Helden, Helgen und kein Helge Schneider
Februar 28th, 2006Es ist Karnevalszeit in Deutschland, genauer gesagt, in ausgewählten Städten des Rheinlands (Köln, Mainz, Düsseldorf), und natürlich auch in ausgewählten Karnevals-Hochburgen in der Schweiz, wie zum Beispiel Zürich.
In Basel, da gibt es keinen Karneval, da gibt es stattdessen die „Fasnacht“ mit zahlreichen Veranstaltungen, wie z. B. das „Drummeli“.
Keine Ahnung was das ist, wo das ist, und drum was es da rum geht, jedenfalls erfuhren wir dies aus dem Tages-Anzeiger vom „Auslandskorrespondenten für die feindlichen Gebiete“, Peter W. Frey, früher in Beirut, zur Zeit in Basel:
Am „Drummeli“, der grössten Basler Vorfasnachts-Veranstaltung, zeigen diese Woche die Schnitzelbänkler und „Zahnstocher“ einen leeren Helgen und singen dazu: „Das isch z beduure, s isch halt heikle mit Karikatuure“.
(Quelle Tages-Anzeiger vom 22.02.06 Seite 3)
Ganz abgesehen davon, dass wir nicht wissen was „Schnitzelbänkler“ und „Zahnstocher“ im Zusammenhang mit Karneval sind, wahrscheinlich lustige Verkleidungen und Bräuche, wurden wir doch beim Ausdruck „einen leeren Helgen zeigen“ neugierig.
Um einen Druckfehler und falsch geschriebene „Helden“ kann es sich nicht handeln, denn solche sind zumeist mausetot oder nicht leer, sondern gut gefüllt, sprich abgefüllt.
Helge Schneider ist auch kein Schweizer, sondern ein ziemlich schräger Multi-Funktionskünstler.
Nein, „Helgen“ sind woanders zu finden, auch nicht in Thomas Brussigs spritzigem Schelmenroman über Kindheit und Jugend in der DDR bis zur Wende, mit dem Titel „Helden wie wir“.
Wir fanden das Wort wunderbar erklärt im Duden, denn der nette Schweizer, den wir in der S-Bahn danach befragten, konnte es auch nicht erklären. Er tippte auf „wahrscheinlich so ein Umzugswagen“, der leer blieb. Falsch, den Helgen sind eigentlich was ganz Heiliges:
He.l|gen, der; -s, – [zu 1 heilig, da diese Bilder urspr. als Buchzeichen zu verwendende Heiligenbilder waren]
(schweiz. mundartl., meist abwertend):
kleines Bild, kleine Fotografie
Kleine Bilder auf einem Umzugswagen? Kommt darauf an, was hier „klein“ bedeutet. Offensichtlich aber eindeutig „schweiz. mundartl“. 522 Belege bei Google-Schweiz, worunter auch ein paar Eigennamen fallen.
In Deutschland gibt es 11.700 Belege, nur leider haben die mit den Schweizer Heiligenbildchen absolut nichts zu tun, denn:
ein Helgen ist ein schräg zum Wasser hin abfallendes Gelände – heute das einer Schiffswerft – auf der Schiffsneubauten durchgeführt und anschließend auf der Ablaufbahn zu Wasser gelassen werden.
(Quelle: hafengeschichten.de)
Die Helgen in der Schweiz, stehen aber sehr wohl mit den „Schnitzelbänken“ in Verbindung:
Denn eine solche ist laut Duden:
Schni.t|zel|bank, die (Pl. …bänke) [2: nach den Anfangsworten des dabei gesungenen Volksliedes „Ei, du schöne Schnitzelbank“]:
1. (veraltet) Schnitzbank.
2. (als Fastnachtsbrauch mancherorts noch gepflegter) Brauch, große Tafeln mit bildlichen Darstellungen örtlicher Vorfälle herumzutragen u. diese in Versen satirisch zu kommentieren
So passt alles zusammen: Bilder auf Tafeln, das sind Helgen und Schnitzelbänke. Oder etwas doch nicht? Vielleicht sollten wir doch mal einen Ausflug nach Basel machen demnächst, und es uns erklären lassen. Hier als Beispiel die Helgen zu den Schnitzelbänken der „Schnuderbeeri“ in Muttenz.
Ob die Zürcher Leser des Tages-Anzeigers das alles gewusst hätten, als sie den Bericht von der Front von Peter W. Frey lasen?