„Ich frage mich, was die für Drogen nehmen“ — Lorenz Keiser über die SVP

Dezember 31st, 2007
  • Leider schreiben sie jetzt nicht mehr
  • Unser Schweizer Lieblingskabarettist ist Lorenz Keiser, der Sohn des berühmten Schweizer Kabarett-Urgesteins César Keiser.

    Lorenz Keiser
    (Quelle Foto: Lorenzkeiser.ch)

    Zehn Jahre lang hat er abwechselnd mit Viktor Giacobbo für die Bindestrich-Zeitung Satiren geschrieben, jetzt gehen beide in die Opposition. Zum Abschluss gab ein „Werkstatt-Gespräch“. Zeit für ein klasse Statement von Lorenz Keiser zur aktuellen Lage der SVP:

    Vielleicht zieht sich die SVP zu einer Mediation zurück wie damals die SP unter Ursula Koch, um die eigenen Bäuche wieder zu spüren. Als sie noch einen Bundesrat hatten, sagte die SVP, Samuel Schmid sei nur ein halber SVP-Bundesrat. Jetzt haben sie zwei Bundesräte und sagen, sie haben gar keinen. In vier Jahren werden sie vier Bundesräte haben und sagen, sie hätten minus zwei. Ich frage mich, was die für Drogen nehmen.
    (Quelle: Tages-Anzeiger vom 28.12.07, S. 3)

  • Unbedingt mal live anschauen
  • Wer je die Gelegenheit dazu hat, sollte versuchen, den genialen Lorenz Keiser einmal live auf er Bühne zu erleben. In 2008 ist er fast überall in der Schweiz irgendwann zu sehen, siehe Tourneeplan. Sein Programm ist rasend schnell und 100 % Schweizerdeutsch. Wir sind überzeugt, dass er mit einer Standarddeutschen-Variante dieses Programms in Deutschland ebenfalls grossen Erfolg haben könnte. Vielleicht kommt das ja noch.

    Was machst Du an Silvester? — Ins Bett gehen…

    Dezember 28th, 2007
  • Was machst Du an Silvester?
  • Was ich an Silvester vorhabe, wurde ich neulich gefragt. Nun, um 22:30 Uhr ins Bett gehen, wie jedes Jahr an diesem Abend, um dann am Neujahrsmorgen ausgeruht und ohne dickem Kopf einen einsamen Spaziergang über den Bülacher Bruederberg zu unternehmen. Nach etlichen durchfeierten Jahreswechseln und vielen tödlichen Silvesterparties hat sich dies Programm bewährt.

  • Bürgerkrieg in Deutschland
  • Andere gehen nach Deutschland, mischen sich dort unter das Volk und lassen es ordentlich knallen. In Deutschen Städten herrscht Bürgerkrieg zwischen 0:01 Uhr und 1:00 Uhr am Neujahrsmorgen. Auf die Strasse sollten Sie sich da nur mit schussfester Weste, Asbestanzug, gutem Gehörschutz und einem umgeschnalltem Feuerlöscher wagen, wenn Sie miterleben wollen, wie das Bruttosozialprodukt mehrerer Entwicklungsländern binnen einer Stunde im wahrsten Sinne des Wortes „verpulvert“ wird, und der Nachbar testet, wie gut Raketen nicht nur senkrecht sondern auch horizontal ins gegenüberliegende Schlafzimmerfenster fliegen.

  • Raketen über Zürich
  • Aber warum nach Deutschland ausweichen, die über 20.000 Deutschen in Zürich haben sich bestimmt auch mit Raketen eingedeckt und praktizieren ihre Bräuche jetzt in der Limmatstadt. Allerdings erst ab 00:20 Uhr, denn zuvor wird sehr besinnlich den Glocken gelauscht rund um das Seebecken, bis das offizielle Feuerwerk startet. Die Besinnlichkeit während dieser 20 Minuten ist ähnlich stark wie an den verkaufsoffenen Sonntagen vor Weihnachten beim Shopping. Da wurden religiöse Traditionen gepflegt, jawohl! Wir erinnern an Jesus und die geschäftstüchtigen Händler im Tempel.

  • Ist in Berlin oder in Paris mehr los?
  • Silvester am Brandenburger Tor
    (Quelle: Weihnachtsmarkt-Deutschland.de)

    Oder fahren Sie nach Berlin, da geht es rund um das Brandenburger Tor seit dem Fall der Mauer 1989 an Silvester richtig ab. Das obige Foto stamm von einer immer noch geschalteten Einladung zur Party 2006. Wahrscheinlich feiern die immer noch dort.

    In Berlin ist jedenfalls mehr los als in Paris. Dort flüchten die Einwohner aufs Land zu ihren Grosseltern zum Austernschlürfen und Zwiebelsuppe nach Mitternacht löffeln. Was man dort zuvor zwischen 20:00 Uhr und Mitternacht macht? Natürlich essen, was sonst.

  • Paris an Silvester um Mitternacht
  • Die Hauptstadt wird den Touristen überlassen, die sich, falls sie aus Deutschland stammen, auf dem Montmartre zu Füssen von Sacré-Cœur um Mitternacht einfinden und auf das nicht stattfindende Feuerwerk warten. Ach, das ist hier nicht üblich? Hupende Autos sind alles, was man da ab 00:00 Uhr zu bieten hat. Um zurück ins Hotel zu kommen muss man sich sputen, denn auch am Neujahrsmorgen fährt die letzte Metro gegen 1:00 Uhr. Da geh ich doch lieber gleich daheim um 22:30 Uhr ins Bett.

    Die Blogwiese wünscht allen Leserinnen und Lesern ein Gutes Neues Jahr! Und schlafen Sie gut.

    Die Unfallversicherung in der Schweiz funktioniert anders als in Deutschland

    Dezember 27th, 2007
  • Putzfrau ohne Unfall
  • Vor kurzem entdeckten wir in der Zürcher Innenstadt dieses Plakat:

    Putzhilfe ohne Unfall
    (Quelle Foto: Suche Putzfrau)

    Suche Putzhilfe, die alles macht ausser Unfall

  • Die Unfallversicherung in der Schweiz
  • Gegen Unfall wird man in der Schweiz vom Arbeitgeber versichert. Das ist seit 1981 gesetzlich vorgeschrieben. In Deutschland läuft das, soweit wir uns erinnern können und noch up-to-date sind, über die normale Krankenversicherung, es sei denn der Unfall passiert bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin. Mein Beinbruch im Januar mit dem Kickboard wäre in Deutschland nicht als Arbeitsunfall durchgegangen. Für die Schweizer Versicherung hat hingegen die Perspektive: „Der Mann ist wegen Unfall nicht arbeitsfähig, und das mus so rasch wie möglich geändert werden.

    Das obige Plakat ist aus einer Kampagne gegen Schwarzarbeit. Wer schwarz arbeitet ist dabei nicht gegen Unfall versichert. Die Unfallversicherung in der Schweiz gilt aber nicht nur für Unfall auf dem Arbeitsweg oder bei der Arbeit, wie in Deutschland. Dort ist es mächtig kompliziert herauszufinden, was ein Unfall ist und was nicht:

    Versicherte Risiken der UV sind Arbeitsunfall einschließlich Wegeunfall (Unfall auf dem unmittelbaren Weg von oder zum Ort der versicherten Tätigkeit, in der Regel zum Wohnort des Versicherten und zurück)
    (…)
    Ein Arbeitsunfall ist nicht automatisch jeder Unfall, der bei der Arbeit oder auf dem Weg zum oder vom Ort der versicherten Tätigkeit eintritt. Es gibt keine generelle Formel. Vielmehr muss die versicherte Tätigkeit unter bestimmten, u. a. von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für den Eintritt des Unfalls verantwortlich sein. Hier gibt es eine Vielzahl von Einzelfällen und Besonderheiten.
    (Quelle: Wikipedia)

  • Unfall haben oder verunfallen?
  • In der Schweiz muss man nur aufpassen, dass man sich selbst gegen Unfall versichert, wenn man nicht berufstätig ist. Die Deutschen, die in die Schweiz kommen, und alles wie gewohnt mit den Krankenkassen weiterlaufen lassen, denken unter Umständen nicht daran, eine Unfallversicherung zusätzlich zur Krankenversicherung abzuschliessen. Bei einem Unfall kommt es dann zum bösen Erwachen und sie müssen die Kosten selbst bezahlen. Abgesehen davon „hat“ man in der Schweiz keinen Unfall, sondern man „verunfallt„. Knapp und präzise, wie immer in der Schweiz, alles in ein Wort verpackt.

    Selbstmord an der Steckdose — Stecker in der Schweiz

    Dezember 24th, 2007

    (reload vom 29.11.05)

  • Neue Stecker braucht das Land
  • Ein Umzug in die Schweiz bedeutet für Deutsche eine ziemliche Schraubarbeit. Die deutschen Schuko (=Schutz-Kontakt)-Stecker passen in keine Schweizer Steckdose. Also werden neue Stecker gekauft, die alten radikal abgeschnitten und die neuen montiert. Steckt man solch einen Stecker dann in eine Schweizer Wandsteckdose, die oftmals mit dem Lichtschalter kombiniert ist, dann kann mit ein bisschen Geschick leicht Selbstmord begehen. Die Kontakte sind nicht versenkt und führen auch Strom, wenn sie nicht ganz in der Wand stecken, der Phasenprüfer beweist es.
    Stromfalle an der Steckdose

  • Der Selbstmord mit dem Brotmesser
  • Anders als in Deutschland ist es nämlich möglich, einen Stecker leicht aus der Wand zu ziehen, und dann mit etwas Geschick oder unter Zuhilfenahme eines Brotmessers die blanken Kontakte zu berühren.
    Nichts für Kinderfinger

    Doch zum Glück haben wir in der Schweiz ein hochwirksames Sicherungssystem, dass sofort den Stromkreis unterbricht, sollte mal der Föhn in die Badewanne fallen sollte. In der französischen Schweiz heisst das Ding ja „Foehn“ oder „sèch-cheveux„. Das Wort „Fön“ hingegen ist nur noch ein Markenname. Ob sich „Fon“ und „Fax“ auch als Markennamen eintragen lassen?
    Bleiben wir doch lieber beim englischen „hair-drier/dryer„.

    Zum Thema „Stromnetz in der Schweiz“ schrieb mir ein Leser der Blogwiese:

    Die Beobachtung zum eidgenössischen Stromnetz kann ich voll und ganz bestätigen. Als ich vor viereinhalb Jahren in die Schweiz kam, erlebte ich die bösen Überraschungen. Vielleicht weniger wegen der abnormen Stecker, als wegen der offenbar geringeren Stromaufnahme der hiesigen Geräte.
    Denn immer wenn ich im Personalhaus des Hotels, in dem ich damals noch arbeitete, den Wasserkocher, das Bügeleisen oder den Haartrockner einschaltete, wurden mindestens die Lichter dunkler, oftmals flogen gleich die Sicherungen auf der gesamten Etage raus.

    Das wiederum brachte dann jedes Mal den Hauswart auf den Plan, der die Schmelzsicherung (ja, die gibts tatsächlich noch) auswechseln musste. Ich hatte ja noch geglaubt, ich kann einfach selbst die Automatensicherung wieder einschalten. War wohl nichts;-)

    Na ja. Hotels sind nicht gerade dafür bekannt, dass sie mit exzessivem Stromverbrauch ihrer Gäste zu rechnen haben. Hätte uns in einem deutschen Provinz-Hotel genauso passieren können.

  • Stecker mit Lichtschalter
  • Ganz besonders praktisch finden wir diese Art von Wandstecker. Der Clou dabei ist, dass man den Stecker links unten über den Lichtschalter am Eingang des Zimmers steuern kann.
    Stecker mit Lichtschalter
    Schliessen Sie hier einfach all ihre Computer, TV-Geräte, CD-Player etc. an, und wenn Sie beim Verlassen des Raumes das Licht ausmachen, ist schwuppdiwupp der ganze Stromfresser-Kram auf einen Schlag abgeschaltet. Besonders nett, wenn Sie noch am PC sitzen, Ihre letzten Daten nicht gespeichert haben, und Ihre Frau betritt den Raum und schaltet das Licht an… unmittelbar darauf ist sofort genug Zeit für ein persönliches Gespräch zwischen Mann und Frau, das Sie sowieso schon lange führen wollten.

    Haben Sie auch einen Spiess daheim? — Die Waffen der Schweizer im Alltag

    Dezember 21st, 2007

    (reload vom 28.11.05)

  • Die Schweizer Garde verwendet Spiesse
  • Die Schweiz war nicht immer ein Einwanderungsland wie heute. Junge Schweizer zogen früher zuhauf in die Welt hinaus um sich als Söldner in fremden Heeren zu verdingen. Ein bekannter Exportschlager der Schweizer ist die Schweizer Garde des Papstes, seit 1505 im Einsatz: (Foto aus Wikipedia)
    Spiesse der Schweizer Garde

    In der damaligen Zeit waren Gardeeinheiten aus Söldnern nicht ungewöhnlich. Besonders viele dieser Berufssoldaten kamen aus der – bis in das 19. Jahrhundert – recht armen und dazu bergigen Schweiz. Schweizer oder Schweitzer war eine allgemeine Bezeichnung für einen fremden Soldaten. Der König von Frankreich unterhielt z.B. die Einheit der „Cent-Suisses“.

    Später, im 20. Jahrhundert wurde die Schweiz dann reich und die Berge verschwanden? Jedenfalls lernten die jungen Schweizer in der Garde den Umgang mit dem Spiess. Eine praktische Waffe, die sie offensichtlich nach Ende der Dienstzeit mit in die Schweiz nehmen dürfen.

  • Die Forderung nach gleich langen Spiessen im Schweizer Alltag
  • Leider sind die Spiesse, die die jungen Gardisten da mitbrachten, nicht immer gleich lang. Dieser Umstand wirft in der Folge Probleme auf, mit denen die Schweizer häufig zu kämpfen haben. Wie kämpft man mit ungleich langen Spiessen?

    Die Arbeitsgruppe ist zum Schluss gekommen, dass der Bundesrat in beiden Phasen über gleich lange Spiesse verfügen muss. (Quelle)

    Wettbewerb mit gleich langen Spiessen. (Quelle)

    Mit gleich langen Spiessen in beiden Verwaltungen ebnen wir zusätzlich die Bereitschaft für gemeinsame Lösungen. (Quelle)

    Ich könnte noch 3^760 weitere Beispiele von Google Schweiz liefern, die aufzeigen, dass Spiesse eine im Alltag der Schweizer durchaus häufig verwendete Waffen sind.

    Die Spiesse müssen bei solchen Auseinandersetzung natürlich gleich lang sein, das ist eine alte Erfahrung, die die Jungs der Schweizer Garde zurück in die Heimat mitgebracht haben. Sonst ist ein Kampf ungerecht. Je länger ein Spiess, desto besser.

    Das erinnert uns an eine Aussage des Kochs aus Bertold Brechts Stück „Mutter Courage und ihre Kinder“:

    Wer mit dem Teufel frühstücken will, muss nen langen Löffel haben

    Wer also mit einem Schweizer streiten will, sollte einen längeren Spiess als der Schweizer haben.

  • Ist es angesehen, mit Spiessen zu argumentieren?
  • Nein, die Schweizer haben da ein besonders Adjektiv für die Menschen, die immer mit ihren langen Spiessen daher kommen, anstatt sich echte Argumente auszudenken. Sie nennen sie ganz einfach „spiessig„. Das ist keine sehr nette Bezeichnung für einen Schweizer. Erinnert sie ihn doch daran, dass wahrscheinlich der eigene Spiess zu kurz ist.

  • Wohin mit den Spiessen bei einer Zugfahrt?
  • Kein Problem, die SBB bietet dafür passend einen eigenen Wagon an. Dort können Sie während der Fahrt Ihre Spiesse unbesorgt zurücklassen. Fragen Sie den freundlichen „Kondukteur“ doch einfach nach dem „Spiesswagen„. Es muss aber ein Schweizer Kondukteur sein, und kein deutscher Schaffner. Der würde Ihr Anliegen nicht verstehen. Meistens liegt der zwischen der ersten und er zweiten Klasse, der Wagon jetzt, nicht der Kondukteur, damit auch begüterte Reisende mit dem „GA“ = General-Abo der 1. Klasse ihre Spiesse parkieren können.

  • Auch zum Essen werde Spiesse verwendet
  • Wenn die Schweizer „in den Ausgang gehen„, d. h. zum Beispiel das beliebte „go“ essen gehen, dann vergessen sie auch hier nicht, ihre Spiesse mit zunehmen und betonen am Ende der Mahlzeit:
    Wir haben gut gespiesen. (Quellen)
    Hierbei ist dem Spiess über dem Grillfeuer im Eifer des Gefechts leider ein „s“ abhanden gekommen. Denn es sollte ja wohl eigentlich „gespiessen“ heissen.

    Erst aufspiessen, dann wird es gespiesen
    Fazit: Hat der Schweizer einmal etwas aufgespiesst, ist es bald darauf auch gespiesen.