Was ist billig in der Schweiz?
September 12th, 2005Fast nichts ist billig, denn die Schweiz ist eine Hochpreisinsel.
Das kann man überall lesen. Wenn man es hingegen täglich live erlebt, ist das ein ganz anderes Gefühl, ein ziemlich trauriges sogar, um genau zu sein.
Wenn ich bei der Ausreise nach Deutschland von einem deutschen Zöllern gefragt werde: „Haben Sie irgendwelche Waren anzumelden?“, muss ich mich jedesmal stark zusammenreissen, um nicht sarkastisch zu antworten: „Nichts ausser ein paar Juwelen und paar Kilo Marihuana„. Die Zöller würden keinen Spass verstehen, dass weiss ich, und sofort eine Ganzkörperkontrolle anordnen. Was sollte ich denn schon ausführen wollen, wenn fast alles billiger zu haben ist in Deutschland?
Aber was ist in der Schweiz wirklich billiger als in Deutschland?
Swisscom macht seit dem verzweifelt Werbung bei den verlorenen Schäfchen, doch bitte zurück zum zuverlässigen „National-Anbieter“ zu kommen. Fast monatlich finde ich solche „kommen Sie doch wieder zurück zu uns“ Briefe in meinem Briefkasten. Die Kunden bleiben stur, wer einmal weniger bezahlt hat, bleibt dabei.
In der Schweiz kann man daher billig über das Kabelnetz surfen, mit Download-Raten von z. B. 2 MBit/sec. für nur 75 CHF im Monat, selbstverständlich rund um die Uhr und als Flatline. 1 Mbit/sec. gibt es auch für 49 CHF. Die Schweiz ist somit ein Traumland für Flatrate-Liebhaber. Auch das Verbinden von Firmennetzen über VPNs ist damit sehr kostengünstig realisierbar.
Was ist noch billig? Na zum Beispiel:
Selbst die Universitätbibliothek in Bern (in der Bundeshauptstadt!) gibt den jährlichen Bücheretat nicht mehr im Land, sondern bei Amazon.de aus, weil damit dann schliessich auch 30% mehr Bücher fürs gleiche Geld für die Studenten gekauft werden kann
. Natürlich liebe ich es, in einer Buchhandlung zu stöbern, natürlich lasse ich mich gern von meiner Lieblingsbuchhändlerin beraten. Wenn es aber ans Kaufen geht, dann plagt mich das schlechte Gewissen: Soll ich aktiv die Schweizer Binnenwirtschaft unterstützen oder lieber 30% Geld sparen? Auch CDs kann man via Amazon kaufen. Überschreitet der Warenwert 200 CHF, dann verlangt der Briefträger bei der Lieferung die 7% Importzoll, was die Silberscheiben immer noch saumässige 23% günstiger macht im Vergleich zu jedem Geschäft in der Schweiz.

Er musste schon ein Schild aufstellen: „Es ist bei Strafe verboten, hier einfach Bücher abzustellen.“. Leider habe ich dieses Schild damals nicht fotografiert. Es kam mir unglaublich vor, dass in diesem Land ein Second-Hand-Buchhändler sich vor gebrauchten Büchern schützen muss. In Deutschland zahlen Antiquare sogar Geld für die Kisten mit alten Büchern, die man ihnen bringt. Hier wehrt man sich mit einem Schild dagegen.
Die Bücher sind oft neu, und sehr billig. Freunde des modernen Antiquariats können hier jede Menge Schätze entdecken, oft wenige Monate nach Erscheinen eines Buches wird es hier schon wieder gebraucht verkauft.
Ich habe von findigen Deutschen gehört, die regelmässig über die Grenze kommen, in Brockenstuben viel Trödel äusserst billig erwerben, und ihn anschliessend mit ordentlichem Gewinn über E-Bay wieder versteigern.
Im Prinzip kann man sich dort komplett einrichten. Da es in der Schweiz keinen Sperrmüll gibt (bei dem die Menschen ihre alten Möbel an den Strassenrand zur Abholung stellen), ist das der ideale Ort für die erste billige Wohnzimmergarnitur oder das erste Kinderbett.
Das ist noch nicht alles: Viele Pendler leisten sich gleich ein GA, keine „General-Agentur“, sondern ein Generalabonnement, der Freifahrtkarte für alle Züge der Schweiz für ein Jahr. So etwas besitzen in Deutschland nur Bundestagsabgeordnete und sehr gut verdienende Manager der Deutschen Bahn, die sich dann doch lieber mit dem Auto chauffieren lassen. Hier haben es viele, weil es so günstig ist. Zugegeben, die Schweiz ist nicht gross, und von Basel nach Chiasso braucht ein schneller Zug gerade mal 4 Stunden und 21 Minuten. Man fährt also nie lang mit dem Zug, von Zürich aus hat man alle wichtigen Orte in 2-3 Stunden erreicht.
Super günstig ist das für die Kinder. Für 20 CHF im Jahr(=13 Euro) kann ein Kind mit einem Elternteil, wenn das ein Halbtax hat, ganz für umsonst auf allen Strecken mitfahren, sogar ein Fahrrad kann es kostenlos mitnehmen. Fahrrad-Tageskarten für die ganze Schweiz kosten im übrigen (mit Halbtax) gerade mal 10 CHF (6.50 Euro), davon kann der Deutsche Bahnkunde nur träumen.





