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Helden, Helgen und kein Helge Schneider

Es ist Karnevalszeit in Deutschland, genauer gesagt, in ausgewählten Städten des Rheinlands (Köln, Mainz, Düsseldorf), und natürlich auch in ausgewählten Karnevals-Hochburgen in der Schweiz, wie zum Beispiel Zürich.

In Basel, da gibt es keinen Karneval, da gibt es stattdessen die „Fasnacht“ mit zahlreichen Veranstaltungen, wie z. B. das „Drummeli“.

  • Nachricht aus dem Feindgebiet Baselbiet
  • Keine Ahnung was das ist, wo das ist, und drum was es da rum geht, jedenfalls erfuhren wir dies aus dem Tages-Anzeiger vom „Auslandskorrespondenten für die feindlichen Gebiete“, Peter W. Frey, früher in Beirut, zur Zeit in Basel:

    Am „Drummeli“, der grössten Basler Vorfasnachts-Veranstaltung, zeigen diese Woche die Schnitzelbänkler und „Zahnstocher“ einen leeren Helgen und singen dazu: „Das isch z beduure, s isch halt heikle mit Karikatuure“.
    (Quelle Tages-Anzeiger vom 22.02.06 Seite 3)

    Einen leeren Helge

    Ganz abgesehen davon, dass wir nicht wissen was „Schnitzelbänkler“ und „Zahnstocher“ im Zusammenhang mit Karneval sind, wahrscheinlich lustige Verkleidungen und Bräuche, wurden wir doch beim Ausdruck „einen leeren Helgen zeigen“ neugierig.

  • Was ist ein Helgen?
  • Um einen Druckfehler und falsch geschriebene „Helden“ kann es sich nicht handeln, denn solche sind zumeist mausetot oder nicht leer, sondern gut gefüllt, sprich abgefüllt.

    Helge Schneider ist auch kein Schweizer, sondern ein ziemlich schräger Multi-Funktionskünstler.

    Nein, „Helgen“ sind woanders zu finden, auch nicht in Thomas Brussigs spritzigem Schelmenroman über Kindheit und Jugend in der DDR bis zur Wende, mit dem Titel „Helden wie wir“.

    Wir fanden das Wort wunderbar erklärt im Duden, denn der nette Schweizer, den wir in der S-Bahn danach befragten, konnte es auch nicht erklären. Er tippte auf „wahrscheinlich so ein Umzugswagen“, der leer blieb. Falsch, den Helgen sind eigentlich was ganz Heiliges:

    He.l|gen, der; -s, – [zu 1 heilig, da diese Bilder urspr. als Buchzeichen zu verwendende Heiligenbilder waren]
    (schweiz. mundartl., meist abwertend):
    kleines Bild, kleine Fotografie

    Kleine Bilder auf einem Umzugswagen? Kommt darauf an, was hier „klein“ bedeutet. Offensichtlich aber eindeutig „schweiz. mundartl“. 522 Belege bei Google-Schweiz, worunter auch ein paar Eigennamen fallen.

    In Deutschland gibt es 11.700 Belege, nur leider haben die mit den Schweizer Heiligenbildchen absolut nichts zu tun, denn:

    ein Helgen ist ein schräg zum Wasser hin abfallendes Gelände – heute das einer Schiffswerft – auf der Schiffsneubauten durchgeführt und anschließend auf der Ablaufbahn zu Wasser gelassen werden.
    (Quelle: hafengeschichten.de)

    Die Helgen in der Schweiz, stehen aber sehr wohl mit den „Schnitzelbänken“ in Verbindung:
    Denn eine solche ist laut Duden:

    Schni.t|zel|bank, die (Pl. …bänke) [2: nach den Anfangsworten des dabei gesungenen Volksliedes „Ei, du schöne Schnitzelbank“]:
    1. (veraltet) Schnitzbank.
    2. (als Fastnachtsbrauch mancherorts noch gepflegter) Brauch, große Tafeln mit bildlichen Darstellungen örtlicher Vorfälle herumzutragen u. diese in Versen satirisch zu kommentieren

    So passt alles zusammen: Bilder auf Tafeln, das sind Helgen und Schnitzelbänke. Oder etwas doch nicht? Vielleicht sollten wir doch mal einen Ausflug nach Basel machen demnächst, und es uns erklären lassen. Hier als Beispiel die Helgen zu den Schnitzelbänken der „Schnuderbeeri“ in Muttenz.

    Ob die Zürcher Leser des Tages-Anzeigers das alles gewusst hätten, als sie den Bericht von der Front von Peter W. Frey lasen?

    

    12 Responses to “Helden, Helgen und kein Helge Schneider”

    1. Urs Müller Says:

      Als sonstiger Fasnachtsverächter muss ich der Basler Fasnacht doch einen hohen kulturellen Wert zugestehen.
      Ich gebe zu als notorischer Langschläfer mich noch nie persönlich zum Morgestraich aufgerafft zu haben. Falls Du, lieber Jens, es jedoch schaffst und auch den aus meiner Sicht doch nicht so einfachen Bas(e)ler Dialekt überstehst, so wird der Anlass Deine Kenntnisse der Schweiz sicher bereichern.

    2. Videoman Says:

      Der Umzug am Nachmittag ist auch sehenswert. Falls du aber nicht hingehen kannst, gibt es das Ganze live auf SF 1. Mit Kommentar, alllerdings nur auf Schweizer Deutsch.
      Die Schnitzelbängge kommen auch im TV.

      Falls du dort zur Basler Fasnacht gehst, dann verzichte auf Deutsche Faschings. Diese ist verpönnt und hat zur Folge, dass man eine Ladung Rappli(Koneftti) nach der anderen bekommt.
      Konfettischutz kann man sich erkaufen, mit einer der Blagetten.

    3. sylvie Says:

      Ein Helge oder Heuge oder Helgeli ist auch im Berndeutschen weitverbreitet und heisst Bild/Bildchen,oftmals gebraucht um ein Bild ein bisschen abschätzig zu beurteilen.

      „Vo wäm isch dä Heuge da a dr Wang?“

    4. Mikki Studer Says:

      Ich habe es vor zwei Jahren an den Morgestraich geschafft. Das ist etwas vom Eindrücklichsten, was ich je an Fasnacht erlebt habe.
      Man muss aber wissen, dass die Gassen bereits 1 Stunde davor total überfüllt sind – mit Scharen von deutschen(!) Touristen und einigen Elsässern.
      Dass die Basler auf die Gaffer nicht gerade gut zu sprechen sind, merkt man gleich: Man wird auf die Seite gestossen und das Lachen hat zu unterbleiben – es ist schliesslich eine sehr ernste Angelegenheit!

    5. Dan Says:

      @Videoman
      > Falls du dort zur Basler Fasnacht gehst, dann verzichte auf Deutsche
      > Faschings. Diese ist verpönnt und hat zur Folge, dass man eine Ladung
      > Rappli(Koneftti) nach der anderen bekommt.

      Uiii, da gibt es wohl reihenweise Tote dann? Erschlagen von Konfetti…
      Frage bleibt nur, was sind deutsche Faschings?

    6. Videoman Says:

      @Dan
      Ich meinte deutsche Faschings Verkleidung. Man sollte aif Pappnasen mit Brillen Latexmasken oder Cowboys verzichten. Bei Kindern ist dies erlaubt.

      Am besten eines der lokal Kostüme wie der Waggis, Blatzlibaja oder die „alti Tante“ zurück greifen. Oder halt ganz ohne Kostüm, immer noch besser als etwas peinliches.

    7. Holger Ehrlich Says:

      oha, da werde ich wohl doch nie in die Schweiz ziehen. Die Sprache ist zu kompliziert für mich. Da lerne ich doch lieber Katalanisch, Finnisch oder Baskisch… 😉

    8. dongga Says:

      http://www.fasnacht.ch

    9. nih Says:

      das wort helgen muss im baseldeutsch überhaupt nicht abschätzig gemeint sein, eher liebevoll 🙂

      vier kleine tipps an die fasnachtstouristen:
      -wer in basel an die fasnacht kommt, sollte sich eine blaggedde kaufen. das ist ein (kupfer/silber/goldenes) abzeichen. mit dem tragen der blaggedde zeigt man seine unterstützung der fasnacht. der erlös vom verkauf der blaggedde geht an die cliquen für die kostüme usw.
      wer eine blaggedde trägt, wird (eher) nicht gestopft (s.u.)

      -wer „gestopft“ wird (man wird vom einen waggis gehalten während der andere eine tonne räppli in den kragen stopft), hat das ohne grosse gegenwehr zu erdulden.

      -man darf nie räppli vom boden aufnehmen und wiederverwenden! unhygienisch.

      -man darf nie einen waggis oder sonstigen larventräger stopfen.

      was ist ein waggis? -> http://de.wikipedia.org/wiki/Waggis

      gr nih

      noch 6 tage 🙂

    10. eggestei Says:

      I be de Schorsch vom Hafebeggi Zwai …
      @Jens
      Wie Videoman sagte, wenn du nicht selber hingehen kannst, dann gibts die Möglichkeit einen Querschnitt auf SF1 anzusehen. Da du die Schnitzelbänke nicht zu kennen scheints, unbedingt reinschauen 😉

    11. sirdir Says:

      Ich war mal da, am Morgästaich. Schlimm. Es ist weniger gefährlich vor einem 40-Tönner die Strasse zu überqueren als vor diesen ‚Fasnächtelern‘. Todernste Angelegenheit…

    12. cydet Says:

      an alle Nicht-Basler.

      vergesst es die Basler Fasnacht verstehen zu wollen und schon gar nicht deren tabus, dazu müsste man als Bebby geboren sein.

      auch wenn die fasnacht zum tourist-oktoberfest-getümmel verkappt und man sich nicht wundern muss wenn heutzutags ein „waggis“ in breiten „zyridytsch intrigiert“, so bleibt sie nichts desto trotz eine intimsphäre von Baslern.

      nüt fir unguet