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Der Deutsche und die Schweizer Warteschlange — Geschichte einer urbanen Legende

  • Der maulige Deutsche in der Warteschlange
  • Das Schweizer Cabaret Rotstift hatte einen berühmten Sketch im Repertoire, der in einer Warteschlange zu einem Skilift in der Schweiz spielt. Unter den Wartenden befindet sich auch ein Deutscher, dem das alles zu lange dauert.

    Sie, jetzt warte ich hier schon mehr als eine Stunde an diesem Skilift und komm nicht hoch, man, hier fehlt’s doch an der Organisation, verstehen Sie, Organisation, ruck zack zack zack.“
    (Zu sehen hier im QUER Videostream Real-Player bei 0:30)

  • Wartet er, oder drängelt er sich vor?
  • Immerhin, dieser Deutsche in dem Sketch wartet wie alle anderen, er drängelt sich nicht vor. Denn das tun sie gewöhnlich, die Deutschen in der Schweiz, wenn Sie eine Warteschlange sehen: Sie gehen daran vorbei mit den Worten „ich darf das, denn ich bin Deutscher“.

    Wir erhielten diese wichtige, persönlich erlebte Begebenheit von einem Schweizer Leser per Email zugeschickt:

    Wenn ein Schweizer in Davos (notabene in der Schweiz, im eigenen Land) in der Schlange bei der Talstation steht und sich links eine Person vorbeidrängt mit den Worten: „Lass mich mal durch, ich bin Deutscher, ich darf das„, dann haben die Schweizer Mühe.
    (Quelle: Email von Blogwiese-Leser Daniel H.)

    Nun, ob das wirklich „persönlich erlebt“ ist? Uns wäre diese Begebenheit fast wieder entfallen, wenn nicht zufällig in der neusten Ausgabe der satirischen Schweizer Traditionszeitung NEBELSPALTER exakt dieser Vorfall ausführlich besprochen worden wäre:

    Lassen Sie mich vorbei, ich bin Deutscher
    (…) Und wenn es uns mal zu bunt wird, wenn sich z. B. so ein eingebildeter Ausbund an Unhöflichkeit an einer wohl geordneten Warteschlange vorbeidrückt mit den Worten: «Lassen Sie mich vorbei, ich bin Deutscher!», dann entfährt uns schon mal ein herzhaftes «Sauschwob»!
    (Quelle: Nebelspalter Juli/August 2006, S.13)

    Der Deutsche und die Warteschlange
    (Quelle Illustration: Remo Gmünder, Nebelspalter 07-2006, S. 12-13)

    Wenn einer das erlebt hat und eine Email darüber schreibt, wenn es fast Thema eines Kabarett-Sketches war, wenn es jetzt sogar mit Illustration im Nebelspalter beschrieben wurde, was folgern wir daraus: Diese Geschichte MUSS wahr sein. Oder nicht?

  • Was ist eine Urbane Legende?
  • Wir sind eher der Überzeugung, dass es sich bei der Story vom Deutschen, der ungeniert an einer Warteschlange vorbeiläuft mit dem Spruch „ich bin Deutscher, ich darf das“ um den klassischen Fall einer „urbanen Legende“ oder „Modernen Sage“ handelt:

    Moderne Sagen (engl.: urban legends), auch Großstadtlegenden, moderne Mythen, Wandermärchen oder -sagen, verwandt mit Ammenmärchen und Schauermärchen, sind mehr oder weniger skurrile Anekdoten, die meist mündlich, inzwischen häufig auch per E-Mail, weitergegeben werden und deren Quelle sich in aller Regel nicht mehr zurückverfolgen lässt. In seltenen Fällen werden sie auch, bedingt durch unzureichende Recherche, als Nachrichten in den Medien verbreitet (Zeitungsente).
    Die Protagonisten moderner Sagen sind normalerweise nicht namentlich bekannt. Allerdings wird oft berichtet, dass die jeweilige Geschichte dem Freund eines glaubwürdigen Bekannten passiert sei, im Stil „Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der definitiv…!“. Ein Phänomen, das auf Irisch-Gälisch, der ursprünglichen irischen Sprache, das Dúirt bean liom gur dhúirt bean léi-Syndrom genannt wird (soviel wie: Eine Frau sagte mir, dass eine Frau ihr sagte, …).
    (Quelle: Wikipedia)

    Sicherlich werden sich nach diesem Artikel viele weitere Leser zu Wort melden, die exakt diese Szene erlebt haben, oder einen kennen, der ihnen davon erzählt hat, oder einen kennen, der einen kennt, der das erlebt hat.

  • Der psychologische Erklärungsversuch
  • Egal ob diese Szene mit der Warteschlange je passiert ist, in den Köpfen vieler Schweizer passiert sie ständig. Der „unverschämte“ Deutsche ist ein Klischee, das nach Bestätigung förmlich schreit. Es werden all die Szenen und Erlebnisse, in denen sich Deutsche brav in eine Warteschlange einreihten und wie alle anderen warten, verdrängt und vergessen, um Platz zu schaffen für dieses eine Erlebnis, was wie ein klassisches „Grossstadtmärchen“ nur vom Hörensagen bekannt ist. So könnte es gewesen sein, so muss es gewesen sein, um Klischee vom „Deutschen als arrogantes Grossmaul“, wie es die QUER Eröffnungsszene aufgreift, zu bestätigen. Tragisch an dieser Geschichte finden wir nur die Tatsache, dass von all dem die Deutschen nichts wissen, sie nach wie vor die Schweizer als Volk ansehen, dem sie selbst grundsätzlich sehr zugetan sind.
    Igor Weber Nebelspalter
    (Zeichnung von Igor Weber, Nebelspalter 07/2006, S. 14)

    

    45 Responses to “Der Deutsche und die Schweizer Warteschlange — Geschichte einer urbanen Legende”

    1. Helveticus Says:

      Ich war ein paar Jahre lang in den Alpen im Tourismus tätig, da erlebte ich diverses von Leuten aus dem „grossen Kanton“. Aber ehrlicherweise muss ich zugeben, die waren eben nur die grösste Ausländergruppe und dazu sprechen sie eine Sprache, wo wir die Nuancen besser mitbekommen als bei einem Holländer, Belgier, Engländer etc.
      Der besagte Sketch hat aber noch einige andere ironische Aspekte, die dir vielleicht entgangen sind. Der Zürcher, der den Deutschen auf den Arm nimmt, ist extrem unsympatisch. Es ist also nicht bloss ein Seitenhieb auf die Deutschen, sondern auch noch gegen die „Zürischnurre“!! Dieser sehr beliebte Sketch ist übrigens zeitweise vom Radio nicht mehr ausgestrahlt worden!
      Kennst du das „Blaue Bähnli“? da kommt der Deutsche gut weg, der arrogante ist da der Berner.

      Also bitte hier nicht etwas konstruieren, sondern die ausgewogen das ganze betrachten!

    2. Jack Says:

      Als Zugbegleiter bei der SBB habe ich schon ein paar mal die folgende Situation erlebt:

      Die elvetino-Railbar bahnt sich ihren Weg durch den Wagen, als sie neben einem Deutschen hält, der gerne etwas kaufen würde. Ein Schweizer würde in dieser Situation zum Beispiel sagen: „Ich hätte gerne einen Kaffee.“

      Die Deutschen sagen dann jedoch oft: „Ich bekomme einen Kaffee!“

      Anfangs kamen mir solche Situationen extrem arrogant vor. Inzwischen jedoch gehe ich fast davon aus, dass dies gar nicht so böse und arrogant gemeint ist, sondern dass die Deutschen sich immer so miteinander im Befehlston unterhalten.

      Andere Länder, andere Sitten.

    3. giabez Says:

      Ich mach mal gleich den Anfang von denen, die auch schon so eine Szene erlebt haben, aber ich hab sie so ähnlich wirklich Hautnah mitbekommen.

      Ich arbeite am SBB Schalter und wenn ich das Geschlossen-Täfeli hinstelle, erlebe ich es ab und zu, dass eine oder einer kommt, „Ich hab nur schnell ne Frage, ich bin Deutsche(r)!“

      Warum sagen die das denn? Ich meine es kommen natürlich genau so viele Schweizer an einen geschlossenen Schalter hin und haben „nu no gschnell e Frag“, aber nix von „ich bi ebe en Schwiizer“. Dieses „Ich bin ein Deutscher“ tönt halt zum Teil sehr arrogant. Und der Schalter ist für alle gleich geschlossen, ob jetzt ein Schweizer oder Deutscher davor steht.

      In so einem Moment denkt man wirklich schnell an „Sauschwob“ oder ähnliches, was aber nicht heissen muss, dass man die Deutschen „hasst“. Ich habe selber ein paar deutsche Freunde, die einen übrigens auch doof anmachen, wenn man als Schweizer in Deutschland ist. Aber manchmal sollte man so Komentare nicht allzu ernst nehmen.

    4. quasiquasi Says:

      Herr Wiese, hat Robert Gernhardt Sie gekannt? Oder Sie ihn?

      Ach nein, ich bin keiner von denen, die kreischend
      das breite Gesäss in den Korbsessel donnern,
      mit lautem Organ „Bringse birra“ verlangen
      und dann damit prahlen, wie hart doch die Mark sei.

      Ach ja, ich bin einer von denen, die leidend
      verkniffenen Arschs am Prosecco-Kelch nippen,
      stets in der Furcht, es könnt jemand denken:
      Der da! Gehört nicht auch der da zu denen?

    5. Tonja Says:

      @ giabez: “Ich hab nur schnell ne Frage, ich bin Deutsche(r)!”

      Das macht Sinn! Wenn der betreffende Deutsche jedenfalls schon laenger im Lande ist und begriffen hat, dass die Schweizer sehr hoeflich sind und “nu no gschnell e Frag” bei einem Schweizer eigentlich nicht drin ist (wie anderswo auf diesem Blog besprochen). Wir Deutsche kommen eben sofort zur Sache und verabschieden uns im Weggehen. Da kann man fuer uns also ruhig eine Ausnahme machen… 😉

    6. Videoman Says:

      Mit vordrängenden Deutschen habe ich schon meine Erfahrung schon sehr früh gemacht:
      Ich war da 7 oder 8, da waren wir in den Ferien im Tessin. Unterhalb vom Haus ist ein Sandstrand, und an diesem Tag war da ein grösseres Loch, dass ich ausbauen wollte. Naja, es ging nicht lang, da kam eine Gruppe Deutscher, die das Loch dann besetzt haben. Ich wurde höfflichst angewissen 3 m wieter entfernt zu graben.
      Nachdem sich die ganze Gruppe gegenseiting vergraben hatten, war da nichts mehr zu graben.
      Dann war meine Meinung zu deutschen Touristen gebildet. Zum Glück sind sie weiter gezogen, und belästigen jetzt die Leute auf Mallorca und in der Türkei.

    7. peter gloor Says:

      Jack
      Dies ist halt einfach der Sprachgebrauch. Auch bei uns sagt man doch oft:
      Für mich noch einen Kaffee!
      Ich würde dies nicht als unhöflich werten.

    8. peter gloor Says:

      Zur Warteschlange an sich:
      Die traurige Tatsache ist, dass wir Schweizer uns höchst ungern in eine Schlange stellen. Bei uns geht es wie in südlichen Ländern zu:
      Wer sich vordrängelt, wird zuerst bedient.
      Jens, wie wäre es mit einem Blog zu diesem Thema?
      Geh‘ mal am Samstag zu Fleischli oder Klaus und guck‘ nach, ob es dort eine artige Warteschlange gibt.
      Mitnichten. Ein wilder Haufen von Kaufwilligen. Wenn du dann mal an der Theke angelangt bist, musst du dich den freundlichen Verkäuferinnen unbedingt durch Winken und Fuchteln bemerkbar machen.
      Die fragen einfach immer in die Runde:
      „So, und wer ist jetzt an der Reihe?“ – Go figure this out!!!!
      Woher soll ich denn jetzt wissen, ob ich an der Reihe bin, wenn bei uns nicht angestanden wird??
      Falls ich mich dann doch schüchtern melde, was aber nur dann bemerkt wird, wenn die Verkäuferin zufällig in meine Richtung blickt, dann zischt es garantiert von irgendwo neben mir:
      „Nein, ICH war zuerst!“
      Darum hasse ich es, bei uns Gebäck einzukaufen, obwohl es von hoher Qualität ist.

    9. Thomas W. Says:

      @Jack: Stell Dir vor, den Satz „Ich bekomme einen Kaffee“ hätte ein Schweizer, vielleicht auf Berndütsch, gesprochen. Wäre das für Dich dann ebenfalls arrogant? Davon mal abgesehen: Man hat in jedem Land solche und solche. Hier in München gibt es auch immer mal wieder Schweizer, die ihrem Lande nicht gerade eine Ehre machen. Vor einem Jahr beispielsweise zog eine Gruppe Halbwüchsiger durch die Münchner Innenstadt, brüllte mehrmals „Sieg Heil!“ und streckte den rechten Arm nach oben. Erst nachdem ich sie darauf angesprochen hatte, war klar dass es Schweizer sind. Sie meinten übrigens, sie seien Schweizer und daher dürften sie das. Und es sei doch ein Riesenspaß.
      Und pingelig, vordrängelnd oder besserwisserisch können Schweizer ebenso sein. Nur fällt es anderen Schweizern nicht so auf. Zudem sind Schweizer meiner Einschätzung nach äußerst sensibel für Kritik, während sie gerne in deutsche Richtung austeilen. Wobei, die Polen haben sie noch nicht erreicht, die aus einer Satire in der taz derzeit eine Staatskrise machen. Vielleicht aber auch nur, weil die Schweiz bislang in Deutschland meist sehr gut in den Medien wegkommt.

    10. Thomas W. Says:

      Noch eine Ergänzung zu Jack – Du schreibst: „Die Deutschen sagen oft…“ – aber meist halt sind sie schon freundlich, oder? Wobei ich diesen Satz nicht als unhöflich werten würde. Ein Befehl ist es schon gar nicht, kann es auch gar nicht sein, denn „Ich bekomme einen Kaffee“ ist kein Imperativ und steht sogar im Passiv.
      Gleichzeitig sagt ein Schweizer „Ich hätte gern einen Kaffee.“ Das hört sich für Dich also netter an. Nur weil er im Konjunktiv gehalten ist? Mit exakt dem gleichen Inhalt? Nur statt „bekommen“ dann „haben“ im Konjunktiv? Wobei einige Sprachpfleger dies sogar in solch einer Situation für falsch halten, denn wirklich sinnvoll wäre dieser Satz nur, wenn es heißt: „Ich hätte gerne einen Kaffee, habe aber nicht genug Geld.“ Oder: „Ich hätte gerne einen Kaffee, könnte dann aber heute Nacht nicht mehr schlafen und verzichte daher darauf.“
      Echt Deutsch wäre – aus Schweizer Sicht – wohl eher ein herzlich gebrülltes „Kaffee zack, zack!“ Aber das habe ich noch nie gehört.
      @giabez: Eine solche Szene klingt für mich nicht gerade typisch. Wenn sich so etwas wirklich ereignet hat, dann wohl eher in die Richtung “ Ich bin Deutscher/Ausländer und kenne mich nicht aus und brauche nur schnell einen Hinweis“. Oder er hat das große „Schweiz“-Schild über dem Schalter gesehen und nicht das Geschlossen-Schild und wollte nur wissen, ob dort auch Deutsche bedient werden oder ausschließlich Schweizer.
      Allgemein jedoch lässt sich festhalten, dass es unter 82 Millionen Deutsche auch ein paar Idioten gibt. Und die fallen Euch dann halt besonders auf. Die Netten, an die erinnert man sich dann nicht.

    11. Christian Says:

      Jack hat durchaus richtig beobachtet: Bei Bitten sind die Schweizer (wie auch die Österreicher) grundsätzlich eher umständlich und die direkte Konfrontation auch sprachlich vermeidend, während Deutsche klarer mit der Sprache herausrücken. Diese Unterschiede in der sog. „Pragmatik“ (man sagt was anderes, als man meint) sind übrigens auch von der einschlägigen Germanistik längst erkannt.

      Ein Kollege von mir, der an der Uni Hamburg eine Anstellung gekriegt hatte, sagte mal zu seiner Assistentin: „Das Buch XY könnte man vielleicht auch mal bestellen.“ Darauf hin geschah natürlich nichts. Als der Kollege dann nach einiger Zeit nachfragte, wo denn das bewusste Buch abgeblieben sei, gab die Assistentin zur Antwort, er habe ja nur davon gesprochen, dass man das bestellen *könnte*.

    12. coolman Says:

      „Liefern Sie das auch nach Hause?“ die Antwort „weniger“ des Geschäfteinhabers ist sicher höflich, aber für einen Neu-Schweizer-Ausländer nicht sofort zu verstehen. Denn es hängt nicht etwa am Preis oder an der Uhrzeit, er liefert einfach nicht nach Hause. Ich finds lustig, diesen Code zu dechiffrieren und andere dumme Düütsche, die noch nicht so lange da sind, reinfallen zu sehen.

    13. Fiona Says:

      „Lass mich mal durch, ich bin Deutscher, ich darf das“; „Ich bekomme einen Kaffee“….

      Aber wenn der Prinz Ernst von Hannover selbst so ein schlechtes Beispiel ist, was ist von den deutschen Prolen („plebs“) zu erwarten?

    14. Administrator Says:

      @coolman
      Ich pflege dann immer zu sagen: „Wissen Sie, eigentlich wollte ich nur ein bisschen Geld ausgeben und Sie fragen, ob die Ware auch geliefert wird. Aber wenn das weniger gewünscht ist, dann muss ich mir das wohl von der Backe schminken“. Sorry wenn ich gestört habe.

    15. sanchoz Says:

      Ich kann mich da Thomas W. nur anschliessen. Die Szene „Ich hab nur schnell eine Frage, ich bin Deutscher“ muss einen anderen Hintergrund gehabt haben. Eventuell einen sprachlichen? Ich bin Deutscher, kannst du mir bitte auf Hochdeutsch antworten, ich bin deiner Sprache nicht mächtig oder wie schon bereits erwähnt, ich bin Ausländer, ich kenne mich nicht aus.
      Da man als Deutscher immer das Arschloch ist egal wo man hinkommt, wird das doch keiner freiwillig dann noch an die grosse Glocke hängen. Es ist etwas anderes, wenn Deutsche in Gruppen auftreten, da sind sie eher bereit, ihre nationale Zugehörigkeit nach Aussen preiszugeben, gelegentlich auch lautstark, aber alleine, eher ein absoluter Einzelfall

    16. Phipu Says:

      An Peter Gloor
      Tatsächlich wäre das Anstehen im Allgemeinen mal eine Blogwiese-Analyse wert. Da wird wohl Jens eher als ich beurteilen können, ob das in Deutschland zivilisierter abläuft als im italienisch angehauchten Helvetien.
      Siehe besonders die Sequenz „Queue“
      http://www.infonegocio.com/xeron/bruno/italy.html

      Ich staune z.B. immer wieder über Leute (aller Nationalitäten), denen es überhaupt genetisch möglich ist, sich auf einer Rolltreppe ohne ersichtlichen Grund links hinzustellen, obwohl dort deutliche gelbe Fussabdrücke aufgemalt sind, die anzeigen, wo man stehen (rechts), und wo man Überholenden Platz machen soll (links).

      An Thomas W.
      Das mit dem „Sieg, Heil!“ ist einfach primitiv und unentschuldbar. Deshalb gehe ich lieber auf den Satz „Ich bekomme …“ ein. Die Bestellung in dieser Formulierung wird ganz einfach in der Schweiz nicht angewendet. Ich vermute, dies basiert auf der Erziehung, in der viel Wert darauf gelegt wird, dass die Kinder „bitte“ und „darf ich … haben?“ sowie „ich hätte gern …“ sagen. Es gibt natürlich auch gängige unhöfliche Bestellungen in Dialekt, wie z.B. „Fröläin, es Bier!“. Wäre ich „Serviertochter“ würde ich darauf am liebsten antworten: „Wenn Sie BITTE sagen, bringe ich es sogar GERNE“. Die Formulierung mit „ich bekomme/kriege …“ entbehrt der hier üblichen bittstellenden Vorsicht, eine negative Antwort zu erhalten. Was ist die höfliche negative Antwort auf „ich bekomme …“? „Nein bekommen Sie überhaupt nicht! Es hat nämlich keines mehr!“ ?

      Aber eigentlich steht in der Blogwiese und ihren Kommentaren schon genug zur unterschiedlichen Auffassung von Höflichkeit. Z.B. in
      http://www.blogwiese.ch/archives/1
      http://www.blogwiese.ch/archives/169
      http://www.blogwiese.ch/archives/81
      http://www.blogwiese.ch/archives/278
      http://www.blogwiese.ch/archives/286

      An Coolman
      Auch in Deutschland hört man immer öfter die ausweichende Antwort: „nicht wirklich“ anstelle von „nein“.
      Dazu ein schönes Erlebnis: Mein Bruder suchte mal in einer ihm unbekannten Firma (immerhin in der Schweiz) nach einem Büro. Er fragte schliesslich in hiesiger Höflichkeit einen zufällig vorbeigehenden Angestellten: „Können Sie mir sagen, wo das Büro des Herrn X ist?“ – Die Antwort war viel zu pragmatisch: „Ja, kann ich!“ … und der Angestellte ging weiter.
      Ähnliches gibt es auch mit „Wissen Sie, welche Zeit es ist?“ etc.

    17. Fiona Says:

      Man sollte nie vergessen, dass die Schweizer Wirtschaft sehr stark auf Dienstleistungen fokussiert ist – wo der Kunde König ist („Wer aber ist Kaiser?“ will ich nicht kommentieren :-).

    18. ichbins Says:

      Da gab es letzthin im Radio ein Kommentar von einem Tessiner Comedian, der meinte in Zürich seien alle Leute so hilfreich. Er habe eine Adresse gesucht und nachdem er eine junge Frau fragte „können sie mir sagen wo xxx ist?“, meinte diese: „Ja, kann ich“ und ging weiter 😉

    19. Andreas Says:

      Da gibt es so einen herrlichen Fernsehspot, wo zwei Friesen auf einer Bank sitzen und ein vorbeikommender auswärtiger Autofahrer verzweifelt in mehreren Sprachen nach dem Weg fragt (zuerst auf Deutsch) und schliesslich aufgibt. Als er weg ist, meint der eine bewundernd: „Der konnte aber viele Sprachen!“, meint der ander „Ja, aber geholfen hats ihm auch nicht.“

    20. Pio Says:

      @Peter Gloor & Phipu:
      Aus dem Xenophobes Guide to the Swiss:
      http://www.ovalbooks.com/xeno/Swiss.html
      „Mountain mentality
      Swiss farmers are tough, independent, hard-working, resilient, well-prepared for every kind of natural disaster and above all staunchly conservative. These characteristics have been passed on to Swiss town-dwellers, who go about their day as if they too were farming a lonely mountain cliff.“

      Im Buch wird das dann anhand des Beispiels ‚Einsteigen in den Zug‘ erörtert.
      Während anderswo die Leute auf dem Bahnsteig/Perron von der sich öffnenden Tür einen Schritt zurückstehen und warten, bis die Letzte Familie mit Kind, Kegel und allen Koffern ausgestiegen ist, pressen sich in der Schweiz, sobald die Türe aufgeht alle (von links und rechts) in den Zug, und das ganze Ein/Aussteige-Prozedere geht zweimal so lang wie eigentlich nötig.

      Nachher (nicht mehr im Buch) verteilt man sich auf alle Abteile, legt die Käsefüsse auf den Sitz gegenüber und Verteilt die mitgebrachten Gepäckstücke und Zeitungen so, dass das Abteil gefüllt ist. Wenn nun um 170x jemand fragt, ob evtl. noch ein Sitz frei sei, wird der mit einem Blick bedacht, der unter Umständen tödlich ist, aber meist durch die verspiegelte ultraschwarze Sonnenbrille etwas gedämpft wird. Sollte dann einer der Sitze freigegeben werden, hat der Eindringling eine ‚kühle‘ Atmosphäre für die folgende Zugfahrt zu erwarten…

      @ Christian
      Es scheint mir, als hätten die Schweizer kommunikationsmässig mehr mit den Japanern als mit den Deutschen gemeinsam.
      ‚Das Buch könnte man noch bestellen‘ wird hier in der CH schon als relativ klare Aufforderung verstanden, die normalerweise ohne weitere Bestätigung ausgeführt wird.

    21. Johnny Says:

      In Deutschland ist mir aufgefallen, dass man so eng in der Reihe steht, dass man den Atem des Hintermanns im Nacken spürt, oder dass einem der Einkaufswagen in die Versen gerammt wird. Keine Ahnung woher dieses Kuschelbedürfnis kommt.

    22. pit Says:

      Ich glaube das Schweiz/Deutsche-Verhältnis ist nicht so belastet wie es sich hier stellenweise anhört.
      Kleines Witz- Beispiel aus Deutschland:

      In Stuttgart steht ein alter Mann auf einer Brücke am Stuttgarter Oelhafen uns beobachtet wie ein Mann Wasser aus den Necker trinken will.
      Er ruft ihm zu- Ned trinka, des Wasser isch sau dreckig.
      Als der Mann mit bretesten Sächsisch nachfragt was er gemeint hätte
      antwortet der Schwabe auf verständlichem deutsch–Langsam trinken, das Wasser ist kalt.

      Wieder die Sache mit dem Besen!!!

    23. giabez Says:

      @ sanchoz

      Ich weiss nicht obs nur bei unserer Klasse so war, aber in der Ausbildung haben wir gelernt, die Kunden wenn möglich in ihrer Sprache zu bedienen (Sofern möglich natürlich). Und wenn mich jemand am Schalter/im Zug auf Hochdeutsch anspricht, wechsle ich automatisch auch auf Hochdeutsch. Und das merkt man auch, wenn nicht gesagt wird, „Ich bin Deutscher“.

      @ Tonja

      90% der schnellen Fragen sind nicht so schnell zu beantworten wie die Kunden (aller Nationalitäten) glauben. Denn meistens könnte man schon kurz sagen, z.B. bei der Frage, wie viel ein GA kostet: 4700.-! Aber woher wissen wir denn, das der Fragende ein 1. Klass GA Erwachsene will? Es gibt soviele verschiedene Varianten vom GA. Und wenn sich die Person hinten anstellen würde, dann bekäme sie auch eine richtige Beratung, denn häufig lohnt sich ein GA gar nicht, da es ein günstigeres Angebot gibt, das besser auf die Kundenbedürfnisse abgestummen ist.

      Was auch noch zu sagen ist, bei uns in Winterthur sieht die Schlange meistens endlos aus, aber die Teilt sich auf, auf alle Schalter.

      @ Thomas W.

      Vielleicht ist dir schonmal aufgefallen, dass das „Schweiz“ (in userem Fall, „Billette und Abos/Change“) auch auf „Geschlossen“ gewechselt wird, wenn der Schalter schliesst (meistens sogar schon beim letzten Kunden auf „Schalter schliesst – Closing“).

    24. Chimaera Says:

      @ giabez
      Das mit dem „ich bin Deutscher“ sehe ich auch nicht unbedingt als arrogant an. Vielleicht etwas unglücklich formuliert, aber der Sinn für mich liegt darin dass die entsprechende Person „nicht von hier“ sondern sogar Ausländer ist und sich nicht richtig auskennt. Somit ein Hilferuf 😉

      Ich hab in Schaffhausen aber auch schon mal schlechte Erfahrungen mit dem Schweizer Bahnpersonal gemacht. Wenn in Deutschland der Schalter dichtmacht, so wird man meist mit einem „Wir schließen – Bitte nicht mehr anstellen“ darauf aufmerksam gemacht. Anders hier. Ich war gerade an der Reihe als mir der nette man an der Theke eröffnete er mache jetzt Feierabend und ich solle zum Schalter gegenüber.

      @ Johnny

      Das mit dem Kuscheln beim Einkaufen halte ich für ein Gerücht. Ist mir noch nie passiert.. Höchtens bei Aldi

      @Phibu
      Das mit der Höflichkeit wurde mir beim Militär ausgetrieben. Ich wurde mal von meinem Vorgesetzen zusammengeschnauzt dass ich meine Bitten gefälligst in Aussage7Aufforderungssätzen zu formulieren hätte, auf dass keine Negierung möglich sei. Empfinde ich selbst als durchaus unhöflich.

      Das „Ich bekomme…..“ sehe ich auch als ganz normale Formulierung an. Letzendlich macht der Ton die Musik. Ob das jetzt als Barsche Aufforderung oder nette Bitte rüberkommt, liegt allein an der Betonung.

    25. viking Says:

      @Johnny: […oder dass einem der Einkaufswagen in die Versen gerammt wird…]
      Das nennt man Alditaufe… (Sofern einem das in einem dieser Einkaufstempel passiert) 😉

    26. Branitar Says:

      „Ich bekomme …“ wird hier möglicherweise öfter verwendet, ich selber habe sie aber noch nicht gehört. Richtig ist, dass sie hier nicht unbedingt als unhöflich betrachtet wird, besonders, da man vom Verkaufspersonal durchaus die Frage „Und was bekommen Sie?“ gestellt bekommt.

      Im Übrigen gibt es dazu auch einen Witz hier in Deutschland:
      Kommt eine schwangere Frau zum Bäcker: „Ich bekomme ein Brot.“
      Der Bäcker schaut kurz auf ihren Bauch, schüttelt den Kopf und meint: „Dinge gibt’s…“

    27. coolman Says:

      wenn wir schon bei schlechten Witzen sind. Ein deutscher in einem amerikanischen Restaurant: I became a steak please.

    28. Thomas W. Says:

      @coolman: I break together!

    29. Fiona Says:

      @ Johnny (Posting 11.49h – I’m still laughing)
      cc: Viking /Chimaera

      ellbögle (gellböglet) = sich mit Ellbogen Platz machen 🙂

    30. Krusenstern Says:

      Jetzt haut doch nicht immer auf den Deutschen rum.
      Wir Bündner zum Beispiel mögen alle Touristen…

      … solange die Zürcher dort bleiben, wo sie sind ;-)))

    31. Olga Says:

      @Johnny

      „der Einkaufswagen in die Versen gerammt“

      Entschuldige Johnny, bin fremdsprachig… Handelt es sich hier um eine mir nicht bekannte Redewendung oder meinst du vielleicht die hundsnormalen „Fersen“? 🙂

      @Pio

      Ja, die Angewohnheit, sich im Zug breit zu machen ist schon ziemlich nervig. Das sollte man mal in einem überfüllten osteuropäischen Trolleybus versuchen…

    32. Oliver Says:

      Also es ist doch so, dass weder die Schweizer noch die Deutschen (und halb Europa) fähig sind irgendwo anzustehen. Auf der Rolltreppe stehen die Leute volle Breite statt rechts(damit die ohne Wagen vorbeikommen). Ein- oder Aussteigen beim Zug ist schlicht ein Kleinkrieg. Skilifte – hört mir bloss auf, hat mir schon diverse Paar Ski ruiniert. Etc, etc. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen.
      Nehmt Euch ein Beispiel an den Engländern (zumindest in England).
      An der Bushaltestelle wird in Reihe gestanden und dann auch entsprechend eingestiegen. Das funktioniert tadellos und „ruckzuckzackzack“.
      Wir waren mal in London und besuchten Madam Toussaud’s Wachsmuseum. Die Warteschlange zog sich um den halben Block, bewegte sich aber flüssig und wir waren nach relativ kurzer Zeit drin.
      Die einzigen die versuchten diese Einerkolonne zu umgehen waren wieder mal die Touristen (Jeder Nationalität).
      Lernt endlich mal etwas Disziplin und tut damit allen einen Gefallen.
      Und mittlerweile bin auch von „Faust im Sack machen“ weg und sage den Dränglern meine Meinung. Die sind es nämlich die alles ins Stocken bringen.

    33. viking Says:

      Das beste Erlebnis bezüglich Aussteigen aus dem Zug hatte ich (leider?) in Hannover. Während der Cebit Abends in Hannover ankommend, war es uns leider unmöglich, den Zug zu verlassen, da ein geschlossener Halbkreis von Aktenkoffertragendenen Pinguinen auf dem Bahnsteig vor der Tür stand. Erst unser Hinweis, dass der Zug wohl ohne sie abfährt, wenn sie uns nicht vorher rauslassen, hatte eine kleine Gasse zur Folge 😉
      (waren wahrscheinlich alles Schweizer Besucher, die Deutschen hätten sich wohl nie so verhalten… SCNR)

    34. Thomas W. Says:

      @viking: das waren alles hochbezahlte Manager, die sonst nur fliegen, denen aber aus Kostengründen jetzt das Bahnfahren verordnet wurde. Beim Flieger kennen sie es nicht, dass ihnen da jemand entgegenkommt. Zudem siehst Du: je hochbezahlter, desto unflexibler und unfähiger, auf neue Situationen zu reagieren.
      Wahrscheinlich hätten die EDV-Manager Euch am liebsten entlassen, um die Situation zu lösen und Euch aus dem Weg zu schaffen. Dieses Patentrezept des neuen Managements klappte dort jedoch nicht.

    35. viking Says:

      @ThomasW: Womit wieder einmal bewiesen wäre, dass theoretisch funktionierende Lösungen in der Praxis oft (meistens) zum Scheitern verurteilt sind…

    36. Otti Says:

      @ Jack auf griechisch tönts noch arroganter:
      thelo ena cafe = ich will einen Kaffee.

    37. doppelsack Says:

      zitat:

      Tragisch an dieser Geschichte finden wir nur die Tatsache, dass von all dem die Deutschen nichts wissen, sie nach wie vor die Schweizer als Volk ansehen, dem sie selbst grundsätzlich sehr zugetan sind.

      zitat ende.

      lieber jens da hast du ja sowas von recht. ich habe meine ein wöchige deutschlandreise einen kleinen wenig dazu missbraucht ein paar wenige informationen betreffend diesem thema einzuholen.

      ein paar erfahrungen die ich gesammelt habe in dieser woche:

      1. fand eigendlich jeder befragte die schweizer bevölkerung sympatisch wen auch etwas bäuerlich zufrieden.

      2. kennt man die schweiz eher als marketing wunderland in dem alles was mit einem schweizerkreuz versehen ist zum kassenschlager wird.

      3. halten es etwas 70% der befragten für unwarscheinlich das ihnen die schweizer eher missgünstig gegenüber stehen. etwa 20% meinten das es ihnen egal währe… und geschlagen 10% hatten schon mal was darüber gelesen („dazu kommt noch was“)

      4. befand man recht einstimmig vorfreude auf die swiss-em2008

      (und hier kommts)
      tatsächlich fand ich einen artikel in einem winzigen wunderschönen dorf in der lippischen landeszeitung über einen recht kindischen streit in dem die schweiz als kleiner bruder von deutschland eben mal gegen den grossen bruder rebelliert…. so ist das unter geschwistern 🙂

    38. Jan Says:

      „Hol mir mal’n Bier“ (Originalzitat Gerhard Schröder)

      Tatsächlich ist diese Formulierung in Deutschland nicht unhöflich oder gar herablassend gemeint, sondern im Gegenteil verbrüdernd oder kumpelhaft.

      Ich bin als Deutscher selbst einmal in die (Höflichkeits-)Falle getappt. Als ich mich nach der Arbeit mit Arbeitskollegen (dt.: Kollegen) auf ein kühles Bier in einer coolen Beiz (dt.: Kneipe) im Herzen Zürichs niederliess, fragte uns ein lässiger Kellner:“und waas bechömmet dihr über?“. Als er auf meine ebenso nonchalante Antwort „Also ich bekomm‘ ’ne Stange“ belehrend antwortete: „Du hättest also bitteschön gerne eine Stange?“ fiel ich aus allen Wolken. Inzwischen hab ich’s aber gelernt…

      Übrigens gibt es solche Missverständnisse auch andersherum. Wenn Schweizer jemanden um etwas bitten, stellen sie die Frage:“Chasch Du mir nid emol das Zügs do gäh“. Die Sprachmelodie beschreibt dabei einen Bogen, der beim tiefsten Ton anfängt und dessen höchste Betonung auf dem „NID“ liegt, bevor die Melodie wieder abfällt und affirmativ auf dem „gäh“ landet. Für den nicht bewanderten Deutschen klingt das wie ein motziger Vorwurf (und nicht wie eine Frage, weil eben das Satzende nicht betont wird). Für ihn heisst es dann etwa: „Aha, Du bist wohl unfähig oder unwillig mir auch nur einmal das Zeug dort zu geben!“.

      Ich schmunzle auch immer wieder über die lustigen Missverständnisse, die sich zwischen Deutschen und Schweizern ergeben. Ist es nicht köstlich, dass wir so verschieden sind?

    39. Ingo Says:

      @doppelsack:
      Die Statistik wundert mich – genauso wie überhaupt alle Berichte in letzter Zeit, in denen die Verwunderung „der“ Deutschen zum Ausdruck kommt, dass „die“ Schweizer sie doch nicht so sehr mögen, wie sie dachten.

      Ich (seit fast 2 Jahren in Zürich ansässig) habe die andere Erfahrung gemacht: Ich dachte – wie fast alle, die ich kenne – dass die Deutschen in der Schweiz recht unbeliebt sind, wurde aber eines Besseren belehrt. Zumindest habe ich noch nicht eine Einzige herkunftsbezogene schlechte Erfahrung gemacht. Nicht mal während der WM habe ich mehr als das Übliche „Hehe, jetzt seid ihr auch draussen“ gehört – aber wer „Ohne Holland fahrn wir zur WM“ singt, sollte an dieser Stelle leidensfähig sein 😉

      Ich muss zugegeben, dass ich mich vornehmlich in Basel und Zürich bewege und im IT-Business in Firmen arbeite, in denen der Anteil der Deutschen unter den Mitarbeitern sicher bei bis zu 1/3 liegt. Aber ich habe auch noch nie aus erster Hand schlechte Erlebnisse gehört. In Basel muss ich mir – wenn überhaupt – nur die Frage anhören: „Warum wohnst Du denn in _Zürich_? Bist Du verrückt???“ 😉

      Kurzum:
      Intolerante Idioten gibt es immer – und überall…

    40. Nachbarn Says:

      Meine ostdeutsche Nachbarin regt sich darüber auf, dass wir Schweizer höflich fragen ob ein Platz frei sein im Zugabteil, das nur von einer Person besetzt ist oder im Restaurant. Sie setzt sich einfach hin – basta – da bin ich. Noch schlimmer macht sie es, wenn sie zu Besuch kommt: Bereits vorher meldet sie, was sie nicht isst, dann geht sie gleich in die Küche, hebt den Deckel vom Topf und schreit: „Was schon wieder Nudeln“! „Das sind Spaghettis und die Vielfalt ist noch viel grösser – Hörnli, Müscheli, Breitbandnüdeli, Lasagne, Spiräli, Chnöpfli etc. – Nudeln sind nur ein Teil aller Teigwaren“. Leider ist sie bis heute ignorant geblieben. Seufzend lade ich sie trotzdem noch ein – man kann ja nicht so sein. Nur wenn sie uns dann zum Fondu Chinoise einlädt – wir die Zutaten mitbringen müssen weil sie es so verlangt – und dann mit so scheusslichen Truthan-Fleischstückchen verköstigt werden, die nicht mal die Katze fressen will – kommt meine Toleranz langsam ins Wanken. Ich habe noch nie bei einer Einladung vorher meine Massregelungen durchgegeben und noch nie ungefragt in einen fremden Topf geschaut und ich werde immer höflich fragen, ob ein Platz frei ist – auch wenn er offensichtlich nicht besetzt ist.

    41. Alex Says:

      Das mit dem Vordrängen ist meiner Meinung nach wirklich nur so eine urbane Legende. Ähnlich verhält es sich auch mit dem viel benutztem:“die Deutschen sind arrogant!“…
      Vielleicht wirkt die deutsche Standardsprache auf Schweizer arrogant, aber dann ist das wohl eher ein schweizer Minderwertigkeitskomplex.

    42. Nessi Says:

      @Alex
      mit Minderwertigkeitskomplex hat das gar nichts zu tun. Aber es ist tatsächlich so, dass die Aussprache mancher Deutscher für unsere Ohren arrogant klingt. Wenn ich nun so überlege welche, da fällt mir auf, dass ich ein gemütliches bayrisch oder ein schwöbele sehr gerne höre, auch das als „hochdeutsch“ bezeichnete höre ich sehr gerne. Ergo, liegt es doch an der art, dem ton, wie jemand spricht und das hat sehr wohl mit der persönlichkeit eines Menschen zu tun. Wenn es nun noch mit eben diesem „hochdeutsch“ gepaart ist, klingts dann noch extremer.

    43. Joachim Neumaier Says:

      Ich stamme aus Südbaden (Gegend um Freiburg) und spreche daher mit einem leichten alemannischen Akzent.
      Aus diesem Grund bin ich z.B. in Berlin auch schon mal für einen Schweizer gehalten worden.
      Übrigens kann man auch in Süddeutschland Leute treffen, für die deutsche Hochssprache oder genauer gesagt das gesprochene Mediendeutsch (‚Tach‘ statt ‚Tag‘, ’sacht‘ anstelle von ’sagt‘ – zu hören in jeder Heute-Sendung) ziemlich arrogant klingt.

    44. cocomere Says:

      Wurde grad gestern von einem deutschen Pärchen am Stadelhofen nicht vorgelassen auf der Rolltreppe… Die nehmen doch gerne die ganze Breite. Und zum Schluss hat die gute Dame mir noch mit der Handtasche fast eins ausgewischt (richtig unvorsichtig) als sie ihren Begleiter umarmen wollte… War ja sicher Zufall, dass es Deutsche waren (aber wohl kein Zufall, dass man in Zürich auf Deutsche trifft:-)), aber ich dachte halt gleich: Ach die Deutschen. Nehmt es uns nicht übel.

    45. tramper42 Says:

      >Ich arbeite am SBB Schalter und wenn ich das Geschlossen-Täfeli hinstelle,
      > erlebe ich es ab und zu, dass eine oder einer kommt,
      > “Ich hab nur schnell ne Frage, ich bin Deutsche(r)!”
      > Warum sagen die das denn?

      Als Erklärungsversuch: Statt dem oben hätte er auch sagen können, „Entschuldigung, ich komme nicht aus dieser Gegend und brauche dringend Ihre Hilfe. Es tut mir leid, ich sehe das „geschlossen Schild“, es wäre äussert freundlich, wenn Sie mir eine kurze Frage beantworten könnten.