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Naasästüübär, Böllä, Tüpfi — Neues Fachvokabular aus der Schweiz und aus Österreich

  • Wen schüttelt der Tschüütteler?
  • Spiegel-Online schickte die Journalistinnen Sandra Sperber und Yasemin Yüksel in Wien und Basel auf die Strasse, um das Knowhow der Ortsansässigen in Sachen Fussballvokabular zu testen. Den Beitrag gibt es hier zu sehen. Gefragt wurde in Basel nach „Tschüütteler“, „Böllä“, Hüntschii, Juchzer, Naasästüübär und Tüpfi.

  • Die Leidenschaft beim Juchzer
  • Beim Juchzer liessen sich männliche Basler Passanten leicht zum Vormachen überreden. Mit Inbrunst und ungespielter Leidenschaft wurde er gleich auf der Strasse zum besten gegeben. Beim „Tschüütteler“ war ganz eindeutig das heftige Schütteln des gegnerischen Stürmers beim Angriff und Kopfballversuch vor dem eigenen Tor gemeint. Wer so schüttelt, der bekommt in der Regel einen Elfmeter aufgebrummt.

  • Wieviel „ö“ hat ein Böllä?
  • „Böllä“ wurde vom befragten Basler erst einmal sachlich korrekt zu „Böllö“, mit vorn und hinten ein „ö“ korrigiert, bevor er die Frage beantwortete. Die seltene Bärenart des „Naasästüübärs“ mag vielleicht doch als ein Verwandter des Nasenbärs durchgehen? Warum dieser Name ist Schweizer Fussball Verwendung findet, erklärten die Befragten in Basel. Den Tüpfi kannten wir nur mit der Erweiterung „-scheisser“, als hyperkorrekten Kleingeist. Was mag das Wort so isoliert bedeuten?

  • Ist Ballack ein Ballesterer?
  • In Wien auf der Strasse erfahren wir, dass eine „Wuchtel“ eine Süssspeise ist, sofern man keine Ahnung von Fussball hat, wie der befragte Wiener. Ein „Ballesterer“ ist da noch schwieriger zu deuten, und beim „Primgeiger“ müssen wir ganz aufgeben. Vielleicht ein Spieler der die erste Geige (Lat. „primus“ = eins) in der Mannschaft spielt? Ein „Autwachtler“ wird dann schon gar nicht mehr erklärt. Ob sich alle Bezeichnungen in unserem Variantenwörterbuch oder gar im Duden befinden? Blogwiese-Leserinnen und Leser mit Österreich-Spezialwissen werden uns diese Wörter sicher richtig erklären können. Dann hat es sich bald „autgewachtelt

    

    20 Responses to “Naasästüübär, Böllä, Tüpfi — Neues Fachvokabular aus der Schweiz und aus Österreich”

    1. cocomere Says:

      Ich glaube es heisst „Naasestoibär“ und das könnte von einem bärenfeindlichen Ministerpräsidenten aus Bayern hergeleitet sein, nicht?

    2. Phipu Says:

      Ich habe den Video-Beitrag noch nicht angeschaut, worin vielleicht eine Erklärung in meinem Sinne schon vorhanden wäre.

      Achtung, Jens, ein Tüpf-+li+-Schiisser, hat schon was mit Pünktchen zu tun. Dazu empfehle ich in Grimms Wörterbuch http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB die Lektüre bei „Tüpflein“ (kleiner Tupf, Punkt …). „Das Tüpf-+i+“ (ohne L) kenne ich nur noch als Passivvokabular, dies hat aber seine Herkunft eher bei „der Tüppel“ (Dummkopf, Tölpel, Narr). Ich kann nicht ganz ausschliessen – da ich es nur sächlich kenne – dass es von „das Tüppel“ herstammt, was eher „Töpflein, kleiner Topf“ bedeutet. Ein Kompliment ist es für die Titelempfängerin alleweil nicht, siehe auch diesen Kommentar: http://www.blogwiese.ch/archives/828#comment-391522

      Es gibt aber auch das Adjektiv mit der gleichen Herkunft. Ist nun das Wetter, wenn es „tüppig“ ist, so dass es „aus Töpfen giesst“ oder schickt man in diesem Moment „nicht mal einen Deppen nach draussen“, oder regnet es dann „tupf- bzw. punktgenau“ auf unsere Köpfe? Alles falsch. Bei „tüppigem“ Wetter regnet es noch nicht. Es ist ein anderes Wort für „drückend, schwül“. Diese Bedeutung steht auch in Grimms Wörterbuch als schwäbisch.

      Endlich, nämlich beim Verb, komme ich aber zu einer Bedeutung, die mit Fussball zu tun hat. Zürichdeutsch sprechende Kinder rufen einander beim Sitzball spielen zu: „Diich hätt’s tüpft!“ (Du bist getroffen). Bei der Lektüre Grimms Artikel zum Verb „tupfen“ stiess ich übrigens auch auf Hinweise zu „Eier aneinender stossen“ (hierzulande „tütsche“, sprich [tütt-sche], also nicht zu verwechseln mit [düütsche] = deutschen, aber das habe ich alles schon erzählt: http://www.blogwiese.ch/archives/262#comment-3618 ). Eigentlich waren wir ja beim Fussball und nicht bei Ostern. Also, wenn einer „de Bölle tüpft hät“, oder das „Goal tüpft hät“, hat er also das den Ball oder das Tor getroffen. Siehe auch : http://www.blogwiese.ch/archives/828 und viele Kommentare dazu. Darin wird verschiedentlich in Abrede gestellt, dass man „tüpfen“ für „treffen“ sage. Ist auch kein Wunder, denn auf Berndeutsch „breicht“ man. (Siehe In Grimms Wörterbuch „bereichen“, im hiesigen Sprachgebrauch etwas erweitert als nur „erreichen, erhaschen“). Und damit wir lautmalerisch beim „Tüpfe“ bleiben, sei hier noch das berndeutsche Verb „stüpfe“ nachgeliefert. Das wäre treten, eben synonym zu „schutte“. Im folgenden Liedtext, der natürlich, um das Euro-Fieber hochzuhalten, mit „tschutte“ zu tun hat, das allerletzte Wort: http://www.hyperkommunikation.ch/personen/mani_matter_texte.htm#dsheidi

    3. Georges Says:

      das Tüplfi: ein kleiner Fleck
      das Tüpfi: ein arrogantes Weibsbild

      im Zusammenhang mit Fussball: tüpf-i oder tüpf-i nöd?
      (die Angst des Fussballers beim Elfmeter)

    4. Nessi Says:

      wir sagen auch : dä hätt keis tüpfi

      keis tüpfi ha = unfähig etwas zu treffen

      ausserdem würde ich Naasestübär mit e schreiben – also Naasestüber

    5. cydet Says:

      @ Phipu

      in Basel sait me „Dipflischysser“, sunsch kasch no e schue voll zieh und stohsch als Dildapp im Pfludder, aber die ganz schose isch au nur Gänggelizyg 😉

    6. Peter Leopold Says:

      Ein Autwachler (ohne „t“, der hat nichts mit einem Wåchter, also einem Polizisten zu tun) wachelt, sobald die Wuchtel beim Ballestern auch nur ein Alzerl (also ein ganz klein wenig) im Out ist. Kurz: Der Linienrichter
      Wacheln: mit etwas winken, wehen
      Wuchtel: Germgebäck, Ball; Allerdings kann man selbige auch schieben oder drücken. Wenn man dann aber glaubt, daß das eine besondere Art des Ballspiels wäre, gibt’s an Ballawatsch (scil. ein Durcheinander), da damit -geschobenenfalls- ein Schmäh, also eine scherzhafte – oder – gedrückterweise – nicht ganz wahrheitsgemäße Äußerung gemeint ist.
      Daß „ballestern“ Fußball spielen heißt, war aber nicht schwer zu erraten. Ob es allerdings von der Turnhalle, in der die alten Hellenen Ringen lernten, kommt, ist nicht gesichert.

      Das im oben verlinkten Film gezeigte aber nicht angesprochene „packeln“ hat nichts mit einem Pack(er)l, also einem kleinen Paket (auf das man sich auch zsåmmhau’n kann um gemeinschaftlich etwas zu unternehmen) zu tun. Gemeint ist vielmehr der Abschluß eines Paktes um in der Kaam (scil. heimlich) irgendwelche Mogeleien zum Nachteil Dritter zu begehen.

      Servus
      Peter

    7. Peter Says:

      Der Autwachtler oder Outwach(t)ler is ganz einfach der Linienrichter „der hoit mit da Fahne wa:chit wann da Boi im Out is“.
      LG Peter

    8. Phipu Says:

      an Cydet:

      All deine schönen Substantive haben „L“ drin. Gibt es aber das Nordwestschweizer Schimpfwort „Dypfi“ auch? Hat ein guter Fussballer des FCB eher „Braichi“ oder „Dypfi“?

      an Jens (auf Cydets Eintrag bezogen):

      Mit der Redewendung „einen Schuh voll herausziehen“ liesse sich auch noch ein Blogwiesen-Eintrag schreiben, das schleckt keine Geiss weg. In Deutschland ist das nicht so ring verständlich, und man muss es dann denen ennet der Grenze innert nützlicher Frist übersetzen.
      http://www.google.de/search?hl=de&q=%22Schuh+voll+herausziehen%22&btnG=Suche&meta=lr%3Dlang_de

      [Anmerkung Admin: Gute Idee, Phipu, ist notiert!]

    9. Alioscha Says:

      Lieber Jens

      Äs Tüpfi ist eine „aufgebrezelte“ Stadtfrau, die aufs Land kommt und keine Ahnung von nichts hat, aber stets mit dem Hintern wackelt.

      Herzlich Alioscha

    10. bobsmile Says:

      Ich sah den Bericht und ‚i hamer e Schranz glachet‘ (habe gelacht, bis das Hemd riss), wie Sandra Sperber das Ganze am Schluss zusammenfasste:
      „Der Böller muss ins Goli, dann kann bei der EM nichts mehr schief gehen.“
      🙂

      Wahrscheinlich war das das Problem der Schweizer, dass der Böller (in Bern: Chirschichracher) eher zu spät gezündet hat, denn am Goali hat’s definitiv nicht gelegen.

      Zum Hüntschi: Das kenne ich nur in ähnlicher Form aus dem Walliserdialekt, dort ist ein Huntschji ein kleiner Hund. Aber was das im Fussball bedeutet? Eventuell ein nachdackelnder Libero?

      [OffTopic]
      Prima, endlich herrscht hier wieder Normalbetrieb ohne hasserfüllte Selbstdarsteller.
      [/OffTopic]

    11. cydet Says:

      © Phipu

      ja sicher doch Phipu, es exististiert ein „Dypfi“, das ist eine eingebildetes Frauenzimmer (Tussi) und wenn ein Fussballer getroffen hat, hatte er „Braichi“

    12. Guggeere Says:

      Der Flm ist wirklich lustig. „Wuchtel“ und „Primgeiger“ gefallen mir besonders gut.
      Die Variante „Böllö“, wie sie der Herr in Basel buchstabiert hat, scheint mir selbst für Basler Verhältnisse etwas abenteuerlich (na ja, sind halt Niederalemannen…). Kein Wunder, hat die Reporterin schliesslich so etwas wie „Böller“ verstanden.
      „De Bölle“ bedeutet in meiner Ostschweizer Mundart nicht nur Ball, sondern auch … Armbanduhr (kein Witz!). Das kommt wohl daher, dass die Jugendlichen in der Schweiz früher mit ausgedienten Schweizer Uhren auf den Dorfplätzen herumkickten, bis Ende 19. Jahrhundert englische Touristen mit Bällen auftauchten sind und sogleich alle Matches gewannen. Bekanntlich tun sich die Schweizer Tschutter auch noch anno 2008 schwer mit dem – verglichen mit den Armbanduhren – viel zu runden Spielgerät britischer Herkunft.

    13. cydet Says:

      @ Phipu zum 2ten

      Z.b. hätte Yakin „Braichi“ gehabt. hätte er “ d`Kachle“ gegen die Türken nicht „verkachlet“ nur weil er „duckemyserisch“ gegenüber seinen Landsleuten ist jedenfalls „luusch“ für das er so ein „Spilratz“ isch.

      Vielleicht gut so, sonst hätten die „Steckkepf“ ihn evt. „abgschmirt und verwamst bis d`Schwarte gracht wäre“

    14. bobsmile Says:

      Und woher hatte Spiegel-Online die Idee für die Umfrage?
      Lueg mau hie: http://www.kurier.at/nachrichten/162796.php

      No Fraage?
      🙂

      Aprospos Bölle, ist das nicht eine Zwiebel auf Züridüütsch?
      Böllewäihe – Zwiebelkuchen

    15. nadjag Says:

      @Guggeere: In meinem Ost-CH-Dialekt heisst Bölle sogar nochmal was ganz anderes nämlich „Zwiebel“. (z.B. verwendet in „Bölledünne“ was soviel wie Zwiebelwähe heisst)

    16. nadjag Says:

      @Guggeere: Anmerkung; Habe auch schon den Begriff Zwiebel für eine Uhr gehört, bin mir aber grad nicht sicher ob Taschen- oder Armbanduhr?

    17. Phipu Says:

      An Guggere,

      Diese seltsame Geschichte mit den Uhren als Spielball ist fast nicht zu glauben, wenn man davon ausgeht, dass Uhren schon immer etwas Wertvolles waren. Ich bin zu einer Zeit aufgewachsen, als billige Digitaluhren aus Fernost oder Swatches als Ball hätten herhalten müssen. Deren Material hätte aber nie bis zu einem Finale eine ballähnliche Form beibehalten, abgesehen von den umweltunverträglichen Inhaltsstoffen, die sich auf dem ganzen Rasen verteilt hätten. Da bin ich froh, dass die Briten zu meiner Kinderzeit schon mit Leder, Gummi und Luft vorbeigekommen waren.

      Abgesehen erinnert mich die Anspielung von „Bölle“ („die“ nicht „der“) an die „Zwiebel“, wie dieses Gemüse so ungefähr etwa ab dem Kanton Zürich ostwärts heisst. (Siehe auch hier: http://www.blogwiese.ch/archives/121#comment-1296 und hier: http://www.blogwiese.ch/archives/790#comment-248838 ) Auch dabei kommen wir wieder auf die Uhr zurück. In meiner Jugendzeit war es noch üblich zu fragen: „Was isch für Zibele?“ (Welche Zwiebel ist es?). Das Wort Zwiebel stand hier für „Zyt“ (Zeit).

      Und wenn mein Geschreibe niemanden interessiert, sind das nicht meine Zwiebeln! (Schlechte Übersetzung aus dem Französischen: „Ce n’est pas mes oignons!“ = das ist nicht mein Bier!)

    18. cydet Says:

      @ nadjag

      „Zibele“ wurde in Basel für Uhr benutzt, meinem Alter entsprechend könnte der Bergriff für eine Taschenuhr stehen.

    19. Ernst Lobsiger, "Aschi" Says:

      Uf Bärndütsch bedütet ds „Tüpfi“ ou e gussisigi Pfanne mit Techu, wo me zum längere Gaare vo mene Braate bruucht.

    20. Guggeere Says:

      @ phipu: „Bölle“ für „Uhr“ und „Ball“ war und ist für mich eindeutig männlich: Wenn ich einen St.Galler Uhrmacher frage: „Chönd si mer de Bölle flicke?“, wird er mich nicht ins Sportgeschäft schicken oder mir erklären, kaputte Zwiebeln gehörten in den Kompost.