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Wir machen jetzt Duzis, was meinen Sie? — Über die Schwierigkeit von Deutschen beim Duzen

  • Erst Duzis machen, dann beim Sie bleiben
  • Am Montag den 26.05.08 stellt der Schweizer Journalist und Autor Bruno Ziauddin im Zürcher Kaufleuten sein schon angekündigtes Buch „Grüezi Gummihälse“ vor (vgl. hier) . Die Veranstaltung wurde von Roger Köppel moderiert und begann nach einer kurzen Lesung von Bruno Ziauddin mit einem Gespräch zwischen dem Ostdeutschen Theatermann Michael Schindhelm, der auch im letzten Jahr ein Buch über seine Erlebnisse in der Schweiz veröffentlicht hatte (siehe hier), und Bruno Ziauddin. Zunächst machten die beiden „Duzis“, allerdings ohne erst Brüderschaft zu trinken, was in Deutschland mit verschränkten Armen, dabei das Glas haltend, und einem Kuss zu bekräftigen ist. Die folgenden 20 Minuten siezte Michael Schindhelm seinen soeben als „Bruno“ vorgestellten Gesprächspartner. Es geschah unbewusst, und erst später wurde ihm gesteckt, dass er doch unbewusst beim „Sie“ geblieben war im Gespräch mit Ziauddin.

  • Das „Sie“ kann auch vertraut sein
  • Es wird häufig berichtet, dass man in der Schweiz schneller zum „Du“ übergeht und die Deutschen länger sehr förmlich mit neuen Bekannten beim „Sie“ bleiben. Michael Schindhelm war ein lebendiger Beleg für diese These. Den Schweizern ist das lange Siezen irgendwie unangenehm. Deutsche können auch per „Sie“ sehr vertraulich werden. In der Generation unserer Eltern ist es noch möglich gewesen, sich dreissig Jahre in guter Freundschaft zu kennen, sich regelmässig zu besuchen, und dennoch beim „Sie“ zu bleiben. Ob es sowas unter Schweiz auch gibt?

    Helmut Kohl allerdings pflegte mit der halben Bundesrepublik Duzfreundschaften, sogar international. Er soll sogar Ronald Reagan bei der ersten Begegnung gleich das Du angeboten haben mit dem Satz: „You may say ‚you‘ to me“.

  • Duzen im Lions-Club nach Schweizer Vorbild
  • Ein Schweizer Mitglied des Zumikoner Lions-Club erzählte mir, dass sein Club sich regelmässig einmal pro Jahr mit einem anderen Partner Lions-Club aus Süddeutschland trifft. Die Damen und Herren aus Deutschland hätten erst nach dem Vorbild der „lockeren Schweizer“ angefangen, auch untereinander zum „Du“ überzugehen. Zuvor war das Jahre lang nicht üblich dort.

  • In der Videokonferenz mit Vornamen
  • Eine Freundin von uns arbeitet bei einem internationalen Pharmakonzern in Deutschland. Sie erzählte, dass in einer internationalen Videokonferenz auf Englisch mit Teilnehmern aus vielen Ländern sie sich und ihren Chef mit Vornamen vorstellen und anreden muss, weil das alle so handhaben. Ist die Konferenz vorbei und wird Deutsch gesprochen, kehrt sie wieder zum Nachnamen und „Sie“ bei ihrem Chef zurück, den sie zuvor noch auf Englisch fleissig mit „Andreas has said..“ im Gespräch erwähnte.

  • Beim Du bleiben fällt schwer
  • Wir hatten vor einigen Wochen Patricia Schäfer mit einem Kamerateam vom ZDF-Morgenmagazin aus Berlin zu Besuch, die einen kleinen Beitrag über die „Deutschen in der Schweiz“ drehte. Obwohl wir uns schon bei der Begrüssung mit Vornamen vorstellten und allen sofort das Du anboten, verfielen unsere Gäste aus Deutschland doch permanent wieder zurück in die „Sie“-Form. Muss doch brutal schwierig sein für Deutsche, dieses Duzen von Anfang an.
    P.S.: Leider wurde von dem gedrehten Beitrag bislang nichts gesendet. Wie das so ist. Eben war das Thema „Deutsche in der Schweiz“ für das ZDF noch en vogue, schon interessiert es niemanden mehr in Deutschland. Oder wollen die so weitere Auswanderwellen verhindern?
    (Ausführlicher zum Buch „Grüezi Gummihälse“ geht es morgen weiter)

    

    28 Responses to “Wir machen jetzt Duzis, was meinen Sie? — Über die Schwierigkeit von Deutschen beim Duzen”

    1. neuromat Says:

      das ist wieder eine rechte Deutschenfalle – das Duzi und der Vornamen. Du bedeutet noch lange nicht das gleiche Du und in der Regel hat der Schweizer drei bis fünf Vornamen. So sagt er beim Duzi „ich bin der Gerhard“, seine Freunde nennen ihn aber Gerry und Gerhard hat fast einen Nachnamensfunktion, für die ganz engen und seine Frau vielleicht „Dschii“ und seine Freundin nennt ihn HOT …

      mich erinnert das an ein Telefonat mit der Helsana, nach dem ich bereits in die zuständige Abteilung weiterverbunden war:

      – Könnte ich bitte mit Frau Dahinden sprechen. Ich sollte von ihr noch das Telefon bekommen haben.

      – Wie heisst die mit Vornamen?
      – Oh, Entschuldigung, aber das weiss ich nicht.
      – Ja war es die Isabellaaa oder die Iiirähnnn.
      – Also wirklich keine Ahnung. Aber seit fünf Tagen sollte sie mich zurückrufen.
      – Also die Iiiirrrrähnnn. Moment bitte …… Sind Sie noch da?
      – Nein, ich habe mich in Luft aufgelöst. Also ich sollte wirklich Frau Dahinden sprechen.
      – Iiirrähn?
      – Ja, genau.
      – Sie ist gerade in einer Sitzig. Dürft ich Ihnen ihrs Numero gää.
      – Nein, es wäre jetzt wichtig.
      – Einen Moment gschwind ……. (Punkt = Minuten) Sind Sie noch da.
      – Nein, ich musste aufs WC aber kein Problem ich hab Sie mitgenommen. Nur einen Augenblick, verdammt die Gürtelschnalle … ach oh ohhoh, so ein Scheiss, aber knapp. Sind Sie noch da?
      – Ja, was war das für ein Geräusch?
      – Sie waren ins WC gefallen, aber ich hab Sie retten können. Erstaunlich was diese Geräte aushalten.
      – Frau Dahinden ist inner Sitzig.
      -Ja, war ich auch gerade noch. Mir ist mittlerweil ganz komisch.
      – Soll ich Sie mit dem ärztlichen Dienst verbinden.
      – Auch gut. Vielleicht mir Herrn Koller.
      – Wie heisst der mit Vornamen? ……………………….

    2. Phipu Says:

      Mühe scheinen gewisse Deutsche nicht nur mit Du und Sie zu haben, sondern auch mit der adjektivischen Formel für „jemand/etwas aus Zürich“. Obwohl schon seit langer Zeit in die Geheimnisse dieses Wortes eingeweiht, rutscht einigen manchmal wieder ein „Zür-i-cher Kaufleuten“ in den Text.

      Die Leser, die es nicht besser gewusst hätten, können hier
      http://www.blogwiese.ch/archives/824 oder hier
      http://www.blogwiese.ch/archives/119 ihr Wissen aktualisieren.

      [Anmerkung Admin: Komme stark in Versuchung mich damit herauszureden, dass dieser Satz in DE geschrieben wurde, und somit das Binnen-I von Zür-i-cher gestattet ist. 😉 Aber ich lasse es, danke Dir für den Hinweis und korrigiere rasch das Posting. ]

    3. balzercomp Says:

      Hallo Jens,

      färben die Schweizer Formulierungen/Satzstellungen auch bei Dir ab? Beim Satz „Wir hatten vor einigen Wochen ein Patricia Schäfer mit einem Kamerateam vom ZDF-Morgenmagazin aus Berlin zu Besuch, die einen kleinen Beitrag über die „Deutschen in der Schweiz“ drehte.“ ist zumindest das „ein“ vor Patricia zuviel.

      [Anmerkung Admin: Danke für den Hinweis. Habe ich beim Redigieren übersehen. Ist schon korrigiert, war schon etwas später gestern.]

    4. Phipu Says:

      Ich vergass noch, den Link zu liefern, wo man noch mehr über „you may say you to me“ und überhaupt zum Thema „Duzis machen“ und „Duzis sein“ findet:
      http://www.blogwiese.ch/archives/307

    5. Simone Says:

      Mich nervt diese elende Duzerei in der ganzen Welt. Ich bekomme auch regelmässig Anfälle bei englischsprachigen Mails, wenn Leute, mit denen ich noch nichts zu tun hatte, dann von jetzt auf gleich mit „Dear Simone“ kommen. Ich bin ein chronischer Siezer und werde es auch bleiben!!!

    6. Danido Says:

      Man kennt auch einen hübschen Politikerwitz zum Dutzen mit Ausländern von Bundesrat Adolf Ogi.

      Adolf Ogi war mächtig aufgeregt, als er den Staatspräsidenten von Frankreich Jacques Chirac empfangen sollte, da er sich immer etwas vor den grossen Staatsmännern fürchtete, und da es um seine Französischkenntnisse auch nicht so perfekt stand. Er wartete also mit einem Bataillon Ehrensoldaten am Genfer Flughafen und stiegt mit Chirac in einen VIP-Helikopter der Schweizer Armee, der sie nach Kandersteg bringen sollte.
      In den Bergen kam der Helikopter in einen Sturm, der so schlimm war, dass es den Helikopter richtig rumschleuderte. Da entfuhr es Jacques Chirac – kreidebleich – „Monsieur, nous sommes perdu“. Ogi, der verstand „Wir sind per Du“ sagte erfreut indem er Chirac die Hand reichte: „Angschanggtee, schö mappell Dölf!“

      …Ogi hat auch schon als Kind von sich reden gemacht, als er sich im Internat im Welschland die Hand am heissen Wasserhahn verbrannte. Zuhause erzählte er dann, er habe kaltes Wasser gewollt, da sei „Chaud“ am Hahnen gestanden.

    7. balzercomp Says:

      @Simone
      Da hast Du leider ein Problem.

      Im englischen Sprachraum ist es nunmal üblich sich mit Vornamen anzusprechen. Dazu aber mit „Sie“, denn das für uns Deutschsprachige so nach „Du“ klingende „You“, bedeutet eigentlich „Sie“. Unser „Du“ ist „Thou“. Wird aber wohl kaum noch benutzt. Das heisst, die Welt siezt sich eigentlich.

    8. Nessi Says:

      Ich finde die Duzerei höchst sympathisch, das bewirkt gleich eine vertrauteres miteinander.
      Aber klar, wenn jemand lieber auf Distanz bleibt mit seinen Mitmenschen………eigentlich schade, denn ich bin überzeugt, mit freudlichem miteinander wäre usere Welt in vieler hinsicht lebenswerter.

    9. Simone Says:

      @Balzercomp:
      Unabhängig vom neutralen „you“ gibt es auch noch „Mr.“ and „Mrs.“ Ich benutze diese Anrede durchaus bei Leuten, die ich nicht persönlich kenne.

    10. Georges Says:

      @Admin
      Was Du da über Helmuth Kohl geschrieben hast, ist eine Infamie; das hat sich mit Sicherheit nicht so abgespielt. Helmuth Kohl konnte bekanntermassen gar kein Englisch!

    11. solanna Says:

      Meine Eltern – heute Mitte 80 – leben seit 1951 in einer mittelgrossen Stadt, seit 1953 im selben Haus. In den letzten Jahren haben sie offenbar mit den Bewohnern dreier benachbarter Häuser Duzis gemacht, vorher war meine Mutter ausschliesslich mit zwei ehemaligen Schulkameradinnen, die zufällig ebenfalls in der selben Stadt wohnten, per Du. Fast 50 Jahre lang! Ich würde das heute schlicht nicht aushalten.

      Diese Distanzhaltung verinnerlichte ich aber als Kind derart, dass ich (damals 6) an der Hochzeit meines Onkels und Paten seine Braut/Frau weiterhin siezte.

      Dass ich später nach 2 Jahren als junge Lehrerin in einem Schulhaus mit gut zwei Dutzend Lehrkräften zwischen 21 und 50 (die meisten um die 30) erst mit knapp der Hälfte Duzis war, nahm ich (nur leicht) beleidigt hin. Toll, dass sich danach an der Uni alle duzten.

      Dann sass ich Ende 70er-Jahre in einem Basler Vorort Tag für Tag am Sandhaufen mit andern Müttern zwischen 28 und 33. Anlässlich eines 30. Geburtstags „mussten“ sich alle Du sagen. Am nächsten Tag am Sandhaufen forderten doch allen Ernstes einige der jungen Frauen, man möge doch bitte wieder zum „vertrauten Sie“ zurückkehren.

      Dann der Umzug in die Zentralschweiz. Sass man mal an einem Fest mit 10 Leuten an einem Tisch, ist man danach mit allen per Du. Und bleibt es auch künftig. Meine Zürcher Verwandten verspotteten mich als distanzlos, weil ich „mit Krethi und Plethi“ duzis sei.

      Für meine Geschwister im Kanton Zürich scheint das inzwischen aber auch zu gelten. Am Jurasüdfuss, wo ich seit einigen Jahren lebe, sagt man sich jedenfalls in allen Altersstufen auch schnell Du und bleibt dabei.

      Ich finde es übrigens bedeutend einfacher, jemanden, den ich persönlich kenne und mit dem ich per Du bin, zu kritisieren, als Leute, von denen ich durch das Sie distanziert bin. Eine Kritik per Sie wirkt meiner Meinung nach ungleich härter. Aber gerade die Unmöglichkeit, „Distanz zu wahren, wenn man per Du“ sei, wird von den Duzis-Muffeln als Grund für das Siezen angegeben.

      Wer in der Schweizh heute auch im geselligen Kreis noch abwehrend beim Sie bleiben will, erinnert mich an die alten ledigen Damen, die noch lange auf dem „Fräulein“ beharrten, als dieses längst abgeschafft war.

    12. neuromat Says:

      @ Georges

      klar konnte der Englisch, der schreibt ja sogar seinen Vornamen mt tii äitsch.

    13. Phipu Says:

      Soviel ich weiss, ist es im Radio üblich, dass sich die Journalisten und alle Sendungsgäste untereinander siezen, solange das Gespräch über den Äther geht. Hinter den Kulissen wird dann soviel geduzt wie in anderen Betrieben auch. (Ausnahme sind hier die auf jung machenden Radiostationen, die konsequent jedermann duzen, à la DRS3, Couleur3, diverse Privatsender).

      Wurdest du, Jens, vielleicht ein Opfer dieses Umstandes bei deinem im letzten Abschnitt beschriebenen Fernsehinterview, ohne dass die Reporterin taktvoll genug war, dir diesen Usus mitzuteilen? Das hätte dann nichts mit Deutschen und Schweizern zu tun. Möglicherweise klingst du nun in der Sendung, die vielleicht doch mal ausgestrahlt wird, unhöflich, weil du die Journalistin duzst, während Sie ihr konsequentes professionelles Siezen drauf hat. Da kannst du ja vielleicht froh sein, dass die Sendung nie gezeigt wurde.

      [Anmerkung Admin: Kann ja noch kommen. Das Interview wurde selbstverständlich in der Sie-Form aufgezeichnet. Es waren die anderen Deutschen im Team (Ton, Kamera, Aufnahmeleitung, die kamen echt zu viert …) die immer wieder ins Sie zurückfielen. Habe ich so bei Schweizern noch nicht erlebt, wenn man mit Gleichaltrigen kommuniziert]

    14. Nessi Says:

      @ solanna

      du triffst es auf den Punkt.
      Für mich spiegelt das Siezen wollen die Angst davor die Nähe des anderen zuzulassen.
      Er könnte dann ja (um himmels willen) ehrlich sein, und die Wahrheit sagen. 😉

    15. Martin Says:

      Meine Oma hat mir eine Geschichte erzählt: In den frühen 50er Jahren war sie zu Besuch bei Bekannten im Zillertal. Ein Urlauber (damals noch einer der wenigen) aus Frankfurt beschwerte sich, dass er dort von jedem geduzt wurde. Ihm wurde dann erklärt: „Zum lieben Gott sagen wir auch Du und einen höheren gibt es für uns nicht.“

    16. Simone Says:

      @Nessi:
      Kann schon sein, aber man muss auch nicht Hinz und Kunz, mit dem man möglicherweise nie mehr im Leben zu tun haben wird, an sich heranlassen. Wahllosen Umgang mit dem Du setze ich mit Gruppensex gleich, und das ist auch nicht mein Fall.

    17. neuromat Says:

      @ solanna und nessi

      aus meiner Sicht trefft ihr beide … nicht ins Schwarze, sondern voll daneben und dann doch von hinten wieder genau ins Ziel. Zum Thema Angst: Schnell, schnell mit dem Duzi eine Nähe herstellen, die doch gar keine sein kann. Wie bitte soll denn das funktionieren. Richtig hier geht es um Angst, wie Du Nessi feststellst, aber nicht um Angst vor Nähe, sondern vor eisiger sachlicher Neutralitaet in der möglichen Kritik, diese kann sogar freundlcih vorgetragen werden.

      Deutsch direkt formuliert: Das Schweizer Duzi-Machen schafft keine wirkliche Nähe. Siehe auch den Comment zu den Vornamen oben.

      Mir geben solche Comments immer Rätsel auf: Alle machen hübsch Schweizer Duzi, sind nett und harmonisch zurückhaltend und dabei nicht distanziert und doch gehen die Schweizer ja massiv auf Distanz, dies bereits zum Nachbartal, haben einen martialischen Umgang miteinander und mit anderen in den Medien.

      Für mich ist das manchmal an einer ziemlich hohlen Theateraufführung und eben oft dann doch oberflächlich, aber eben entängstigend… denn mit dem habe ich ja Duzi gemacht, der ist mit mir nicht mehr böse.

      @ simone
      ueber den Gruppensex müssen wir nochmal reden. Soziologisch betrachtet: Sind da zwei schon eine Gruppe, oder sind mehr als zwei eine Gruppe. Ich stehe da gerade auf dem Schlauch – peinlich, das habe ich vier Semester studiert..

    18. Simone (die andere) Says:

      @balzercomp: ganz richtig, mit dem „thou“, aber das „you“ ist eigentlich ein „Euch“, 2.Pl Akkusativ. Dann wären wir doch schon fast wieder beim „Euchzen“, das hier auch mal beschrieben wurde.

      Eine ganz andere Frage: ich hatte eben einen Elektriker und eine Zimmermann im Haus. Die beiden haben sich noch nie vorher gesehen, sich aber sofort geduzt. Weiss jemand, wie das in Deutschland ist, sind da Handwerker auf dem Bau auch immer gleich per Du?

    19. Simone Says:

      @Namensvetterin:
      Ich halte es durchaus für denkbar, dass sich die Handwerker spontan duzen. Es handelt sich um eine Berufsgruppe und somit um eine Gemeinsamkeit, die verbindet. Von daher bietet sich das „Du“ an.

      @Neuromat:
      Das war wieder einmal brilliant, Kompliment! Bei wieviel Personen die Gruppe anfängt, ich würde sagen bei dreien. Ich möchte noch hinzufügen, dass das Gegenteil von Nähe Ferne ist, bzw. Distanz. Man spricht durchaus auch von einer „gesunden“ Distanz, die nicht nur mir selbst, sondern auch meinem Gegenüber einen wohltuenden Freiraum bescheren kann, den ich dann nicht übertrete. Es zeigt, wie nah mir eine Person ist, nicht, wie ich sie wertschätze.
      Beispiel:
      1. Es gibt Freunde meiner Eltern, mit denen sich die Eltern duzen und die ich auch duze. Fazit: Wir kennen uns recht gut.
      2. Es gibt Freunde meiner Eltern, mit denen sich die Eltern duzen und die mich siezen. Fazit: Wir kennen uns nicht so gut, behandeln uns aber mit Respekt und Anstand, durchaus freundlich.
      3. Es gibt Freunde meiner Eltern, die mich duzen und meine Eltern siezen. Ich sieze sie, weil sie mir nie das Du angeboten haben. Diese Leute haben eine Wissenslücke in Bezug auf den KNIGGE.
      4. Meine Eltern duzen meine Freunde nur, nachdem sie ihnen zuvor das Du angeboten haben und das alles auf Gegenseitigkeit beruht.
      5. Ich habe auch Freunde, mit denen meine Eltern beim Sie bleiben. Dann ist relativ klar, dass man miteinander noch nicht so weit ist, ohne jede Wertschätzung.
      Ich würde sagen, dass Du und Sie in meinen Augen Beziehungen nicht qualifiziert, sondern quantifiziert.

    20. Thomas W. Says:

      @Simone (die andere):
      Also die Handwerker hier in München duzen sich sowieso alle. Und im Zweifelsfall wird auch der Hausherr/die Hausherrin sofort vom Elektriker geduzt – auf Bayerisch ist das Du sowieso ganz natürlich.

    21. neuromat Says:

      @ Simone (die andere)

      kai Ahnig, die arbeiten doch jetzt alle in der Schweiz und wie es sich mit den Osteuropäern verhält müsste wahrscheinlich geklärt werden.

    22. dampfnudle Says:

      Ich habe schon festgestellt, dass sich alle Bähnler oder alle Trämler duzen.

      Andererseits müssen sich offensichtlich in gewissen Betrieben alle, die in Aussenkontakt stehen, siezen. Das führt dann zu unsäglichen Konstruktionen – etwa in Warenhäusern: „Du Frau Maurer, weiss Du, wo die Staubsaugerbeutel sind?“ Und Frau Maurer ruft zur andern Kollegin hinüber: „Du, Frau Greber, weisst Du, ob die Frau Meister die Staubsaugerbeutel schon ausgepackt hat?“ Da ruft Frau Meister, nun hinter einem Regal hervorguckend: „Du Frau Maurer. Die kommen erst am Mittwoch.“

    23. Thomas Says:

      man kann auch per ‚Sie‘ wunderbare Freundschaften pflegen und sich weitaus näher sein, als wenn man ‚Du‘ ist. Das inflationäre geduze im Raum Zürich geht mir persönlich auf den Sack, aber das ist sicherlich Geschmackssache. Was ich noch lustig finde, mir gehts genau anders rum als solanne. Ich kann ‚fremde‘ Personen viel einfacher kritisieren als mir Nahestehende.

    24. bobsmile Says:

      Einen spannendes umfeld der Anrede findet sich auch in der/unserer Bloggosphäre. Da wird fleissig drauflosgeduzt, was wohl durch die Form (Nicknamen, gewisse Distanz durch Anonymität, junges Pubikum als Vorreiter, usw.) gegeben ist, man/frau ist da nicht so förmlich.

      Doch wie ist das mit dem Blog von Persönlichkeiten, wo das höfliche Sie eine gesellschaftliche Verpflichtung darstellt? Beispiel: Der Blog von Bundesrat Leuenberger. Darf ich einen Bundesrat dutzen, obwohl ich ihm noch nie begegnet bin, nur weil es im Blog „so üblich“ ist?

      Hier ziehe ich persönlich die Grenze, und würde mit „Guten Tag Herr (Bundesrat) Leuenberger“ einleiten.
      Obwohl er gemäss eigener Aussage nicht beleidigt wäre, wenn ihn jemand duzen würde

      […] Ich konzentriere mich also auf das Hauptthema Energie- und Umweltfragen. (Ob in „Sie“ oder „Du“ können wir ja später mal diskutieren. Vorerst Sieze ich Sie, während ich nicht beleidigt bin, wenn einige mich duzen.)[…]
      -> http://moritzleuenberger.blueblog.ch/p6.html

      Also, wer schon immer mal einen Bundesrat duzen wollte…
      (Hei Moritz, klasse Blog!);-)

    25. Simone Says:

      @Thomas:
      Du sprichst mir aus der Seele!

    26. Ostwestfale Says:

      Laut dem Trendforscher David Bosshart ist das Siezen in der Schweiz wieder ein bisschen im Kommen (-> http://tagesanzeiger.ch/dyn/news/zuerich/578915.html )
      Ich persönlich Sieze Fremde zunächst lieber, weil ich beim Duzen leider allzu oft den Eindruck bekam, dass der Andere dieses Nähe nur benutzt, um eigene Interessen durchzudrücken.

    27. Vivian Says:

      @ Thomas : da kann ich mit Ihnen nur einverstanden sein.

      Ich erinnere mich z.B. noch daran, dass wir im Gymnasium denen Lehrern am nächsten waren, die uns siezten. Respektvolle Nähe, in der man sich viel mehr anvertrauen konnte.

      @ Martin, “Zum lieben Gott sagen wir auch Du und einen höheren gibt es für uns nicht.”

      Naja, dazu meinte ein französischer Satirist :
      « Dieu a dit : „tu aimeras ton prochain comme toi–même“. Déjà, Dieu ou pas, j’ai horreur qu’on me tutoie ! »

      Und wie ich ja immer sage : wenn meine Grosseltern mich siezen, dann darf das der Rest der Welt auch. 🙂

    28. Markus Says:

      @Simone – oder muss ich nun „Frau Simone“ schreiben :-))
      „Wahllosen Umgang setze ich mit Gruppensex gleich“ – warum nicht gleich mit Genozid gleichsetzen… Also so eine verbohrte Meinung finde ich schon etwas bedenklich. Man kann das Duzen mögen oder nicht – aber es mit „Gruppensex“ gleichzusetzen? Schon etwas Lächerlich…
      Ich als Schweizer habe viel geschäftlich mit deutschen Kollegen zu tun (bin auch öfters in D) und habe durch das schnelle „Duzis“ einen viel vertrauteren und letztendlich aufrichitigeren Kontakt. Ausserdem ist Charakter wichtiger, als ob man nun per „Sie“ oder per „Du“ ist…