schleckt keine Geiss weg, der Unterhalt ist seit Jahren verschlampt worden (…)
    (Quelle: ratsinfo.sg.zh)

    In Deutschland hingegen gab es nur 261 Stellen mit dieser Formulierung. Das war vor Urs Meier, jetzt sind es 10 Stellen mehr, wegen Urs Meier.

  • Als Urs Meier den Deutschen etwas beibrachte
  • Aber dann war da dieser denkwürdige Abend im ZDF-Studio, als der Schweizer Ex-Schiedsrichter Urs Meier gefragt wurde, ob es sich bei einer umstrittenen Szene in der ersten Spielhälfte Argentinien gegen Mexiko tatsächlich um ein Abseits gehandelt habe: „Dass es kein Offside war, das schleckt keine Geiss weg.“

    Was dann folgte, beschreibt der Tages-Anzeiger vor dem Spiel der Schweizer gegen die Ukraine, wie folgt:

    Konsternation erst und dann, nach der Klärung dieses Steilpasses, lautes Lachen im deutschen WM-Studio und auf allen Grossbildschirmen der Grossnation. Mit solchen unverständlichen Kommentaren macht Urs Meier unmissverständlich klar, dass die Schweiz einen ernst zu nehmenden Gegner für Deutschland darstellt. Auch das schleckt keine Geiss weg.
    (Quelle: Guido Kalberer im Tages-Anzeiger vom 26.06.06, S. 43)

    Urs Meier sagte diese Redewendung, Johannes B. Kerner schaute verdutzt, fragte zurück „Was hast Du da gerade gesagt“? Urs Meier wiederholte seinen Satz, Johannes B. Kerner versucht noch zu übersetzten „Das leckt keine Ziege auf“, aber es war schon zu spät.

    Und wieder erleben wir live im Fernsehen, wie fatal die Unwissenheit der Deutschen in Bezug auf Schweizerdeutsche Gegenwartssprache ist. Wenn doch Schweizer Fernsehen auch nach Deutschland ausgestrahlt würde, wenn der „Geheimcode Schwiitzerdütsch“ täglich von 80 Millionen Zuschauern empfangen werden könnte, dann würde niemand auch nur mit der Wimper zucken bei einem solchen Satz. Es ist doch eine klasse Redewendung, mit einem wunderbaren inhärenten Binnenreim „schleck-weg“. Was hat das Standarddeutsche da schon Vergleichbares zu bieten?
    „Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“
    oder
    „Da kannst Du Gift drauf nehmen“
    oder
    „Da führt kein Weg dran vorbei“
    Langweilig, wir fangen gleich an zu gähnen.

  • Hat Urs Meier sich oder die Schweizer im ZDF blamiert?
  • Aber nein, wir sehen das ganz locker. Er hat auf wunderbare Weise den Deutschen eine neue Redewendung geschenkt, wenn die bei den Süddeutschen nicht sowieso schon lange bekannt und im Gebrauch ist, denn so eine praktische sprachliche Formulierung macht an Landesgrenzen nicht halt.

  • Schleckstängel und Schleckwaren
  • In der Schweiz ist der Schleckstängel das übliche Wort für den deutschen „Lutscher“, „Dauerlutscher“ oder „Lolli“. Schleckwaren sind daher „Süssigkeiten zum Schlecken“. In Deutschland ist „Schlecker“ eine erfolgreiche Drogeriekette, sozusagen der Aldi der Drogeriebranche, in fast jedem Land Europas vertreten, nur (noch) nicht in der Schweiz.

  • Was alles kein Schleck ist
  • Nur in der Schweiz können sie sagen. „Das ist kein Schleck“ um auszudrücken, dass etwas kein Vergnügen, sondern eine schwierige Angelegenheit ist. Die Redewendung kommt wahrscheinlich vom „Honigschlecken“ oder „Zuckerschlecken“. Diese Varianten des Schlecks sind auch in Deutschland bekannt. Den „Schleck“ ohne alles haben die Schweizer für sich reserviert.

    Hartz IV und wo harzt es sonst noch so?

    Juni 29th, 2009

    (reload vom 24.06.09)

  • Harzt IV und wo harzt es sonst noch so?
  • Im Dezember 2005, als Geissenpeter noch täglich ums sprachliche Überleben in der Hauptstadt der kühlen Hanseaten kämpfte, berichtete er uns zum ersten Mal, dass man dort oben an der Water-kant, die so rein gar nichts mit kant-onalem Geiste zu tun hat, die griffige weil klebrige Formulierung „es harzt gewaltig“ nicht verstehen würde.

    Er schrieb uns:

    wenn ich in Hamburg “es harzt” sage, werde ich ausgelacht. Ist mir zweimal passiert, musste zweimal erklären, was ich damit meine, seither sag ichs nicht mehr
    Aber vielleicht bin ich ja auch einfach nur an die Falschen geraten…
    (Quelle)

    Dabei ist der Harz doch eines der Mittelgebirge, das jeder Ausländer in Deutschland kennen sollte, wenn er beim Fragenkatalog für die Einbürgerung gut abschneiden möchte. Dort lauten die ersten drei Fragen:

    1. Wie viele Einwohner hat Deutschland?
    2. Nennen Sie drei Flüsse, die durch Deutschland fließen!
    3. Nennen Sie drei deutsche Mittelgebirge!
    (Quelle: Zeit.de)

    Falls Ihnen jetzt noch zwei weitere Namen von Mittelgebirgen fehlen: „Schwarzwald“ pass gut, ist auch leicht zu merken wegen der Farbe, und die „Kohlehalden“ am Rhein-Herne Kanal, absolut sehenswürdige Mittelgebirge, und „erst noch“ so energiegeladen:
    Kohlehalden in Herne
    (Quelle: rheinruhrgebiet.com)

  • Hartz IV und Rocky IV
  • Doch zurück zum „harzen“. Ich harze, du harzt, er/sie/es harzt. Das „t“ immer schön hinter das „z“ setzen, damit es hier keine Missverständnisse aufkommen. Das andere Wort „Hartz“ schreibt sich in Deutschland in der Regel mit einer römischen IV versehen, so wie „Rocky IV“ mit Sylvester Stallone, oder garantiert irgendwann Terminator IV, wenn Arnold Schwarzenegger seinen alten Traum wahr macht und als Präsident ins Weisse Haus einzieht. Es geht zurück auf Peter Hartz, den Ex-Personalvorstand von VW, der zum Ende seiner Karriere darüber stolperte, die falschen Dienstleistungen auf seine Spesenabrechnung geschrieben zu haben.

    Zum „harzen“ fällt unserem Duden ein:

    harzen sw. V.; hat [mhd. herzen = mit Pech ausstreichen, zu 1 Harz]:
    1. Harz absondern:
    der Baum, das Holz harzt.
    2. (Forstw.) einen Baum anritzen, um Harz zu gewinnen:
    Kiefern h.; subst.: In den Wäldern ist das Harzen der Kiefern in vollem Gange (NNN 27. 6. 85, 3).
    3. mit Harz bestreichen.
    4. (schweiz., auch landsch.) schwer, schleppend vonstatten gehen:
    die Verhandlungen harzen; es harzt mit dem Bau der Autobahn; Was die Konsolidierung der Fälligkeiten 1987 betrifft, scheint es nicht nur auf der Schuldnerseite zu h. (NZZ 26. 10. 86, 15).

    Wir achten wie immer auf die Reihenfolge. Die wichtige Schweizerdeutsche Formulierung „schwer, schleppend vonstatten gehen“ kommt tatsächlich erst auf Platz 4 der aufgezählten Bedeutungen. Als ob das Bestreichen mit Harz so üblich sei in Deutschland, wie wenn sich jemand beim Frühstück Honig aufs Brot schmiert.

    Auch DWDS, das Konkurrenzunternehmen vom Duden aus Berlin-Brandenburg, kommt zu dieser Wertung:

    harzen /Vb./
    1. etw. mit Harz bestreichen: Treibriemen (mit der Hand) h.
    2. Forstw.
    a) Harz ausscheiden: die Kiefer harzt
    b) Nadelbäume h. (Harz aus ihnen gewinnen)
    3. südwestdt. schweiz. es harzt es ist schwierig, es kostet Mühe: Mit Mang (mittlerweile) wird’s harzen Federer Berge 253
    (Quelle: dwds.de)

    Erst der Treibriemen, dann die Forstwirtschaft und nur an dritter Stelle, zusammen mit Südwestdeutschland (!) wird die Schweiz und „es harzt“ erwähnt.
    Wir finden sehr alte Belege für das Wort:

    wen me üch olle harzen selde würde nie doch in virzahn Tagen nicht fertig! (Quelle: Andreas Gryphius – Die gelibte Dornrose / Der Erste Auffzug)

    und ein Zitat aus der Bildzeitung von 1999:

    Bei Jil Sander freilich harzen die Geschäfte, der Kurs der frei handelbaren (Vorzugs-)Aktie hat sich in drei Jahren um 60 Prozent gesenkt (siehe Grafik unten). (Quelle: BILD 1999)
    (Quelle: wortschatz.uni-leipzig.de)

    Produziert den Jil Sanders in der Schweiz, oder kommt die Bild-Zeitung aus Süddeutschland?
    Wiki meint:

    Jil Sander (* 27. November 1943 in Wesselburen als Heidemarie Jiline Sander) ist eine international bekannte deutsche Modeschöpferin mit Wohnsitz in Hamburg.
    (Quelle: Wiki)

    Also hatte der arme Geissenpeter ganz einfach Pech, in Hamburg nicht mit einem Redakteur der Bildzeitung gesprochen zu haben, der sehr wohl zu wissen scheint, was „es harzt“ bedeutet.

    Wohin fällt die Steigerung?

    Juni 25th, 2009

    (reload vom 21.6.06)

  • In Jona-Rapperswil, da treiben sie es von Amts wegen
  • Wir fanden, im Tages-Anzeiger, dem nicht mehr steigerungsfähigen Blatt für jedes Treiben, vom 9.6.06 auf Seite 25 diese Anzeige:

    Betreibungsamt Jona-Rapperswil
    Steigerungsanzeige
    Am Donnerstag, 22. Juni 2006, ab 14.00 Uhr werden im Geschäftslokal an der Herrengasse 9 in 8640 Rapperswil gegen sofortige Barzahlung und sofortige Wegnahme zwangsrechtlich öffentlich versteigert: (…)“

    Steigerungsanzeige

    Warum sollten wir es erst bezahlen, wenn wir es doch dem Versteigerer doch sowieso wegnehmen, und zwar sofort. Oder nimmt der einen anderen Weg, so dass er uns entkommt? Vielleicht derweil durch eine hohle Gasse oder so?

    Zum Schluss heisst es dann:

    Besichtigung: am Steigerungstag von 10.00 bis 11.00 Uhr

    Kann man den Steigerungstag eigentlich noch steigern? Oder ist der schon der absolute Superlativ? Der „Steiger“ ist in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, ein ehrenwerter Beruf und hat nichts mit unliebsamen Zeitgenossen zu tun, die Ihnen auf den Kopf steigen könnten, oder wohlmöglich noch „zu Kopfe“?

    Steiger, der; -s, – 1: eigtl. wohl = jmd., der häufig (zu Kontrollen o. Ä.) ins Bergwerk steigt; mhd. stīger = Kletterer, Bergsteiger, Besteiger einer Sturmleiter:
    1. (Bergbau) Ingenieur (Techniker), der als Aufsichtsperson unter Tage arbeitet (Berufsbezeichnung).
    (Quelle: duden.de)

    Im Duden fanden wir unter „Steigerung“

    Steigerung, die; -, -en [spätmhd. steigerunge]:
    1. das Steigern (1): die Steigerung der Produktion, des Absatzes; dem Autor gelingt eine Steigerung der Spannung.
    2. (besonders Sport) Verbesserung der Leistung.
    3. (Sprachwissenschaft) das Steigern (5); Komparation.

    Von „Gütern“ und „Wegnahme“ und „Posten“ können wir da nichts finden, seltsam. Nicht mal ein ganz klitzekleines „landsch. Schweiz“ oder „veralt. Schweiz“ ist diesmal dabei! Das ist schon hoch, höher am höchsten!

    Dabei endet die Anzeige im Tages-Anzeiger (nomen est omen!) mit einem absoluten Knüller, es kommt zu einer echten Actionsequenz:

    Im Falle der Auslösung fällt die Steigerung dahin.

    Im Falle der Auslösung fällt die Steigerung dahin.

    Wohin denn? Nach links oder nach rechts? Oder wohlmöglich in den See? Wir erinnern uns an die Gant in Bülach, wo es auf dem ausgeteilten Handzettel hiess:

    Der Versteigerer entschlägt sich jeder Verantwortung bei allfälligen Abhandenkommen oder Untergang des zugeschlagenem Steigerungsguts.
    (vgl. Blogwiese)

    Hier wird zugeschlagen, bis zum Untergang. Auch wenn Bülach keinen Teich hat und die Glatt gar nicht tief genug ist für so viel Steigerungsgut.

  • Wenn die Steigerung dahin fällt
  • Wenn also, im Fall eine „Auslösung“ eintritt, dann fällt die Steigerung. Keine Auslöschung, sondern eine Auslösung. Die Losung, das haben wir vom Förster gelernt, die lässt der Hase oder der Rehbock gerne mal fallen, wenn ihm danach ist oder wenn es ihm im Darme drückt. Aber die „Auslösung“? Auch keine „Auslosung“ des Gewinners beim Lottospiel. Wir rätseln weiter über die Wunder unserer Muttersprache und ihre Verwendungsmöglichkeiten in der Schweiz und warten auf die Lösung / Losung / Auslösung.

    Was die Schweizer gerne tun — Jemandem die Kappe waschen

    Juni 18th, 2009

    (reload vom 17.6.06)

  • Was tut der Schweizer am Samstag?
  • Am Samstag hat die Blogwiese grundsätzlich die niedrigsten Zugriffszahlen. Am Samstag ist generell in der Schweiz verkehrsmässig am wenigsten los. Ausflugszeit ist sonntags, nicht am Samstag, denn da wird der Einkauf erledigt, bzw. nachgeschaut, welche lieben Nachbarn tatsächlich wieder zu Aldi „ins Deutsche“ gefahren sind, die man dort rein zufällig auf dem Parkplatz treffen kann. Oder es wird gewaschen am Samstag. Nicht in der gemeinsamen Waschküche, denn die ist vielerorts am Wochenende nicht für die Nutzung vorgesehen (wegen der Lärmbelästigung beim Schleudergang, nehmen wir an). Nein, es wird das Auto gewaschen, die Kühlerhaube, die Reifen (in der Schweiz nur als „Pneu“ = Pnöööh bekannt), die Radkappen, und wenn wir gerade schon dabei sind, waschen wir auch gleich noch die „Kappen“ von anderen Leuten mit:

  • Jemanden die Kappe waschen
  • Wir kannten bisher nur die Formulierung „etwas auf die eigene Kappe nehmen“ bis wir in der Schweiz lernten, dass das hier nicht so einfach geht. Denn die Kappe könnte ja schmutzig sein, und wer will sich schon den Vorwurf gefallen lassen, eine schmutzige Kappe zu haben. Also wird sie gewaschen. Noch besser, der Schweizer lässt sie waschen, durch eine andere Person. „Jemanden die Kappe waschen“ gehört offensichtlich zu den speziellen Schweizer Lieblingstätigkeiten, die in den meisten Fällen allerdings nur unter Zwang ausgeführt wird.
    Jemanden die Kappe waschen

    Beispiel Aargauer Zeitung:

    Nein, nicht nur die SVP bzw. einzelne UNO-Beitrittsbefürworter der Partei mussten und müssen sich von den Abstimmungsverlierern (und gleichzeitigen Parteidominatoren) die Kappe waschen lassen.
    (Quelle: Aargauerzeitung.ch)

    Oder der Tages-Anzeiger:

    «Von Herrn Blocher lasse ich mir nicht derart die Kappe waschen», sagte Elmar Ledergerber selbstbewusst. Und ging zum Gegenangriff über:
    (Quelle: Tagesanzeiger.ch)

    Manchmal wird dieser Dienst auch von Politikerinnen verlangt, so von der SP-Fraktionschefin Hildegard Fässler:

    Hildegard Fässler wird hoffentlich noch recht lange den Aussen-Rechten, Profiteuren, Abzockern und Macho-Typen die Kappe waschen. Sie haben es dringend nötig.
    (Quelle: ignoranz.ch)

    Die Kappe als Kopfbedeckung ist im ganzen deutschsprachigen Europa bekannt, nicht hingegen die Redewendung:

    *jemandem die Kappe waschen
    CH (Grenzfall des Standards) jemanden scharf zurechtweisen; jemanden den Kopf waschen: Ruth Dreifuss… wusch dem Freiburger ganz gehörig die Kappe (NZZ 5.3.1999,13)
    (Quelle. Variantenwörterbuch, S. 387)

    Es geht noch drastischer in der Formulierung:

    *sich [nicht] auf die Kappe scheissen lassen
    sich nicht als minderwertig behandeln lassen: Je älter ich werde, desto weniger lasse ich mir auf die Kappe scheissen. Amen (Tages-Anzeiger 12.9.1998,31)
    (Quelle: Variantenwörterbuch, S. 387)

    Da es sich hier ganz offensichtlich um ein Verb handelt, dass in der „Schriftsprache“ der Zeitungen weniger oft geschrieben wird, finden sich Belege dafür eher Leserbriefen oder Blog-Kommentatoren:

    na dann soll mir der herr rocket doch mal seine genialen vorschläge unterbreiten, wie er mit solchen chaoten umspringen will. wohl wie bisher? sich jedesmal auf die kappe scheissen zu lassen?
    (Quelle: www.blick.ch)

    Auch in Deutschland liebt man drastische Formulierung mit „Kappe“, so zum Beispiel die „Kappe kaputt“ haben:

    hast du was geraucht oder dich sonst irgendwie bedröhnt oder hast du nun tatsächlich die Kappe kaputt?

    (Quelle: stern.de)

    (2. Teil Morgen: Die Kappe ist auch ein Knust, Knäuschen oder Kanten)

    Ent-rüstet das Gemüse! Ran an die Kartoffelmesser!

    Juni 15th, 2009

    (reload vom 13.06.06)

  • Ist der Sackhegel schon eine Rüstung?
  • Die Schweizer „entrüsten“ sich nicht leicht. Sie sind eher ruhig und besonnen. Eine Rüstung haben sie nicht, die sie ablegen müssten. Höchstens das „Sackmesser“, auch als der „Sackhegel“ bekannt, wobei wir noch nicht herausfinden konnten, was das typische Kind aus Zürich, das „Zürihegel“ hier im Sack verloren haben könnte. Wahrscheinlich wieder eine komplett andere Etymologie, aber auf jeden Fall sackstark, wie wir finden.

  • Rüsten in der Küche
  • Wir haben es schon immer gewusst, die Schweiz ist ein durch und durch militarisierter Staat. Jedes Haus hat einen Atomschutzkeller, jeder Kleiderschrank enthält ein Sturmgewehr (dessen Geschosse, auch auf 2 Km noch einen Kofferraumdeckel durchschlagen) und in jeder Küche finden sich „Rüstungen“, nämlich die so genannten den „Rüstmesser“, mit denen fleissig gerüstet wird. Übrig bleiben bei diesen Aktionen die „Rüstabfälle“. So lasen wir im Tages-Anzeiger vom 29.05.06 über die Zukunft der Schweizer Bauern als Energieproduzenten:

    Eine Möglichkeit, die auch nahe liegt, ist die Verwertung von so genannter Biomasse – von Gülle bis zu Rüstabfällen – zu Biogas oder gar zu Strom

    Rüstabfälle

    Wir sind verunsichert und schlagen das gleich nach. „Rüstabfälle“ kennt unser Duden nicht, auch keine „Rüstmesser“, wohl aber:

    Rüstzeug, das:
    a) [Ausrüstungs]gegenstände u. Werkzeuge für einen bestimmten Zweck:
    b) für eine bestimmte Tätigkeit nötiges Wissen u. Können:
    (Quelle: Duden.de)

    Hier wird nichts von Gemüsemessern oder Biogaslieferanten erwähnt.

    Das richtige Rüstzeug kann man sich bei der Evangelischen Kirche in Deutschland abholen in einer „Rüstzeit“ . So werden dort die Wochenendseminare mit theologischem Anspruch genannt werden. Sie merken schon, „rüsten“ bedeutet wirklich ziemlich viel. Fragen wir doch den Duden, ob er es genauer erklären kann:

    rüsten sw. V.; hat mhd. rüsten, rusten, ahd. (h)rusten, zu: hrust = Rüstung, urspr. = herrichten, ausstatten, schmücken,: 1. sich bewaffnen; die militärische Stärke durch [vermehrte] Produktion von Waffen [u. Vergrößerung der Armee] erhöhen: die Staaten rüsten. [zum Krieg, für einen neuen Krieg]; sie gaben Milliarden aus, um gegeneinander zu rüsten.; schlecht, gut, bis an die Zähne gerüstet sein.

    Das war die uns bekannte Bedeutung aus dem Standarddeutschen. Nun zur Schweiz

    2. a) r . + sich (geh.) sich für etw. bereitmachen:
    sich zur Reise, für einen Besuch rüsten; sich zum Kirchgang rüsten. (schweiz.; sich festlich kleiden); Übertragung: rüstet sich die Sonne schon zum Aufgang (Bamm, Weltlaterne 56); auch ohne „sich“: zum Aufbruch rüsten; wir sind nicht dafür gerüstet; Es geht darum, das Unternehmen für die künftige Konkurrenz am freien Markt zu rüsten. (NZZ 23. 12. 83, 10);

  • Zur Hochzeit nur mit Rüstung
  • Als Quelle wird die NZZ aus der Schweiz zitiert, haben Sie es bemerkt? Das dürfen wir nicht vergessen, falls wir mal in der Schweiz auf eine Hochzeit eingeladen werden, uns zuvor angemessen zu rüsten.

    Am meisten schätzen wir allerdings die letzte Bedeutung, die uns der Duden bietet:

    c) (schweiz. veraltet) (von Gemüse, Salat u. Ä.) putzen, zum Verzehr vorbereiten: Spinat rüsten; Erdbeeren rüsten und halbieren (Basler Zeitung 12. 5. 84, 57).

    Und wieder steht da dieses hässliche „veraltet“ neben dem Attribut „schweiz.“. Vielleicht meint der Duden in diesem Fall: Gemüse und Salate putzt sowieso niemand mehr von Hand, die gibt es doch vorgewaschen und zerschnitten fertig bei der Migros zu kaufen. Damit kann sich das Wort „rüsten“ aus dem Sprachgebrauch verabschieden, es wird nicht mehr benötigt. 980 Belegstellen bei Google-Schweiz sprechen da eine ganz andere Sprache. Also ran an die Sackmesser und her mit den „Herdäpfeln“, wir wollen uns ohne Entrüstung ans Rüsten machen! Bratzkartoffeln (im Ruhrpott auch mit „tz“) brauchen viele fleissige Helferhände. Oder wollen wir uns mal an Röstis wagen? Vielleicht sind das ja nur mutierte „Rüstis“?

  • Schneller Rüsten per Seminar
  • Wem das Rüsten übrigens nicht schnell genug geht. In Deutschland können Sie lernen, wie man schneller rüsten kann. Es gibt das tatsächlich Intensivseminare und Workshops zu: schneller-ruesten.de

    Lange Rüstprozesse reduzieren die Produktivität, verschwenden wertvolle Kapazitäten, verlängern die Durchlaufzeiten und machen die Produktion von kleinen Losgrößen unmöglich. Die Unternehmen, die systematisch und erfolgreich Rüstzeiten reduzieren, verschaffen sich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil.
    (Quelle: schneller-ruesten.de)

    Und das ist garantiert keine kirchliche Veranstaltung aber dennoch sehr friedlich, keine Angst.