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Sei nicht dröge und werde kein Drögeler — Schweizer Drogenpolitik

  • Ein „Drugstore“ in den USA ist kein Kifferparadis
  • Ahnungslose Amerikareisende mögen erschrecken, wenn sie den ersten „Drugstore“ ihres Lebens sehen. Es handelt sich hier nicht um die lokale Abwandlung eines Schweizer „Headshops“, sondern um ein Geschäft für den Verkauf von legalen Drogen, nämlich einer Apotheke. Natürlich nur für medizinische Zwecke. Aber „drugs“ sind für Amerikaner eben alles „was törnt“. Dafür schenken sie sich dann auch ein „Gift“ zum Geburtstag. Es gibt sie immer noch, diese „Headshops“ in Zürich. Manchmal sind sie auch als Videothek oder Second Hand Plattenladen getarnt. Uns erzählte ein Schweizer, dass er mal ahnungslos in so eine „Videothek“ ging, weil aussen im Schaufenster die Packung eines alter aber sehr guter Films ausgestellt war, den er schon lange mal wieder sehen wollte. Als er nach dem Film fragte, erntete er nur erstaunte Blicke und brauchte ein paar Sekunden um zu verstehen, dass hier garantiert keine Videos auszuleihen waren.

  • Drogenpolitik im Wandel der Zeit
  • Die einst so liberale Drogenpolitik der Schweiz in Sachen „Cannabis-Konsum“ wurde in den letzten Jahren wieder verschärft.

    Im Januar 2006 wurden von der Volksinitiative „für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamen Jugendschutz“ in Bern 105’000 Unterschriften eingereicht. Damit will ein Komitee aus liberalen Politikern und Drogenfachleuten den Cannabis-Konsum in der Schweiz entkriminalisieren. „Unser Ziel ist es, den Cannabis-Konsum unter strenge Regeln zu stellen und das Parlament zu einem Kompromiss zu führen“, begründet die sozialdemokratische Parlamentarierin Ursula Wyss im Gespräch mit swissinfo die Volksinitiative. Es sei sinnlos, die gemäss offiziellen Schätzungen 500’000 regulären oder gelegentlichen Kiffer wie Kriminelle zu behandeln. Die Initiative sieht eine Alterslimite für Cannabis-Konsumenten und eine Bewilligungspflicht für Cannabis-Shops vor.
    (…)
    Im Juni 2004 lehnte der Nationalrat (Volkskammer) im Gegensatz zum sonst eher konservativen Ständerat (Kantonskammer) einen Vorstoss ab, der den Cannabis-Konsum entkriminalisieren wollte.
    (…)
    In den 1980er-Jahren und frühen 1990ern hatte die Schweiz mit ihren offenen Drogenszenen in den grossen Städten international für Schlagzeilen gesorgt. In der Folge entwickelte die Regierung eine Viersäulen-Strategie mit Repression, Prävention, Therapie und Leidens-Begrenzung für schwer Abhängige.
    (Quelle: chanvre-info.ch)

    Die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) ist nicht für Legalisierung, aber Entkriminalisierung:

    Die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums ist kein Freipass für den Konsum!
    (…)
    Die Entkriminalisierung bedeutet auch keinen Freipass für den Konsum. In Ausbildungsstätten, am Arbeitsplatz, beim Umgang mit komplexen Maschinen, im Strassenverkehr und in Transportmitteln kann der Cannabiskonsum nicht geduldet werden. Auch in der Öffentlichkeit ist das Kiffen unerwünscht, da es zur Banalisierung des Cannabiskonsums beiträgt. Die SFA will auf keinen Fall, dass Minderjährige Cannabis konsumieren. Regeln und Sanktionen sind also notwendig, sie sollen aber nicht strafrechtlich sein.
    (Quelle: sfa-ispa.ch)

    Seitdem die Raucherabteile in den Zügen der SBB nur noch Geschichte sind, ist es auch vorbei mit dem gemeinsamen Joint der Lehrlinge auf dem Weg zur Berufsschule zwischen Bülach und Winterthur (vgl. Blogwiese).

  • Ein dröger Kuchen ist kein Haschischkuchen
  • Die Schweizer haben den Drogenkonsumenten mit einem eigenen Schweizerdeutschen Wort bedacht, dem „Drögeler“. Das Wort bringt es immerhin auf 2’310 Nennungen bei Google-CH. Es klingt ein bisschen „dröge“, was wir im Norden von Deutschland als „trocken“ und „langweilig“ empfinden:

    dröge (Adj.; -r, drögste) [mniederd. dröge = trocken] (nordd.):
    a) trocken:
    ein dröger Kuchen; das Essen war ein bisschen dröge;
    b) langweilig u. reizlos:
    Vorgetragen wurde das alles nicht als dröge Seminar- und Dramaturgenübung, sondern kess und schmissig (Westd. Zeitung 11. 4. 84, 23); das ist doch mal eine Abwechslung im drögen Einerlei (Kempowski, Zeit 75); Klappentexte … müssen … stimulieren, dürfen weder marktschreierisch noch d. sein (Börsenblatt 44, 1971, 1282); Nicht Yuppies und freche Girlies bevölkern die Szene, sondern dröge Öko-Frauen, Saubermänner und dumpfe Spießer (Woche, 18. 12. 98, 31).
    (Quelle: duden.de)

    Es erzählte uns ein Schweizer:

    Der wohl bekannteste (unechte) Drögeler ist Fredi Hinz. Der Winterthurer Komiker Viktor Giacobbo schlüpfte für seine damalige Fernsehsendung „Viktors Spätprogramm“ in die Haut dieses Randständigen, sowie in die Rolle anderer Figuren
    Der Drögeler Fredi Hinz
    (Quelle Foto marktkreisel.ch)

    Von Fred Hinz gibt es sogar eine CD als Musiker:
    Fredi Hinz unstoned
    (Quelle: Fredi Hinz als Musiker)

    

    7 Responses to “Sei nicht dröge und werde kein Drögeler — Schweizer Drogenpolitik”

    1. Züpf Says:

      Das letzte Wort unseres Parlamentes war die Entscheidung, auf die Frage gar nicht einzutreten.

      Es hatten also einfach zu viel Schiss, in diese oder die andere Richtung Position zu beziehen und so Goodwill (und WählerInnen) zu verlieren.

      Vogel Strauss ist eben auch hier ein beliebtes Vorbild.

    2. Ben Says:

      Wenn nicht allzuviele Biederleute direkt oder indirekt am Drogenverbot mitverdienen würden, wäre die Sache schon lang vom Tisch. Oder man hätte aber ganz aufgeräumt und Alk, Zigis und Medis auch gleich verboten.

    3. Teekay Says:

      Nur eine kleine Bemerkung — ein drugstore ist mitnichten eine Apotheke (das wäre eine „pharmacy“), sondern eine — ha! — Drogerie bzw. oft auch ein simples Tante-Emma-Lädeli.

    4. ggg244 Says:

      Die Schweiz braucht neue Fixecken für alte und neue drogensüchtige Schweizer(innen), ausserdem muss der Staat auch für die Drogen aufkommen.

    5. ichbins Says:

      Die grösste Drogenhölle der westlichen Welt fehlt in dem Beitrag. Der frühere Letten..

    6. Giorgio Girardet Says:

      In dem Beitrag fehlt auch die schnuckeligste Errungenschaft der Schweizer Drogenpolitik: das sogenannte „Fixerstübli“, welches sich hier in einer Kurzreportage beschrieben findet:

      http://www.uerte.ch/fixerstuebli.htm

    7. Rips, Blunts, Papers, kiffen Says:

      Drogen hin oder her. Für etwas hat Gott ja gewisse Pflanzen erfunden 😉