-->

Sind Sie auch skeptisch beim Hudigääggeler? — Neue Schweizer Codewörter

  • Musik der Welt auf allen Wällen und Hügeln
  • Der Schweizer Sender DRS1 hat die Volksmusik aus seinem Programm entfernt und in das nur über DAB oder Kabel zu empfangene Spartenradio „DRS Musigwälle“ (Nicht ein „Wall“, sondern viele „Wälle“) verbannt. Volksmusik ist nicht mehr en vogue sondern „uff Wälle„. Volksmusik nervt. Wie sehr diese Musik nervt, zeigen vielleicht die zahlreichen Witze, die sich im Internet zu diesem Genre finden:

    Was ist der Unterschied zwischen einem Schwyzerörgeler und einem Terroristen? Terroristen haben Sympathisanten.

    Wie kriegt man einen Schwyzerörgeler dazu, im Takt zu spielen? Indem man ihn einzeln spielen läßt

    Was ist der Unterschied zwischen einem Schwyzerörgeli und einer Katze? Nur der Preis; Beide machen gleiche Geräusche, wenn man sie drückt
    (Quelle: pflanzplaetz.ch )

  • Kann man Hudigääggeler essen?
  • Die kreative Schweizer Alltagssprache hat für das Volksmusigenre eine eigene Bezeichnung geschaffen, die Sie unbedingt kennen und verstehen sollen, um bei einer Einladung zu einem „Hudigääggeler“ nicht von der unsinningen Annahme auszugehen, man lade Sie vielleicht zum Essen ein.

    Doch was ist ein Hudigääggeler, der sich häufiger nur mit einem „ä“ als Hudigäggeler schreibt. Vielleicht wieder so ein geheimes Codewort, bei dem alle Schweizer sich wie auf ein Zeichen auf die Schenkel klopfen vor Lachen, und wir armen Deutschen nicht verstehen um was es geht? Wir entdeckten dieses Wort, wie so oft, bei der Lektüre der Fachzeitschrift „Schweizerdeutsch für Fortgelaufene“, dem Tages-Anzeiger vom 10.09.07. Doch die Erklärung mussten wir selbst suchen:

    Beim „Hudigääggeler“ scheint es sich um ein verhältnismässig junges Wort zu handeln,das im 2. Band des Idiotikons noch nicht behandelt ist. Belege seit 1971: Eduard Strübin schreibt einem Beitrag in „Schweizer Volkskunde, Jg. 61 (1971) auf Seite 37: Als Tanzkapelle akzeptieren junge Leute fast nur Beatbands……Jodel und Ländlermusik belieben sie mit dem schallnachahmenden Spottwort „Hudigääggeler“ abzutun. Die gleiche Zeitschrift zitiert 1979 (Jahrgang 69) S. 29: Es soll Leute geben, welche die Ländlermusik lächerlich mit Hudigääggeler titulieren und verspotten.
    (Quelle: hawi-volksmusik.ch )

    Ob in dem „Gääggeler“ irgendwie einStück „Gugg“ = Tüte, wie in der schrägen „Guggenmusik“ drin steckt?
    Eine andere Erklärung findet sich auf der gleichen Website:

    Brigitte Bachmann-Geiser: Die Volksinstrumente der Schweiz, 1981, Seite 102, sagt dazu: Als „Hudeli-Musig“ wurde die Kapelle Fuchs in Einsiedeln bezeichnet nach dem Lockruf für Hühner, Hudeli,Hudeli, den eine Frau als Spitznamen trug. Von dieser „Hudeli-Musig“ leitet sich der Ausdruck „Hudigääggeler (abschätzig für Ländlermusik) ab.
    (Quelle: hawi-volksmusik.ch )

  • Ist eine Hudeli ein Heide oder ein schwäbischer Hudler?
  • Darin steckt also das Wort „Hudeli“, laut Internet eine Sagengestalt:
    Das Hudeli ist eine Sagengestalt. Sie soll aus der Schweiz stammen und wurde möglicherweise von den in das Oberrheingebiet eingewanderten Eidgenossen mitgebracht. Hat er vielleicht was mit einem schwäbischen „Hudler“ zu tun?

    Hudeli

    Das Hudeli hat bäuerlichen Charakter: Holzklocks, rotweiß gestreifte Strümpfe, schwarze, halblange Hose, rotes Gilet, weißes Hemd, welches mit einem breiten schwarzen Band geschlossen ist, blaue Jacke und schwarzes Rußgückli“ (Mütze), wie es die Fuhrleute getragen haben.
    (Quelle: hudeli.de)

    So ganz sind wir noch nicht zufrieden mit diesen Deutungen, den es fehlt die handfeste etymologische Herleitung. Sind „Hudi“ vielleicht „Heiden“, wie in der „Heidenmusik“. Und was heisst „gääggeler“?

    Wir fanden übrigens nur 60 Fundstellen bei Google-CH für die Variante mit Doppel-A und Doppel-G, hingegen 682 für Hudigäggeler mit nur einem „ä“. Doch jetzt wollen wir aufhören zu hudeln und zu gääggeln und wieder Musik hören, anstatt Katzen zu quetschen. Ach, und was kommt raus, wenn man eine Hudigäggeler-Aufnahme rückwärts laufen lässt? Hudigäggeler! Oder dachten Sie vielleicht, darin sind geheime satanische Botschaften versteckt, wie sonst üblich?

    

    6 Responses to “Sind Sie auch skeptisch beim Hudigääggeler? — Neue Schweizer Codewörter”

    1. Phipu Says:

      In einem Radioausschnitt habe ich gehört, dass Henry Camus (amerikanischer, auch auf deutsch auftretender, Kabarettist bzw. neudeutsch: „Comedian“ und Klaviervirtuose) ironisch begeistert ist von der Vorhersehbarkeit und einfachen Struktur der Schweizer Volksmusik. Offenbar hat er Mühe mit der Aussprache des Wortes „Hudigäggeler“. Er hat sich daher folgenden Homepage-Domain (wie heisst das wohl auf Deutsch?) zugelegt und bewirbt seine Seite so: „if you google hoodeleegoogelee, you google me!“: http://www.hudeligugeli.com/

      Ohne die von dir zitierten Quellen zu kennen, hätte ich den ersten Wortteil „Hudi“ dem Wort mit negativem Beigeschmack „Hudel“ oder auch „Huder“ (alles in Grimms Wörterbuch zitiert) zugeschrieben. Dieser Ausdruck für Lappen, Fetzen, zerlumpte Kleidung wird heute noch von eher älteren Generationen als Bezeichung für etwas gering Geschätztes benützt. („hudere“ = etwas rasch, oberflächlich erledigen, „das arme Hudeli!“ = diese arme, bedauernswerte Person, „verhudlet“ = zerfetzt, „z’Hudle u z’Fätze“ = „zu Lumpen und Fetzen“ = komplett kaputt/zerstört/unbrauchbar [nicht nur für Stoffe]). Aus diesem Wortstamm entspringt übrigens auch das in gewissen Regionen benützte Wort „Ghüder“ (mit Vorsilbe ge-) für Kehricht/Abfall/Müll. In modernerer Musikgeschichte stösst man ja auch auf „Trash-Music“. Es soll sogar Musikanten geben, die sich gleich selbst in solche Kategorien einreihen.

      Eine mögliche Antwort auf den Wortteil „Gäggeler“ könnte das rhythmische Hin-und-her-schaukeln sein, welches „gaagele“ genant wird. Deutsche Musik für ähnliches Zielpublikum animiert schliesslich auch zum „schunkeln“. Selbstverständlich kommt „gaagele“ in der Blogwiese schon vor: http://www.blogwiese.ch/archives/152#comment-1711
      http://www.blogwiese.ch/archives/211#comment-2711 , nebst dem Hinweis auf ein paar Instrumente, die man für Volksmusik braucht: http://www.blogwiese.ch/archives/189

      In Grimms Wörterbuch bin ich auf „Gäckler“ gestossen. Je nach deutschsprachiger Region ist das eine Bezeichnung für Bergfink oder Waldfink. Die Parallelen mit harmonischer, wohlklingender Musik sind unübersehbar. Heisst es doch weiter im Text „ … von seinem Geschrei (s. gackzen) … “

      [Anmerkung Admin: Vielen Dank für diese super ausführliche Recherche! Dann heisst das Wort auf Standarddeutsch sowas wie „Lumpen-Schaukel“ oder hübscher noch „Lumpengeschunkel“, oder „Schunkellumpen“.. nett nett ]

    2. AnFra Says:

      @ Phipu

      Zu Deiner schönen Ableitung möchte ich noch etwas nachschieben. Als ich eine FräFre (fränkische Freundin) hatte, habe ich mich auch etwas mit dem Fränkischen auseinander gesetzt.
      In der fränk. Sprache gibt es für Küken- und Hühnerlaute und Gänsegeschnatter den Begriff „gagelen“.
      Habe dieses „gagelen“ auch im Grimm Wörterbuch gefunden. Dort wird dieser Begriff über „gagelen“ zum „gagen“/ „gacken“ (hier: Vogelstimmen) und „gagern“ (hier: Gänse) sowie auch „gurgeln“ sinnschlüssig dargestellt. Dein „Gäckler“ entwickelt sich über „gackzen“ (hier: Laute der Hühner) auch aus der „Urquelle“ = „gagelen“. D.h. zwei Wege, ein Ziel. Auch hier folgt der Gattungsbegriff der typischen Tätigkeit.

      Ich würde diese Musik ursächlich nicht dem professionellen Bereich zuordnen. Eventuell deshalb diese „Umschreibung“ der Musikqualität. Für die Begriffserklärung sollten man auch die gewisse Vorliebe der Helveter für Umlaute nicht vergessen. Vorschlag: „Lumpenschreier“.

      Es ergibt sich die neue Frage, ob dieser Gesang aus der früheren berufstypischen Tätigkeit von „Lumpensammlern“ mit „Alteisen, Lumpen, Papier…..“ ergeben hat? Den „Zeremonienstab“ hat dieser „Tambourmajor“ mit (ehem.) Becken, Schellen und Glocken bereits.

      Wie heißt es so schön: Klappern gehört zum Handwerk.

    3. neuromat Says:

      ist etwas „hudi“ dann ist es nichts wertvolles. Man hört aber auch ’s isch hudi gsi – da war gar nüt, äh nichts, ist einer ein Hudi, so handelt es sich bei ihm um einen gutmütigen Menschen mit dem Naturell eines Berner Sennenhundes, wer hingegen hudlet, fliegt bei mir raus, weil schlampiges Arbeiten geht einfach nicht…

      Die Hudlete ist jedoch ein na richtig ein Fest, was sonst in der Schweiz, wo es zu allem ein Fest gibt und sich Brunoegg freut, dass man mit uns Düütschen so richtig abfeiern kann. Ja dann wir er eben zum Gäggel, ist ausser Rand und Band, lässt den Gaggao (das tönt doch fast sächisch) stehen und greift zur Stange und zur Cervelat und ab die Luzi

    4. solanna Says:

      Ich freue mich ausserordentlich, dass heute – an einem meiner freien Tage und somit Waschtag – kein Hudelwetter (Hudelwätter oder Huduwätr) ist, sodass ich meine Hudle im Freien aufhängen kann. Es hudlet mich, wenn ich betreffend Wetter an die letzten Wochen zurückdenke. Soeben hatte ich übrigens ein fast unerwartetes Erfolgserlebnis: Die Charesalbi-Fläcke (Karrenschmiere) an meiner gäggeligäälen Windjacke sind weg.

      Ich vermute, dass Gäggeligääl (intensives Gelb) nichts mit den oben erwähnten Herleitungen zu tun hat, sondern entweder mit der Freude an Stabreimen – oder etwa doch mit einem Vergleich? So ist doch auch der Stuhl Neugeborener oft gäggeligääl. Das Baby hat gelb „ggägelet“.

    5. Dliessmgg Says:

      Ich denke, dass das „gääggeler“ eher von den „gääggenden“ Tönen kommt.

    6. Günther Gruber Says:

      Lieber Jens
      herzlichen Dank für Deine absolut super gemachte Blogsite !
      Als langjähriger Freund der Schweiz und insbesondere der Schweizerinnen
      bin ich begeistert !
      Was hälst Du davon, mal einen Blog über die spezielle schweizische Art des „fensterlns“ zu bringen ?
      Gut- ist etwas gewagt – aber geschichtlich belegbar…eventuell könnte man es sogar mit der Weigerung der Stadt Glarus augenzwinkernd verbinden,
      die Anna Göldin offiziell zu rehabilitieren….
      In jedem Fall: mach bitte weiter so – erstklassig!

      Liebe Grüsse aus Calw !
      G. Gruber