Die Bildzeitung und die empfindlichen Schweizer

Juli 22nd, 2006
  • Die Bildzeitung und die Schweizer Empfindlichkeit
  • Die Deutsche Bildzeitung ist in der Schweiz an Bahnhofskiosken und in allen grossen Orten erhältlich. Ich würde jedoch wetten, dass von den 200.000 Deutschen in der Schweiz die wenigsten diese Tageszeitung kaufen, geschweige denn lesen. Es ist einfach nicht die Lektüre eines Chirurgen. Blut sieht er am Arbeitsplatz genug. Oder eines studierten Theologen, der genug mit „Schuld und Sühne“ im Berufsalltag zu tun hat, und darüber nicht auch noch in der Zeitung lesen muss.

    Sicher gibt es jetzt auch den ein oder anderen Handwerker, der in Zürich arbeitet und der sich die Bildzeitung in Deutschland gekauft hätte, denn sie ist gilt dort als vergleichsweise billige Pausenlektüre. Das ist sie jedoch nicht mehr, wenn sie in die Schweiz importiert wurde. Also lässt er die Finger davon und spart seine hart verdienten Franken, zu denen er niemals auch nur im Traum „Fränkli“ sagen würde, lieber für das Häuschen in Ostdeutschland.

  • Wenn der Boulevard gehässig wird, müssen es alle ausbaden
  • Die Bildzeitung machte sich nach dem Elfmeter-Desaster der Schweizer Nati während der Fifa-WM über diese lustig. Zitat: „Da trifft sogar der Tell besser!“. Kein in der Schweiz lebender Deutsche hätte es überhaupt wahrgenommen, hätte es eines „Blicks“ gewürdigt oder zitiert, was in der Bildzeitung steht.

    Damit sich alle ein Bild von der Bild machen können, hier der journalistisch und sprachlich höchst komplexe Text vom Tag nach dem Schweiz-Ukraine Debakel:

    DIE TROTTELSCHWEIZER
    Der legendäre Wilhelm Tell dürfte sich im Grab umgedreht haben: Seine Erben gehen als schlechteste Schützen aller Zeiten in die WM-Geschichte ein! Noch nie blieb eine Mannschaft im Elfmeterschießen ohne Treffer. Bis die Trottel-Schweizer kamen!
    Beim 0:3 gegen die Ukraine versiebten sie alle drei Elfmeter. Jetzt fahren sie nach Hause – übrigens ohne Gegentor in der regulären Spielzeit. Auch ein Rekord, der sie aber nicht trösten wird. Denn sie haben sich zum Gespött der ganzen Fußball-Welt gemacht. 1307, vor 699 Jahren, soll Armbrustschütze Tell den Apfel auf dem Kopf seines Sohnes getroffen haben– Entfernung: 80 Schritte, ca. 60 Meter! Jetzt treffen die Schweizer aus 11 Metern gar nichts mehr…
    Ausgerechnet drei Bundesliga-Profis versagten: Streller (letzte Saison Köln, jetzt VfB) und Cabanas (Köln) scheiterten an Torwart Schowkowski. Barnetta (Leverkusen) traf nur die Latte.
    (Quelle: Bildzeitung)

    Kann man auch anders sehen: Lernen die denn bei der Bundesliga unter lauter Deutschen Profis nicht, wie man richtig Elfmeterverwandeln? Hätten Sie die Elfmeter verwandelt, hätte die Bild geschrieben „Unsere Kölner / Leverkusener Jungs sind die Torschützen„! Ganz sicher.

    An dem peinlichen Aus sollen jetzt auch noch die deutschen Fans schuld sein. Fehlschütze Streller lederte gegen die Fans:
    „Es ist unheimlich schwer, wenn man auf dem Feld versucht, ein WM-Spiel zu absolvieren, und die Zuschauer singen ganz unbeteiligt ‚Lukas Podolski’ oder ‚Ohne Holland fahren wir zur WM‘. Wenn bei so einem Spiel drei Viertel deutsche Zuschauer sind und viele Schweizer keine Karte kriegen, dann ist das schwach von der Fifa.“
    Fakt ist: Von den 45 000 Zuschauern in Köln waren 20 000 Schweizer. 5000 feuerten die Ukraine an und der Rest hätte gern ein tolles Fußballspiel gefeiert. Die Rufe nach „Prinz Peng“ und die Hohn-Gesänge für unsere holländischen Nachbarn waren gegen die Langeweile auf dem Platz! Wetten, daß die deutschen Fans auch für die Schweiz und Streller gejubelt hätten? Doch dazu fehlte ein Schuß ins Tor. Das müssen Tells Erben bis zur EM 2008 in ihrer Heimat noch üben…

    So weit, so schlecht, so Boulevard mit seinen simplen Sichtweisen. Ich habe diesen Bild-Bericht mühsam raussuchen müssen, denn überall wurde zwar „über“ ihn gesprochen, aber die wenigsten hatten das Original gelesen. In der Schweiz wurde er, auf Grund eines Berichts im Blick darüber, mit einer hohen Empfindlichkeit registriert, diskutiert und in der Folge den dort lebenden Deutschen täglich wieder unter die Nase gerieben:

    „Gerade fingen wir an, Deutschland wegen seiner Gastfreundschaft während der WM wieder sympathisch zu finden, da passiert das!“

  • Wir lesen keine die Bildzeitung
  • Muss man sich als Deutscher in der Schweiz nun rechtfertigen, wenn ein aggressives Massenblatt, das sowieso täglich massiv die Unwahrheit schreibt (vgl. Bildblog) seine Häme über das Nachbarvolk ausschüttet? Die gleiche Häme und Wut bekam vor wenigen Monaten noch Klinsmann und die Deutsche Mannschaft zu spüren, als die Vorbereitung auf die WM nicht so toll lief und gegen Italien 4:1 verloren wurde. Auf Urteile und Kritiken von dieser Seite sollte man doch wirklich nichts geben. Die Schweizer taten es, und sie schienen mächtig eingeschnappt.
    Bild macht blöd
    (Quelle Foto: math.uni-bremen.de)

  • Die Bild vs Blick
  • Vielleicht verkennen die Schweizer dabei, dass die deutsche Bildzeitung nicht mit dem „Blick“ vergleichbar ist. Das geht schon mit der Auflage los. Die Bildzeitung wird von mehr Menschen gelesen als die Schweiz Einwohner hat.

    Die Bildzeitung ist die auflagenstärkste Zeitung Europas mit einer Reichweite von 11.8 Mio. Lesern.
    (…)
    Von Kritikern wird vor allem auf die reißerische Aufmachung, mangelnde Glaubwürdigkeit und Objektivität, Sensationsdarstellung und die thematische Konzentration auf Unfälle, Verbrechen, Prominente, Klatsch, Tratsch und Sex hingewiesen. Nicht zuletzt gibt es immer wieder Verleumdungs- und Rufmord-Kampagnen, bei denen Teilwahrheiten (im Sinne der Redaktion) zu gezielter Desinformation der Leser führen.
    (Quelle: Wikipedia)

    Bild Dir keine Meinung
    Es gehört zum Geschäft der Bildzeitung, über andere herzuziehen und Rufmord zu verüben. Da sind die Schweizer Elfmeterschützen eigentlich noch sehr glimpflich davongekommen. Darum am besten kein Wort mehr über diese Berichterstattung verlieren. Jede weitere Aufmerksamkeit wäre Kraftverschwendung.

  • Sind die Schweizer empfindlicher als die Deutschen?
  • Es ist natürlich schwer, die „Schweizer Empfindlichkeit“ zu verallgemeinern, ein Volk in seiner Gesamtheit hier „über einen Kamm“ zu scheren. Es sollte die Ansammlung von persönlich erlebten Situationen sein, die jeder dazu beitragen kann. Die leichte Änderung in der Haltung eines Schweizer Gegenübers, wenn er realisiert, dass Sie jetzt und unmittelbar mit einer Situation, Dienstleistung oder Auskunft NICHT zufrieden sind. Dass seine Rückfrage, ob das „jetzt so gut“ sei, von Ihnen nicht positiv begegnet wird. Sofort bricht Hektik aus, können wir Panikfalten auf der Stirn entdecken, wird der Ton rau und harsch.

  • Mit Deutschen besser einen harschen Ton pflegen?
  • Wir meinen hier beobachtet zu haben, dass unser Schweizer Gegenüber, wenn er denn ausnahmsweise mal etwas Negatives äussern muss, dies mit einer Spur mehr Barschheit von sich gibt, als wir es von Deutschen gewohnt sind. Vielleicht ist es das Bemühen, sich an den „direkten und (angeblich) unfreundlichen Ton“ des Deutschen anzupassen, in seinem Stil zu argumentieren, auf das gleiche Level hinauf (oder hinab?) zu kommen.

    Jedenfalls misslingt es häufig. Wir haben oft in den Kommentaren dieses Blogs über Schweizer gelesen, die sich im Umgang mit Deutschen eine grössere Direktheit angewöhnt haben. Meist verwechseln oder kombiniert mit Unhöflichkeit, in dem Glauben, dies würde bei Deutschen zu mehr Erfolg führen.

    Und genau da beginnt nun unser „Hirnspagat“: Wir sind zwar oft forsch, direkt, weniger höflich und unwirsch zu unserem Gegenüber, reagieren aber ebenfalls empfindlich wie die Mimosen auf einen solchen Ton, wenn wir selbst der „Empfänger“ sind.

  • Den Balken im eigenen Auge nicht sehen können
  • Sind wir uns im Endeffekt doch viel ähnlicher, als wir es wahrhaben wollen? Meistens mag man bei seinem Gegenüber genau die negativen Eigenschaften am wenigsten, die man selbst hat. Klassischer Fall von „Übertragung„. Was man bei sich selbst nicht im Griff hat, muss zumindesten draussen in der Welt in Ordnung sein. So funktioniert das. Jeder kennt den super pingeligen und ordentlichen Nachbarn. Echte Chaotiker tarnen ihr persönliches seelisches Chaos durch nach aussen zur Schau gestellte perfekte Ordnung, die ihnen so etwas Halt im Sturm des Alltags gibt. Also haben Sie bitte Geduld und Verständnis mit ihrem Bünzli = Spiessbürger Nachbarn. Tief im Herzen ist er sicherlich ein Rocker. Frei nach Otto Waalkes:
    Wahre Deutsche sind wie Briefmarken: Aussen zackig, aber dahinter verbirgt sich ein klebriger Kern.

    Zu Gast bei Gönnern — Ausblick auf die EM 2008

    Juli 17th, 2006
  • Zu Gast bei Gönnern
  • Die FIFA-WM 2006 ist vorbei, alle sind wieder heim gefahren. Die Welt fühlte sich wohl in Deutschland, aber nicht alle. Manchen war dort einfach zu viel Gejubel der Gastgeber. Das letzte Spiel der Schweizer in Köln war wunderbar, wenn da die Veranstalter nicht den Fehler gemacht hätten, zu viele Deutsche ins Stadion zu lassen. So konnte einfach keine Stimmung aufkommen, und die Elfmeterschützen fühlten sich erst recht gestört. Aber vergessen wir das, blicken wir frohgemut nach vorn in die Zukunft.

    In weniger als 22 Monaten beginnt die EM in der Schweiz. Gibt es eigentlich schon ein Motto für dieses ausserordentliche, anstehende Ereignis? Wir hätten da nämlich schon eine Idee vorzubringen. „Zu Gast bei wohlwollenden Gönnern“. Wir lasen im Tages-Anzeiger den aufschlussreichen Leserbrief eines gewissen René Zellweger aus Rümlang.

    Einmal mehr kann man die Deutschen beobachten, wie sie zwischen Arroganz und Verblendung changieren. Zum Beispiel am Fernsehen bei Passantenumfragen in deutschen Städten: «Im Herzen sind wir die Weltmeister. 2008 und 2010 schnappen wir uns den Europameister- und den WM-Pokal.» So sind sie eben. Vielleicht eine Antwort darauf, warum sich viele Schweizer mehr freuen, wenn die Deutschen verlieren, als wenn irgendein anderes Land gewinnt. Leider.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 15.07.06)

    Zu Gast bei Gönnern
    (Tagi 15.07.06)

    Was lernen wir daraus? Deutsche, wenn ihr 2008 in die Schweiz fahrt, merkt Euch diese Verhaltensregeln:

    1. Klebeband mitnehmen und den Mund gut zukleben vor jedem Spiel, dass bloss kein Jubelschrei oder „Wir werden Europameister“ Ruf aus Euren Kehlen dringen mag. Nehmt Euch ein Beispiel an den zurückhaltend und still in sich hinein jubelnden Schweizer Fans. So solltet ihr euch auch verhalten, wenn ihr in der Schweiz Gast seid. Nicht singen, nicht tanzen und keine Fahnen schwenken. Kommt nicht gut an.

    2. Ein „Vielleicht schaffen wir ja die Vorrunde“ ist unter Umständen noch statthaft. Ihr solltet besser noch ein „eventuell“ einfügen, also „Vielleicht schaffen wir ja eventuell die Vorrunde“.

    3. Wenn ihr zur EM fahrt und wieder nur den Dritten Platz holt gegen 16 oder 32 konkurrierende Mannschaften, dann merkt euch, dass das nichts ist, absolut nichts, und jeder Jubel darüber beweist, wie „verblendet“ ihr seid. Also Sonnenbrille mitnehmen, oder besser gleich eine Schweissermaske (keine Schweizer-Maske!), um jeglicher „Verblendung“ von vornherein vorzubeugen.

    4. Arroganz definiert sich in der Schweiz als der Wunsch, einen Pokal erlangen zu wollen. Arroganz ist schlecht, ganz schlecht. Gott sei Dank hat nur eine Fussballnation den Anspruch auf Arroganz gepachtet. Alle anderen sind davor gefeit.

    5. Die Gedanken sind frei, die Herzen sind es nicht. Sagt bloss nie, dass ihr Euch als „Weltmeister im Herzen fühlt“, denn das ist nicht statthaft. Weltmeister sind einzig und allein die Italiener. Ihr habt, wie es sich für einen Drittplazierten geziemt, zu heulen und mit den Zähnen zu klappern vor Wut und Frustration, Freude ist ganz und gar nicht statthaft.

    6. Seid nett zu den Schweizern und verliert am besten gegen selbige, oder zumindest gegen eine Fussballnation, mit der sich die Schweiz auf Grund hoher Secondo-Zahlen im Notfall eindeutig identifizieren kann. Zur Auswahl stehen Portugal, Kroatien, Serbien, Mazedonien, Albanien natürlich Italien, und warum nicht auch die Türkei?

    Im liebsten wäre uns ja, wenn ihr Deutschland besiegen würdet, diese von sich so stets überzeugte Fussballnation. Nur irgendwo gibt es da ein Problem, denn seit 1989 haben wir keine zwei Deutschen Mannschaften mehr. Wieso Problem? Es könnten doch ausnahmsweise mal 11 Deutsche gegen 11 Deutsche spielen, dann wäre auf jeden Fall die Deutschen die Besiegten und ihr hättet dem Gastland eine grosse Freude bereitet.

    Ja, so sind sie die Schweizer: Grossherzig und voller Wohlwollen. Es wird sicher eine wunderschöne EM werden für die Deutschen Fans im Heimatland des Gönnertums.

    „2008 und 2010 schnappen wir uns den Europameister- und den WM-Pokal.“

    Diesen hässlichen Satz werden wir aus unserem Vokabular streichen und endlich die Lektion der Schweizer Demut und Höflichkeit begreifen lernen. Damit lüftet sich das ewige Geheimnis, wie in der Schweiz „Arroganz“ definiert wird:

    Nach Höherem streben, Optimismus äussern und Zuversicht zum Lebensmotto machen. Das geht nicht. Bleibe stets bescheiden, niemals fröhlich, und wenn Du Dich doch als „Weltmeister im Herzen“ sehen solltest, dann behalt es für Dich, denn erstens will es niemand wissen, zweitens gehört sich so eine Selbsteinschätzung nicht, und drittens sind die Italiener Weltmeister, und sonst niemand.

    Und erwähne auf gar keinen Fall, dass Du trotz allem nicht weinerlich oder maulig gestimmt bist, sondern immer noch eine ganz klitzekleine Freude als „Weltmeister im Herzen“ hast, jawohl.
    Dank an die Weltmeister der Herzen
    (Quelle: meinBerlin.de, Foto dpa)

    P.S.: Wir freuen uns auf die Schweiz 2008!

    Das Deutsche Fanmobil in Zürich — Selbstversuch Ein-Auto-Korso

    Juli 5th, 2006
  • Dichtung und Wahrheit zum Fanmobil
  • Am Dienstag vor dem Spiel Deutschland-Italien wollten sich gleich beide Pendlerzeitungen der Schweiz, 20minuten und HEUTE, bei uns nach unseren Erlebnissen als Deutsche in der Schweiz erkundigen.

    20minuten-Online machte dann ein Telefon-Interview mit mir, das Ergebnis mitsamt einer hübschen Umfrage findet sich hier: 20min.ch.
    Von der HEUTE-Redaktion hörten wir dann nichts mehr, die wurden wohl am Mittag von ihrer Deadline „Redaktionsschluss“ eingeholt, bevor es zum Interview kam.

    Nur leider gingen in der Hektik ein paar Fakten durcheinander. Darum hier noch mal ein bisschen „Dichtung und Wahrheit zum Fanmobil“.

    Mit dem Deutschen Fanmobil unterwegs

  • Wahrheit
  • Fakt ist, dass wir nach dem Spiel Deutschland-Schweden mit kleinem Flaggenschmuck und aus dem Fenster gehaltener Fahne, dezent hupend in Zürich den Hirschengraben, später Seilergraben bergab in Richtung Central fuhren und dabei in eine Polizeikontrolle gerieten. Vor uns blockierte ein angehaltenes Fahrzeug nicht ungefährlich die Strasse, die Insassen wurden gerade kontrolliert. Ein Polizist kam zu unserem Auto, riss meiner Frau die Fahne aus der Hand, mit der Begründung, sie können sich ja damit verletzen, sogar den Finger abreissen, wenn sie den in die kleine Metallöse stecken würde (was sie natürlich aus genau diesem Grund nicht getan hatte). Als sie ihn fragte: „Haben Sie sich denn gestern über den Sieg der Schweiz nicht auch gefreut“ gab er ihr mit grimmigen Gesicht die Fahne zurück.

  • Hörensagen
  • Wir bekamen später erzählt, können aber keinen Beleg aus dem Tagi oder der NZZ etc. finden, dass in Zürich Tage später Italienische Fans wegen Korsofahrens mit Flagge und Gefährdung der Allgemeinheit bestraft worden sind. Wie das so ist in der Schweiz: Sie mussten es richtig büssen!

    Es wurde auch berichtet von einem Deutschen Uni-Professor im Audi, der allein über die Langstrasse in Zürich einen Korso fuhr. Fotos oder Details davon haben wir nicht gesehen oder gelesen.

  • Reaktion der Menschen am Strassenrand
  • In Zürich, im Unterland, vor allem im Bülach, wo wir dann unseren „Ein-Auto-Korso“ fuhren, gab es zahlreiche Passanten, Menschen am Strassenrand, Jung wie Alt, die uns mit lautem Gebuhe und „Daumen nach Unten“ Geste zu verstehen gaben, wie sehr sie Deutschland moralisch unterstützten.

  • Gefährliche Autofahrer
  • Auf der Flughafenautobahn und später ein zweites Mal auf einer Durchgangsstrasse in Bülach kam es zu zwei gefährlichen Manövern zweier Autofahrer, die uns beim Überholen schnitten, gefährlich abdrängten und mit unverständlichem Gebrüll aus dem Fenster zu verstehen gaben, wie sehr sie Schwarz-Rot-Gold mochten. Daraufhin haben wir unseren Selbstversuch eingestellt.

  • Zwei weitere Deutsche gesichtet
  • Unser Beispiel scheint dennoch Nachahmer zu finden, denn heute sahen wir auf einem grossen Parkplatz bei einem Schweizer Supermarkt zwei weitere Schweizer Autos mit Deutschen Flaggen geschmückt.

    Wir sind zum Spiel Italien-Deutschland nicht mehr zum Sechseläuten-Platz gefahren. Nicht, weil uns die Stimmung dort beim letzten Mal nicht gefallen hat, im Gegenteil, es war richtig klasse, aber wir brauchen uns den Stress einfach nicht noch mal antun. Freuen oder traurig sein, dass geht auch ganz prima alleine daheim.

    Wer wird gewinnen, Deutschland oder Italien?
    Ganz egal, wer am Dienstag gewinnt, wir hoffen es wird ein faires Spiel und es gibt einen verdienten Sieger. Vielleicht diesmal ohne Schiedsrichter Fehlentscheidungen und ohne Mord-und-Totschlag auf dem Feld. Wir hatten bisher grossen Spass an der WM, und die Italiener sicherlich auch. Das Fest in Deutschland geht weiter, so oder so.

  • Und wen wünschen sich die pragmatischen Schweizer als Sieger?
  • Die Meinung eines Lesers aus der Westschweiz:

    Nicht dass ich besonders für die deutsche Nationalelf wäre, dafür verstehe ich zu wenig von Fussball. Ich bin ganz einfach gegen latino-typische Hupkonzerte, besonders da ich morgen um 05.00 Uhr wieder an der Arbeit sein muss, und dies natürlich möglichst ausgeschlafen. Der deutsche Autokorso wird hier in der Westschweiz sicher auch viel diskreter als der eventuelle italienische. Immerhin darf man es sich in der Romandie als „politisch korrekt“ leisten, für Deutschland sein. In der Deutschschweiz, wie es auch in 20Minuten steht, natürlich nicht. Kürzlich sind mir in einem Einkaufszentrum prominent platziert Deutschland-Schals aufgefallen. Frankreich-Fahnen sehe ich hier fast keine.

    Allen Lesern weiterhin viel Spass bei der WM! Wir hatten in bisher und wollen ihn auch weiterhin haben.

    Deutscher Gartensitzplatz im Unterland
    (Foto: Deutscher Gartensitzplatz im Zürcher Unterland)

    P.S.: Ein grandioses Spiel, eine absolute Top-Leistung der Italiener in den letzten 3 Minuten. Bravo! Fast haben wir Lust, jetzt Auto-Korso für Italien zu fahren, aber das übernehmen jetzt unsere Schweizer Freunde für uns. Und alle, die jetzt schon im Bett sind in der Schweiz, werden gleich wissen, wer gewonnen hat. Die Party in Dortmund wird deswegen bestimmt nicht abgesagt. Dortmund feiert die Geschlagenen. Glückwunsch an die Italiener!

    Deutschland-Schweden — Kommet alle am Samstag 17.00 Uhr nach Zürich auf den Sechseläuten-Platz

    Juni 23rd, 2006
  • Niemand schimpft über das Fanmobil
  • Jetzt am Ende der Vorrunde der WM, wo Schweiz und Deutschland noch im Rennen sind, Italien und England ebenso, meinen wir einen leichten Stimmungswechsel bei den Schweizern zu spüren. Die Party, die in Dortmund nach Ende des Spiels Schweiz-Togo gefeiert wurde, die begeisterten Deutschen, die Westfalenstadion in ihrem ahnungslosen Unverstand „Hobsi Schwitz“ gerufen haben, bis die Kehlen streikten, haben Eindruck hinterlassen.

    An allen Spielstädten in Deutschland, allen voran in Berlin, geht die Party ab, feiern die Fans aller Nationen gemeinsam, finden Verbrüderungen statt. Doch jetzt geht es ja erst richtig los. Gewinnen oder heimreisen heisst jetzt die Devise. Der Reporter von RSR Radio „La 1ière“ (Sendung Forum 18.00 Uhr, 42 Minute) ist voll des Lob über die beispiellose Stimmung in Deutschland, die perfekte Organisation und die friedlich-feucht-fröhliche Stimmung auf den Strassen Deutschlands.

    Wir dekorierten unser Auto zum Fanmobil und kurvten durch Bülach. Es wurde freundlich gewunken und mitgehupt, keine bösen Gesichter weit und breit.
    Unser Fanmobil

    Am gleichen Tag fanden wir eine Kopie eines Weltwoche Artikels:

    Wir sind immer wieder wer
    Schwarz-Rot-Gelb hat Hochkonjunktur. Warum? Im besten Fall wegen eines Schweinebratens.
    (Quelle Weltwoche)

    in einem anonymen, nur mit „Blogwiese“ beschrifteten Umschlag im Briefkasten. Ein Fan, der seinen Namen nicht nennen will? Ein bös gemeinter Racheakt? Wir wissen es nicht, freuen uns aber, wenn das Thema Deutschland/Schweiz auch andere beschäftigt.

  • Allein unter Frauen
  • Ich sah das Spiel Schweiz-Frankreich in Zürich am Bellevue in Zürich. Kurz vor Schluss mussten ich auf den Zug zum Bahnhof Stadelhofen. Dort herrschte eine gespenstige Ruhe. Ca. 60 Personen warteten auf dem Bahnsteig, irgendwas war anders als sonst. Es hat ein paar Sekunden gedauert, bis ich es realisiert: Es waren ausschliesslich Frauen dort! Wahrscheinlich hatten sie ihre Freunde oder Männer beim Fussballgucken allein gelassen und fuhren schon mal heim.

  • Wie ich das erste Tor herbeischrie
  • Das Spiel Deutschland-Ecuador lief gerade eine Minute, wir verfolgten es im Büro über den Ticker von Spiegel-Online, als meinem Deutschen Kollegen eine Idee kam: „Pass auf, wir brüllen jetzt beide ganz laut TOR, dann denken alle, dass Deutschland eins geschossen hat„. Gesagt getan, die Kollegen bekamen schier einen Herzinfarkt bei unserem Geschrei. Eine Sekunde nach der Aufregung aktualisiere ich den Online Ticker, und es stand wirklich 1:o für Deutschland. Vielleicht sollten wir öfters mal im Büro TOR schreien? Prinzip der self-fulfilling prophecy…

  • Als Deutscher in Zürich Fussball gucken

  • Den Rest des Spieles Deutschland-Ecuador sah ich dann in einer Kneipe in Zürich, nur wenig Gäste waren dort. Am Vortag, beim Spiel der Schweiz, war hier kein Stehplatz mehr frei. Bei den wenigen Gästen stellte sich nach und nach heraus, dass es alles kleinlaute Deutsche waren, die sich nicht getrauten, laut ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Ja, so sind wir Deutsche in Zürich: Immer schön brav und zurückhaltend. Es ist wirklich nicht der repräsentative Durchschnitt Deutschlands, der in die Schweiz zum Arbeiten kommt.

    Am Donnerstag spielte dann Japan gegen Brasilien. Harald Schmidt sagte zu den Japanern: „Es gibt beim Fußball eine Regeländerung. Japaner dürfen beim Freistoß in der Mauer auch übereinander stehen.“ Sie überraschten durch hohe Geschwindigkeit und konnten sich hervorragend gegen Brasilien behaupten. Das Tor in der 34. Minute war einfach genial.

  • Samstag, 17.00 Uhr, Zürich Sechseläute-Platz
  • Wir wurden gefragt, wo sich denn die Deutschen zum Fussball in Zürich treffen. Also wir haben beschlossen, am Samstag um 17.00 Uhr wieder auf dem Sechseläuten-Platz am Bellevue das Spiel zu gucken und laden alle Deutschlandfans herzlich ein, auch dorthin zu kommen. Da bestimmt nur wenig Schweizer das Spiel gucken wollen, gibt es sicher ein rauschendes Fest mit den Schweden vor der Leinwand. Kommet zu Hauf, wir werden die Schwarz-Rot-Goldenen Flaggen mitbringen. Vielleicht ist es das letzte Mal, aber dann waren wir dabei mitten im Mekka aller Deutschland Fans, in „Downtown Zurich“. Auch Schweizer Fans sind herzlich willkommen. Wir haben sogar extra eine „Schweiz Weltmeister 2006“ Flagge hinten im Auto. Unserer Beschwichtigungsflagge.
    Beschwichtigungsflagge

    P.S.: Besonders gefreut haben wir uns heute über den einsamen Ghana-Fan mit seinem Ein-Auto-Korso in Bülach.

    Die Helden sind Polen und der Torschütze ein Tessiner — Das Deutschland-Polen Spiel in der Schweizer Berichterstattung

    Juni 16th, 2006
  • Nur ein Arbeitssieg
  • Nach dem atemberaubenden Spiel Deutschland-Polen am 14.06.06 war es für uns besonders interessant, die Nachbesprechung des Spiels im Schweizer Fernsehen zu verfolgen: „Ein verdienter Arbeitssieg“ hiess es dort, denn wenn Deutsche spielen, dann kann das nicht gut und elegant sein, dann ist das immer Arbeit. Kann ja nicht angehen, dass da wirklich mal gut gespielt wurde und die Mannschaft auch nach dem verhauenen Lattenschuss kurz vor Schluss noch den Mut und die Energie bewies, einen weiteren Angriff zu wagen.

  • Weltmeisterschaft ist, wenn am Ende immer die Deutschen siegen
  • Es sei ein „langweiliger Spielstil“, nicht zu vergleichen mit der „tänzerischen Leichtigkeit“ der Brasilianer. Nun war das beim letzten Mal eher der Rumbatanz einer „old fat lady“.

    Bemerkenswert fanden wir auch die Berichterstattung von 20minuten, der führenden Schweizer Pendlerzeitung mit 1.2 Mill. Lesern. Frontzeile auf der Titelseite? Nein, nur die Meldung „Joker Neuville erlöste Deutschland“. Also alles nur ein Joker, eine Glückskarte, die den Sieg garantierte, wenn er durch Fleiss, Anstrengung oder gutes Spiel nicht erreicht werden konnte?

    Auf dem Titelblatt des Fussballteils von 20minuten ging es erst mal um „Spaniens Show — Busaccas rote Karte“. Für wen spielte denn Busaccas? Ach was, das ist doch der Schiedsrichter (20minuten schreibt echt nicht „Referee“), der das Spiel gepfiffen hatte! So etwas nennt man „Lokalbezug“, hat immer erste Priorität in der Sportberichterstattung. Wäre der Linienrichter aus dem Wallis gewesen, es hätte sicher morgen eine Homestory über ihn gegeben. Dann auf Seite 23 geht es los zum Polen-Deutschland Spiel:

    Im Vergleich zum Ecuador-Spiel (0:2) waren die Polen nicht wieder zu erkennen. Pawels Janas’ Team suchte von Beginn an kompromisslos die Zweikämpfe, spielte nach der Balleroberung schnell in die Spitzen und kam zu einigen Chancen
    (20minuten vom 15.06.06 S. 23)

    Es geht hier um die Polen, die polnische Mannschaft, die gegen Ecuador zwei Tore geschossen hat. Sie wird analysiert, sie wird gelobt, sie hatte Chancen. Gab es da eigentlich noch einen Gegner?

    Dass es zur Pause immer noch 0:0 stand, war hauptsächlich das „Verdienst“ der beiden deutschpolnischen Stürmer Miroslav Klose und Lukas Podolski, die beste Chancen ausliessen (…)

    Wir stellen fest: Die einzigen guten Spieler auf dem Platz sind also Polen, die zufällig heute nicht für Polen spielen. Egal wie das Spiel ausgeht, Polen hat die meiste Arbeit geleistet.

  • Ein Tessiner trifft für Klinsi
  • Noch besser fanden wir dann am Nachmittag die Darstellung der Kollegen von HEUTE:
    Tessiner trifft für Klinsi

    Tessiner trifft für Klinsi
    Neuville spielte 17 Jahre lang in der Schweiz — gestern rettete er Deutschland
    Neuville wurde am 1. Mai 1973 als Sohn eines Deutschen und einer Italienerin in Locarno geboren. Im Tessin, beim FC Gambarogno, begann er auch mit dem Fussballspielen. Als 17-Jähriger zog er das Interesse des FC Locarno auf sich und wechselte im Januar 1991 in die damalige Nationalliga B. (…)
    (Quelle: heute vom 15.06.06, S. 14)

  • Wem die Deutschen ihre Erfolge verdanken
  • Wir halten daher fürs Protokoll fest, wem die deutsche Nationalelf ihre Erfolge verdankt:
    1.) Dem Glück (siehe Jokerkarte) und dem eisernen Schicksalsgesetz, wenn am Ende immer die Deutschen gewinnen.
    2.) Den polnischen Spielern, ob halb (Klose, Podolski) oder ganz, weil die extra für die Deutschen nur noch mit 10 Spielen auf dem Feld standen.
    3.) Der Schweiz und ihrer beispielhaften Immigrationspolitik, die solche Tessiner Wunder wie Oliver Neuville hervorbrachte und trainierte.

  • Autokorso muss sein
  • Bei soviel Unterstützung durch die befreundeten Nachbarländer in diesem Turnier kann ja für die Deutsche Elf gar nichts mehr schief gehen. Hat eigentlich nach dem Deutschland-Polen Spiel irgendjemand in einem Schweizer Ort soetwas wie einen klitzkleinen Autokorso mit Schwarz-Rot-Goldenen Flaggen gesehen? Wir sahen und hörten jedenfalls am Dienstag, nach dem 0:0 der Schweiz gegen Frankreich, Schweizer Autos hupend durch Zürich brausen. Mein Gott, wenn es schon bei 0:0 einen Autokorso gibt, wie soll das dann noch gesteigert werden, wenn die Schweizer demnächst vielleicht wirklich mal ein Tor schiessen? Bis dahin darf ruhig der Tessiner Neuville weiter Tore schiessen, ist ja quasi auch ein Schweizer.