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Lassen Sie Haare oder Fäden? — Von guten Fäden, Bürzis, Mäusen, Stutz und Klötzen

(reload vom 30.01.07)

  • Keinen guten Faden lassen
  • Vor einiger Zeit berichteten wir über das Adjektiv „langfädig – Faden“ gleichbedeutend mit „Haar“, so wie man hierzulande statt „sich kämmen“ zur Strahlenpistole greift um sich zu „strählen“?

  • Keinen Dutt sondern ein Bürzi
  • Die Haare der Schweizer werden sowieso sprachlich anders behandelt als in Deutschland. Ein gemeiner „Haarknoten“ oder „Dutt“, im Schwabenland und bei modebewusste Schweizern auch „Chignon“ genannt, ist in der Schweiz ein „Bürzi“ oder „Pürzi“. So fanden wir im Variantenwörterbuch den Beleg:

    Ein paar weisse Fäden durchziehen ihr pechschwarzes Haar, dass im Nacken zu einem Bürzi geknotet ist.
    (aus Susan Wyss: „Helle Tage Dunkel Tage“, Zürich, Ringier 1995)

    In diesem Zitat aus einem Schweizer Roman haben wir beides: Das Bürzi und die „weissen Fäden“ mitten im Haar.
    Chignon oder Bürzi?
    (Quelle Foto: flash-coiffure.ch)

    Wer sonst noch keinen guten Faden lässt:

    Keinen guten Faden lassen die Bürgerlichen an den Beschäftigungsprojekten für Sozialhilfebezügerinnen und –bezüger. Sie seien zu teuer, zu phantasielos, von der GGZ zu wenig gut überwacht etc.
    (Quelle: GrünGründlichRot.ch)

    oder hier:

    Und jetzt diese Umfrage. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich vor allem jene melden, die am Vertragswerk keinen guten Faden lassen?
    (Quelle: Schweizerische Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verband )

  • Sagt das denn in Deutschland niemand?

  • Bei Google-DE liessen sich lediglich Verweise auf Sprichwortsammlungen und Wörterbücher finden. Eine ältere Deutsche sagte mir, dass sie diese Redewendung zwar kennt, aber als „veraltet“ nicht mehr aktiv gebraucht. Da beisst die Maus keinen Faden ab. Auch wenn sie „mausarm“ ist. Übrigens ist auch dies ein echter Helvetismus. Gemeindeutsch wäre dafür „arm wie eine Kirchenmaus“.

  • Munteres Tierreich, wenn es ums Geld geht in Deutschland
  • Warum ausgerechnet Mäuse arm sein sollen, wenn doch der Begriff „Mäuse“ selbst ein Synonym für Geld ist bei den Deutschen. Neben den Mäusen finden sich in Deutschland auch die „Kröten“, „Möpse“, „Flöhe“ oder „Mücken“ als Wort für das Geld. Den Schweizern reicht ein lebloser „Stutz“ hingegen aus, selten mal als „Klotz“ oder etwas „Kohle“ umschrieben.

  • Kein Klotz am Bein, sondern Klötze auf der Bank
  • Ein Klotz ist in Deutschland etwas das behindert, wenn es am Bein hängt und beim Marschieren stört. Der Vers eines Marschlieds geht so: „Klotz. Klotz. Klotz am Bein, Klavier vorm Bauch, wie lang ist die Chaussee? Links ne Pappel, rechts ne Pappel, in der Mitte Pferdeappel, immer noch Chaussee“.
    Im Variantenwörterbuch fanden wir ein Zitat aus der Zeitschrift CASH:

    „Die Nationalbank, der AHV-Fonds, die Suva — Sie mal nachzählen, wie viele Klotz da sinnlos herumliegen“.
    (Quelle: Cash 7.5.1999, zitiert nach Variantenwörterbuch S. 416)

    Ist jetzt der Plural von „Klotz“ die „Klötze„, wie das in unserem Wörterbuch steht? Oder sagt man nur beim Thema Geld in der Schweiz „viele Klotz„, als eine Art geschriebene Dialektform ohne Umlaut? Wir müssen die Frage unbeantwortet lassen und warten auf versierte Kommentare von erfahrenen Klotz-Besitzern.

    

    6 Responses to “Lassen Sie Haare oder Fäden? — Von guten Fäden, Bürzis, Mäusen, Stutz und Klötzen”

    1. Brun(o)egg Says:

      Bürzi sagen nur unkultivierte Schweizbewohner wie Zürcher. Die andern sagen „Schinion“.

    2. neuromat Says:

      Ueber Geld spricht man nicht, das hat man.

      Batzeli, Chlotz, Chlüder, Chümi, Pulver, Rieme und Stütz sind andererseits auch eine ganze Menge an Synonymen.

      Nicht kleckern, sondern klotzen. Das sagt sich jetzt die EU im Falle Griechenlands und nicht käckern, sondern kotzen, denkt der Steuerzahler. Somit dürfte uns der Klotz nicht völlig fremd sein.

      In den letzten Tagen wurde der Schweiz wieder einmal vorgeworfen, nur die Rosinen zu picken und finanziell nicht gerade solidarisches Verhalten zu zeigen. Die Schweiz wendet aber den ungeheuren Klotz von 0,06 % des Volkseinkommens auf für freiwillige Hilfsprojekte (es sind tatsächlich 2) innerhalb Europas. Eben: Nicht kleckern, sondern klotzen.

      Ein wunderbarer Klotz ist noch das EU-Forschungsrahmenprogramm. „Am ersten Programm von 2003 bis 2006 hatte sich der Bund mit 780 Millionen Franken beteiligt, 793 Millionen Franken flossen als Forschungsgelder an Schweizer Wissenschafter zurück.“ Wer redet da von Peanuts oder Rosinen.

      Aber: Wie sich die Zeiten doch ändern. Im Mai 99 lagen bei Nationalbank, AHV-Fonds und Suva noch sinnlos Klotz herum. Davon wurde einiges zu Pulver gemacht, gewissermassen pulverisiert. Im Jahre 2008 stiegen die IV-Schulden auf 11,4 Milliarden Franken. Ein rechter Klotz am Bein. Sie liegen jetzt bei 14 Milliarden Franken. Angeblich wird alles besser.

      Wer erwartet denn ernsthaft, dass man sich bei diesem eigenen Klotz noch einen fremden ans Bein bindet.

    3. AnFra Says:

      Der Wappenspruch vom @neuromat „Nicht kleckern, sondern klotzen“ hat in sich.

      Der „Klotz“ als Verhüllwort für Geld lässt sich auf ein größeres, kompakteres Stück Holz, welches man vom Stamm abgehakt hat, zurückführen. Denn auf diese Basis lassen sich viele finanz- und börsenspezifische Begriffe zurückführen. Denn vom einem karolingischen Pfund Mark Silber wurde zum Bezahlen ein werthaltiges größeres Stück angehakt. Große Zahlsumme ergibt ein großes Stück Silber, also einen „Klotz“.
      Geizhälse wollten natürlich mit einen kleinen „Klacks“, etwa in der Größe eines Vogel- oder Fliegenschiss bezahlen und haben entsprechend kleine Stückchen vom Silber-Barren abgeschnitten: „Klotzen, nicht kleckern“ sagt der Steuereintreiber zum Schwaben.

      Beim Hüllwort „Stutz“ für 5 SFR kann man auch die Herkunft aus der Waldwirtschaft erkennen. Denn es basiert m. E. auf dem karolingisch-deutschen reichseinheitlichen Pfund Mark Silber von ca. 402 gr. Die der 12-Zählweise innewohnende Doppelwertigkeit zu diesem Pfund Silber ergibt die Lösung: 402 gr. / 120 Teile x 2 = ca. 6,7 gr. Silberanteil! Dieses Silbergewicht hat der 5-Libr tatsächlich. Als ist der „5-Liber“ der 1/60 Teil der Mark Silber.
      Finanztechnisch, numismatisch und dendrologisch wächst zusammen, was zusammengehört. Liber = Livr = librum = libra = Waage (Pfund gemeint). Also sind 2 Stück je 1 Pfund Silber auf der Waage gleich schwer auf der Prüfwaage. Also ist hier der 5-Liber als umgangssprachlicher „Stutz“ der kleinere Teil (1/60) vom ganzen Pfund Mark Silber (60/60), der kleinere abgeschnittene, also „gestutzte Teil vom Silber-Barren“.

      Mit der „Kohle“ ist die Holzkohle gemeint, welche ebenfalls der Waldwirtschaft entstammt. Ein guter Köhler kann aus gutem Holz gute Holzkohle machen, die wiederum wegen hohem Kohlenstoffanteil und Schwefelmangel gutes Eisen / guten Stahl ergibt, welches wieder zu guten Waffen führen, die dann gute Beute ergeben, welche beim Investor eine gute Verzinsung ergibt und gute Boni für die Condottieri generieren.
      Ergo: Ein gute Investor macht immer gute „Kohle“!

      Bei der Betrachtung der heutigen irren Finanzwelt glaubt man von wilden Männern, Kerlen (den waldbewohnenden, groben, rücksichtslosen Menschen aus der Walpurgis-Nacht zum 1. Mai) umringt zu sein. Lauter Begriffe aus der Waltwirtschaft „Stock, Barren, Klotz, Riemen, Stange uam.“ Eigentlich sind diese Jungs keine Heuschrecken, sondern eher wohl Borkenkäfer.

      „Lasst lauter Klötze um mich sein“, sagt der erfolgreiche Finanzmensch. Für ihn würde aber im Steinbruch völlig gur ein einzelner großer Steinklotz ausreichen.

    4. Phipu Says:

      Neuromat:
      Lass dich ja nie verleiten, auf Dialekt „chläckere“ zu sagen, das geht sowenig wie „läcker“. Das dürfte erst in ein paar Generationen, wenn sich die Dialekte dann noch weiter dem medial importierten Deutschlanddeutsch angeglichen haben, der Fall sein. Siehe dazu meinen früheren Kommentar: http://www.blogwiese.ch/archives/1245#comment-1166374

      Kleine Korrektur zu AnFras Bemerkung:
      Stutz ist kein Synonym für den Fünfliber (5-Fr.-Münze), sondern allgemein für Geld, oder aber für einen Franken (1 CHF). Anwendungsbeispiele:
      „De hät gnueg Stütz, verlang em nu e chli meh!“ (Der hat genug Mäuse, verlang dem nur noch etwas mehr!)
      „Häsch mer nid en Stutz? Es längt mer nid fürs Billett“ (Hast du mir nicht einen Franken, es reicht mir nicht für die Fahrkarte) ist der übliche Spruch, mit dem Drögeler ( http://www.blogwiese.ch/archives/1170 und http://www.blogwiese.ch/archives/381) bescheiden nach Beschaffungsgeld (hier 1 Fr.) verlangen. Gleich nach einem Fünfliber zu verlangen, würde die Erfolgsaussichten wohl schmälern.

      Übrigens kann man weiter beim Steinbruchvokabular bleiben, da wir im Gegensatz zu Deutschland ja keine Kohle abbauen. Es ist nämlich oft auch die Rede von 2 Stei (z.B. in Polo Hofers Lied Kiosk http://www.memolino.ch/pdfs/Mus/Schneider_1.2.pdf, Seite 27), oder 20 Hämmer.

      Allerdings ist mir die Mehrzahlverwendung manchmal etwas undurchsichtig. In welchem Fall heisst es nun Stutz oder Stütz, bei unbezifferter Nennung oder nach einer Zahl? Man hört beides.

      Was mir aber schon in Jens’ Eintrag (bzw. im Cash und dadurch im Variantenwörterbuch) klar falsch erscheint, ist die mehrzahlige Verwendung um den Klotz herum bei „wieVIELE Klotz herumLIEGEN“. Meine Zunge bringt nur „vieVIEL Klotz herumLIEGT“ (Dialekt: „viil ChlOtz LIIT“) bis über die Lippen. Mir scheint dieser Ausdruck vergleichbar mit dem Deutschlanddeutschen „Knete“. Das ist auch gramatikalisch mengenresistent. Da liegen nie „VIELE Kneten“ herum, sondern, „VIEL Knete“.
      Und wenn dann doch „viele Klötze umherliegen“ (auch auf Dialekt (viili ChlÖtz[li] umeLIGGED), dann sprechen wir wirklich von einem Kinderzimmer.

    5. Brun(o)egg Says:

      Da fehlt noch ein Ausdruck für Klotz: „Chlöibi“ (Klebe / Klebstoff) Hab ich nur im Aargau gehört. Wohl für etwas mit Geld festmachen / ankleben / schmieren.

    6. Guggeere Says:

      Ich bin zwar kein Fachmann, mir scheint aber, dass der Ausdruck «Bürzi» von «Bürzel» (Hinterteil eines Vogels) stammt oder dass die beiden Wörter sonst wie näher verwandt sind.
      http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrzel

      Zum abgebildeten Bürzi: Da bleibt noch viel zu tun, bis aus diesem Durcheinander ein brauchbares Vogelnest geworden ist. 🙂