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Rüsseln Sie auch gern einmal? — neue alte Schweizer Lieblingstätigkeiten

  • Basel für Anfänger
  • Wir lasen im Tages-Anzeiger vom 18.04.07, einer Zürcher Zeitung, einen Bericht über Basel, „erklärt für Anfänger (zum Beispiel Zürcher)“:

    Auch wenns die übrige Schweiz noch nicht gemerkt hat: Basel ist der Nabel der Welt. Und darum dreht sich alles. Ganz speziell der Basler. Das hat mit provinziellem Chauvinismus nichts zu tun – das ist ganz einfach die grosse Liebe zu einer Kleinstadt, die keine kleine Stadt, sondern ein grosser Zustand ist. Natürlich rüsselt der Besucher auf den ersten Blick: «Ums Himmels willen – derselbe Mief wie überall. Und nicht mal ein See. Sind die durchgeknallt – wo ist hier das Besondere?» Ja hallo! Das besondere sind w i r – und der Rest ergibt sich dann.

    In Basel baden die Menschen noch im Rhein. Unterhalb von Basel können sie dann Fotos entwickeln im Flusswasser, weil alle notwendigen Chemikalien vorhanden sind, so sagt man. Wenn im Juni die Fussballfans aus ganz Europa am Basler Rheinufer auf den Grossleinwänden beim „Public Viewing“ dabei sind, besteht erhöhte Absaufgefahr. Denn die Strömung ist beachtlich, und man sollte sich nur nüchtern und mit guten Schwimmkenntnissen ins Wasser trauen. In Bern besteht die gleiche Sorge. So manch Schwimmer, der sich nicht auskennt, könnte es dort elegant bis zur Staustufe ziehen, und ab dafür.

  • Wer rüsselt denn da?
  • Wir entdeckten in dem Bericht des freundlichen und weltoffenen Baslers das hübsche Verb „rüsseln„. Es findet sich bei Google-CH 364 Mal in der Schweiz.

  • Schlafen oder Drogen nehmen?
  • Während es in Deutschland eher als Nomen für das lange Nasenstück eines Elefanten üblich ist, bedeutet es im Nachbarland Österreich „schlafen“:

    Sprache in Österreich "rüsseln"
    (Quelle: Ostarrichi.org)

    Ein deutsches Wörterbuch sieht darin ein Wort für den nasalen Konsum von Drogen:

    Wenn man Drogen nasal konsumiert, dann spricht man von „rüsseln“.
    (Quelle: Sprachnudel.de)

    Unser Duden kennt zwar „Rüssel“ als Nase des Elefanten, auch rasseln oder rischeln, aber beim Verb „rüsseln“ streikt er. Dafür ist dann Grimm wieder umso ausführlicher

    RÜSSELN, verb. den rüssel brauchen.
    (…)
    3) übertragen, transitiv, mit dem acc. der person, einen rüsseln, reprehendere, increpare STIELER 1595: ich wils nit leiden, dasz H. G., weil er sonst mit nicht nichts kan auszrichten in unsere juristen brewen, dasz sie mich rüsseln und mir vorschreiben, was ich predigen sol. LUTHER tischr. 422a; du hast mir trewlich gedienet, in deinem regiment sind vil feiner knaben erzogen, viel schöner predigt geschehen und du hast dich offt drüber müssen rüsseln und dir die ohren reiben lassen, jetzt schenke ich dir den ehrenkranz. MATHESIUS hist. (…)
    Quelle: Grimms Wörterbuch)

    Von spezifisch „schweizerisch“ lesen wir da nichts, im Gegenteil, sogar ein Luther-Zitat findet sich in der Liste! Warum sich das Verb „rüsseln“ gleichwohl nicht im Duden findet? Es scheint in der Standardsprache abgelöst worden zu sein von „rüffeln“ = jemanden einen Rüffel /Tadel erteilen. Wie schon früher bei anderen Wörtern beobachtet, bleibt dieses Verb in aktiver Form in der Schweiz erhalten, während es im restlichen deutschen Sprachraum durch „rüffeln“ ersetzt wurde. Nur, ob man durch einen „Rüffel“ auch schnaufen kann?

    Mit einem ziemlich berühmten Rüssel eines Elefanten, der einst durch Loch Ness schwamm, wird zur Zeit auch für die geheimnisvolle Urschweiz von der SBB Werbung gemacht.
    Nessie oder ein Elefant beim Baden?
    (Quelle Foto: Travelpod.com)

    Die Ähnlichkeit zwischen dem Originalbild von Loch Ness und einer bestimmten Ecke des Vierwaldstättersees ist verblüffend:
    Urschweiz Werbung SBB
    (Quelle: sbb.ch)

    

    6 Responses to “Rüsseln Sie auch gern einmal? — neue alte Schweizer Lieblingstätigkeiten”

    1. Adrian Says:

      Die Ähnlichkeit mit einer bestimmten Ecke des Vierwaldstättersees ist nicht verblüffend. Was manche jüngere Schweizer und natürlich Ausländer nicht wissen ist, dass wir ihm Vierwaldstättersee tatsächlich mal ein Urviech hatten, sogenannt Urnie. Es hat die Nachrichten und die Schweiz einige Zeit in Aufruhr versetzt bis es sich herausstellte, dass sich jemand einen Streich mit einer Attrappe erlaubt hatte.

      Gemäss Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Teleboy war das 1976 ein Streich durch die legendäre Sendung Teleboy. Für Deutsche bekannt dürfte der damalige Moderator sein, Kurt Felix.

    2. solanna Says:

      Rüsseln bedeutet motzen, kritisierend reklamieren über etwas oder einen Zustand, aber nicht unbedingt konkret an jemanden gerichtet. Man kann ganz allein vor sich hin rüsseln, aber auch lauthals an eine unbestimmte Öffentlichkeit gerichtet.

      Für Elefanten bedeutets wohl etwas anderes …

    3. Thomas Says:

      rüsseln und rüffeln haben einen entscheidenden Unterschied:
      rüsseln ist schlicht und einfach motzen, nörgeln, poltern, dumm, blöd kritisieren, meist über eine Sache.
      Wenn du dich morgen um 08 Uhr über den Regen beklagst, den es haben wird, dann kannst du über das Seichwetter ‚rüsseln‘.
      Rüffeln ist hingegen jemanden tadeln.

    4. Fanki Says:

      rüsseln oder rüssle steht für reklamieren, motzen etc.
      Ich kenne rüsseln als Begriff, wenn jemand sich schon wieder beschwert.
      Gut möglich, dass der Elefant mit seinem Rüssel laute erzeugt, die man in etwa gleich gerne hört, wie wenn jemand rüsselt.

      Fanki

    5. dampfnudle Says:

      Rüffeln bedeutet, jemanden tadeln. Man erteilt ihm einen Rüffel (was immer das bildlich sein könnte).

      Rüsseln ist vor sich hin reklamieren über etwas, das man nicht selber ändern kann.

    6. pit vo lissabon Says:

      in basel rüsselt man weniger. aber bei einem giftigen kommentar findet man hat der oder die schon wieder einen dummen rüssel.