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Wenn der Wille frei von Mängeln ist — Juristendeutsch für Liebhaber

  • Das Zitat des Tages ist frei von Willen
  • Die Schweiz hat einen handfesten Politikskandal. Die Zeitungen sind voll davon. Bundesrat Blocher hat einen Bundesanwalt dazu gebracht, sein Amt aufzugeben. Nun, wir wollen uns hier in diese Affaire nicht einmischen, die momentan täglich in Schweizer Tageszeitungen ausführlich und mit detailversessener Hingabe diskutiert wird. Uns geht es hier um Sprache, und im Umfeld des Skandals durften wir heute ein neues Wort lernen, das uns so richtig auf der Zunge zergeht. Zitat aus dem Tages-Anzeiger vom 10.09.07:

    Wie Blocher den Bundesanwalt dazu brachte, das Amt aufzugeben
    Der Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher sei «freiwillig» gewesen. So sieht es Bundesrat Christoph Blocher. Eine andere Geschichte erzählt der GPK-Bericht. Der Bericht der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission (GPK) sei «lückenhaft» und «tendenziös», kritisierte Blocher. Wieso, erklärte er bisher nicht näher. (…) Demnach war der Rücktritt des Bundesanwalts gemäss Blocher «freiwillig und willensmängelfrei»
    (Quelle: Tages-Anzeiger)

    Haben Sie es gefunden, das wunderbare Wort? Nein, es ist nicht die das Adjektiv „nationalrätlich“ oder die „Geschäftsprüfungskommission“, es geht uns um die „Willensmängelfreiheit“.

  • Heissmangel und freimüssig
  • Was eine „Mangel“ ist lernte ich als Kind, weil wir die zerknitterte Wäsche zur „Heissmangel“ bringen mussten. Da waren fleissige Frauen in einem überhitzten Raum damit beschäftigt, Waschkörbeweise weisse Wäsche durch die Mangel zu jagen, gegen Bezahlung natürlich.

    Freiwillig etwas tun müssen nannte man in der untergegangenen DDR „freimüssig“, doch dieses Wort hat es nicht zu einer ausreichend grossen Zahl an Belegstellen geschafft um im deskriptiven d. h. sprachbeschreibenden Duden der Deutschen Sprache erwähnt zu werden.

  • Jus ist nicht nur ein Saft
  • Doch „willensmängelfrei“? Ist das wirklich ein Helvetismus? Auch dieses Wort findet sich nicht im Duden, und die Google-DE vs. Google-CH Suche findet gleich wenig Belege in der Schweiz wie in Deutschland. Kein Wunder, denn es ist aus der Fachsprache der Juristen entlehnt, welche sich im Amt des Schweizer Justizministers und studierten Juristen Christoph Blocher wohl grosser Beliebtheit erfreut. Irgendwie müssen die Jungs dort ja beweisen, dass „Jus“ in der Schweiz keine Abkürzung für Orangensaft sondern für „Jurisprudenz“ ist und sie sich garantiert auf Deutsch unverständlich ausdrücken können.

    Wir haben unterschlagen, dass der Tages-Anzeiger das Wort sofort mit „ohne Druck“ erklärt. Soviel Rechtsverständnis traut man seinen Leserinnen und Lesern dann wohl doch nicht zu, dass eine Erklärung von Blocher ohne Erläuterung verstanden werden kann.

  • War das jetzt willensmängelbehaftet oder willensmängelfrei?
  • Das Gegenteil von „willensmängelfrei“ ist übrigens „willensmängelbehaftet“:

    Ausnahmsweise kann eine willensmängelbehaftete Verfügung nachträglich Gültigkeit erlangen. Massgebend ist dafür, ob der Erblasser selber nach der Errichtung der Verfügung gleichsam „willensmängelfrei“ Gelegenheit hatte, die („bisher“) willensmängelbehaftete Verfügung aufzuheben, dies aber nicht getan hat.
    (Quelle: Vorlesung Erbrecht www.unifr.ch)

    Gibt es etwas Schöneres oder Anmutigeres als Gesetzestexte? Man möchte fast ein Libretto für eine Oper damit gestalten. Der erwähnte „Erblasser“ ist darin dann der Held, der Angesichts seiner Geliebten einfach erblasst und ganz weiss im Gesicht wird.

    

    23 Responses to “Wenn der Wille frei von Mängeln ist — Juristendeutsch für Liebhaber”

    1. solanna Says:

      „Jus“ ist nicht ein Saft, sondern Jurisprudenz. „Latsch“ ist nicht Milch auf Romanisch, sondern Latein. Und in der Grossregion Bern bedeutet „Gegere“ eigentlich Geografie. Als man noch nicht alles auf handlichen Taschenrechnern blitzschnell ausrechnen konnte, brauchte man in der Mathi und Physle noch eine „Logerebibele“.

      So jedenfalls, als Logarithmen-Bibel, bezeichnete einst ein bernernder Mathematiklehrerstellvertreter die in meinen Bildungsjahren noch übliche Logarithmentafel, ein Buch mit sieben Siegeln, aber voller schrecklicher Zahlen.

      Übrigens: Ist der Er Brecht (vielleicht Ernst Brecht?), der die Vorlesung über den wohl (wenn er doch alle ansteckt und blass macht) selber schwerkranken Erblasser gehalten hat, wohl ein Verwandter von Bert Brecht?

    2. neuromat Says:

      Hat Blocher nicht doch Heissmangelfrei gemeint?

      Es geht doch irgendwie um Wäsche. Irgendeiner hat beim Waschen nicht richtig aufgepasst, was war das noch, Einkünfte aus dem Verkauf rezeptfreier nicht vasellanischer Muntermacher – weiss nicht.

    3. Phipu Says:

      Ich will gleich mal alle Befürchtungen vorwegnehmen, dass beim Wort „Bratenjus“ Rechtswissenschafts-Studenten aufgespiesst und grilliert oder in der Bratpfanne zubereitet verzehrt werden: http://www.haco.ch/DE/GrossverbraucherSchweiz/Sortiment/detail.htm?id=1763&category=Saucen&subcategory=Klare+Saucen . Da ich nie universitäre Fächer wie Jus studiert habe, liegt mir die Bedeutung von „Jus“ als Saft halt näher. Der Unterschied besteht hingegen in der Aussprache. Im obigen Link wäre es „en Braate-Schü“, oder noch häufiger angetroffen: „en Orangsche-Schü“ (vgl. frz. jus d’orange), in all seinen mehr oder weniger gelungenen französisch-ähnlichen Aussprache-Varianten.

      Ich höre jetzt schon die beflissenen Neuimmigranten aus Deutschland „Öpfel-Schü“ oder „Pomm-Schü“ in der Beiz bestellen. Das wäre natürlich falsch. Das kann dann im ungünstigsten Fall zu einem „Päckli Pommschips“ (Pommes Chips) oder einem „Täller Pommfrit“ (Pommes frites = in D: [Pomös]) führen. Apfelsaft heisst hierzulande „Süessmoscht“ (Süssmost) als Gegenstück zum „Suure Moscht“ (Saurer Most = Apfelwein). Siehe z.B. hier: http://www.huber-getraenke.ch/most.htm , wo man feststellen kann, dass einige Marken auf den Etiketten Dialekt- und andere hochdeutsche Ausdrücke verwenden.

      Wenn Sie andererseits Handwerkern oder Führern irgendwelcher Fahrzeuge zuhören, und aufschnappen, dass einer dem andern „gib Schü!“ oder „gib meh Schü!“ zuruft, heisst das nicht, dass nun eine ausgefallene feucht-klebrige Orangensaft-Schlacht/Party abgehen soll, sondern, dass aufgedreht oder eingeschaltet werden soll. (gib „Jus“ = gib Strom drauf/gib mehr „Jus“ = gib mehr Gas, mehr Spannung). Wenn man das mit „Gib Saft“ übersetzt, kann allen, die das folgende Lied kennen, schon mal etwas Schlüpfriges in den Sinn kommen. http://lyricwiki.org/Die_Fantastischen_Vier:Saft

    4. neuromat Says:

      @ Phipu

      Pomös habe ich noch nie gegessen. Tönt, äh klingt aber lecker, äh fein. Schü geben, kenne ich als „gib Gummi“ – kann mir aber im Moment hierzu ausser einem Bezug zu Reifen keinen Reim drauf machen. Anfra kann das aber bestimmt.

      Bei Braten und Orangen werden dialektal offensichtlich Sosse und Saft nicht differenziert oder eben doch wenn ein reiner Fleischsaft oder ein entfetteter Bratensaft, welcher beim erkalten geliert gemeint ist. Aus diesem entsteht dann die Sosse, in welche mir traditionell das Gmuees patscht und schliesslich Flecken auf der Weste verursacht.

      Womit wir wieder beim Thema wären – waschen.

      Unklar bleibt mir aber das mit dem Moscht. Der sugo geht zumindest zu fast allem … die haben die Schweizer uns wieder eine Falle aufgebaut. Und eh man sich versieht hat man in die Tunke gelangt.

    5. ch.atzefrey Says:

      Tunke! Sagt man das noch heute in Germanien? Das hatte ja seine Berechtigung, als man Gemüse vorwiegend mit rahmigen oder buttrigen Saucen servierte und es zum Fleisch Kartoffelstock gab, in den man sofort ein möglichst riesiges Seelein grub, ehe die Sauce verteilt wurde.

      Heute gibts nur einen Klecks Sauce übers Fleisch. Zum Tunken gibts da nichts mehr, oft reichts nicht mal fürs ganze Fleisch.

      Man kommt dafür auch nicht mehr in Versuchung, kniggewidrig die feine Sauce, die noch im Teller dümpelt, mit Brot aufzutunken. Schade um die Tunke, die jetzt eigentlich von den Deutschen in Leckerklecks umbenannt werden müsste.

    6. neuromat Says:

      Germanien? Die hat man doch höchstens auf dem Fensterbrett stehen – in Helvetien.

      Um die fette Tunke ist es doch nicht wirklich schade.

      Das Essen ist uebrigens in Helvetien auch wirklich zu fett und die z‘ sind ungesund – vielleicht sind deshalb die Deutschen so begeistert von den ganzen Zwischenmahlzeiten

      aber waren wir nicht bei dem Thema „Willensmängelbehaftung“

    7. ch.atzefrey Says:

      Ja, das Thema scheint mit dem Willensmangel, sich mit solch juristisch heimtückischen Begriffen auseinandersetzen zu müssen, behaftet zu sein.

    8. Phipu Says:

      An Neuromat:

      Stimmt, ich habe noch vergessen, das aspirierte P darzustellen, dass es mir all die Schweizer Zungen ja richtig und schön deutsch aussprechen. Mit Vorsprechen statt Schreiben hätte ich das sicher besser hinbekommen. Ausserdem, In der Schweiz lebend, bist du tatsächlich wohl schon länger an keiner [Pphomös-Buudö] mehr gestanden und hast [Gghö-i-Wuast] gegessen.
      http://www.blogwiese.ch/archives/85

      Bei „gib Gummi!“ in einem Motorboot oder Flugzeug hört meine Vorstellungskraft schon etwas auf. „Gib Schü!“ passt dort allerdings noch. Übrigens ist der Saft, mit dem Schweizer Verbrennungsmotoren laufen, weniger alkoholhaltig als in Deutschland. Hier hört man erzählen, wie viel Most das Fahrzeug verbraucht. In Deutschland denkt man dabei eher an Sprit. Es wird wohl noch viel Zeit vergehen, bis „willensmängelfrei“ auf den exzessiven Einsatz dieser Motorentechnik verzichtet wird.

    9. AnFra Says:

      @ ch.atzefrey

      Mit der Tunke wird hier möglicherweise / fälschlicherweise nur noch die schwarze, fette Bratensauce gemeint. Die kann man meist so beschreiben: teerige, bituminöse und pechartige Konsistenz.

      Habe solcherart von verflüssigter Kohle in folgenden Ländern selbst essen können, dürfen und müssen: D, CH, A, I, F, NL, PL, CZ, SY, MS, GR.
      Also kann man sagen, die „Tunke“, die hier gemeint ist, ist nicht „nur deutschen Ursprungs“, sondern ein internationales Phänomen. Vor über 100 Jahren war DAS die feine französische Küche!

      In der guten alten Zeit wurden ansonsten fast alle genießbaren Flüssigkeiten, welche zum eintauchen oder benetzen verwendet wurden, ansonsten „Tunke“ genannt. Heutzutage hat es sich aufgespalten in z.B. Dipp, Saucen, Dressing und anderen Kickifack!

      Nun tauch die Frage auf, woher dieses Wort stammt!

      Ein kurzer Blick bei unseren Gevattern Grimm offenbart es: Es ist oberdeutschen Ursprungs, besonders im alemannischen Sprachbereich beheimatet! In nördl. deutschspr. Raum wenig gebraucht. Wie man schon immer vermutete, auch dieses Worte hat eine seltsame Wandlung durchmacht. Fast könnte man meinen, das Fondue könnte auch eine „Tunke“ sein!?!

      Tolles Detail im GWB: „Tunke“ in weiterer Bedeutung: …. es kann die Vorstellung hinzukommen, dass etwas hineingetaucht werden soll: „ Lüderliche Weibsbilder, Huren, Ehebrecher und Dergleichen in eine Tunke von kaltem Wasser und Schlamm zu bringen … dürfte heute noch ein probates Mittel sein gegen solche fressende Brunst“!

    10. solanna Says:

      Tunke soll alemannisch sein? Ich empfinde das als sehr deutsch. Bei uns heissts doch „Soosse“, „Soose oder, was mich immer aggressiv macht: „Sööseli“.

      Vor allem ein gewisser Typus Männer – sind es vor allem Zürcher?? – schwärmen dann: „Weisch, mit eme feine Sööseli!“, und der Speichel tropft ihnen schon fast aus dem Mundwinkel. Wäääk! Da ist ja Tunke noch „aamächeliger“!

    11. Schnägge Says:

      Willensmängel stellen sich bei mir regelmäßig ein, wenn es sich um leckere Soßen handelt, die man der Kalorien halber eigentlich besser auf dem Teller ließe.
      Wer Anwalt werden will, sollte in D aber lieber Schweizer Gebirge studieren als Fruchtsäfte.

    12. AnFra Says:

      @solanna

      Tja, so is det halt: Es SCHEINT nicht alles so wie es ist; es ist NICHT ALLES so wie es scheint.

      Die deutsche Sprache hat halt so furchtbare Geheimnisse. Habe sicherheitshalber in die Schlaubücher geschaut: z. B.: Mackensen, Ursprung der Wörter: Hier: „Tunke“: dt. vom Zeitwort „tunken“ , mhd. „tunken, dunken, ahd. „dunkon“. Verw. „tauchen, dukken“. Hier: „Soße“: aus frz. „sauce“, älter mhd. „salse“ (!!!), altfrz. „salse“ (Salzbrühe), vom lt. „salus“. Man sieht also: das germ. „tunke“ entspricht dem lt. „salse“!.
      D.h.: Zwei Namen, ein gleicher Inhalt!
      Im 17. JH hat die frz. Sprache begonnen, die Terminologie der europ. Essenskultur zu verändern.
      Nun die Frage: Was ist Kulturell hochwertig? Wenn der Koch sein Ding, d.h. seine „Tunke“ bzw. seine „Sauce / Soße“ verkocht, ist es auch nur noch „Speiseabfall“ bzw. „Schwifutter“!
      Ich halte das Fondue absolut zur „Tunke“ gehörend. Da wird getaucht!
      Im dt. gibt es ähnliche Namen zu Tunke: Für untertauchende Durchführung: „Dükker“, für die stetig tauchende Ente: älter „Ducker“ = engl. „Duck“ (Donald lässt grüßen). Usw, usw.

      Auch empfinde ich die alemannische Sprache als ein Teil des Deutschen und die deutsche Sprache auch als ein Teil des Alemannischen.
      PS: In D. sagt auch keiner mehr in der Normalumgangsprache „Tunke“, außer so Leute wie wir in der blogwiese, die etwas älter als 200 Jahre sind!

    13. dampfnudle Says:

      Willensmängelfrei ist KEIN Helvetismus. Von 15 angezeigten Suchergebnissen bei google sind 7 zweifelsfrei aus der CH. Die andern enden mit .de oder .net. Es handelt sich also um ein grenzüberschreitendes Fach(idioten)wort, so eines, bei dem kein nichtjuristischer Redaktor in den Text einzugreifen wagt, weil das Wort eine unerklärliche und vielleicht nicht einmal leicht erklärbare Bedeutung hat. Lieber präzis zitieren und kein Schwein verstehts, als sich mit falschen Übersetzungen oder Erklärungshilfen in den Daumen zu schneiden.

      Immerhin tönt (äh klingt) es ungeheuer klug. Bedeutet es jetzt eigentlich absichtlich oder unabsichtlich? Lesen hier eigentlich keine JuristInnen mit? Bitte helft uns!

      [Anmerkung Admin: Ich denke im Artikel steht klar und deutlich, dass es kein Helvetismus ist aber ein Fachwort der Juristen. Danke dass Du es noch mal so deutlich betonst, jetzt haben es wirklich alle gemerkt. Es stammt aus einer Begründung des Juristen Blocher, und in vielen juristischen Texten hat es eine spezielle Bedeutung. Aber denken wir doch einfach wieder an Oper und freuen uns an dem schönen Wortklang!]

    14. Henning Says:

      Willensmangelfrei… hmm… frei von einem Willensmangel. Aber Willensmangel, ist das ein Mangel an Willen (also kein Willen) oder ein Mangel an einem Willen (z.B. eine Äußerung, die aber nicht freiwillig geschieht)? Ist da überhaupt ein Unterschied?

      Das Wort wirft jedenfalls mehr Fragen auf als es beantwortet.

    15. mare Says:

      @solanna, @AnFra: Und im Kluge-Etymologie: Tunke gehört zu lat. „tinguere“ = „benetzen, färben“ (von daher stammen auch „Tinte“ und „Teint“) und grch. „tengo“ = „ich erweiche“.
      Ich erweiche also in der gefärbten Brühe mein Brot, oder erweiche ich meinen Teint, oder???

    16. Psalmist Says:

      Na gut, meine Urgroßmutter – ok, ich weiß, ihr könnts nicht mehr hören. Also anders: Auch meine Großmutter *g* ist noch deutlich weniger als 200 Jahre alt und braucht noch das Wort „tünkle“ für „eintauchen“ (nur transitiv). Mich tünkt, äh dünkt, es sei auch in der jüngeren Generation noch verbreitet.

    17. Phipu Says:

      Schön, wie wir hier über Enten und grosszügigen Lebenserwartungen um das Thema „Willensmangel“ diskutieren können. Eben, um wieder auf das Hauptthema zurückzukommen: Hier noch ein möglicher Grund, weshalb viele Deutschschweizer das Wort „Tunke/tunken“ nicht als Dialekt, bzw. alemannisch einstufen. Die Dialekte haben diesen Ausdruck vom lateinischen derart verfremdet und regional angepasst, dass es kaum mehr erkenntlich ist. Ich selbst sage zu der kniggewidrigen Tätigkeit, die Ch.Atzefrey beschreibt, „uftümpfe“, worin mit gutem Willen „(auf-)tunken“ noch erkenntlich ist. In der Ostschweiz kenne ich den Ausdruck „uufschtöpfle“. Ausserdem kann man die „Tunke“ hier auch ganz anders, nämlich „mastige Sauce“ nennen: http://www.blogwiese.ch/archives/186

      An Solanna:
      Hier passt übrigens wieder der Link zum „schöne Söösseli“ (in den Kommentaren), das beweist, dass nicht alles immer nur „fein“ bzw. „lecker“ sein muss. Die Vorstellungskraft beim Lesen gibt dann wieder viel Speichel zum von den Tastaturen „uftümpe/ufstöpfle“. http://www.blogwiese.ch/archives/409

    18. solanna Says:

      @Psalmist

      Das bestreitet ja hierzulande wohl niemand. Tünkle ist eintauchen. Im nördlichen Kanton Zürich wird Brot sehr dünn und auslaufend in etwa 5×5 cm kleine Scheibchen, sogenannte „Tünkli“, geschnitten und getrocknet. Wie Flädli werden dann solche Trocken-Brotscheibchen in Bouillon gegeben, traditionellerweise in die Siedfleisch-Suppe. Daraus wird dann „Tünkli-Suppe“.

      Ich denke „tünkle“ (in Basel und Solothurn „dünggle“/“dünkle“) ist das übliche Mundartwort für aktiv etwas (= transitiv) in eine Flüssigleit tauchen. „Abetünkle“ bedeutet untertauchen lassen.

      Ich nehme aber an, dass es tatsächlich bald ein Grossmütterwort werden könnte, weil viele Jugendliche wohl eher zunehmend auch „tauchen“ verwenden.

    19. Brun(o)egg Says:

      Nach dem Herr Blocher die Ka… am usw…. hat empfiehlt es sich unklare Wortungetüme zu verwenden, um sich, wenn notwendig, in eine andere Interpretation als „ohne Druck“, was eindeutig wäre, zu flüchten. Da hat der Jus doch zugeschlagen.

    20. Psalmist Says:

      Eigentlich zeigt das Beispiel sehr schön, wie sich Herr Blocher als verkappter Intellektueller in zwei völlig verschiedenen Welten sicher bewegen kann – auch sprachlich. Obwohl ich politisch das Heu nicht auf seiner Bühne habe, beeindruckt mich diese clevere Heimlifeissheit immer wieder.

      @solanna: „hierzulande“ ist eben relativ. Ich weiß z.B. nicht, ob das Wort im Bernbiet ebenso verbreitet ist. Spontan hätte ich auch gesagt, daß es im Züribiet noch im normalen Gebrauch ist. Aber wenn ich mir überlege, wann ich es das letzte Mal aus dem Mund einer jungen Person gehört habe, dann muß das schon länger her sein. Deshalb bin ich auch ein Anhänger deiner Großmütterwortwerdungstheorie.

    21. Phipu Says:

      Mir kam eben in den Sinn, dass ich eigentlich noch den Link zu „Gib Gutzi“ hätte beim Thema „Gib Schü! Gib Gummi!“ etc. einbauen wollen. Das sein nun endlich erledigt: http://www.blogwiese.ch/archives/491

    22. Box Says:

      Eine kleine Belehrung am Rande, selbstverständlich von einem tüpflischiisserischen Juristen:

      Jus, juris n = (lat.) das Recht.

      Also keine Abkürzung für Jurisprudenz, sondern der lateinische Begriff für ‚das Recht‘. ‚Jura‘, wie der entsprechende Plural lautet, dürfte auch in Deutschland bekannt sein.

      Im Übrigen untscheiden sich die juristischen Fachbegriffe in Deuschland und der (deutschsprachigen) Schweiz nur marginal.

    23. Stereotypdeutscher Says:

      willensmängelfrei = nicht unfreiwillig?

      willensmängelbehaftet = unfreiwillig?