Was muss Doktor Pögg? – Werbung in Bern
Ein Deutscher Kollege, der früher in der Schweiz gearbeitet hat und lange nicht mehr im Lande unterwegs war, schickte mir dieses in Bern fotografierte Werbeplakat mit der Bitte um sprachliche Aufklärung:
„Dr Pögg muess ids Gou u dr. Börger ids Muu”
(Quelle: privates Foto aus Bern)
Wir fragen uns bei so einem prächtigenBeispiel für „gelebtes Berndeutsch im Alltag“ immer, warum die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg eigentlich für die Verschlüsselung ihrer Funksprüche im Pazifikkrieg gegen die Japaner die Hilfe von Angehörigen des Navajo-Indianderstammes in Anspruch nahmen. Kannten die vielleicht einfach keine Berner? An diesem Code hätten sich Japanische Dechiffrierspezialisten sicherlich auch die Zähne ausgebissen. Jetzt beissen sie, wie überall auf der Welt, in den „Börger“. Der gehört ins Muu, will heissen „Maul“, will heissen das humanoide Kauorgan in der unteren Gesichtshälfte, jedenfalls in der Schweiz. Wenn sie hier jemand auffordert, das Maul zu öffnen, dann ist das keine Beleidigung, sondern eine Arzthelferin, die einen Abstrich von ihrer Schleimhaut, sorry, „Schliimhuut“ natürlich, machen will.
Nein, das ist kein D.J. wie Dr. House oder Dr. Love oder Dr. Feelgood oder Dr. Strangelove (der in Deutschland „Dr. Seltsam“ heisst), das ist „der Puck“. Eine bekannte Gestalt aus Shakespeares Mittsommernachtstraum, ein Mond des Uranus, eine Hafenstadt in Polen und eine kleine runde flache Scheibe beim Eishockey, und um die geht es hier. Die darf nicht ins Maul, darum hat der „Keeper“ beim Eishockey auch ein Gitter davor, was dachten Sie denn? Diese Scheibe muss ins „Gou“. Da fehlt nur noch ein „a“ und ein „l“, dann ist es ein „Goal“. Kein Gaul, sondern das englisch Wort für „Tor“.
Wie kommen die Werber nur vom Eishockey-Puck auf den Burger? Vielleicht durch die ähnliche runde und kompakte Form, oder weil die Zielgruppe der Börger-Mampfer dieses Ding beim Eishockey-Gucken verspeisen sollen? Oder weil der Reim so hübsch ist? Da in Bern sowieso 80 % aller Wörter auf „ou“ enden, muss das Reimen dort grossen Spass machen. Wir wissen es nicht, freuen uns aber, wieder ein kleines Stück poetisches Berndeutsch gelernt zu haben. Und jetzt brauchen wir was „ids Muu“, muss ja nicht aus dem Restaurant mit den zwei Goldenen Bogen sein.
November 14th, 2008 at 8:07
Eben wollte ich „tüpflischiissen“ und Jens korrigieren, dass er irrtümlich von „zwei goldenen Bogen“ statt „Bögen“ geschrieben habe, wie die Mehrzahl eben heisse. Aber zum Glück habe ich vorgängig noch den Duden konsultiert. „Meine“ Mehrzahl ist zwar nicht falsch und „für einmal“ (siehe http://www.blogwiese.ch/archives/981 oder http://www.blogwiese.ch/archives/178 ) nicht einmal veraltet, aber doch regional gefärbt. Siehe Dudeneintrag hier: http://www.duden-suche.de/suche/abstract.php?shortname=fx&artikel_id=22639
Hier noch ein paar Tipps, für die, die wirklich nicht besser Dialekt verstehen:
Es fehlt im Text noch der Hinweis auf die schon früher falsch interpretierten Schreibweise des „Dr“ ohne und mit bedeutungsschwerem Punkt dahinter. Nur „dr Dr.“ ist „der Doktor“, siehe http://www.blogwiese.ch/archives/744 . In diesem Link wird sicher jemand auch eine Spur zu der Tatsache gelegt haben, dass sogar „Dr Felix“ oder „Dr Kurt“ oder auch „Dr Peter“ nicht etwa Leute mit Nachnamen, die nach Vornamen klingen, sind, die „erst noch“ (siehe http://www.blogwiese.ch/archives/981 oder http://www.blogwiese.ch/archives/178 ) ihr Studium mit einer Doktorarbeit abgeschlossen haben, sondern dass es sich um mit Vornamen und bestimmtem Artikel angesprochene Herren oder Buben handelt, die am Satzanfang stehen.
Es werden wohl nicht ganz 80% aller Berner Wörter sein, die auf „-ou“ enden. Sooo viele hochdeutsche Wörter, die auf „-oll, -ol, -au“ enden, gibt es nun auch wieder nicht (und englische auf „-oal“). Da ich kein Reimlexikon zur Hand habe, kann ich die Statistik aber weder be- noch widerlegen.
Und reimen tut sich dieser Werbespruch eigentlich nicht. Das wäre nur der Fall, wenn man „ou“ auf Französisch aussprechen würde (wie in „goût“ [gu], siehe auch: http://www.blogwiese.ch/archives/70 bzw. http://www.blogwiese.ch/archives/683 ). Auf Französisch würde aber wieder das „Muu“ zu [mü], was den Reim auch wieder zunichte machte. Also im vorliegenden Fall: 0 Reim.
November 14th, 2008 at 8:56
Schön, dass für einmal Berndeutsch geworben wird. In der Regel sieht man in der Werbung nur Tsüri-Mittelland-Mischmasch. Berndeutsch ist eine ungeheuer nuancenreiche, warme und ‚gemütliche‘ Sprache, die ihre Vielfalt bis heute recht gut bewahrt hat. Und wenn etwas ‚fremdländisches‘ aufkommt, wird es flugs eingebernert und tönt dann auch wieder ganz amächelig. Tschou zäme!
November 15th, 2008 at 12:16
Hat die Schreibweise „Ein Deutscher Kollege“ eigentlich mit dem „neuen Deutschen Selbstbewusstsein“ zu tun? 😉
November 16th, 2008 at 16:17
Sehr schönes Beispiel sprachlicher Vielfalt. Da bin ich auch ziemlich ins Grübeln gekommen und musste erstmal die Erklärung lesen.
November 17th, 2008 at 12:53
Sowas ist auch für Schweizer unverständlich (ausser das Plakat wäre gerade in einer Eishalle anzutreffen). Das ist einfach dümmliche Anbiederung globaler Konzerne. Abr drSchoss géyht leydr hingr uusé, wesékenné verstéyht… (das wäre dann MäkBurger-Berndeutsch).
November 17th, 2008 at 22:25
Sogar als Zürcher habe ich das Plakat sofort verstanden; es kann somit nicht schwierig sein…
November 18th, 2008 at 13:59
Sogar als Deutscher habe ich das Plakat sofort verstanden.