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Vergessen Sie nicht „Gesundheit“ zu wünschen — Höflichkeitsrituale in der Schweiz

  • Niesen bei Obi
  • Wir waren keine Woche in der Schweiz angekommen, als ich bei OBI-Suisse nach Schweizer Steckern und Adaptern suchte. Ja, mitten in Europa liegt die Schweiz, und pflegt doch ihre ganz eigene Steckerkultur. Den deutschen Staubsauger mit fettem Schukostecker können sie nirgends einstöpseln, es sei denn, sie benutzen einen wackligen Adapter oder rüsten gleich um auf Schweizer Stecker.

    Deutscher Schukostecker, passt in keine Schweizer Steckdose:
    Deutscher Schukostecker

    Es war Winter, ich war erkältet, stand im Gang vor den Steckern und musste plötzlich laut niesen. Eh ich mich versah, drehten sich 5-6 Schweizer in meiner Nähe zu mir um, und wünschten mir laut und vernehmlich „Gesundheit!“. Das fand ich echt nett, hier kümmerte man sich also noch um die Gesundheit und das werte Befinden seiner Mitmenschen, auch wenn man die gar nicht persönlich kannte.

    In Deutschland wurde uns dies schon vor langer Zeit von Benim-Aposteln wie Knigge abgewöhnt: „Es gehört sich nicht, sich in die gesundheitlichen und privaten Dinge eines anderen einzumischen und ihm ‚Gesundheit‘ zu wünschen.“ Nur innerhalb der Familie oder des Freundeskreises sei dies möglich.
    Gesundheit!

  • Gesundheit wünschen gehört sich
  • Nicht so in der Schweiz, hier wird bei jeder Gelegenheit „Gesundheit“ gewünscht. Das gilt an der Kasse bei der Migros genauso wie an einer Bushaltestelle. Niest ein Zuhörer während eines Vortrages, dann muss der Referent diesen sofort unterbrechen (den Vortrag, nicht den Zuhörer) um ebenfalls laut „Gesundheit“ zu wünschen, so wie alle anderen Anwesenden. Im Kino während einer Vorstellung muss ich immer mächtig an mich halten, um nicht jeden Nieser mit „Gesundheit“ zu quittieren.

    In Deutschland pflegt man bei der zweiten Nies-Attacke dann noch eins draufzulegen mit „Schönheit„, und beim dritten Mal mit „..und viele Kinder„. Das wäre in der Schweiz allerdings extrem unhöflich und schlecht erzogen. Der zweite und dritte Nieser wird hier höflich ignoriert.

    Und nur falls Sie mal nach Bern kommen sollten. Dort brauchen Sie nicht nach jedem „Tschuuuldigung“ dem Gegenüber „Gesundheit“ wünschen, dass ist in Bern die übliche Variante von „Excüse„.

    Susanne Helbach-Grosser, Trainerin für moderne Umgangsformen und Leiterin des Instituts „Takt und Stil“ in Schwäbisch Gmünd meint dazu:

    „Gesundheit“ – dieser wohlgemeinte Zuruf zum niesenden Gegenüber ist out. Das Niesen wird, wie „alle Laute aus sämtlichen Körperöffnungen“ nicht mehr kommentiert. Nutzen Sie hingegen die Gelegenheit zu einem Smalltalk, etwa mit der Bemerkung: „Na, hoffentlich haben Sie sich keine Erkältung eingefangen.“

    Kommentarlos verhalten sich auch die Betroffenen selbst. Man muss sich für das Niesen nicht entschuldigen. Bei einem richtigen Niesanfall ist es nach dem modernen Knigge aber angebracht, das Zimmer zu verlassen.

    Bei Tisch nur zur leeren Seite hin niesen. Hat man links und rechts einen Tischnachbarn, dann nach vorne niesen, dabei ein Taschentuch vor das Gesicht halten. (Quelle)

    Also doch nicht die Tischdecke nehmen, wenn man plötzlich niesen muss?

    

    12 Responses to “Vergessen Sie nicht „Gesundheit“ zu wünschen — Höflichkeitsrituale in der Schweiz”

    1. Joachim Says:

      Von den Diplomaten sollten wir lernen: Bei einem Treffen mit der englischen Königin entfleuchte dieser ein etwas lauter Furz. Daraufhin meldete sich sofort der deutsche Botschafter und bat um Entschuldigung. Beim nächsten Malheur der Königin sprang der französische Botschafter in die Bresche und entschuldigte sich für das Vorkommnis. Gleich danach stand der Schweizer Botschafter auf und verkündete: „Die nächsten drei gehen auf mich!“

    2. Fuggly Says:

      Btw. der deutsche Schukostecker passt auch in keine englische oder italienische Steckdose, obwohl die auch in der EU sind (vielleicht nicht grad mitten drin..). Das Steckerchaos in Europa wird sich auch kaum so einfach lösen lassen 🙂

    3. Phipu Says:

      Zu den Steckern: Eine wahre Geschichte: In einem Coop-Hobbymarkt (also CH) hatte eine Schweizerin mal einen Badezimmer-Spiegelkasten (made in Austria) gekauft. Dieser war – ohne Hinweis auf der Verpackung – mit der Steckdose nach D/F-Norm ausgestattet (Kann also mit unseren Anschlusskabeln gar nicht benützt werden). Ich gehe davon aus, dass dieser Mangel nicht hätte vorkommen dürfen. Ihr war es aber den Skandal nicht wert. Doch: Ein bald darauf vorbeikommender Elektroanlagenkontrolleur hat angeordnet, diese „EU“-Steckdose durch eine Blindplatte zu ersetzen. So geht es uns armen Tröpfen manchmal, nur weil die Herstellerländer andere Normen haben!

      Ich warte auf den Tag, an welchem diese Normen europaweit vereinheitlicht werden. Einmal vollzogen ist alles in Butter. Aber in der Übergangszeit…

      Genauso unterschiedlich wie die Stecker sind die Lichtschalter. In Deutschland, und so viel ich weiss auch in Frankreich wird das ganzflächige Klappmodell verwendet. In der Schweiz ist dieses für den landläufigen Eindruck etwas billig wirkende Modell erst seit kurzem in Hobbymärkten erhältlich. (Preise im Hobbymarkt: die D-Typen sind trotz Import aus D wirklich günstiger). Fast monopolistisch (der Firmen Reichle http://www.rdm.ch/2132/2133/2134/2173/2184/10431.asp oder Amacher http://www.amacher-ag.ch/Produkte/produkte.html ) wird bei uns das Modell Druckschalter oder noch bis in die 80er-Jahre der kleine Kippschalter in rundem Einsatz verwendet.

      Bilder im Net zu diesem Thema:

      CH:
      http://www.iwb.ch/de/index.php

      CH alt ungefähr so:
      http://www.segert-images.net/bildinfo/07004/020/Alter+Lichtschalter/

      D:
      http://www.elektroland24.de/shop/pi1019329678.html?categoryId=263

    4. viking Says:

      […] Das wäre in der Schweiz allerdings extrem unhöflich und schlecht erzogen. Der zweite und dritte Nieser wird hier höflich ignoriert. […]
      Schön wärs, wenn das immer so wär. Wenn ich, als Heuschnupfengeplagter, das dritte „Gesundheit“ kriege, gibts meist ein „Söll gälte“ zurück.

    5. HaegarCH Says:

      Ich muss viking Recht geben. Wenn jemand einen Niesanfall hat, wartet man höflich, bis dieser vorbei ist und sagt dann Gsundheit.

      Übrigens ist auch bei uns der Spruch bekann jedoch etwas anders: Gsundheit, Gschiidheit (Intelligenz), Chinderriichtum.

      Aber jetzt weiss ich, warum mich die deutschen immer so verdutzt anschauen, wenn ich Gesundheit wünsche.

    6. Bruce Mac Laren Says:

      Request English translation of „vergessen sie nicht“

    7. sirdir Says:

      In Italien setzen sich auch langsam die Schuko-Stecker durch und in Spanien ebenso. Die neueren Häuser haben hier alle Schuko Steckdosen und die Geräte werden IMHO alle mit Schuko (oder natürlich Euro) Steckern verkauft.
      Ich persönlich finde ja die Schuko Stecker sehr hässlich und unpraktisch, ausserdem wohl auch nicht besonders sicher, weil die Erd-Kontakte leicht mit Farbe übermalt werden und dann wohl die Funktion nicht mehr zuverlässig erfüllen. Trotzdem wäre es wohl sinnvoll, Europaweit dieselben Stecker zu verwenden.

    8. Sandra Says:

      Grins – das „Gesundheit“ lässt sich ja noch toppen.

      Vor über zehn Jahren bin ich (wohl vermerkt, Zürcher-Landei), in die Ostschweiz (St.Gallen) gezogen. Als ich beim ersten Nieser „Gesundheit“ sagte, kam postwendend ein „Danke gleichfalls“ zurück.

      Häää? Haben da meine Eltern vergessen mich höflich zu erziehen? Bislang habe ich immer nur „Danke“ geantwortet, nie „Danke gleichfalls“.

      Aber da sich Zürcher-Landei ja in der Ostschweiz integrieren will, entgegne ich jetzt auch immer „Danke gleichfalls“.

      Grins -aber es kommt noch besser. Seit drei Jahren habe ich einen deutschen Freund. Könnt ihr euch vorstellen, wie schockiert *kicher, kicher* der über mein angeeignetes „Danke gleichfalls“ war?

    9. Geri us Büüli Says:

      Die verschiedenen Länderspezifischen Stecker-Normen haben ja schon öfters zu Diskussionen geführt. Leider ist es so, dass diese unterschiedlichen Normen nur sehr schleppend vereinheitlicht werden. Doch jedes Jahr werden verschiedene Normen in der Elektroinstallation angepasst. Erst seit 1.Juli 2007 sind die Drahtfarben europaweit vereinheinlicht worden. Davon merkt im Normalfall der Kunde nichts davon. In den letzten 20 Jahren wurden diese Farben in der Schweiz schon 4 mal geändert. Auch dürfen jetzt neu Schuko Steckdosen installiert werden, wenn gewisse Bedingungen eingehalten werden. Dies war vor wenigen Jahren undenkbar. Was jedoch bei Schaltern und Steckdosen (sowie allen Elektrogeräten) dringend vorgeschrieben ist, das
      sie typengeprüft sind und ein entsprechendes Prüfsymbol haben. Das ist eben nicht bei allen im Ausland gekauften Artikeln so. Und darum dürfen die auch nicht in der Schweiz verwendet werden. Das wird zum Beispiel bei diesem besagten Spiegelschrank der Fall sein. Wobei bei einem Spiegelschrank auch die Nähe zum Wasserhahn und die Türbandung eine grosse Rolle spielt. Ist nähmlich auf der Seite wo die Steckdose montiert ist, eine Dusche, Badewanne oder ähnliches, muss die Dose ausgebaut werden, egal ob Schuko oder CH. Es gibt da einen Mindestabstand zum Wasser, der muss unter allen Umständen eingehalten werden. Die Vorschriften für Elektroinstallationen füllen einen ganzen Bundesordner und werden laufend angepasst und verfeinert. Auch davon weiss der Stromkonsument nichts… Darum muss man sich nicht wundern wenn der selbstgekaufte Spiegelschrank nicht Normenkonform ist.

    10. Klausi Says:

      In D ist es leider eher unüblich, „Gesundheit !“ zu wünschen, wenn jemand unbekanntes niest.

      Macht man es dennoch, z.B. im Supermarkt, freut es jedoch die meisten und sagen „Danke !“

      Man kann das auch lustiger gestalten wenn man „Aufwischen !“ ruft. 🙂

      Nies ich z.B. an der Kassa selber, schaue ich in die Runde und frage: „Jemand verletzt ?!“.

      Interessant, die Leute dann zu beobachten 🙂

      handbreit..

    11. Merten Says:

      Es ist schon grausam wenn man sich die Steckdosen auch teilweise noch in der EU anschaut. Wenn ich auf Reisen bin und eine dieser anderen merkwürdigen Standrads sehe, schüttel ich nicht selten mit dem Kopf

    12. emily Says:

      Wollte nur mal sagen, dass dein Blog echt genial ist. Obwohl du wirklich manchmal nicht versuchen solltest, Schweizerdeutsch zu schreiben 😉 Das klappt überhaupt nicht gut. Trotzdem, mir war nie klar, wie sehr wir uns von den Deutschen eigentlich unterscheiden.

      Auf jeden Fall gefällt mir dein Blog so gut, dass dir einen Beitrag in meinem Blog gewidmet habe. Hoffe, das ist okay?

      Gruss Emily