Komm gibt mir deine Hand — Kann man mehr als Hand bieten?
Der Song „I want to hold your hand“ ist von den Beatles auch auf Deutsch eingespielt worden. „Komm gibt mir deine Hand“, und auf der Rückseite noch „Sie liebt mich, ja ja ja“.
Die Hand geben, ja, das ist eine freundliche Geste zur Begrüssung, mit der wir anzeigen, dass wir die Waffen abgelegt haben, also freundlich gesinnt daher kommen. Die Hand „bieten“? Das war uns neu, das lernten wir erst in der Schweiz kennen.
(Quelle Foto: Turn Till Burn Medicine)
Es heisst nicht „Ich biete Dir EINE Hand“, oder „Meine Hand“, nein, einfach nur „Hand bieten“, was sicherlich von „anbieten“ abstammt, auch wenn wir dabei an Versteigerungen denken müssen, welche in der Schweiz als „Gant“ gelten, auf denen man „ganten“ kann, per Hand die bietet.
Hier zwei Beispiele aus dem Internet:
Wo wir aber keine Hand bieten, ist ein Modell bei dem 14-jährige ins Gefängnis gesteckt werden, in der Annahme, diese Jugendlichen änderten sich dann dort von selbst
(Quelle: newsbot.ch )
Auch eine Kommentatorin der Blogwiese verwendete diese Formulierung:
Irgendwann werden uns Engpässe zu höherem Stellenwert des Recyclings zwingen. Danke allen, die schon jetzt echt Hand bieten.
(Quelle: Kommentar auf der Blogwiese)
Bevor uns Phipu wieder bei der Grimm-Recherche abhängt, hier noch schnelle die passende Stelle:
die hand wird gegeben, gereicht, geboten, ergriffen zur begrüszung und zum empfange als symbol der vereinigung: eya, tund auf, tund uff dem zarten ewer herczen, bietend im die hand. SUSO briefe 35 Preger; zu hofe gibt man viel hände und wenig herzen. SCHOTTEL 1133b; er reichte seinem schwiegervater stillschweigend die hand. IMMERMANN Münchh. 3, 30; auch beim abschiedsgrusze:
(Quelle: Grimms Wörterbuch)
Eine Hand kann man also geben, dar gereicht, ergreifen, und sie kann „geboten“ werden. Das deutliche „Hand bieten“ hatten wir in Deutschland bisher nicht vernommen. Auf einer Versteigerung wird mit der Hand geboten, aber niemand „bietet Hand“. Das machen die Schweizer, wenn sie helfen wollen. Kurz und knapp. In Deutschland kann man „etwas aus einer Hand bieten“, aber das ist etwas anderes. „Hand bieten“ ist schweizerisch, diesmal ganz eindeutig. Viele Fundstellen bei Google-CH belegen es:
Eine wahre Zukunftspersektive für die Marke Schweiz ergibt sich nur, wenn die Wirtschaftsteilnehmer zu klaren Regeln Hand bieten, die von Produzenten und Konsumenten mitgetragen werden
(Quelle: ejpd.admin.ch)
Oder hier:
Zuhören, weiterhelfen und Hand bieten
(Quelle: Tages-Anzeiger)
Und was lernen wir daraus? Biete mir Hand und ich schlag zu. Oder doch lieber ein?
April 22nd, 2008 at 0:17
Hand bieten heisst eigentlich weniger helfen, als vielmehr bereit sein, einen fairen Deal abzuschliessen. Kann auch im Zusammenhang mit „entgegen kommen“ (in Verhandlungen) gebraucht werden.
Ein Beispiel: Wenn er uns den Zugang über sein Grundstück erlaubt, würden wir durchaus zu einer konstruktiven Lösung seines Problems mit dem Näherbaurecht Hand bieten.
Hand bieten zu einer Lösung = einer Lösung nicht abgeneigt sein.
April 22nd, 2008 at 1:51
Tüpflischiissermodus on:
Die Rückseite von „Komm gib mir deine Hand“ heisst nicht „Sie liebt dich“, sondern „Sie liebt MICH“!
Der Beweis:
http://hitparade.ch/cdimage.html?the_beatles-komm_gib_mir_deine_hand_s.jpg
Tüpflischiisermodus off.
🙂
[Anmerkung Admin: Sehr wertvoller Hinweis, Danke!]
April 22nd, 2008 at 8:42
DaniDo schliesst seine Erklärung ab mit „Hand bieten zu einer Lösung = einer Lösung nicht abgeneigt sein“
Ich glaube, dass „Hand bieten“ nicht primär ein Eigeninteresse beinhaltet oder dadurch motiviert ist. An erster Stelle bedeutet es für mich den ersten Schritt auf eine Lösung hin tun. Das kann Vermittlung zwischen Gegenparteien sein oder ein Kompromissvorschlag.
Man ist beim Handbieten nicht „einer Lösung nicht abgeneigt“, sondern man will eine solche aktiv herbeiführen. Ist man selber Partei, wird ein allfälliges Eigeninteresse jedenfalls in einem Kompromissvorschlag zum Ausdruck kommen, z.B. eine Gegenleistung wie in DaniDos Beispiel.
Dass „Hand bieten“ für „eine Lösung vorschlagen“ in Deutschland offenbar nicht üblich ist, ist für mich im Übrigen neu. Blogwieseln hat sich wieder einmal gelohnt.
April 22nd, 2008 at 9:02
Kann man auch in der negativ – Form verwenden. Kommentar eines SVP Leserbriefschreibers. Zur CVP. Bei der Bodenreinigungsgerätabwahl. „ Dass die CVP zu so etwas Hand bietet, hätte ich nie geglaubt „
April 22nd, 2008 at 9:32
In den obigen Zeilen werde ich ja wieder regelrecht zum Wortduell „geboten“!
Ich halte den zitierten Artikel des Tagi für ein eher untypisches Beispiel. Geht es doch dort um regelrechte Hilfestellung (vermutlich als gesuchtes Wortspiel, da es um „die dargebotene Hand“ geht) und nicht um Verhandlungsbereitschaft. Daher stammt wohl auch Jens’ nicht ganz treffende Interpretation von „… wenn sie helfen wollen“.
Ich nehme es gleich vorweg: In Grimms Wörterbuch habe ich keinen klaren Hinweis auf den Sinn des Ausdrucks „Hand bieten zu etwas“ als „Lösungsangebot machen“, „Verhandlungsbereitschaft signalisieren“ oder „Kompromissbereitschaft zeigen“ gefunden. Auf der Suche über das Verb „bieten“ bin ich zuerst auf vieles gestossen, das eher zu Händeln (stammt auch von Hand, Blogwieseneintrag dazu: http://www.blogwiese.ch/archives/126 ) dient, als zu Handeln:
3) „einem waffen, sper, spitze (ort) des schwertes bieten, provocare ad duellum, zeichen des trotzes, wie jenes die stirne bieten, cornua obvertere, die hörner weisen: welche ihme die spitze bieten dörfen (kampf mit ihm nicht scheuen). REINHARD werth. gegenschr. 1, 258; boten dem könige die spitze vom degen. SCHUPPIUS 384; spitze des spers vorhalten ist zeichen der feindschaft. daraus begreifen sich die abstracten ausdrucksweisen des spott, trotz, schimpf und hohn bietens:“
Einige davon kommen „erst noch“ ohne Artikel aus, wie „Speer bieten, Hohn bieten“. An der Verwendung der Waffen kann man erkennen, wie alt diese Ausdrücke sein müssen. Unsere Generationen kennen Duelle eher aus Western-Filmen, die im 19. Jahrhundert spielen, und in denen mit Pistolen geschossen wird. Aber eben, die positiv denkende Redewendung zur Friedens- bzw. Verhandlungsbereitschaft fehlt.
Vermutlich hat Jens in Grimms Wörterbuch nach „Hand“ etwas weitergeblättert, und ist auf den folgenden Eintrag gestossen:
„HANDBIETUNG, f. reichung der hand zur unterstützung, hülfeleistung, nach die hand bieten sp. 352: einem handbietung tuhn, juvare aliquem, opitulari alicui STIELER 180; gott hat keinem menschen alle gaben gegeben, und wil, das einer des andern handbietung dankbarlich erkennen solle. BUTSCHKY Patm. 523; das er (der epheu) die beume umfähet, und als eine schwachgestengelte pflanze, durch ihre handbietung empor strebet. 707; mit gesamter handbitung. hd. kanzl. 109.“
Dieser Eintrag klinget derartiglich altherthümlich, dasz das hiero passende Nomen nicht einmal mehr allen Dialektsprechern bekannt ist, und daher noch viel weniger den Dudenredakteuren. Aber auch hier haben wir nur Angaben zu „Hilfeleistung“ und nichts aus dem Bereich Verhandlung und Friedensangebot. Um das zu finden müssen wir wohl nochmals über die Bücher ( http://www.blogwiese.ch/archives/188 ).
April 22nd, 2008 at 9:58
„dareichen“ ist sicher nur ein Tippfehler, ODER? Denn es wird „dar gereicht“ und nicht „da gereicht“!
[Anmerkung Admin: Danke für den Hinweis, werde es gleich ändern]
April 22nd, 2008 at 10:47
Es war früher üblich einen Vertrag oder eine Vereinbarung per Handschlag abzuschliessen.
Wenn man also Hand bietet, so bedeutet das; ich bin bereit mit Dir eine Vereinbarung abzuschliessen.
Für mich hat „Hand bieten“ nie die Bedeutung von alturistischem Helfen, sondern ich verwende diesen Ausdruck nur, wenn auch ein Eigeninteresse mitspielt (d.h. wenn eben eine Vereinbarung abgeschlossen wird).
April 22nd, 2008 at 12:45
Jetzt bin ich aber verwirrt! Ich hatte gemeint, dass es „darreichen“ heißen muss, nicht „dareichen“. „dar gereicht“ sollte lediglich die Richtigkeit der von mir gemeinten Schreibweise belegen.
Vielleicht Haarspalterei meinerseits, aber hier geht’s doch wohl auch um Schreibweisen! Und „dar gereicht“ ergibt doch an der gesetzten Stelle keinen richtigen Sinn???
April 22nd, 2008 at 12:46
Oder doch? 🙂
April 22nd, 2008 at 13:56
@Phipu
Vorab noch diese: In Westernfilmen wird mit Revolvern duelliert und nicht mit Pistolen. Allgemein wurden sogen. Duellpistolen verwendet, die i.d.R. Einschüssig waren und „keine Trommel“ hatten. Solche drehbare Trommeln haben eigentlich nur die Revolver (lat. „revolvere“ = weiter drehen). I.d.R.: Pistole: ein Lauf mit einer Ladungs-/ bzw. Patronenkammer, später mehrpatroniges Stangenmagazin vor oder im Griffstück, Revolver: ein Lauf mit einem Trommelmagazin mit mehreren Ladungs- bzw. Patronenkammern. Jedoch kann ein „Pistolero“ auch Revolver besitzen und so mancher „Revolverheld“ hat mit Pistolen geschossen.
Bei der Sache mit „Hand bieten“ kann man sich nicht so richtig vorstellen: Die Sprachheiligen Grimm haben hierzu nichts eindeutiges geschrieben? Doch, im Steinbruch der Worte kann unter lauter Sprachschutt folgendes finden:
HAND, Hier: Hand bieten: siehe hier unter II.) 5.) a.):
5) hand ist auch die helfende, unterstützende…..
a) jemandem die HAND BIETEN, hilfreiche hand bieten: der uns so oft in verzweifelten sachen die handt hat botten und auszgeholfen…..die gesetze verbinden mich, bemeldter witwen hülfreiche hände zu bieten…..
Im Kontext mit „Hand bieten“ ist es eigentlich eindeutig ein helfender und unterstützender Aspekt erkennbar.
Das sich in Laufe der Jahrhunderte verschiedene Sinninhalte ausgebildet haben kann man bei dem GWB nachlesen.
Passend zum o.g. „Hand bieten“ ist beim „bieten“ auch diesmal:
BIETEN:
1) bieten = reichen, geben. beut her deinen finger!…..die hände einander zu etwas bieten, zum zeichen der freundschaft, versöhnung und geschlossenen eh…..,
Als einen gewissen Kontrapunkt kann man hierzu die Aussage bewerten: „Schwert bieten“, also die Zusammenkunft zweier Streithansel unfriedlich, unversöhnlich und im Zeichen der Waffen lösen.
Nach altritterlichem Sittenkodex muss dann der Sieger dem sterbendem Verlierer zum versöhnlichen Ende seine „Hand bieten“.
April 22nd, 2008 at 16:33
Hand bieten = unterstützen, seelisch und moralisch, dahinter stehen, eben nicht den Fuss bieten, sondern die Hand.